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Georg Danzer - Sonne und Mond: Rückblicke und Einblicke
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eBook309 Seiten4 Stunden

Georg Danzer - Sonne und Mond: Rückblicke und Einblicke

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Über dieses E-Book

Am 7. Oktober 2021 wäre der österreichische Song-Poet Georg Danzer 75 Jahre alt geworden.

Seine Lieder sind bis heute gerne gehörte Evergreens, denen vielfach eine nahezu magische Zeitlosigkeit innewohnt. Prof. Franz Christian Schwarz, der langjährige Manager und beste Freund von Danzer, und der Autor Andy Zahradnik führten für dieses Buch zahlreiche Gespräche mit Freunden und Wegbegleitern, die mit Danzer über seine Musik, seine Arbeit als Künstler verbunden waren. Wolfgang Ambros, Marianne Mendt, Ulli Baer, Peter Cornelius, Hans Theessink, Andy Baum, Rainhard Fendrich, die Filmemacher Rudi Dolezal und Rudolf Klingohr, der Journalist Christian Seiler und andere kommen zu Wort. Persönliche und ideelle Weggefährten wie die Liedermacher Ernst Molden und Der 'Nino aus Wien' Mandl, der Literat und Philosoph Franz Schuh, Halluzination Compañero und Szene-Legende Vickerl Adam, Birgit Denk, Sohn Andreas Danzer u. v. a. teilen in diesem Buch ihre Erinnerungen, sprechen über die Bedeutung und den Einfluss Danzers auf mittlerweile zwei Generationen Austropop.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum22. Sept. 2021
ISBN9783800082162
Georg Danzer - Sonne und Mond: Rückblicke und Einblicke

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    Buchvorschau

    Georg Danzer - Sonne und Mond - Franz Christian Schwarz

    Sonne und Mond oder Rückblicke und Einblicke

    Sterne strahlen selbstständig und nicht umsonst werden im Showgeschäft die wirklichen Größen gern „Stars genannt. Der Mond wiederum, so hell er uns auch erscheinen mag, er leuchtet, weil er das Licht, das uns die Sonne nachtsüber verweigert, „reflektiert.

    Als Star hat sich Georg Danzer selbst nie gesehen. Im Gegenteil. Es war ihm immer unheimlich, wenn Menschen ob ihrer Begeisterung für Künstler:innen diese unreflektiert überhöhten. Dass er jedoch von vielen seiner Fans als Star gesehen wurde, nahm er als eine die Karriere begleitende Tatsache hin. Danzer war Sonne und Mond in einer Person. Er wollte selbst nicht der strahlende Stern sein, war es aber, weil seine Kunst eine besondere Strahlkraft hatte. Es ging ihm dabei so wie dem Mond: Wenn es finster zu werden droht, hell leuchten – auf Umwegen.

    Im Jahr 2002 erschien ein Live-Doppelalbum Danzers mit dem Titel „Sonne und Mond. Die parallel dazu veröffentlichte DVD hieß „Sonne, Mond und Sterne. Es war eine von Blacky mit viel Feingefühl ausgesuchte Liedersammlung aus unterschiedlichen Live-Konzerten anlässlich des 30-jährigen Bühnenjubiläums von Georg Danzer. Untertitel: „Lieder und Geschichten. Mit dem Titel „Sonne und Mond beschrieben Danzer und Schwarz mit nur drei Wörtern wohl am treffendsten das künstlerische Tun des Singer-Songwriters. Danzer, der Schöpfer von Liebesliedern, der aber auch sozialkritische Themen anpackte. Danzer im Wiener Dialekt ebenso wie in Hochsprache singend. Humorig und ebenso traurig. Schmutzige und feinfühlig-erotische Lieder schaffend. Was auch immer er tat, er blieb dabei in seinem Kosmos. Berufliche Höhen und Tiefen veränderten den Menschen Danzer kaum. Er blieb immer sowohl Sonne als auch Mond.

    Wir haben diesem Buch daher den Titel „Sonne und Mond" gegeben. Als Sonne sehen wir die Rückblicke und der Mond soll die Einblicke darstellen. Zwischen den Gesprächen in Teil 1 und Teil 2 des Buches ist einige Zeit vergangen. Es waren fast sechs Jahre. Natürlich war die Verlockung groß, die ersten Gespräche nach dieser längeren Zeit zu überarbeiten, aber wir haben uns dann klar dagegen entschieden. Es wäre uns wie ein Eingriff in die Vergangenheit vorgekommen, denn die schriftliche Wiedergabe von Gesprächen ist immer auch mit einem Zeitstempel versehen. Es ist wie bei einer Fotografie. Das Festhalten eines Moments. Da später wieder daran herumzuschrauben, wäre gleichbedeutend mit der Entzauberung des ursprünglichen Moments, eine Retusche, ja, vielleicht sogar eine Übermalung und damit kein Original mehr.

    Der zweite Teil unterscheidet sich vom ersten insofern deutlich, als er in einer Zeit entstanden ist, wie sie die meisten von uns so noch nie erlebt haben. Sie wissen, wovon wir schreiben, es begleitet, ja, verfolgt uns noch immer täglich. In unserem Leben mussten wir plötzlich von einem Tag auf den anderen die Handbremse anziehen. Selbst wenn uns nichts lieber wäre, als einfach unter diesem Thema durchzutauchen, hat es die Arbeit an diesem Buch – unangenehmerweise – begleitet. Aber so ging es nicht nur uns beiden, sondern auch Ihnen, liebe Leser:innen, ging es wahrscheinlich nicht viel anders. Es war, wie es war, und es ist, wie es ist.

    In diesem Sinne verbleiben wir mit einem Textzitat von Georg Danzer: „Aber was soll’s, ich lebe auch so."*

    Franz Christian „Blacky" Schwarz und Andy Zahradnik

    * aus „Aber was soll’s", Keine Angst (1991)

    Die Vertreibung aus dem Paradies

    „I read the news today, oh boy, about a lucky man who made the grade … (Zitat aus „A Day in the Life von den Beatles, zu hören auf „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band")

    Als ich 1963 zwischen siebzehn und achtzehn war, hatte ich eine grandiose Idee. Warum sollte ich nicht versuchen, die Gedichte, die ich zu jener Zeit schrieb, zu Liedern umzuwandeln, indem ich mir auf der Gitarre ein paar Harmonien zusammensuchte und dazu eine textgerechte Melodie erfand? Ich war ein eifriger Hörer der Beatles und dachte mir, dass es doch nicht so schwer sein konnte, etwas Ähnliches wie diese vier jungen Männer aus Liverpool zu machen. Das war mein Einstieg in die Musik, oder besser gesagt, ins Liederschreiben. Dabei ist es bis heute geblieben. Ich bin Liederschreiber.

    Nun ist es so, dass man mit sehr unterschiedlichen Ansprüchen ans Liederschreiben herangehen kann.

    Die erste Frage, die sich mir damals immer stellte, war die nach dem Inhalt. Es war mir natürlich klar, dass man über nichts schreiben konnte, wovon man nichts verstand. Dem entsprechend war meine Themenauswahl stark eingeschränkt, denn ich verstand von vielem nichts. Ich musste mir eine eigene Welt schaffen, eine unendliche Landschaft der Phantasie, einen inneren Erdteil, einen selber erträumten Kosmos. Es interessierte mich von Anfang an wenig, wer das, was ich mir ausdachte, nachempfinden konnte. Ich komponierte für mich, ich schrieb für mich, ich dachte selten darüber nach, welche Konsequenzen das, was ich da tat, haben würde. Das war ein paradiesischer Zustand, ein zeitloser Moment der Unschuld.

    Ich ahnte aber auch, dass irgendwann die Vertreibung aus dem Paradies stattfinden musste. Noch aber hatte mich die Schlange nicht in Versuchung geführt und der Baum, an dem der Apfel der Erkenntnis hing, lag vorerst unsichtbar im Nebel verborgen.

    Ich schrieb über verlorene Lieben, die ich nie gehabt hatte, über gefundene Tagträume – am Wegesrand meines Daseins aufgelesen –, die jemand anderer achtlos weggeworfen hatte. Ich bastelte mir erdachte Junggesellenmaschinen aus dem Müll jener Zeit, durch die ich segelte wie einst Odysseus auf der Suche nach der ersehnten Heimat. Ich war das hässliche Entlein auf dem Wege zum Schwan, und gleichzeitig der, der nie Mitglied in einem Klub sein wollte, der Leute wie ihn aufnahm.

    Über, unter und neben mir schmatzte und gluckste die Unsicherheit wie ein Sumpf, aber trotz aller Selbstzweifel fragte ich mich doch stets das Eine: Was habe ich zu sagen? Und: Ist es wahr, stimmt es wirklich, oder mache ich mir und anderen etwas vor?

    Oft trieb mich ein Gefühl an, eine Ahnung, deren Ursprung ich nicht kannte. Diese Ahnung verwandelte sich zu einer Melodie, die Melodie mündete in Wörter, die zuerst sinnlos dahin zu plätschern schienen, bis sie plötzlich einen Sinn ergaben. Dann floss schließlich alles ineinander und aus der Mitte entsprang ein Fluss.

    Manchmal las ich etwas, hörte ich etwas, und wollte darüber ein Lied schreiben. Insgesamt trieb ich in der Strömung dahin und es war gut so. Ab und zu fand ich mich wieder in einer kleinen Bucht am Ufer, wo das Wasser fast zum Stillstand gekommen war. Dort tümpelte ich eine Zeit lang vor mich hin, bis ich spürte, dass es mich wieder hinauszog in den großen Strom, weil ich fühlte, dass ich weiter musste und noch nicht dazu bereit war, mich den Sicherheiten einer gefundenen Nische auszuliefern.

    Die Vertreibung aus dem Paradies war längst geschehen, ohne dass ich es bemerkt hatte. Ich konnte nicht einmal mehr feststellen, wann und wo. Der Zeitpunkt hatte sich gut verkrochen hinter dem Erfolg. Er lag verborgen in der bereits von der Dämmerung verschleierten Vergangenheit.

    Es passierte zu vieles gleichzeitig, und manches, von dem ich mir stets innig gewünscht hatte, dass es passieren möge, passierte überhaupt nicht.

    So veränderte sich alles: ich, mein Leben, die Sehnsucht nach der Sehnsucht, die Liebe und die Lieben, die Freunde und die Freundschaften, die Gegenden, die Landschaft in mir und um mich, das Wissen, unumkehrbar wie der Verlust der Unschuld …. nur die Lieder sind mir das geblieben, was sie waren.

    Und immer noch stelle ich mir die Frage: Was habe ich zu sagen?

    Und: Ist es wahr, stimmt es wirklich, oder mache ich mir und anderen etwas vor?

    Aber da ist doch noch etwas hinzugekommen:

    Was sage ich und wem hilft es?

    Georg Danzer, April 2005

    „Georg, i brauch a Liad"

    Marianne Mendt

    Sommer 2014. Ein Sommer, der nie so richtig in Fahrt kam. Heiß. Kalt. Wechselbäder im Tagesrhythmus. Der 19. August war ein Dienstag. In Wien bei Hitze ins Auto gestiegen, zählte sich das Außenthermometer nahezu mit jedem Kilometer Richtung Norden nach unten. Ich im Hemd, und auf der Windschutzscheibe schoben die Scheibenwischer literweise das Wasser zur Seite. Ich war unterwegs nach Gars am Kamp. Niederösterreich, das romantische Waldviertel. In einer Stunde ist man von Wien aus am Hauptplatz der Marktgemeinde. Im 19. Jahrhundert war es ein beliebter Ort, um Sommerfrische zu tanken, und es zog damals viele Wiener ins Kamptal. Villen wurden gebaut, und diese prägen bis heute das Ortsbild. Gars hat etwas Romantisch-Vergängliches und das ergibt eine schöne, unhektische Stimmung. Der Fitnessprofessor Willi Dungl hatte in den 1980er-Jahren mit der Eröffnung seines „Bio Trainingshotels wieder eine illustre, durchaus auch prominente Gästeschar nach Gars geholt, allein, dem Projekt war nach dem Tod Dungls 2002 keine viel längere Zukunft mehr gegönnt. Heute heißt das Haus „la pura, – women’s health resort kamptal, und Männer haben da nichts zu suchen. Was ich nicht wusste, mich aber nicht davon abhielt, zu Marianne Mendt zu sagen: „Ich komme hin, wo auch immer du willst. Marianne schlug das Restaurant „la pura vor, und wie immer rief ich meine Frau an, um ihr zu sagen: „Ich fahre jetzt weg. Das ist so ein Ritual. Bei Abfahrt und Ankunft. Bin da, alles ist gut. „Wo triffst du dich mit ihr? „In einem Hotel, heißt ‚la pura‘. „Da darfst du nicht rein. Ist nur für Frauen. Nicht wahr! Wieso darf ich da nicht rein? Egal. Ausgemacht ist ausgemacht, und ich fahre nicht nach Gars, um wo nicht reinzudürfen. Im Restaurant war alles kein Problem. Es gibt da eine Ecke, wo sogar Männer etwas zu essen kriegen, und ich hatte nicht eine Sekunde das Gefühl, dass man mich hier nicht haben wollte. Vielleicht auch, weil außer mir niemand da war. Ich war eine gute Stunde zu früh. Wieder einmal. Mit dem Eintragen von Terminen habe ich so meine Probleme. Vertue ich mich in der Zeile, macht das gleich eine Stunde Unterschied. Aber egal, man muss das als geschenktes Zeitfenster sehen, als eine Stunde unerwarteten, genussvollen Müßiggangs.

    Draußen schüttete es, ich saß im Trockenen, an einem weiß gedeckten Tisch und dachte so vor mich hin. Marianne Mendt war meine erste Gesprächspartnerin für das Danzer-Buch. Blacky Schwarz und ich hatten eine Liste erstellt, bei wem wir gerne Erinnerungen an Georg hervorkitzeln würden. Es sollten Menschen sein, die mit Georg Danzer in unterschiedlichen Epochen seines Schaffens zu tun hatten, und da stand Marianne Mendt ganz oben am Zettel. Nach Gars war ich gekommen, weil Marianne hier seit 1983 ein Haus besitzt und nicht weil sie im „la pura" eines der Wohlfühl-Packages in Anspruch nahm. Nach Gars kam sie über René Reitz, Musikverleger, Musikproduzent der ersten österreichischen Popularmusikstunden und eine auf seine Art bunte Branchenlegende in diesem Land. René werden wir einige Seiten später besuchen, aber Marianne, das Haus, Georg … das zeigt sehr schön: So gut wie alles steht in diesem kleinen Österreich immer irgendwie miteinander in Verbindung. Das Land ist zu klein, als dass man sich in einer Szene nicht kennen und immer wieder über den Weg laufen würde. Wer sich mag, trifft sich, schließt Freundschaften, und diese Freundschaften gehen auch in den beruflichen Bereich hinein. Man arbeitet halt einfach lieber mit Menschen, die man kennt, da gibt’s keine wirklichen Hemmschwellen, und Kreativität gedeiht dann am besten, wenn sie einfach laufengelassen wird. Das geht im Freundes- und Bekanntenkreis besser. Keine Hemmungen, keine Schranken, raus mit dem, was in einem drinsteckt. Karin Reitz, die Frau von René Reitz, hatte dereinst ein Haus in Gars am Kamp geerbt und so wie Renés Wohnung am Judenplatz in Wien war auch dieses Haus oft Treffpunkt des Reitz’schen Freundeskreises, der sich in erster Linie aus Künstlern, Kreativen und Freigeistern zusammensetzte.

    Ende der 60er-, Anfang der 70er-Jahre war Marianne Mendt aus der Clique rund um Gerhard Bronner und der Fledermaus-Bar jene Künstlerin, die man heute mit dem Beginn der Dialektwelle in der Musik verbindet. „Wie a Glock’n erschien 1970, und seither ist Marianne die „Mutter des Austropop. Ambros, Danzer und die vielen anderen, sie folgten erst ab 1971, beginnend mit dem „Hofa. Obwohl Marianne Mendt ihr Herz immer schon dem Jazz verschrieben hatte, die „Glock’n im Big-Band-Sound daherkam und – abgesehen vom Dialektgesang – nichts mit dem zu tun hatte, was die besagten Herren taten, trägt sie diesen Titel und freut sich darüber.

    „Es ist ja eine Ehre, sagt sie, „und die Bezeichnung Austropop ist auch ganz in Ordnung.

    Ich habe zu Marianne sowohl eine Fern- als auch eine Nahebeziehung. Die Fernbeziehung stammt aus der Zeit, als ich das Land verließ und nach Mainhatten, die Bankenstadt am Main, zog. Zu dieser Zeit lief im ORF gerade der „Kaisermühlen Blues". Über 60 Folgen lang war die Serie, meine Nabelschnur zur Heimat. Ich ließ mir die einzelnen Folgen auf VHS-Kassette aufnehmen und bei meinen Wien-Besuchen holte ich mir dann die Bänder und schleppte sie nach Deutschland. Es tat mir gut. Da wurde über Semmeln gesprochen und nicht über Brötchen und, obwohl ich nicht an Heimweh litt, war es einfach schön, den vertrauten Zungenschlag zu hören. Marianne spielte in der Serie die Trafikantin Gitti Schimek und obwohl ich weiß, dass sie ihr Leben lang nichts anderes als singen, jazzen und schauspielen möchte, könnte ihr im nächsten Leben ein Platz hinter der Budel einer echten Wiener Tabaktrafik vom lieben Gott reserviert werden. Sie war in dieser Rolle einfach umwerfend authentisch. Solche Erinnerungen kommen halt auch dann auf, wenn man eine Stunde zu früh am Treffpunkt ist und Zeit zum Nachdenken hat.

    Marianne und Günzi tauchen im Restaurant auf. Günther Huber kenne ich vom Fernsehen. Also nicht vom Schirm, sondern als ehemaligen Mitarbeiter des ORF. Jahrzehnte hat er dort in verschiedenen Positionen verbracht, und – ich sage es gerne und immer wieder – ich habe viel von ihm gelernt. Auch darüber, wie eine große TV-Anstalt tickt. Wir haben zahlreiche Fernsehshows gemeinsam gestemmt und sind Freunde geworden. Günzi wiederum ist Freund und helfende Hand von Marianne. Mit seiner Huber Communication und Künstleragentur kümmert er sich unter anderem auch um das „MM Jazzfestival, Mariannes Herzensangelegenheit, das Fördern des heimischen Jazz-Nachwuchses. 2014 war Jubiläumsjahr. 50 Jahre Bühnenjubiläum und zehn Jahre Nachwuchsförderung. Zum Jazz ist sie damals gekommen, als ihr Papa eine Ella-Fitzgerald-Platte mit nach Hause gebracht hatte. Marianne war zwölf, und was da aus dem Hornyphongerät erklang, war die Initialzündung einer Flamme, die heute noch brennt wie am ersten Tag. Später tingelte sie mit einer Coverband durch Europa, spielte in Tanzlokalen, zum Dinner oder auf der Terrasse direkt am Wörthersee. „Wenn wir schon müde waren, beim Werzer in Pörtschach zum Beispiel, dann haben wir so gegen eins in der Nacht zu jazzen begonnen, denn dann dauerte es nicht mehr lange, bis die Leute ‚Zahlen!‘ gerufen haben, erzählt sie und lächelt dabei. „Mit dem Jazz hast du in Österreich in den 60er-Jahren das tanzende Schlagervolk nur sehr bedingt erreicht, aber für die Liebe muss man ja bekanntlich sein ganzes Leben lang kämpfen, und heute, wo sich die Situation schon anders darstellt als damals, ist es halt der Nachwuchs, für den es sich einzusetzen lohnt. War man doch selbst einmal Nachwuchs und weiß, wie schwer man es da hat."

    Marianne, die Künstlerin, und Gitti, die Trafikantin, schön, die beiden wiederzutreffen. Lunchtime in Gars. „Den Georg, sagt sie, „den habe ich damals, das war 1970, kennengelernt. Über Gerhard Bronner, die Fledermaus Bar und den Franzi Heller. Franzi Heller – André Heller ist es, der gemeint ist, und dass ihn bis auf einen einzigen meiner Gesprächspartner im Zuge dieser Buchrecherchen niemand André genannt hat, ist so herrlich wienerisch. Wenn einer als Francis Charles Georges Jean André Heller-Hueart geboren ist, dann nennt man ihn hier „Franzi". Und aus die Maus!

    „Georg ist damals viel mit dem Franzi unterwegs gewesen, und ich hatte schon das Gefühl, dass es der Franzi war, der das Zepter in der Hand hatte, denn der war immer schon ein begnadeter Redner. Georg schaute ein bissl zu ihm auf und war eher der Schweigsamere, Introvertierte, und es kam auch immer wieder vor, dass der Franzi ihm ‚die Wadln zurecht gerichtet hat‘, wie man in Wien sagt. Der Einfluss von Heller auf den Georg war auch gut, denn der hat Georg und sein Talent sehr geschätzt."

    Es war die Bronner-Clique. Gerhard Bronner schrieb für Marianne Mendt die „Glock’n und Heller produzierte ihre zweite LP. Reitz, Heller, Mendt – eine Musikerpartie, zu der auch Georg Danzer gestoßen war. Man musizierte, diskutierte, philosophierte und blödelte gemeinsam, zog durch die Stadt und landete danach oft in der Wohnung des René Reitz, wo die Nacht dem Tag das Zepter übergab. „Georg war auch oft bei René in Gars, und auch da fand ich, dass er eher verschlossen war. Wir haben nächtelang gepokert, unseren Spaß gehabt, erinnert sie sich. Die Freundschaft begann durch Georgs Gabe, Lieder spontan zu schreiben, die zu dieser Zeit wohl einzigartig in diesem Land waren. Georg Danzer war Texter und Komponist. Er dachte damals nicht daran, selbst auf die Bühne zu steigen. Er schrieb Lieder für Künstler, die gute Lieder brauchten. Für sich selbst – davon war nicht die Rede. „Da war er schlichtweg genial, sagt Marianne. „Wenn es geheißen hat: ‚Georg, i brauch a Liad‘, dann hat er dir am nächsten Tag fünf gebracht. Und die waren alle gut! Fünf neue Lieder. Keines davon aus der Schublade. ‚Komm alter Pianospieler‘ – das hat er unter anderem für mich geschrieben und was ihn auszeichnete: Er hatte die Gabe, auch weibliche Texte zu schreiben. 2000 schrieb er für uns beide das Duett ‚Wird scho werden‘, das dann auf meiner CD ‚Freunde und Propheten‘ erschienen ist. Oft war Georg Danzer bei den Plattenaufnahmen im Studio mit dabei. In der Wiener Rotgasse, wo Gerhard Bronner sein Studio hatte, oder im Bauch des Wiener Konzerthauses, wo das legendäre Austrophon Studio zu Hause war. Wie immer im Hintergrund, beobachtend, da und dort ein Wort korrigierend, wenn es sich gesungen weniger gut dargestellt hat als geschrieben.

    Als es dann mit „Jö schau losgegangen ist, ist die Clique auseinandergefallen. Danzer ging als Interpret auf Tour und es hatte ohnehin jeder viel zu tun. Der Kontakt blieb locker erhalten. Man traf sich in diesem Geschäft immer wieder. Bei TV-Auftritten, gemeinsamen Konzerten und Veranstaltungen, aber die Pokerrunden in Gars und lange Nächte in der Judengasse waren ab da Vergangenheit. „Ende der 80er-Jahre war der Georg wieder bei mir in Gars. Da ist er mit seinem Aufnahmegerät vorbeigekommen und wir haben bei mir daheim am Dachboden das Duett ‚Heasd Karli du bist a Wahnsinn‘ aufgenommen. Meinen Part, diesen Refrain, habe ich da aufs Band gesungen, und ich weiß noch, dass ich meinen Vater ein paar Mal gebeten habe, darauf aufzupassen, dass der Hund nicht bellt … Später sind wir uns immer wieder einmal über den Weg gelaufen. Im Kanzleramt (Restaurant in der Wiener Innenstadt, Anm.) hat er mir einmal erzählt, dass er jetzt aufgehört hat zu rauchen. – Wie das? Hätt’ ich nie gedacht, denn vorher hat er ja die Zigaretten nahezu gefressen. So wie wir alle hat er ja mit 13 zu Rauchen begonnen und so wie wir alle haben wir in der Zeit, wo wir unterwegs waren, geraucht wie die Wilden … Wir alle … bis auf den Franzi Heller, der hat nie geraucht.

    Der Kaffee wird serviert und Marianne rührt gedankenverloren im Milchschaum. „Wie er gestorben ist, daran kann ich mich noch gut erinnern, und heute drückt’s mich noch, wenn ich daran denke. Günther und ich, wir wollten uns die Barbra Streisand anschauen. Das Konzert beim Schloss Schönbrunn war für den 20. Juni 2007 geplant. Das war ein Mittwoch, aber da ist ein mordsmäßiger Sturm gegangen. Alles abgesagt. In dieser Nacht ist der Georg gestorben, und am 21. Juni wurde das Streisand-Konzert nachgeholt. Dieser Abend war für mich emotional sehr schwer zu verdauen. Ich weiß noch, es war grauslich kalt, der Wind ist gegangen und wie die Streisand begonnen hat ‚Somewhere‘ zu singen, war’s vorbei und ich habe nur mehr geheult … Da waren die Bilder wieder im Kopf, vom letzten Konzert in der Stadthalle, wo er mich auch eingeladen hat und ich mich riesig drüber gefreut habe. Angekündigt hat er mich mit ‚Frau Marianne Mendt!‘. Und was für eine positive Stimmung da unter den Künstlern geherrscht hat … Wir waren uns alle sicher, der packt das, der kriegt den Krebs in den Griff …"

    Marianne nimmt einen Schluck Kaffee und lehnt sich zurück. „Was vom Georg bleibt? Viel. Sehr viel. Natürlich seine Lieder, alles, was er geschrieben hat, das bleibt. Für mich, für andere, für sich … Für mich sind da auch die Erinnerungen an sein Engagement wie für S.O.S. Mitmensch, wo ich von ihm ja das Zepter, den Ehrenvorsitz, übernehmen durfte. Aber was für mich immer im Zusammenhang mit dem Georg die wichtigste Erfahrung sein wird: Seine G’scheitheit …, die bleibt auch vom Georg!"

    Der Regen hatte aufgehört, aber von Sonne keine Spur. Fette Wolken hingen über Gars, und als wir uns verabschiedeten, klang in mir dieses „seine G’scheitheit, die bleibt" nach.

    Als ich zum Auto ging, sah ich, dass es sich eine Katze vor meinem linken Vorderreifen bequem gemacht hatte. Es heißt doch immer, dass sich Katzen die Menschen aussuchen, mit denen sie dann leben werden. Nein, bitte nicht, nicht du! Die Katze war alt, richtig hässlich, ein räudiges Vieh, sah aus wie eine Klobürste und hatte einen grantigen Blick drauf, der mir zeigte, dass ich bei ihr nur der Dosenöffner wäre. Meine Katze hatte ich ein Jahr zuvor erst verabschiedet. Nach 15 Jahren inniger Beziehung mit der tollsten Katze der Welt war ich noch nicht reif für eine neue Liebe. Klobürste dürfte das gespürt haben und trottete davon. Ich fuhr vom Hof. Raus aus Gars. Nach einer Stunde war ich wieder in Wien.

    „Schurli, i hab dir immer g’sagt: Geh zur Post!"

    Norbert Ehrlich

    Es war die Frühzeit seiner Karriere. „Jö schau" war gerade der große Hit geworden und im österreichischen Liedermacherzirkus gab es kein spannenderes Duo als Ambros und Danzer.

    Die frische Musik, der Dialekt, das Erblühen der Popularmusik im Schnitzelland musste gemanagt werden. Professionell, denn da hatte sich ein Markt geöffnet, und brotlos sollte die Kunst ja auch nicht sein. Die wichtigste Agentur im Österreich der 70er-Jahre war die AMA mit Johann Hausner und Pipsi Fischer. Norbert Ehrlich kam 1975 als Dritter dazu. Hausner war Klagemauer und Manager von beiden: für den Wolfgang, für den Georg. Beide Musiker sind in der Zeit, in der sie von der AMA vertreten wurden, von Nachwuchskünstlern zu erfolgreichen, gestandenen Liedermachern/Austropoppern aufgestiegen. Dort kreuzten sich die Wege der Herren Ambros, Danzer und Ehrlich.

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