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Die Heroldin von Istra - Drachenerz: FANTASY-ROMAN, #3
Die Heroldin von Istra - Drachenerz: FANTASY-ROMAN, #3
Die Heroldin von Istra - Drachenerz: FANTASY-ROMAN, #3
eBook441 Seiten5 Stunden

Die Heroldin von Istra - Drachenerz: FANTASY-ROMAN, #3

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Über dieses E-Book

Trilogie 1 Teil 3 – Drachenerz
Catrins zjhonischer Erzfeind begibt sich auf die Suche nach noch größerer Macht, um die Welt zu knechten, während sich die Lage in Härrenfaust weiter zuspitzt. Längst in Vergessenheit geratene Kreaturen bedrohen die Gefährten, und ein uraltes Bündnis beginnt, neu zu erblühen.
 

SpracheDeutsch
HerausgeberAuthorLoyalty
Erscheinungsdatum20. Juni 2021
ISBN9781649470652
Die Heroldin von Istra - Drachenerz: FANTASY-ROMAN, #3

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    Buchvorschau

    Die Heroldin von Istra - Drachenerz - Brian Rathbone

    Besonderer Dank

    gilt den fleißigen Korrekturleser*innen

    Sieglinde, Katharina und Axel

    Ein Bild, das Karte enthält. Automatisch generierte Beschreibung

    Die Heroldin von Istra – Drachenerz (Trilogie 1 Teil 3)

    Aus dem Englischen von David Hollmer

    Prolog

    Eine Vielzahl grüner Algen, zwischen denen sich Flächen aus weißem Sand in kräftigem Kontrast abhoben, wogte und schimmerte friedsam unter der klaren Wasseroberfläche. Der Verstohlene Hai glitt so still durch die ruhige See, dass er seinem Namen alle Ehre machte. Am Bug des Schiffs standen Jago und Fasha und sahen gebannt in die Ferne, wo der Komet einen rötlichen Schimmer hinterließ.

    Je länger Jago von Catrin weg war, desto weniger gefiel ihm ihr Plan. Bruder Vaun hatte zu seinem Wort gestanden und Himmel und Erde in Bewegung gesetzt, um Fasha  sein Anliegen mitzuteilen, doch jetzt, wo er bereits seit über einer Woche mit ihr segelte, schien sein Ziel immer unerreichbarer. Die Südküste der Glorlande erstreckte sich endlos, und anders als auf den Karten gab es keine Markierungen, die anzeigten, wo Faulk endete und die Westliche Lande begann.

    »Die Südküste der Westlichen Lande ist weniger bewohnt als die von Faulk«, sagte Fasha. »Dort gibt es Orte, an denen wir auf sie warten können.«

    Jago nickte nur, doch insgeheim wusste er, wie unwahrscheinlich es war, dass er Catrin so schnell wiedersehen würde. Während ihrer Reise die Küste entlang, hatten sie an kleinen und versteckten Docks angehalten, um ihre Ladung aufzustocken, und was sie dabei aufgeschnappt hatten, war absolut eindeutig gewesen. Die im südlichen Faulk gefundene Statue von Terhilian war mit einem Lastkahn nach Natternburg gebracht worden, und vor kurzem war eine weitere Statue in der Westlichen Lande gefunden worden.

    Die Situation war also aussichtslos. Catrin musste zunächst einmal nach Natternburg gelangen, und selbst wenn sie es schaffte, unbehelligt und rechtzeitig dort anzukommen, musste sie dann noch inmitten der zum Bersten vollgestopften Hauptstadt der Zjhon die Statue zerstören, ohne selbst dabei draufzugehen. Und dann sollte sie es noch zu ihrem Treffpunkt in die Westliche Lande schaffen? Jago war hin- und hergerissen, was er angesichts dieser Lage tun sollte. Die Hoffnung gänzlich aufzugeben, stand natürlich nicht zur Debatte, doch sollte er weiter an dem ursprünglichen Plan festhalten oder das tun, wozu sein Bauchgefühl ihm riet, und ihr helfen gehen? Eine Frage, über die er seit einer gefühlten Ewigkeit nachgrübelte.

    Doch was, wenn sie es wie durch ein Wunder doch zum Treffpunkt schaffte, und er dann nicht da war? Er musste warten. Eigentlich hatte er keine andere Wahl. Sie verließ sich schließlich auf ihn.

    Nur einen einzigen Augenblick später änderte sich seine Einstellung jedoch schlagartig. Ein blendend grüner Lichtblitz erhellte den Himmel bis über die Küste, und der Knall, der nur wenige Momente später folgte und langgezogen und verzerrt über die See hallte, erschütterte ihn bis ins Mark.

    »Mögen die Götter uns gnädig sein«, hauchte Fasha kraftlos. Jagos Beine wurden weich. Gebannt betrachtete er das Lichtspiel der Explosion und klammerte sich an der Reling fest.

    »Das kam aus der Westlichen Lande, oder?«

    »Unbestreitbar.«

    »Dann wird die zweite Statue von Terhilian ...«, begann er, doch wagte es nicht, seinen Satz zu beenden.

    »... nicht mehr lange auf sich warten lassen«, vollendete Fasha den Satz an seiner statt.

    »Ich muss so schnell wie irgend möglich nach Natternburg!«

    Fasha blickte weiter gebannt auf den verfärbten Himmel. Sie schwieg so lange, dass Jago sie bereits schütteln wollte, dann wandte sie sich ihm jedoch direkt zu und stellte fest: »Du musst Madra finden. Wenn jemand weiß, wie es zu bewerkstelligen sein soll, rechtzeitig nach Natternburg zu kommen, dann sie.«

    Kapitel 1

    Der gerissene, alte Fuchs ist nicht gerissen, weil er ein Fuchs ist, sondern weil er alt ist.

    -Javid Frederick, Farmer

    Benommen blickte Catrin in die ewige Weite und fragte sich, ob sie tot war. Jedenfalls konnte sie keines ihrer Glieder fühlen und spürte auch sonst nichts. Ihr Körper hatte versagt. Er war schlichtweg nicht in der Lage gewesen, dieser übermenschlichen Belastung auch nur einen Augenblick länger standzuhalten. Dennoch fühlte sich ihre Situation nicht vollkommen nach Tod an; irgendetwas war da noch, auch wenn sie nicht in der Lage war, es zu definieren. Rief da jemand? Zumindest kam es ihr so vor. Und fast war es so, als ob diese Rufe ihr galten und nach ihrer Aufmerksamkeit verlangten. Still und in weiter Ferne waren sie, die Rufe, und doch laut genug, dass Catrin sie nicht völlig abstreiten konnte.

    Es war wie ein Juckreiz am Rücken, der an einer unerreichbaren Stelle lag.

    Und dieser Juckreiz wollte sich einfach nicht beruhigen und verlangte mehr und mehr danach, endlich von ihr beachtet und gekratzt zu werden. Angetrieben von diesem nörgelnden Verlangen versuchte sie erneut, sich zu regen. Es klappte nicht. Das typische unangenehme Kribbeln von Muskeln, die zu lange weder bewegt noch durchblutet worden waren, war das einzige, das sie wahrnahm. Erneut versuchte sie, ihre bleischweren Glieder zu bewegen, doch sie weigerten sich, ihrem verzweifelten Befehl Folge zu leisten. Unfähig, sich in irgendeiner erdenklichen Weise zu bewegen, versuchte sie, die Augen zu öffnen, doch ihre Augenlider glichen Türen, denen man den Riegel vorgeschoben hatte. Catrin gab nicht auf. Ihre Augen mussten jetzt aufgehen! Unnachgiebig kämpfte sie gegen die Schwere ihrer Lider an. Erleichterung überkam sie, als der schmalste aller Spalte an grellem Licht an ihr Auge drang. Nur Augenblicke später schlossen sich ihre Lider jedoch wieder.

    »Benjin!«, versuchte sie durch ihre ausgetrockneten Lippen zu rufen, doch hörte sich nur ein tonloses »mhhmh« murmeln.

    »Einen Moment, meine Liebe«, sagte ein Fremder. »Er wird gleich bei dir sein. Tagelang hat er sich gesträubt, von deiner Seite zu weichen; so lange, dass ihn selbst die Erschöpfung übermannt hat.« Eine weitere Person huschte aus dem Schatten und verschwand gleich wieder.

    Ihre Bemühungen, ihre Gesichtsmuskeln zu aktivieren, strengten sie im gleichen Maße an wie sie vergeblich schienen, aber Catrin ließ sich nicht unterkriegen, aus Angst, dass sie, wenn sie erneut einschlief, vielleicht nie wieder aufwachen würde. Es kostete sie all ihre Willenskraft, ihre Augenlider erneut zu öffnen, nachdem sie entgegen ihrer Bemühungen zugefallen waren, doch sie gab nicht auf. Jedes Blinzeln schmerzte, doch mit jedem Mal, mit dem sich ihre Augen schlossen und aufzwangen, wurde auch ihre Wahrnehmung ein wenig klarer.

    Als Benjin eintraf, fragte sie sich angesichts der Besorgnis in seinem Gesicht, wie schrecklich sie wohl aussehen musste.

    »Es tut gut, dich wach zu sehen, kleines Fräulein«, sagte er und versuchte, trotzt ihres offenkundig grausamen Zustands fröhlich zu klingen.

    Als Catrin zu antworten versuchte, schmerzte ihre ausgedörrte Kehle so sehr, dass sie krächzend hustete.

    »Wasser!«, forderte Benjin an den Fremden gewandt, der seine Besorgnis deutlich schlechter versteckte. Er füllte einen kleinen Becher und reichte ihn Benjin, der ihn vorsichtig an ihren Mund hielt. Sie ließ das wohlig kalte Nass über ihre Lippen fließen und nahm jeden einzelnen Tropfen erfrischend auf der Zunge wahr. Als das Wasser ihren Hals hinabrann, kitzelte es unangenehm und ließ sie erneut kehlig husten. Immerhin war ihr Rachen jetzt nicht mehr so trocken. Am liebsten hätte sie den ganzen Becher hinuntergegossen, doch Benjin gab ihr nur eine kleine Menge, bevor er den Becher beiseitestellte. »Kannst du reden?«

    »Ich denke ...«, begann sie mit schwacher Stimme, musste jedoch innehalten, um sich zu räuspern. »Ich denke schon.« Erneut musste sie husten. Diesmal jedoch fühlte es sich so an, als ob sich wirklich etwas in ihrem Hals gelöst hatte und sie nun freier atmen konnte. Allmählich kehrte auch ein wenig Gefühl zurück in ihre Glieder. Catrin war sogar in der Lage, ihren Arm zu bewegen. Kaum merklich und unter großen Schmerzen, doch die störten sie nicht. Als auch einer ihrer Finger zu zucken begann, nahm Benjin vorsichtig ihre Hand.

    »Du darfst nicht kratzen, egal wie sehr es auch juckt.«

    Catrin blickte an sich hinunter. Schichten toter Haut, geschält und rissig, umhüllten ihre Hand wie eine ausgetrocknete Schale, und ihre geschwärzten Fingernägel krümmten sich auf widerwärtige Weise von den Nagelbetten weg. Wie sollte sie jetzt nur weitermachen, mit ihrer Rolle als Heroldin? Mit einem derart geschundenen Körper? Und wer hatte ihr das angetan?

    Barabas!

    Der Name traft sie wie ein Schlag, der auf ihrer Stirn landete und ihren Geist wachrüttelte. Er hatte ihr das angetan. Sie war bereit gewesen, diese Welt zu verlassen, doch Barabas hatte sie nicht gehen lassen und sie zurückgeschickt. Ihr Zustand war seine Schuld, und sie hasste ihn dafür. Tränen füllten ihre Augen und kitzelten ihre Wangen. Sie wollte nach oben greifen, um sie abzuwischen, aber ihre Bemühung hatte nur ein kaum wahrnehmbares Zucken ihres Armes zur Folge. »Geht! Allesamt! Lasst mich einfach allein! Lasst mich in Ruhe!«

    Benjin runzelte die Stirn. Catrin nahm an, dass er widersprechen würde, doch dann nickte er nur. »Ja. Ruh dich aus, kleines Fräulein. Die Ruhe wird dir guttun. Wenn du das nächste Mal erwachst, wird die Welt schon ganz anders aussehen.«

    »Lasst mich einfach allein!«, wiederholte sie und hasste sich selbst für ihre Unfreundlichkeit.

    Die Wochen vergingen träge und schleppend, während Catrin sich erholte. Ihre schwarzen Fingernägel waren schließlich einfach einer nach dem anderen abgefallen und auch ihre Haut schälte sich allmählich ab.

    Nach und nach kehrte ihre Kraft zurück, und als Benjin sie heute besuchte, lächelte sie sogar.

    »Dürfte ich die Dame wohl um einen Spaziergang mit einem alten, schwachen Herren bitten?«, fragte er, und ihre Seele blühte auf. Der Gedanke, endlich aufstehen zu dürfen und im Sonnenlicht umherzuschlendern, begeisterte sie ungemein. Und sie war bereit – mehr als bereit! Benjin trat an ihre Seite und wollte ihr helfen, sich aufzusetzen, doch ihr Körper rebellierte. Die Welt bewegte sich mit einem Mal ganz unberechenbar und schwankte von einer Seite zur anderen, und auch ihr Magen protestierte spürbar.

    »Tief ein- und wieder ausatmen. Nur die Ruhe. Vielleicht hilft es dir, die Augen einen Moment zu schließen.«

    Es half nicht. Stattdessen versuchte sie, sich auf die offene Tür zu konzentrieren. Insbesondere auf die Angeln. Schließlich wusste sie, wie sie eigentlich auszusehen hatten. Jedes kleinste bisschen des Innenraums kannte sie in- und auswendig. So sehr, dass sie ihn auch vor Augen sah, wenn diese geschlossen waren. Mehr und mehr hörten die Türangeln auf, sich zu bewegen, und wurden immer klarer. Ein Sieg, der Catrin neuen Mut machte und ihr ein Lächeln auf die Lippen zauberte. Nach ein paar weiteren tiefen Atemzügen nickte sie Benjin zu. Sie war bereit. Vorsichtig half er ihr, ihre Füße am Boden abzustellen. Der kalte Stein fühlte sich grandios an. Sie wackelte mit den Zehen und wippte einige Male mit ihren Fußsohlen auf und ab, bevor sie sich sicher war, es versuchen zu wollen. Dann legte sie ihren Arm um Benjin, der in die Knie gegangen war, und drückte ihre Beine durch. Catrin lachte auf. Sie stand! Sie stand tatsächlich! Zwar spazierten sie nicht in der warmen Sonne, aber die wenigen, kleinen Schritte vom Bett weg und wieder zurück fühlten sich trotzdem wie eine großartige Errungenschaft an. Es war ein überragendes Gefühl, endlich – wenn auch nur für einen Moment – nicht mehr ans Bett gefesselt zu sein.

    Nachdem Benjin ihr zurück ins Bett geholfen hatte, reichte er ihr einen kleinen Spiegel. »Es wird womöglich eine Weile dauern, bis du dich an dein neues Ich gewöhnt hast«, warnte er vorsichtig.

    Als Catrin den Mut fand, in den Spiegel zu sehen, blickte eine Fremde zurück. Ihre Gesichtshaut war rötlich wie bei einem Neugeborenen und an einigen Stellen war die alte Haut noch nicht vollkommen abgefallen, doch es war ihr Haar, das ihr Tränen in die Augen trieb. Ihre Haare waren zwar noch immer relativ kurz und die Haarspitzen sahen aus wie immer, doch die Haarwurzeln waren so weiß wie Schnee.

    »Ich sehe aus wie eine alte Frau.«

    »So schlimm ist es nun auch wieder nicht«, widersprach Benjin, »und es ist womöglich nicht dauerhaft. Du siehst bereits sehr viel gesünder aus als noch vor ein paar Wochen. Möchtest du, dass ich dir die Haare schneide?«

    »Nein!«, entgegnete Catrin sofort. Sie drehte sich zur Seite und spürte, wie Tränen ihre Wange hinabrannen.

    Jeder Tag brachte neue Herausforderungen und neue Errungenschaften. Catrin trainierte sich selbst, wie sie auch ein verletztes Pferd trainieren würde, und brachte sich dazu, jeden Tag ein Stück weiter zu gehen, um Schritt für Schritt zu ihrer alten Kraft und Ausdauer zurückzufinden. Außerdem wurde sie auf den neuesten Stand gebracht, was die Geschehnisse auf Natternburg betraf. Barabas Leiche war nie gefunden worden, ganz so, als ob sein Körper gänzlich mit der Statue verschmolzen wäre. Morif, ihr Leibwächter, und Millie, die Zofe ihrer Großmutter, hatten Catrin und Benjin nach dem Kampf aus der Arena getragen und nach einem Versteck gesucht.

    Die Menschen hatten begonnen, sich gegen die Zjhon zu erheben, und die meisten innerhalb der Mauern von Natternburg waren geflohen. Ein wenig merkwürdig war die Information, dass Samda, ein zjhonischer Meister und ehemaliger Diener von Erzmeister Belegra sie aufgesucht hatte, während sie noch geschlafen hatte.

    »Er hatte nichts als Mitgefühl für dich übrig«, erklärte Millie und lächelte. »Er hat uns versteckt und in Sicherheit gebracht. Wir können ihm vertrauen.«

    Catrin fiel es schwer, ihr auch nur ein einziges Wort davon zu glauben. Wie konnte ein zjhonischer Meister ihr etwas anderes als den Tod wünschen? Dennoch hätte er sie töten oder einsperren lassen können, und das hatte er schließlich nicht getan. Er hätte sie der wütenden und verwirrten Menschenmenge überlassen oder dem Erzmeister eine Nachricht zukommen lassen können, doch auch das hatte er offensichtlich nicht getan.

    »Warum helft Ihr uns eigentlich?«, fragte sie ihn eines Tages geradeheraus.

    »Ich tat einfach, was ich für richtig hielt.«

    »Und als die Zjhon in Härrenfaust eingefallen sind, habt Ihr das für richtig gehalten?«

    »In der Tat. Damals tat ich das«, antwortete Samda und schlug die Augen nieder.

    »Aber das seht ihr nicht länger so?«, hakte sie nach, woraufhin er nur den Kopf schüttelte. »Was hat Euch dazu bewegt, Eure Meinung zu ändern?«

    »Viele Dinge, meine liebe Catrin: Die Explosion der Statue in der Westlichen Lande, Belegras Menschenverachtung gegenüber seinen eigenen Untertanen, und nicht zu vergessen, dass er sich weigert, sich einzugestehen, sich in vielerlei Hinsicht geirrt zu haben. Stattdessen entschloss er sich dazu, Lügen über dich zu verbreiten, und das konnte ich nicht dulden. Aber vor allen Dingen, werte Catrin, warst du es«, sagte Samda und sah ihr direkt in die Augen. Catrin sah weder Arglist noch Täuschung – lediglich tiefes Bedauern.

    »Ich war es?«

    »Es war bereits dein Auftreten, als die andere Statue explodierte. Ich konnte es mir selbst nicht gleich erklären, auch wenn ich es intuitiv bereits verstanden hatte. Es gab nur eine logische Schlussfolgerung: Wir hatten uns geirrt. Wir hatten die heiligen Schriften so interpretiert, dass sie ganz einfach aussagten, was in unserem Interesse lag. Kannst du dir vorstellen, wie es ist, plötzlich zu realisieren, dass so vieles, was deine Familie und Vorbilder dir beigebracht haben, grundlegend falsch ist? Es war wirklich nicht leicht, mir das einzugestehen, aber du hast meine Überzeugung ins Wanken gebracht – und wie Erzmeister Belegra reagierte, hat sie gänzlich einstürzen lassen. Er warf Leben weg, als wären sie wertlos, du hingegen hast selbst als Männer versuchten, deinem Leben ein Ende zu setzen und dabei starben, um sie getrauert.

    Zu diesem Zeitpunkt wollte ich es noch immer nicht wahrhaben, aber wie konnte ich es da noch weiter leugnen? Ich überlegte, mit den anderen zu fliehen, aber wohin hätte ich gehen sollen? Was hätte ich tun sollen? Wie hätte ich weiter mit mir selbst leben können, in dem Wissen, dass so viele Menschen wegen meiner Blindheit ihr Leben verloren hatten. Das war mir schlichtweg nicht möglich. Stattdessen musste ich einen Weg finden, um das Unrecht, zu dem ich mit beigetragen hatte, wiedergutzumachen. Und da wurde mir klar, dass ich alles tun musste, was in meiner Macht stand, um dir zu helfen. Ich hörte auf, zu denken, und begann, zu handeln. Ich brachte dich hierher, damit du in Sicherheit genesen kannst.«

    Hier entpuppte sich als ein Komplex von Höhlen und Tunneln tief unter Natternburg.

    »Es gab nur wenige in Natternburg, die wussten, dass es Katakomben so weit unten gibt, und von diesen bin ich der Einzige, der noch übrig ist«, erklärte Samda. »Der Rest hat entweder gemeinsam mit Belegra und seinen verbliebenen Wachen die Flucht ergriffen oder sich anderweitig aus dem Staub gemacht.«

    »Was ist mit Belegra? Wohin glaubt Ihr, ist er wohl geflohen?«

    »Ich vermute, dass die Ahnenlande sein Ziel ist«, antwortete Samda. »Ich war zwar in all seine Pläne eingeweiht, doch die Möglichkeit einer Niederlage, die Notwendigkeit einer Flucht, wurde nie in Betracht gezogen. Allerdings weiß ich, dass er alte Texte studiert und nach Quellen der Macht gesucht hat. Ironischerweise sprach er von deinen Kräften als abscheuliche Missbildung, und doch war es genau das, wonach er selbst mit immer unerbittlicherem Ehrgeiz strebte. Und wie du selbst gesehen hast, besitzt auch er ein gewisses Talent dafür.

    »Das Talent, zu nötigen und zu versklaven?«, fragte Catrin. Wut stieg in ihr auf.

    »In der Tat, unter anderem. Ich habe es selbst mit ansehen müssen.«

    Es war genau diese Macht, die Prios in Schach hielt und seine Freiheit verhinderte. Die Verbindung zwischen ihr und Prios war schwer zu verstehen, aber sie war in gewisser Weise mit ihm verknüpft, und sie verabscheute die Misshandlung, die ihm durch Erzmeister Belegra widerfahren waren. »Wer sind die Gestalten in den Roben, mit deren Hilfe er mich angegriffen hat?«

    »Sein Kader, so wie er sie nennt. Sie kommen aus allen Schichten der Bevölkerung, von Hochgeborenen bis zu Sklaven. Vor dem festgelegten Zeitpunkt der Rückkehr von Istra gab Belegra den Befehl, jeden, der Kräfte einer besonderen Art zeigte, zu ihm zu holen – notfalls in Fesseln. Ich weiß nicht, wie er gelernt hat, ihren Willen derart zu brechen und ihre Kräfte für sich zu nutzen, aber ich fürchte, er sucht nach noch größeren und gefährlicheren Geheimnissen in den Hallen der Alten.«

    Catrin wollte nach Prios fragen, aber sie vertraute Samda noch nicht vollkommen und beschloss, ihre Verbindung vorerst noch geheimzuhalten. »Ich dachte, Ahnenlande ist nicht viel mehr als ein Mythos, da niemand weiß, wo sie liegt?«

    »Ein Mythos? Keineswegs. Ich weiß es zwar auch nicht, doch ich bin mir sicher, dass Belegra es weiß. Er hat viel altes Wissen aus dem Dunkeln ausgegraben, das ist sein größtes Talent. Es wäre sogar möglich, dass er irreführende Informationen darüber niederschreiben hat lassen. Das ist bewährte Zjhon-Praxis. So konnten wir, ohne Gegenwehr erwarten zu müssen, in Härrenfaust einfallen. Vor Hunderten von Jahren besaßen nur wir Abschriften des uralten Textes, der den Zyklus der Kometen beschreibt. Damit das auch so blieb, fertigten wir neue Kopien an, füllten sie mit falschen Informationen, bearbeiteten sie, sodass sie viel älter aussahen, als sie waren und tauschten sie mit den Originalen aus. Nur sehr wenige wussten davon. Und über die Jahre wurde eine ganze Reihe davon gestohlen. Was ich damit sagen will, ist, dass wir, selbst wenn wir eine Karte auftreiben, ihre Quelle sehr sorgfältig überprüfen müssen.«

    Jetzt ergab so einiges Sinn. Benjin hatte einmal gesagt, die Berechnungen der Vestrana seien falsch gewesen, und nun wusste sie, warum. Alles hätte ganz anders ablaufen können, wenn sie nur die Wahrheit gewusst hätten.

    »Ich weiß nicht, was genau Belegra finden will. Eine Sache weiß ich jedoch ganz gewiss: Er glaubt an viele Legenden und Mythen, und unter anderem glaubt er auch, dass Henoch und Ain Giest tatsächlich noch am Leben sind ... und an Drachen.«

    »Drachen?«

    »In der Tat, Catrin, Drachen«, antwortete Samda und holte tief Luft. »Die Legenden besagen, dass Drachen der Quell unglaublicher Kräfte sind. Allerdings gibt es nur wenige Details, die man wirklich als wahr annehmen kann. Alles deutet darauf hin, dass es eine Zeit gab, in der Drachenkunde so allgemein bekannt war, dass sie gar nicht erst niedergeschrieben wurde. Daher gibt es in Bezug auf die Kräfte, die von Drachen verliehen werden können und auf welche Weise das geschieht, nur sehr, sehr wenige Hinweise – einer mehr vage als der andere. Das Einzige, was wir gewiss sagen können, ist, dass es eine Zeit gab, in der Mensch und Drache zusammengearbeitet haben – in welcher Manier auch immer.«

    Catrin stellte sich mächtige Zauberer auf den Rücken noch mächtigerer Drachen vor. Der Gedanke war gleichermaßen aufregend wie auch erschreckend.

    »Außerdem müssen wir annehmen, dass er nach den anderen Standorten der Statuen von Terhilian suchen wird.«

    »Was?«, fragte Catrin entgeistert. »Wie viele von diesen Monstrümmern soll es denn bitte noch geben?«

    »Unsere Recherchen ergaben, dass wir annehmen müssen, dass vier, möglicherweise sogar fünf Statuen verschüttet wurden, bevor sie explodieren konnten. Zwei können wir bereits abziehen, was dann mögliche drei dieser Monstrümmer überließe.«

    Drei Statuen, die womöglich überall in ganz Glorlande sein konnten – und auch explodieren konnten, selbst wenn sie unter der Erde begraben waren, wenn die istranische Strahlung erst stark genug werden würde. Und spätestens zum istranischen Sommer, wenn die Kometen die Nächte zum Tag werden lassen würden, wäre das vermutlich soweit. Frustriert wechselte Catrin das Thema. »Was ist mit den zjhonischen Armeen? Wo befinden die sich im Augenblick?«

    »Das kann ich nicht mit Gewissheit beantworten. Die Belagerung von Ohmafeste wurde höchstwahrscheinlich abgebrochen, da du nicht mehr dort bist, und abgesehen davon vermute ich, dass Belegra eine Vielzahl Soldaten um sich scharen wird, so schwach, wie er sich im Augenblick fühlen muss. Zusammen mit General Dempsys Männern ergäbe das, allein für die See betrachtet, eine gewaltige Armada.«

    »Trotzdem müssten sie den Großteil ihrer Soldaten zurücklassen, um Glorlande nicht zu verlieren, und was wäre jetzt eine bessere Aufgabe für sie, als sich Natternburg zurückzuholen?«, fügte Benjin hinzu.

    »In der Tat, und wir sollten nicht hier sein, wenn sie ankommen – aber wohin sollen wir gehen?«, fragte Samda, doch niemand hatte eine Antwort parat.

    Catrin war hin- und hergerissen. Ein Teil von ihr wollte nach Süden, um Jago zu treffen, wie sie es geplant hatten, aber ein anderer Teil wollte nach Rabensburg, und wieder ein anderer Teil wollte zurück nach Ohmafeste, wo der Rest ihrer Freunde wartete. Und abgesehen davon wäre sie gerne mit all ihren Freunden zusammen wieder in Härrenfaust, aber das war im Augenblick nun wirklich eine unerfüllbare Wunschvorstellung. Welchen Weg sie auch wählen würde, er würde gefährlich werden; welche Entscheidung sie auch traf, sie würde sich damit verletzlich machen. »Nach Süden«, sagte sie schließlich. Abgemacht war abgemacht.

    »Wegen der Armee, die wahrscheinlich aus dem Norden kommt, halte ich das für eine kluge Entscheidung«, stimmte Benjin zu. »Mit etwas Glück hat dein Cousin bereits eine Reise nach Ohmafeste arrangiert.«

    Samda hob eine Augenbraue, sagte aber nichts.

    Millie hingegen stand in der Ecke mit den Händen auf den Hüften. »Ihr würdet also Eure Großmutter ganz allein dem Zorn der Kytes aussetzen?«, fragte die Zofe mit forschem Unterton.

    »Ich kann immer nur an einem Ort zugleich sein. Und ich habe Jago versprochen, dass ich ihn treffen würde. Meiner Großmutter habe ich jedoch kein solches Versprechen gegeben. Sie wird sich also ein wenig gedulden müssen, aber ich verspreche, dass ich nach Rabensburg zurückkehren werde, sobald ich kann«, antwortete Catrin, doch Millie schürzte trotzdem die Lippen.

    Morif kicherte kehlig.

    »Was gibt es da zu lachen?«, fragte Millie mit bösem Blick.

    »Das Mädchen hat Feuer. Das muss man ihm lassen«, antwortete er.

    Millie verschränkte nur die Arme und warf wütende Blicke durch den Raum.

    »Gut. Dann ist unser unmittelbarstes Problem nun, dass wir irgendwie aus Natternburg herauskommen müssen«, stellte Benjin fest. »Und zwar nach Möglichkeit ungesehen.«

    »Ich wüsste da einen Weg, aber dazu sollten wir möglichst bald aufbrechen«, sagte Samda.

    »Fühlst du dich stark genug, um zu reisen, kleines Fräulein?«

    »Ja, das tue ich«, log sie, ohne ihn direkt anzusehen.

    Samda führte sie durch dunkle Gänge, und nur das spärliche Licht seiner Laterne wies ihnen den Weg. Catrin stützte sich auf ihren Stab. Ihre Finger ruhten in den Druckstellen, die ihr fester Griff während der Zerstörung der Statue hinterlassen hatte – sie erinnerten sie an die vielen Opfer, die es an diesem Tag gegeben hatte. Als Benjin ihr den Stab zurückgegeben hatte, war er fahl und brüchig gewesen, doch allmählich kehrte er zu altem Glanz zurück, sodass der Schein der Fackel bereits wieder ein schönes Spiel auf seiner Oberfläche bot.

    Nach einem schleppenden Zickzack durch Natternburgs Unterwelt stoppte Samda an einem Abschnitt, der nicht im Geringsten anders aussah als der Rest, und begann, mit den Händen die Wand abzutasten. Catrin klappte die Kinnlade herunter, als plötzlich eine geheime Tür wie von selbst aufschwang. Gerne hätte sie mehr über den Mechanismus erfahren, der dieses Kunststück zustande gebracht hatte, doch dafür war keine Zeit, und um ihre Sinne ausschweifen zu lassen, fehlte ihr die Kraft. Hinter der Tür führte eine schmale, grob gehauene Felstreppe in die Dunkelheit hinab. Eine kühle Brise trug den Geruch des Meeres hinauf, und auf den unteren Stufen war bereits das gelbliche Mondlicht zu erkennen, das über das dunkle Wasser tanzte. An einem alt aussehenden Steg lag ein kleines Segelboot, das gerade groß genug war, um etwa ein Dutzend Menschen aufzunehmen.

    »Nur sehr wenige wissen, dass dieser Ort existiert. Ich bezweifle, dass jemand den Ausgang beobachtet, aber wir sollten trotzdem so leise wie möglich sein«, sagte Samda.

    Sie bestiegen das Boot, holten die Leinen ein und paddelten mit den vier Rudern dem Mondlicht entgegen. Trotz ihrer Bemühungen, vorsichtig zu sein, knirschte es jedoch zweimal, weil sie an unter der Oberfläche befindlichen Steinen entlangschrammten, bevor sie offenes Gewässer erreichten, doch abgesehen davon waren nur die leisen Paddelgeräusche zu hören.

    Ein dünner, nebliger Dunst verdeckte jetzt die Sicht auf die Sterne und verlieh dem Mond einen gräulichen Farbton, so als ob der Himmel verdunkelt worden wäre. Dennoch stärkte das Licht entfernter Kometen Catrins müde Glieder. Zumindest ein wenig. Die Energie drang in ihre Knochen ein und schirmte sie so gegen den kühlen Wind, der von Westen her auffrischte. Die Segel spannten sich, und mit Benjins Hilfe brachte Samda das Schiff in tiefes Wasser, weit weg von beiden Ufern.

    »Es wäre gefährlich, mit einem so kleinen Boot zu weit hinauszufahren, aber ich denke, wir sollten bis auf Höhe von Waxenboro fahren, weil die Küste dort viel weniger bevölkert ist, bevor wir anlegen. Viel weiter sollten wir allerdings auch nicht. Südlich von Mahabrel wird die Binnensee viel gefährlicher, richtig unberechenbar. Mit einem Boot wie diesem wäre das der sichere Tod«, klärte Samda sie auf. Wie um seinen Standpunkt zu bekräftigen, warfen die wachsenden Wellen sie immer mehr herum und brachten den kleinen Kahn fast zum Kentern.

    Catrins gebrechlicher Körper zitterte noch immer ein wenig, doch die salzige Meeresluft, die sie mit tiefen Atemzügen einsog, fühlte sich herrlich an in ihren Lungen. Womöglich würde sie nie wieder in der Lage sein, viele der Dinge zu tun, die sie noch vor kurzem problemlos bewältigt hätte, aber sie war fest entschlossen, zumindest zu versuchen, wieder zu alter Stärke zurückzufinden. Barabas hatte ihr gesagt, dass ihre Arbeit noch nicht getan war. Sie musste also auf alles vorbereitet sein, was als Nächstes kommen könnte.

    Nach einem weiteren tiefen Atemzug fuhr sich Catrin aus alter Gewohnheit durch ihr Haar. Sie konnte nicht fühlen, wo das Weiß aufhörte und die verbleibende Farbe begann, aber sie wusste, dass es so war, und sie hasste das Gefühl. So konnte es nicht weitergehen. Entschlossen griff sie nach ihrem Messer und bat Benjin, ihr dunkles Haar abzuschneiden. An der Vergangenheit festzuhalten, hatte keinen Sinn, denn nur auf das Hier und Jetzt und die Zukunft kam es an. Das verängstigte, kleine Mädchen existierte nicht mehr; es durfte nicht mehr existieren. Sie war die Heroldin von Istra, und genauso stark, wie dieser Name war, würde sie sich von nun an auch verhalten. Mit nichts als Zuversicht und Zielstrebigkeit würde sie der Zukunft entgegensehen.

    Wie eine Opfergabe an das Meer war ihr Haar, das in die Wellen fiel und ihre Entschlossenheit besiegelte. Sie fühlte sich befreit und neugeboren, aber diese Gefühle gingen auch mit einer großen Müdigkeit einher. Catrin wusste, dass sie Schlaf brauchte, um zu heilen, weswegen sie die Augen schloss und sich an Benjin lehnte, der seinen Arm schützend um sie legte.

    Jago lief durch die Dunkelheit und verfluchte jeden Ast, der unter seinen Stiefeln knackte. Fasha hatte ihm zwar keinen Grund zur Annahme gegeben, dass die Menschen ihm hier feindselig begegnen würden, aber sie hatte ihm gleichermaßen auch nicht gesagt, dass sie freundlich sein würden. Alles, was er wusste, war, wo er diese Frau namens Madra finden konnte und dass er ihr vertrauen sollte. Fasha hatte ihm die genaue Wegbeschreibung gegeben und sogar eine kleine Karte

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