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Die Kraft der Gefühle: Nutzen Sie die Energie der Emotionen für sich und ihr Kind
Die Kraft der Gefühle: Nutzen Sie die Energie der Emotionen für sich und ihr Kind
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eBook439 Seiten5 Stunden

Die Kraft der Gefühle: Nutzen Sie die Energie der Emotionen für sich und ihr Kind

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Über dieses E-Book

RULER–METHODE: an tausenden Schulen erfolgreich angewendet

Emotionale Kompetenz für eine mitfühlende Welt

Das mentale Wohlbefinden von Kindern und Erwachsenen ist aktuell besorgniserregend. Der amerikanische Emotionswissenschaftler DR. MARC BRACKETT sieht eine wesentliche Ursache darin, dass wir es uns nicht erlauben, Gefühle zu haben und zu zeigen. Bereits Kinder lernen, Botschaften aus ihrem tiefsten Inneren zu unterdrücken und zu überspielen. Das Ergebnis ist Stress, Mobbing, Angststörungen oder Depression. Brackett appelliert an Eltern und Lehrer, Kinder mit ihren Empfindungen nicht allein zu lassen.

Sei es Angst, Scham, Neid, Traurigkeit oder Wut, aber auch Freude, Zufriedenheit oder Stolz – unsere Gefühle sind wichtig für unser ganzes Leben, denn sie sind unser innerer Kompass. Der Autor setzt für eine gesunde Entwicklung auf die Kraft unserer Emotionen und integriert die emotionale Bildung bereits in den Lehrplan: Während seiner langjährigen Forschungsarbeit hat er einen Fünf-Schritte-Plan entwickelt, der zeigt, wie wir mit den eigenen als auch den Gefühlen der anderen umgehen können. Seine sogenannte RULER-METHODE umfasst das Erkennen, Verstehen, Benennen, Ausdrücken und schließlich das Regulieren von starken Empfindungen.

Dieser praktische Ansatz wird bereits an tausenden amerikanischen Schulen erfolgreich angewendet: Nachweislich nehmen dadurch Stress, Burnout und Mobbing ab, zu dem verändert sich die Kultur des Zusammenlebens radikal – was sich auch im Lernerfolg zeigt.

MARC BRACKETT ist Professor am Yale University's Child Study Center. Er berät Unternehmen wie Facebook, Microsoft und Google, wie sie die Prinzipien der emotionalen Intelligenz in ihr Mitarbeitertraining und Produktdesign integrieren können.

„Mehr als jedes andere Buch über menschliche Gefühle integriert DIE KRAFT DER GEFÜHLE psychologische Forschung, pädagogische Praxis und fesselnde Geschichten, einschließlich MARC BRACKETTS eigener Lebenserfahrungen, um emotionale Intelligenz lebendig werden zu lassen. Dies ist ein Buch, das für Führungskräfte, Pädagogen, Eltern, Schüler und Forscher gleichermaßen wertvoll ist ... und Spaß macht!“
− Peter Salovey, Präsident der Yale University

SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum17. Sept. 2021
ISBN9783962572501
Die Kraft der Gefühle: Nutzen Sie die Energie der Emotionen für sich und ihr Kind

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    Buchvorschau

    Die Kraft der Gefühle - Marc Brackett

    Erster Teil

    Die Kraft der Gefühle

    Kapitel 1

    Die Kraft der Gefühle

    Wie fühlen Sie sich?

    Angesichts des Themas dieses Buches ist das eine vernünftige Frage. Ich werde sie vielleicht mehr als einmal stellen, bevor wir durch sind. Da sie uns in der einen oder anderen Form so oft gestellt wird, dürfte sie theoretisch die einfachste Frage überhaupt sein – und nicht die schwierigste, je nachdem, wie ehrlich wir antworten.

    Ich spreche jetzt nicht nur als Psychologe und Direktor eines Centers, das sich dem emotionalen Wohlbefinden widmet, sondern auch als Mitmensch. Um ganz ehrlich zu sein, wünschte ich mir, jemand hätte mir diese Frage als Kind gestellt – sie gestellt und wirklich wahrhaftig die Antwort wissen wollen und den Mut gehabt, etwas gegen das zu unternehmen, was ich enthüllt hätte.

    Ich war kein glückliches Kind.

    Ich fühlte mich verängstigt, wütend, hoffnungslos. Schikaniert. Isoliert. Und ich litt.

    Und wie ich litt.

    Als ich in der Mittelstufe war, brauchte man mich nur anzuschauen, um zu erkennen, dass etwas ernsthaft falsch lief. Ich war ein schlechter Schüler und kam gerade so durch. Meine Ernährung war so ungesund, dass ich von einem sehr dünnen Kind zu einem übergewichtigen Kind wurde. Ich hatte keine richtigen Freunde.

    Meine Eltern liebten mich und sorgten sich um mich – das wusste ich. Aber sie hatten ihre eigenen Probleme. Meine Mutter war ängstlich und depressiv und hatte ein Alkoholproblem. Mein Vater war blindwütig, furchterregend und enttäuscht von einem Sohn, der nicht so hart war wie er. Aber sie hatten zumindest eines gemeinsam: Sie hatten keine Ahnung, wie sie mit Gefühlen umgehen sollten – weder mit ihren eigenen noch mit meinen.

    Ich verbrachte Stunden allein in meinem Zimmer und weinte oder ärgerte mich über die Schikanen, die ich in der Schule stillschweigend ertrug. Aber meine Hauptreaktion auf das Leben war Wut. Ich stritt mit meiner Mutter, brüllte und schrie. „Was glaubst du, wer du bist, dass du so mit mir redest?, schrie sie zurück. „Warte, bis dein Vater nach Hause kommt! Wenn er dann kam, erzählte ihm meine Mutter, wie ich sie behandelt hatte, und dann stürmte er in mein Zimmer und schrie: „Wenn ich dir noch einmal sagen muss, dass du aufhören sollst, so mit deiner Mutter zu reden, dann drehe ich durch!" Manchmal ersparte er mir den Vortrag und fing einfach an, mich zu schlagen.

    Dann sprang meine Mutter ein und die beiden stritten darüber, wie er die Situation handhabte. Schließlich gab er auf und meine Mutter kam in mein Zimmer und sagte: „Marc, diesmal habe ich dich gerettet …"

    Ich fragte mich: Wovor glaubte sie, mich gerettet zu haben?

    Ohne es zu wollen, haben mir meine Eltern eine wichtige Lektion erteilt. Behalte deine Gefühle für dich. Lass auf keinen Fall zu, dass deine Eltern sie sehen. Das würde eine schlimme Szene nur noch schlimmer machen.

    Das war etwa zu der Zeit, als sie mein schrecklichstes Geheimnis erfuhren – dass ein Nachbar, ein Freund der Familie, mich sexuell missbraucht hatte. Als meine Eltern es schließlich herausfanden, schnappte sich mein Vater einen Baseballschläger aus dem Keller und brachte den Mann beinahe um. Meine Mutter erlitt fast einen Nervenzusammenbruch. Die Polizei kam und verhaftete den Nachbarn und bald wusste die ganze Nachbarschaft Bescheid. Es stellte sich heraus, dass mein Täter noch Dutzende anderer Kinder missbraucht hatte.

    Man sollte meinen, dass sich alle freuten, dass ich gesprochen und dieses Grauen aufgedeckt hatte. Aber dem war nicht so. Ich wurde umgehend zum Ausgestoßenen. Alle Erwachsenen warnten ihre Kinder, sich ja von mir fernzuhalten. Das Mobbing wurde noch schlimmer.

    Plötzlich war meinen Eltern die Quelle meiner ständigen emotionalen Zusammenbrüche klar. Meine schlechten Noten. Meine Bulimie. Meine soziale Isolation. Meine Verzweiflung. Meine Wut.

    Meine Eltern taten, was viele Menschen unter ähnlichem Druck tun.

    Sie flippten aus.

    Das ist nicht ganz richtig – sie wussten genug, um mich zu einem Therapeuten zu schicken. Sie waren zu sehr mit ihren eigenen Problemen überfordert, dem Versuch, einfach nur zu überleben, um mit dem Gefühlsleben einer anderen Person umgehen zu können. Sie haben alle Signale, die ich aussandte, entweder übersehen oder ignoriert, was nicht wirklich überraschend ist. Vielleicht fühlten sie sich sicherer, wenn sie nicht zu viele Fragen über mein Leben in der Schule oder in unserer Nachbarschaft stellten. Vielleicht hatten sie Angst vor dem, was sie herausfinden würden – Angst davor, dass sie, sobald sie es wüssten, etwas dagegen unternehmen müssten.

    Vielleicht wäre mein Leben damals anders verlaufen, wenn meine Großeltern meinen Eltern die richtigen Fragen gestellt hätten. Wenn sie ihnen beigebracht hätten, wie sie mit ihren Gefühlen umgehen. Und was sie tun sollen, wenn Probleme auftauchen. Vielleicht wären meine Eltern in der Lage gewesen, meinen Schmerz zu sehen und hätten gewusst, wie sie mir helfen können.

    Aber das ist nie passiert.

    Einiges davon mag Ihnen bekannt vorkommen. In meinem Beruf treffe ich viele Menschen, die ihre Kindheit so verbracht haben wie ich. Unsichtbar, nicht wahrgenommen, mit unangenehmen, tief im Inneren vergrabenen Gefühlen. Keine zwei Geschichten sind identisch. Die Menschen erzählen mir, wie sie körperlichen Missbrauch erlebten. Oder ignoriert und zum Schweigen gebracht wurden. Oder eine emotionale Misshandlung erfuhren. Oder von Eltern geradezu erstickt wurden, die kein eigenes Leben hatten, sondern nur durch ihre Kinder lebten. Oder Vernachlässigung spüren mussten von Eltern, die alkoholkrank oder drogensüchtig waren. Es sind unsere Antworten darauf, die gleich sind.

    Manchmal sind die Geschichten nicht annähernd so dramatisch: Menschen, die in Familien aufgewachsen sind, in denen alltägliche emotionale Probleme ignoriert wurden, weil niemand jemals gelernt hatte, wie man über diese spricht oder Maßnahmen zu ihrer Bewältigung ergreift. Ihr Leben muss nicht unbedingt tragisch gewesen sein, damit Sie erleben mussten, dass Ihr Gefühlsleben niemandem außer Ihnen selbst etwas bedeutet.

    So sah meine Antwort aus: Ich wurde taub für meine Gefühle. Ich war im emotionalen Lockdown. Im Überlebensmodus.

    Und dann geschah ein Wunder.

    Das Wunder hieß Marvin. Onkel Marvin, um genau zu sein.

    Er war der Bruder meiner Mutter, tagsüber Lehrer und abends und an den Wochenenden Bandleader. Unsere Familie reiste von New Jersey bis zu den Ferienorten in den Catskill Mountains, um die Auftritte unserer Familienberühmtheit zu sehen. Onkel Marvin war wirklich ein Sonderfall – einzigartig unter all meinen Verwandten und allen anderen Erwachsenen, die ich kannte. Er war wie die Robin-Williams-Figur in dem Film Der Club der toten Dichter.

    In seinem damaligen Beruf versuchte Onkel Marvin bereits in den 1970er-Jahren, einen Lehrplan aufzustellen, der die Schulkinder dazu ermutigen sollte, ihre Gefühle auszudrücken. Er glaubte, dies sei das fehlende Glied in der Schulbildung, da emotionale Kompetenzen ihr Lernen und ihr Leben verbessern würden. Ich half Onkel Marvin, indem ich seine Notizen abtippte, während er sie laut vorlas. Ich begegnete Begriffen wie „Verzweiflung, „Entfremdung, „Engagement und „Hochgefühl und erkannte mich in vielen von ihnen wieder.

    Eines Sommernachmittags, als wir zusammen in unserem Hinterhof saßen, fragte er mich, ob er einen IQ-Test mit mir machen könne. Es stellte sich heraus, dass ich klüger war, als meine trostlosen Zeugnisse vermuten ließen. Ich glaube auch, dass er vermutete, dass tief in meinem Inneren eine Menge Aufruhr herrschte, der mit der Schule und dem Missbrauch zu tun hatte. Das veranlasste Onkel Marvin dazu, mir eine Frage zu stellen, die ich selten, wenn überhaupt, von einem Erwachsenen oder einer anderen Person gehört hatte:

    „Marc, sagte er, „wie fühlst du dich?

    Bei diesen Worten brach der Damm und alles floss aus mir heraus. Alle schrecklichen Dinge, die ich zu dieser Zeit erlebte, und jedes Gefühl, das ich als Reaktion darauf hatte, kamen auf einmal heraus.

    Diese eine kleine Frage genügte, mein Leben zu verändern. Es ging nicht nur um das, was er sagte, sondern auch darum, wie er es sagte. Er wollte die Antwort wirklich hören. Er verurteilte mich nicht für das, was ich fühlte. Er hörte einfach offen und mit Empathie zu, als ich meine Gefühle zum Ausdruck brachte. Er versuchte nicht, meine Aussagen zu interpretieren oder zu erklären.

    An diesem Tag habe ich wirklich losgelassen.

    „Ich habe keine richtigen Freunde, ich bin schlecht im Sport, ich bin fett und die Kinder in der Schule hassen mich alle", klagte ich schluchzend.

    Onkel Marvin hörte nur zu. Hörte mir richtig zu. Mein Onkel war der erste Mensch, der sich jemals dafür entschieden hatte, sich nicht auf mein äußeres Verhalten zu konzentrieren – höhnisch, zurückgezogen, trotzig, definitiv unangenehm – und stattdessen spürte, dass etwas anderes vor sich ging, etwas Bedeutsames, das niemand, nicht einmal ich, anerkannt hatte.

    Onkel Marvin erlaubte mir zu fühlen.

    Angesichts all dessen ist es keine Überraschung, dass ich in den letzten 25 Jahren über Emotionen recherchiert und geschrieben habe. Ich habe die Welt bereist, um mit Menschen über ihre Gefühle zu sprechen. Es ist meine Leidenschaft und mein Lebenswerk geworden. Ich wurde Professor am Yale Child Study Center und Gründungsdirektor des Yale Center For Emotional Intelligence. Am Center leite ich ein Team von Wissenschaftlern und Praktikern, die über Emotionen und emotionale Kompetenzen forschen. Wir entwickeln Ansätze, um Menschen aller Altersgruppen – vom Vorschulkind bis zum CEO – die Kompetenzen zu vermitteln, die ihnen helfen können, erfolgreich zu sein. Das Ziel unseres Centers ist es, die Kraft der Emotionen zu nutzen, um eine gesündere und gerechtere, innovativere und mitfühlendere Gesellschaft zu schaffen.

    Jedes Jahr halte ich auf der ganzen Welt Dutzende Vorträge vor pädagogischen Fachkräften, Schulkindern, Eltern, Führungskräften aus der Wirtschaft, Unternehmern, politischen Führungskräften, Wissenschaftlern, medizinischen Fachkräften und jeder anderen Art von Menschen, die man sich nur vorstellen kann. Meine Botschaft für alle ist dieselbe: Wenn wir lernen, unsere Gefühle – selbst die herausforderndsten – zu erkennen, auszudrücken und einen Zugang zu ihnen zu finden, können wir diese Emotionen nutzen, um ein positives, zufriedenstellendes Leben zu führen.

    Jedes Mal, wenn ich zu einer Gruppe spreche, fordere ich das Publikum zunächst auf, ein paar Minuten darüber nachzudenken, wie sie sich im Moment fühlen. Dann fordere ich sie auf, sich uns anderen mitzuteilen. Ihre Antworten verraten viel – nicht unbedingt über ihre Emotionen, sondern über unsere Schwierigkeiten, über unser Gefühlsleben zu sprechen. Was ich feststelle ist, dass wir nicht einmal über das Vokabular verfügen, um unsere Gefühle in nützlichen Details zu beschreiben – 75 Prozent der Menschen fällt es schwer, ein „Gefühlswort" zu finden. Wenn die Worte kommen, sagen sie uns normalerweise nicht sehr viel. Die Leute stammeln ein bisschen herum, zögern und verwenden dann die gängigsten Begriffe, auf die wir uns alle verlassen – ich fühle mich gut, in Ordnung, okay …

    Das sollte uns zu denken geben: Weiß ich überhaupt, wie ich mich fühle? Habe ich mir selbst erlaubt, diese Frage zu stellen? Habe ich jemals wirklich meinen Partner, mein Kind, meine Kollegin gefragt? Heute, da fast jede Frage sofort von digitalen Assistenten beantwortet werden kann, verlieren wir die Gewohnheit, eine Pause zu machen und nach innen oder zueinander zu schauen, um Antworten zu erhalten. Aber selbst die digitalen Assistenten wissen nicht alles. Und eine Suchmaschine kann Ihnen nicht sagen, warum sich Ihr Sohn oder Ihre Tochter hoffnungslos oder aufgeregt fühlt, oder warum sich Ihr Lebensgefährte in letzter Zeit nicht mehr so wichtig fühlt, oder warum Sie diese chronischen, leichten Angstzustände, die Sie plagen, nicht loswerden können.

    Es ist nur logisch, dass uns unwohl oder unbehaglich ist, wenn wir unser Gefühlsleben beschreiben. Das gilt selbst dann, wenn wir positive Gefühle erleben. Aber es ist besonders dann so, wenn es unangenehme Gefühle sind und wir uns traurig, verärgert, verängstigt oder zurückgewiesen fühlen. Sie alle verbinden uns mit unseren Schwächen, und wer will diese zeigen? Der Instinkt, uns zu schützen, indem wir unsere Verletzlichkeit verbergen, ist natürlich. Sogar Tiere in der Wildnis tun das. Es schlicht und einfach Selbsterhaltung.

    Und doch stellen wir alle diese oder ähnliche Fragen unzählige Male am Tag, und ebenso oft sind wir aufgerufen, sie zu beantworten:

    Wie geht’s? Wie läuft’s? Alles in Ordnung?

    Wir fragen so reflexartig, dass wir uns selbst kaum hören. Und genauso antworten wir auch:

    Großartig, danke, und selbst? Alles bestens! Viel zu tun!

    Ohne auch nur eine Sekunde innezuhalten, um nachzudenken, bevor wir antworten.

    Es ist eines der großen Paradoxe des menschlichen Daseins – wir stellen immer wieder Variationen der Frage „Wie geht‘s?", was zu der Annahme verleiten würde, dass wir ihr eine gewisse Bedeutung beimessen. Und doch erwarten oder wollen – oder geben – wir niemals eine ehrliche Antwort.

    Stellen Sie sich vor, was passieren würde, wenn Sie das nächste Mal, wenn eine Bekannte (oder ein Barista) „Hallo, wie geht es dir?" fragt, anhalten und sich fünf Minuten Zeit nehmen würden, um eine detaillierte, ungekürzte Antwort zu geben. Wenn Sie wirklich Ihre Seele offenbaren würden. Ich garantiere Ihnen, es würde lange dauern, bis diese bestimmte Person diese Frage wieder stellt.

    Darin steckt eine wichtige Erkenntnis – in dieser enormen Diskrepanz zwischen unserer Bereitschaft zu fragen, wie wir uns fühlen, und unserem Widerwillen, wirklich darauf zu antworten. Wir wissen heute, dass unser emotionaler Zustand, vielleicht abgesehen von der körperlichen Gesundheit, einer der wichtigsten Aspekte unseres Lebens ist. Er bestimmt alles andere. Sein Einfluss ist allgegenwärtig. Und dennoch steuern wir mit größter Vorsicht um ihn herum. Unser Innenleben ist selbst für uns Neuland, ein riskanter Ort, den es zu erforschen gilt.

    Unser Leben ist gesättigt mit Emotionen – Traurigkeit, Enttäuschung, Angst, Irritation, Begeisterung und sogar Gelassenheit. Oft sind diese Gefühle unangenehm. Sie kommen unserem geschäftigen Leben in die Quere, oder zumindest sagen wir uns das selbst. Also tun wir unser Bestes, sie zu ignorieren. Wir finden sie überall, von der steifen Oberlippe der puritanischen Gründer der USA bis hin zum harten Ethos auf Schulhöfen und Spielplätzen. Wir alle glauben, dass unsere Gefühle wichtig sind und es verdienen, respektvoll und umfassend angesprochen zu werden. Aber wir denken auch, dass Emotionen störend und unproduktiv sind – am Arbeitsplatz, zu Hause und überall sonst. Bis in die 1980er-Jahre betrachteten die meisten Psychologen Emotionen als Fremdgeräusch, als nutzloses Rauschen. Unsere Gefühle bremsen uns aus und stehen der Erreichung unserer Ziele im Weg. Wir alle haben die Botschaft gehört: Finden Sie sich damit ab! Hören Sie auf, sich auf sich selbst zu konzentrieren (als ob so etwas möglich wäre!)! Seien Sie nicht so empfindlich! Zeit, weiterzumachen!

    Die Ironie liegt jedoch darin, dass unsere Gefühle, wenn wir sie ignorieren oder unterdrücken, nur stärker werden. Die wirklich mächtigen Emotionen bauen sich in uns auf wie eine dunkle Kraft, die unweigerlich alles vergiftet, was wir tun, ob wir es wollen oder nicht. Verletzte Gefühle verschwinden nicht von selbst. Sie heilen nicht von selbst. Wenn wir unsere Emotionen nicht ausdrücken, häufen sie sich an wie eine Schuld, die irgendwann fällig wird.

    Und ich spreche nicht nur von den Zeiten, in denen wir etwas Unangenehmes empfinden. Vielleicht verstehen wir auch nicht genau, wie wir uns fühlen, wenn die Dinge großartig laufen. Wir begnügen uns damit, die Emotionen zu genießen und nicht zu tief zu ergründen. Das ist natürlich ein Fehler. Wenn wir in Zukunft positive Entscheidungen treffen wollen, müssen wir wissen, was uns Glück bringt – und warum.

    Der Beweis für unsere Unfähigkeit, mit unserem Gefühlsleben konstruktiv umzugehen, ist überall um uns herum zu finden. Im Jahr 2015 führten wir in Zusammenarbeit mit der Robert Wood Johnson Foundation und der Born This Way Foundation (gegründet von Lady Gaga und ihrer Mutter Cynthia Germanotta) eine groß angelegte Umfrage unter 22.000 Teenagern aus den ganzen Vereinigten Staaten durch und baten sie zu beschreiben, wie sie sich während ihrer Schulzeit fühlen. Drei Viertel der von ihnen verwendeten Wörter waren negativ, wobei „müde, „gelangweilt und „gestresst" die Liste anführten. Dies war nicht überraschend, wenn man bedenkt, dass etwa 30 Prozent der Schülerinnen und Schüler der Grundschule und der Mittelstufe heute mit Anpassungsproblemen zu kämpfen haben, die so schwerwiegend sind, dass sie regelmäßige psychosoziale Unterstützung brauchen. In wirtschaftlich benachteiligten Schulen sind es sogar 60 Prozent.

    US-amerikanische Jugendliche rangieren laut einem Bericht von UNICEF in Bezug auf Wohlbefinden und Lebenszufriedenheit mittlerweile im unteren Viertel der entwickelten Nationen. Untersuchungen zeigen, dass amerikanische Jugendliche ein Stressniveau haben, das das der Erwachsenen übersteigt. Sie sind heute weltweit führend, wenn es um Gewalt, Saufgelage, Marihuana-Konsum und Übergewicht geht. Mehr als die Hälfte der College-Schüler erlebt überwältigende Angstzustände und ein Drittel berichtet von schweren Depressionen. In den letzten zwei Jahrzehnten ist die Selbstmordrate in den USA um 28 Prozent gestiegen.

    Wie klar denken Kinder, wenn sie sich müde, gelangweilt und gestresst fühlen? Wie gut nehmen sie neue Informationen auf, wenn sie ängstlich sind? Nehmen sie die Schule ernst? Neigen sie dazu, ihre Neugier auszudrücken und etwas zu lernen?

    Hier ist eine Geschichte, die mir viel über die emotionale Atmosphäre in Schulen erzählt.

    Die Schulbezirksleiterin eines umfangreichen Großstadtbezirks machte Schulbesuche. Als sie mit der Schulleiterin durch die Flure ging, sah sie ein kleines Mädchen, das auf dem Weg zu einem Klassenzimmer war, und grüßte es, um mit ihm ins Gespräch zu kommen.

    Das Mädchen ignorierte sie.

    „Sie hat nicht einmal Hallo gesagt, erzählte mir die Schulbezirksleiterin. Nach einem Moment gegenseitiger Verwirrung senkte das kleine Mädchen den Kopf und setzte seinen Weg fort. Anscheinend war den Schulkindern gesagt worden, dass sie nur auf der weißen Linie in der Mitte der Korridore laufen sollten. „Wenn sie zu mir gekommen wäre, um mit mir zu sprechen, hätte sie gegen die Regeln verstoßen, sagte die Schulbezirksleiterin.

    Wir werden nie erfahren, wie dieses Gespräch verlaufen wäre. Der natürliche Instinkt sowohl der Schülerin als auch der Pädagogin, sich aufeinander einzulassen, wurde wegen der Forderung der Schule nach Ordnung unterdrückt.

    Was kann bei einem einzigen Austausch geschehen? Einem Moment Smalltalk auf dem Flur? Wahrscheinlich sehr wenig. Obwohl, wenn Sie wie ich sind, haben Sie einige Erinnerungen aus der frühen Kindheit, die aus dem Nebel der Jahre hervorstechen, die den Lauf der Zeit aus keinem anderen Grund überdauert haben, als dass ein Erwachsener in seinem Leben für einen Moment Raum für Sie geschaffen hat. Eine kleine Sache wie diese kann, wenn sie von Herzen kommt, nachhallen.

    Es sind nicht nur die Kinder, die sich unterdrückt fühlen. Was ist mit den Lehrkräften? Im Jahr 2017 haben wir in Zusammenarbeit mit dem New Teacher Center mehr als 5.000 Lehrkräfte in den USA befragt und festgestellt, dass sie fast 70 Prozent ihres Arbeitstags damit verbringen, sich „frustriert, „überwältigt und „gestresst" zu fühlen. Dies stimmt mit den Gallup-Daten überein, aus denen hervorgeht, dass fast die Hälfte der US-Lehrkräfte täglich über hohen Stress berichten. Laut den vom Ärzteblatt veröffentlichten Befragungen, schätzen Lehrkräfte in Deutschland die Belastungen durch die Schule stets als hoch bis sehr hoch ein. Die psychosomatischen Beschwerden bei Lehrkräften zeigen sich vor allem als Erschöpfung, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Angespanntheit, Antriebslosigkeit, Schlaf- und Konzentrationsstörungen, innere Unruhe oder erhöhte Reizbarkeit. Eine erschreckende Momentaufnahme des Bildungssystems, finden Sie nicht auch?

    Wie effektiv sind Lehrerinnen und Lehrer, wenn sie sich genauso frustriert, überwältigt und gestresst fühlen wie die Kinder? Geben sie im Unterricht 100 Prozent? Schnauzen sie die Kinder unbeabsichtigt an oder ignorieren sie ihre Bedürfnisse, weil sie emotional erschöpft sind? Verlassen sie die Arbeit mit dem Gefühl, ausgebrannt zu sein, und fürchten sich vor der morgigen Rückkehr ins Klassenzimmer?

    Wenn wir Emotionen nicht verstehen und keine Strategien finden, mit ihnen umzugehen, kontrollieren sie unser Leben – wie bei mir als Kind. Furcht und Angst machten es mir unmöglich zu versuchen, mit meinen Problemen fertigzuwerden. Ich war wie gelähmt. Die Wissenschaft beweist nun, warum. Wenn es jemanden gegeben hätte, der mir diese Kompetenzen beigebracht hätte – wenn es überhaupt jemanden gegeben hätte, der mir gesagt hätte, dass es solche Kompetenzen gibt –, hätte ich vielleicht eher das Gefühl gehabt, die Kontrolle über meine Situation zu haben. Stattdessen konnte ich sie nur ertragen.

    Während meiner Vorträge bemerke ich oft, dass sich viele Kinder heute in einer ernsten Krise befinden. Normalerweise veranlasst das jemanden dazu, eine Frage zu stellen, die eigentlich eher eine Meinung ist: „Finden Sie nicht, dass diesen Kindern die Härte und moralische Stärke fehlt, die die Menschen vor Generationen hatten?"

    Meine Antwort darauf ist im Laufe der Jahre gereift. Früher hätte mich eine solche Aussage wirklich geärgert. Sie klingt nach einer Person, die nach einem Grund sucht, sich überlegen zu fühlen und den Opfern die Schuld zu geben. Heute halte ich diese Frage für unverantwortlich.

    Nehmen wir an, dass Kindern heute die emotionale Kraft fehlt, die wir oder eine andere Generation im Überfluss hatten. Nehmen wir an, dass Kinder in der Vergangenheit genauso herausgefordert waren – vielleicht sogar mehr –, sie aber damit fertig wurden.

    Und jetzt?

    Bedeutet es, dass wir uns der Verantwortung entziehen, unser Bestes zu tun, um den Kindern von heute zu helfen? Wenn sie ein wenig Hilfe brauchen, ist es dann nicht unsere Aufgabe, sie ihnen zu geben, ohne sie zu verurteilen? Und wenn sie so viel Unterstützung brauchen, wie sind sie dann so geworden? Hat es etwas damit zu tun, wie wir sie erzogen haben?

    Vor nicht allzu langer Zeit gab es Kinder mit einem ernsthaften Bedürfnis, das nicht befriedigt wurde. Unsere nationale Antwort war aufschlussreich. Im Jahr 1945, als der Zweite Weltkrieg noch tobte, sagte ein General (und ehemaliger Lehrer) namens Lewis B. Hershey vor dem Kongress aus, dass fast die Hälfte aller Wehrpflichtigen der Armee aufgrund eines mangelhaften Ernährungszustands abgewiesen würden. Er war in einer guten Position, dies zu wissen: Hershey war für das System des selektiven Dienstes zuständig. Er sah die mangel- und unterernährten jungen amerikanischen Männer und erkannte ihre Untauglichkeit für den Krieg.

    Der Kongress hat keine Proklamation herausgegeben, in der die Schwäche der jungen Generation verurteilt wurde. Er verabschiedete einen überparteilichen Gesetzesentwurf: den National School Lunch Act.

    Mit anderen Worten, wir haben unsere Kinder genährt.

    Es ist an der Zeit, unsere Kinder wieder zu nähren.

    Am Yale Center For Emotional Intelligence denken wir über nichts anderes nach: Wie wir Menschen helfen können, ihre Emotionen zu erkennen, den Einfluss ihrer Gefühle auf alle Aspekte ihres Lebens zu verstehen und die Kompetenzen zu entwickeln, um sicherzustellen, dass sie ihre Emotionen auf gesunde, produktive Weise nutzen.

    Einmal kam der Leiter der Kinderpsychiatrie nach einem Vortrag für psychiatrische Fachkräfte in einem großen Krankenhaus auf mich zu. Er sagte: „Marc, tolle Arbeit. Aber unseren Daten zufolge brauchen wir weitere 8.000 Kinderpsychiater, um die Probleme, die diese Kinder haben werden, in den Griff zu bekommen."

    Ich war fassungslos.

    „Sie haben mich missverstanden. Ich will Sie alle aus dem Geschäft drängen", sagte ich halb im Scherz.

    Er dachte, dass all diese gestörten Kinder professionelle Interventionen benötigen würden, um ihr Leben in den Griff zu bekommen. Ich sagte, dass wir die Bildung so umgestalten müssen, dass sie auch emotionale Kompetenzen einschließt, sodass professionelle Interventionen weniger notwendig werden.

    Es ist fast 30 Jahre her, dass die Idee der emotionalen Intelligenz von meinen Mentoren, Peter Salovey, Professor für Psychologie und derzeitiger Präsident der Yale University, und Jack Mayer, Professor für Psychologie an der University of New Hampshire, eingeführt wurde. Es ist ein Vierteljahrhundert her, dass Daniel Goleman sein Bestseller-Buch Emotionale Intelligenz veröffentlichte, welches das Konzept populär machte. Und doch beschäftigen wir uns immer noch mit den grundlegendsten Fragen, wie zum Beispiel: „Wie fühlen Sie sich?"

    Gefühle sind eine Form der Information. Sie sind wie Nachrichtenmeldungen aus dem Inneren unserer Psyche, die Botschaften darüber senden, was in der einzigartigen Person, die jeder von uns ist, als Reaktion auf innere oder äußere Ereignisse, die wir erleben, vor sich geht. Wir müssen auf diese Informationen zugreifen und dann herausfinden, was sie uns sagen. Auf diese Weise können wir die fundiertesten Entscheidungen treffen.

    Das ist eine große Herausforderung. Es ist ja nicht so, dass jede Emotion mit einem Etikett versehen ist, auf dem genau steht, was sie ausgelöst hat und warum, und was man tun kann, um das Problem zu lösen. Unser Denken und Verhalten ändert sich absolut als Reaktion auf das, was wir fühlen. Aber wir wissen nicht immer, warum oder wie wir unsere Emotionen am besten angehen sollen. Für Eltern könnte dies ein vertrautes Szenario sein: Wir sehen ein Kind, das eindeutig leidet, und der Grund dafür ist nicht ersichtlich. Wenn Sie einfach „Was ist los?" fragen, wird die Antwort fast nie die Ursache des Leidens offenbaren. Vielleicht weiß das Kind nicht einmal, was ihm fehlt.

    Hier ist ein Beispiel: Wut kann manchmal grundlos oder unerklärlich erscheinen, aber in fast allen Fällen ist sie eine Reaktion auf das, was wir als unfaire Behandlung empfinden. Wir haben irgendeine Art von Ungerechtigkeit erlitten, ob groß oder klein, und das macht uns wütend. Jemand hat sich vor Ihnen in der Schlange vorgedrängelt und Sie sind verärgert. Sie wollten bei der Arbeit befördert werden, aber die Beförderung ging an die Nichte des Chefs und Sie sind empört. Aber beiden Beispielen liegt die gleiche entscheidende Dynamik zugrunde.

    Die meisten von uns haben keine Freude daran, mit Ärger umzugehen, ob es nun der eigene oder der einer anderen Person ist. Wenn ein Elternteil oder eine Lehrkraft mit einem scheinbar wütenden Kind konfrontiert wird, ist der erste Impuls oft, mit Strafen zu drohen: Wenn du nicht aufhörst zu schreien, unhöflich zu sprechen oder mit den Füßen zu stampfen, musst du in der Ecke sitzen, oder ich schicke dich auf dein Zimmer, oder du verlierst deine Privilegien!

    Wenn es eine erwachsene Person ist, die wütend ist, ist unsere Reaktion nicht viel anders. Wir ziehen uns sofort zurück. Wir hören auf, mitfühlend zuzuhören. Wir fühlen uns angegriffen, was es uns fast unmöglich macht, mit den Informationen umzugehen, die diese Person übermittelt. Aber diese Wut war eine wichtige Botschaft. Wenn wir versuchen können, die Ungerechtigkeit, die sie ausgelöst hat, zu lindern, wird die Wut verschwinden, weil sie ihren Nutzen verloren hat. Wenn nicht, wird sie weitergären, auch wenn sie nachzulassen scheint.

    Glücklicherweise gibt es eine Wissenschaft, um Emotionen zu verstehen. Es ist nicht nur eine Frage der Intuition, der Meinung oder des Bauchgefühls. Wir sind nicht mit einem angeborenen Talent geboren, zu erkennen, was wir oder andere fühlen und warum. Wir alle müssen es lernen. Ich musste es lernen.

    Wie bei jeder Wissenschaft gibt es einen Prozess der Entdeckung, eine Untersuchungsmethode. Nach drei Jahrzehnten Forschung und praktischer Erfahrung haben wir am Yale Center die Talente identifiziert, die nötig sind, um das zu werden, was wir als „Emotionswissenschaftler" bezeichnen.

    Hier sind die fünf Kompetenzen, die wir identifiziert haben. Wir müssen

    •unsere eigenen Emotionen und die anderer erkennen, und zwar nicht nur in den Dingen, die wir denken, fühlen und sagen, sondern auch in Mimik, Körpersprache, Stimmlage und anderen nonverbalen Signalen;

    •diese Gefühle verstehen und ihre Ursache bestimmen – welche Erfahrungen tatsächlich die Ursache sind – und dann sehen, wie sie unser Verhalten beeinflusst haben;

    •Emotionen mit einem nuancierten Vokabular etikettieren;

    •unsere Gefühle im Einklang mit kulturellen Normen und sozialen Kontexten in einer Weise ausdrücken, die versucht zu informieren und den Zuhörenden zu Empathie auffordert;

    •Emotionen regulieren, anstatt uns von ihnen regulieren zu lassen, indem wir praktische Strategien für den Umgang mit dem finden, was wir und andere empfinden.

    Der Rest dieses Buches ist der Vermittlung dieser Kompetenzen und ihrer Anwendung gewidmet.

    In den späten 1990er-Jahren machten Onkel Marvin und ich uns gemeinsam daran, diese Kompetenzen in die Schulen zu bringen. Wir scheiterten. Wir waren bereit, den Unterricht in den Klassen nur für Kinder durchzuführen. Aber einige Lehrkräfte waren dagegen. „Kinder über Ängste zu unterrichten, macht mich nervös, sagte einer. „Ich öffne diese Büchse der Pandora nicht, um darüber zu sprechen, wie sich diese Kinder fühlen, sagte eine andere. Wenn die Lehrkräfte nicht an die Bedeutung dieser emotionalen Kompetenzen glaubten, würden sie die Kinder nie effektiv unterrichten können. Also überarbeiteten Marvin und ich, zusammen mit neuen Kollegen in Yale, unsere Vorgehensweise. Wir sahen, dass wir niemals Kinder erreichen würden, wenn wir nicht zuerst Lehrkräfte auf unsere Seite brachten, die die Bedeutung emotionaler Kompetenzen verstehen. Und bald darauf wurde uns klar, dass ganze Schulsysteme nur dann verändert werden können, wenn es ein Engagement ganz oben gibt, auf der Ebene des Schulamts, der Ministerien und der Schulleitung.

    Dann wurde deutlich, dass die Kompetenzen noch breiter gefächert werden müssen. Wir Erwachsene müssen alle verstehen, wie unsere Emotionen uns und alle um uns herum beeinflussen, nicht nur Schulkinder. Wir müssen diese Kompetenzen entwickeln und positive Vorbilder sein. Pädagogische Fachkräfte und Eltern müssen zeigen, dass sie in der Lage sind, ihre eigenen Emotionen zu erkennen, über sie zu sprechen und sie zu regulieren, bevor sie anderen diese Kompetenzen vermitteln können. Unsere Forschung in den Klassen zeigt, dass dort, wo eine emotional kompetente Lehrkraft anwesend ist, die Schülerinnen und Schüler weniger gestört werden, sich mehr konzentrieren und bessere schulische Leistungen erbringen. Unsere Studien zeigen, dass die Lehrkräfte an Schulen mit einer emotional kompetenten Schulleitung weniger gestresst und zufriedener sind. Und die Kinder in Familien mit einem emotional kompetenten Elternteil besser in der Lage sind, ihre Gefühle zu erkennen und zu regulieren.

    Sobald unsere Kinder zu emotional kompetenten Erwachsenen heranwachsen, wird sich die gesamte Kultur zum Besseren verändern. Aber das Erlernen der Kompetenzen und die Verbesserung der Art und Weise, wie wir auf unsere Gefühle reagieren, bedeutet nicht, dass wir plötzlich die ganze Zeit glücklich sind. Ewiges Glück kann nicht unser Ziel sein – so funktioniert das Leben einfach nicht. Wir brauchen die Fähigkeit, alle Emotionen zu erleben und auszudrücken, sowohl angenehme als auch unangenehme Emotionen herunter- oder hochzuregulieren, um ein größeres Wohlbefinden zu erreichen, fundierte Entscheidungen zu treffen, sinnvolle Beziehungen aufzubauen und zu pflegen und unser Potenzial auszuschöpfen.

    Aber das fängt bei uns allen an. Wenn Sie ein Elternteil sind, fragen Sie sich Folgendes: Welche Eigenschaften wünschen Sie sich am meisten von Ihren Kindern, wenn sie erwachsen sind? Sind es mathematische Fähigkeiten, wissenschaftliche Kenntnisse, sportliche Kompetenzen? Oder ist es Selbstvertrauen, Freundlichkeit, Zielstrebigkeit, die Weisheit,

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