Bei Papa gibt es immer Cola: Kolumnen
Von Katharina Martin
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Buchvorschau
Bei Papa gibt es immer Cola - Katharina Martin
Familienrudel
Vorwort
Als meine Tochter drei Jahre alt war, trennte ich mich von ihrem Vater. Sie hat erst mit mir alleine gelebt und später noch zwei Geschwister bekommen. In einer Patchwork-Familie, die immerhin zehn Jahre lang hielt. Meine drei Kinder erlebten einiges an Umbruch, an Umzügen, an neuen Menschen, die kamen und gingen. „Der Riss geht durch die Kinder", dieser im Jahr 1991 erschienene Titel des Soziologieprofessors Otto Gaier drückt die emotionale Zumutung aus, die die Trennung ihrer Eltern für meine Kinder bedeutete.
Mein Selbstbewusstsein als Trennungsmutter hatte Hochs und Tiefs. Mal fühlte ich mich gründlich gescheitert, dann wieder war ich stolz auf meine tollen Kinder, denen egal zu sein schien, ob ich sie als Single-Mom oder als Patchwork-Managerin liebte. Wenn es Konflikte gab, halfen mir pädagogische Ratgeber oft nicht weiter, weil unsere spezielle Familien-Konstellation darin nicht vorkam. So fing ich an Kolumnen über Situationen zu schreiben, in die ich unverhofft gestolpert war und für die es keine Vorbilder gab.
Beim Schreiben wurden mir zwei Dinge klar: Zum einen sind viele Konflikte, die ich mit meinen Kindern erlebe, erstaunlich normal und eher nicht durch die besondere Situation als alleinerziehende Mutter verursacht. Zum anderen, und das ist der noch wichtigere Punkt, ist Familie nicht nur eine soziologische Einheit, sondern ein Traum, den wohl niemand so lebhaft träumt wie Kinder, die eine Trennung erlebt haben. „Bei Papa gibt es immer Cola!" ist nicht nur eine Beschwerde, sondern zugleich die Bitte, den abwesenden Elternteil mitzudenken.
Meine Kolumnen erzählen vom Leben mit meinen Kindern, dem Wunsch, ihnen trotz Trennung eine stabile Familie zu bieten und den Lektionen, die das Leben mir dabei erteilte. Wenn ich eine Botschaft vermitteln möchte, dann die, dass Eltern auch nach einer Trennung versuchen sollten, gemeinsam Eltern zu sein, damit es nicht nur heißt: „Bei Papa gibt es immer Cola!, sondern auch: „Und Mama liest super Geschichten vor!
Ich wünsche mir, dass Eltern – und vor allem getrennt lebende Mütter und Väter – sich durch meine Kolumnen ermutigt fühlen, sich und ihrer Liebe zu ihren Kindern zu vertrauen, gerade dann, wenn nicht alles so glatt läuft, wie wir uns das wünschen. Wir werden nicht als Eltern und schon gar nicht als Trennungseltern geboren, sondern wachsen in diese Rolle hinein. Unsicherheit und sogenannte „Erziehungsfehler" gehören dazu.
Ich wünsche mir eine Welt, in der sich getrennte Eltern und ggf. auch ihre neuen Partnerinnen und Partner davon berühren lassen, was Kinder brauchen, und um ein respektvolles Miteinander bemühen.
Ich wünsche mir, dass die Liebe von Kindern zu beiden Eltern auch nach einer Trennung der Maßstab für das Handeln aller Erwachsenen bleibt, was eine große Herausforderung ist. Denn auch Eltern sind nur Menschen und in Trennungssituationen einer Belastung (emotional, finanziell, sozial) ausgesetzt, die sich oft in Auseinandersetzungen entlädt.
Ich wünsche allen Kindern, die unter den Konflikten und ggf. der Unversöhnlichkeit ihrer Trennungs-Eltern leiden, dass sie ausreichend Trost und Verständnis erfahren. Ich wünsche den Müttern und Vätern, die sich mit der Sorge um ihre Kinder allein gelassen und vielleicht auch überfordert fühlen, dass sie den Mut aufbringen, für sich und ihre Familie (ggf. auch professionelle) Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ich wünsche mir eine Gesellschaft, die diese Hilfe organisiert, einen Staat, der Trennungs-Familien unterstützt, und Menschen, die sich in allen Missständen, die es so gibt, für ihr eigenes Glück und das ihrer Kinder verantwortlich fühlen.
Berlin, Januar 2018 Katharina Martin
Teil 1
Bei Papa gibt es immer Cola ...!
Mama, wann überholst du endlich?
Der Anfang war hart. Richtig hart. Vor allem abends liefen die Tränen. Nicht aus Mitleid mit den sieben Geißlein. Sondern weil Papa vorlesen sollte.
Ich bin nicht freiwillig alleinerziehend. Und hatte obendrein einen alleskönnenden Allroundhandwerker als Mann. Inzwischen repariere ich selbst, mähe Rasen, schneide Äste, stelle Rutschen auf. Brüchige Kommoden, verstopfte Abflüsse, tropfende Wasserhähne rühren mich kaum noch und wenn im Auto ein Warnsignal blinkt, ruft es vom Rücksitz nicht mehr nach Papa, sondern: „Werkstatt fahren!"
Das Fahren allerdings ist ein Problem. Denn Papa fährt schneller. Besser. Kurvenreicher. Es ist jeden Morgen dasselbe.
„Warum fährst du nicht schneller, Mama? Wann überholst du endlich? Papas Fahrstil ist für meine Kinder noch immer der Maßstab. Papa, der Autos erst ab 200 PS zur Kenntnis und seinen Fuß nicht vom Gaspedal nimmt. Der abrupt abbremst und so dicht auf andere auffährt, dass mir als Beifahrerin oft mulmig wurde. Dieser Drängler-Papa ist das Fahridol meiner Kinder. „Papa fährt viiiiel cooler als du.
Vergeblich erzähle ich von Geschwindigkeitsbegrenzungen, Strafzetteln und davon, dass ich eine Frau bin und Frauen nun mal bekanntlich vorsichtiger fahren und viiiiiiel weniger Unfälle.... oh Mann! Für meine Kinder bin ich vor allem eins: uncool. Und das nur, weil ich nicht ganz so rücksichtslos aufdrehe wie der rasend geliebte und vermisste Papa (der, zische ich in mich hinein, die Ängste seiner Partnerin gern ignorierte). Von hinten höre ich ein mürrisches „lahme Tussi". Ich atme tief durch und steuere Richtung Rastplatz. Eine Pause wird uns gut tun. Ohnehin haben wir alle längst Hunger.
Im Gasthof rümpft meine Tochter die Nase:
„Ist das dein Ernst: nur Pommes? Dann esse ich lieber nichts! Mein Ex-Mann hatte immer die Spendierhosen an und überließ es gern mir, Grenzen zu setzen. Nun habe ich den Salat in Form eines Autos voll maulender Kinder, die mich zur „ganz blöden Mutter
erklären und mit jedem Atemzug die Botschaft verströmen: Mit Papi wäre alles viiiiiiel schöner.
Ich selbst fühle mich am Steuer ganz wohl. Und bin erleichtert, meine Wertmaßstäbe in Sachen Erziehung nicht verspottet zu sehen. Um die Stimmung zu heben, fange ich an zu singen. Und siehe da. Wenigstens die beiden Jüngeren lassen sich anstecken. Erst singen sie mit, dann fallen sie in den üblichen Autobahnschlaf. Mia, meine Älteste, hat ihre Kopfhörer im Ohr. Jetzt, wo es ruhig im Auto ist, finde ich das Maulen meiner Kinder im Grunde beruhigend. Immerhin zeigt es, dass sie mich (wieder) für belastbar halten. In den ersten Wochen nach der Trennung, als ich nonstop geweint habe, waren sie zurückhaltend, ja, beängstigend nett. Jetzt, da ich wieder bei Kräften bin, ist die Schonzeit vorbei, und sie sind genauso fordernd wie Kinder, deren Papa zu Hause wohnt und vielleicht, wer weiß, auch viel toller Auto fährt als die dazugehörige Mama.
Nach Papa-Wochenenden
Normalerweise komme ich mit meinen Kindern gut klar. Nach Papa-Wochenenden allerdings stehen die Zeichen auf Sturm. Felix versucht das Oberkommando zu führen und Lily bricht bei der kleinsten Kleinigkeit in Tränen aus. „Papiiiiii! schluchzt sie quer über den Fußballplatz. „Papiiiiiii!!!! Papiiiiii!
Das klingt, als hätte ich sie ins Unrecht gesetzt, dabei habe ich ihr nur die Mineralwasserflasche abgenommen, um nicht weiter von ihr („Du musst noch ganz viel wachsen, Mama!") aus der Flasche begossen zu werden. Meine Hose ist nass und ich glaube nicht, dass ihr Papi ihr beistehen würde, in dieser Situation. Dennoch heult Lily zum Steinerweichen und ich ärgere mich, weil sie ausgerechnet hier, am Rand des Fußballplatzes, so laut brüllt: wo alle wissen, dass ihre Eltern getrennt sind!
Wenn andere Kinder nach ihren Vätern brüllen, ist das schlimm genug, aber wenn meine es tun, klingt das, als täte ich ihnen wunderwas an. Um sie zu beruhigen, frage ich Lily, ob sie ihren Papa vielleicht anrufen will. „Nein!, schreit sie wütend, um sofort weiterzuheulen: „Papiiiiiii!!! Papiiiiii!
Beim Abendessen sitzen meine Kinder schmatzend am Tisch, als hätten sie nie von mir gehört, wie man sich benimmt. Sie stehen auf, gurgeln mit ihren Getränken und fallen mir ins Wort, wenn ich etwas sagen möchte. Nach Papa-Wochenenden erkenne ich meine Kinder nicht wieder. Sie kommen mir verzogen, schwierig, anstrengend vor. Oder ist das normal?
Sind wirklich meine Kinder anders oder hat mich das kinderfreie Wochenende verändert? Fällt es mir schwer mich auf den gewöhnlichen Mütteralltag umzustellen? Musste ich nicht schon immer bei jeder Mahlzeit mindestens siebenmal aufspringen, weil irgendwer etwas umstößt oder etwas will, das noch nicht auf dem Tisch steht, und zu jedem Satz, den ich sagen will, drei Anläufe nehmen?
Ja, ich glaube, meine Kinder verhalten sich wie immer. Nur ich bin nach Papa-Wochenenden ein bisschen verwöhnt.
Eine ganz normale Familie
Ferienende. Die morgendliche Frühschicht beginnt. Aus dem Ranzen meines Sohnes angle ich eine Brotdose und kaum noch erkennbare Apfelreste. Lautstark beschwert er sich, dass er der einzige ist, der nie Nutella-Toast mitnehmen darf, während Lily heult, dass ihre Müslischale überläuft, und Mia genervt ist, weil ihre Geschwister sie nerven. Außerdem habe ich („Nie hörst du mir zu, Mama!") nicht an die Süßigkeiten gedacht, die sie wegen ihres Geburtstags heute in der Klasse verteilen wollte, und zu allem Überfluss schon wieder die Brotdosen vertauscht. Felix will die blaue, Mia die gelbe und Lily heult noch immer nach Hilfe bei ihrem Müsliberg.
„Jetzt iss bitte erst mal diese kleine Portion!", versuche ich