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Träume
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Träume

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Über dieses E-Book

Zehn Träume beantworten die großen Fragen der Menschheit!Die zehn zu dem Band "Träume" zusammengefassten Erzählungen basieren auf die Träume und das Leben der Autorin in Südafrika. Eindringlich und faszinierende beschäftigen sich die Geschichten mit dem Wesen von Glück, Weisheit und Wahrheit. -
SpracheDeutsch
HerausgeberSAGA Egmont
Erscheinungsdatum13. Apr. 2020
ISBN9788726416367
Träume
Autor

Olive Schreiner

Olive Schreiner (1855-1920) was a South African political activist and writer. Born to a family of Wesleyan missionaries, Schreiner was educated by her mother. Forced to move frequently due to her father’s inability to maintain a job, Schreiner became familiar with the landscape of South Africa and the cultural and political tensions holding together its diverse population. In 1881, she travelled to England in order to pursue her dream of becoming a medical professional, but her chronic asthma and limited finances prevented her from completing her training. In 1883, she published her debut novel, The Story of an African Farm, under a pseudonym, launching a career as one of South Africa’s leading writers. Throughout her life, she advocated for political equality for South Africa’s marginalized groups, including Afrikaners, indigenous Africans, Jews, and Indians. Combining a deep understanding of Christian morality with an active interest in socialism and the women’s suffrage movement, Schreiner is recognized as a pioneering feminist and political activist who wrote unflinchingly on such subjects as the Boer War, British imperialism, and intersectionality.

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    Buchvorschau

    Träume - Olive Schreiner

    _____________

    Das verlorene Glück.

    Leben sass den ganzen Tag am Meerestrand, auf dem die Sonnenstrahlen spielten.

    Ein weicher Wind strich kosend durch ihr Haar und das junge, junge Gesicht war dem Wasser zugewandt. Sie harrte — harrte und wusste doch selber nicht auf was.

    Den ganzen Tag spülten die Wogen über den Sand und wiegten bei ihrem Hin und Her die rosa Muscheln.

    Leben sass und wartete; den ganzen Tag — die Sonne in ihren Augen — sass sie da, bis sie, müde geworden, den Kopf auf die Knie sinken liess und, immer noch harrend, endlich einschlief.

    Da knirschte der Sand unter einem Kiel; auf dem Strand wurden Tritte vernehmbar und Leben erwachte. Die Berührung einer Hand liess sie tief erschauern und als sie die Augen aufschlug, sah sie über sich die wunderbaren grossen Augen von Liebe. Nun ward Leben sich bewusst, weshalb sie hier den langen Tag gesessen und gewartet hatte.

    Und Liebe zog Leben an sich heran. Dem Bunde entspross ein wunderschönes und eigenartiges Wesen, das sie Glück hiessen. Der Sonnenstrahl, der auf bewegtem Wasser tanzt und glitzert, ist nicht so heiter anzuschauen; die Blättchen der Rosenknospe, die sich der Sonne erstem Kuss erschliesst, sind nicht so rosig! Die winzigen Pulse schlagen schnell. Das kleine Wesen ist so warm, so weich! Es spricht niemals, aber es lacht und spielt im Sonnenschein. Liebe und Leben schwelgten in Wonne. Keines gestand es dem Andern, aber Jedes sagte sich im tiefsten Herzensgrund: „Ewig soll uns Glück zu Eigen bleiben."

    Dann aber kam eine Zeit (war es nach Wochen, war es nach Monaten? — Liebe und Leben messen die Zeit nicht), da das kleine Wesen nicht mehr so war wie ehedem. Wie sonst spielte und lachte es; wie sonst stopfte es sich den Mund voll roter Beeren; zuweilen aber hingen die kleinen Hände müde herab und seine Kinderaugen blickten trübe über das Wasser.

    Leben und Liebe aber wagten nicht, sich in die Augen zu blicken und einander zu fragen: „Was fehlt unserm Liebling? Im Herzen sprach sich Jedes zu: „Es ist nichts — gar nichts. Morgen schon wird er wieder hell aufjauchzen.

    Doch morgen und wieder morgen kam. Sie wanderten auf ihrem Pfade weiter und das Kind spielte um sie her, matter, immer matter.

    Eines Tages legten sich Leben und Liebe zum Schlafe nieder, und als sie erwachten, war Glück verschwunden; jedoch sass nicht weit von ihnen im Grase ein kleiner Fremdling mit weitoffenen sanften und traurigen Augen. Sie bemerkten ihn nicht, sondern gingen jedes für sich und weinten bitterlich: „Ach, unser Glück, unser verlorenes Glück! werden wir Dich niemals wiedcrsehen?"

    Der kleine Fremdling mit den milden traurigen Augen aber ergriff verstohlen mit jeder seiner Hände eine der ihren und zog sie näher aneinander. So schritten Leben und Liebe weiter, und er in ihrer Mitte. Und wenn dann Leben kummervoll zu ihm niederblickte, so sah sie den Abglanz ihrer Thränen in seinen milden Augen. Und wenn Liebe, ausser sich vor Schmerz verzweifelnd ausrief: „Ich bin müde, müde; ich kann nicht weiter, denn alles Licht liegt hinter und nur das. Dunkel vor mir!" dann wies ein kleiner rosiger Finger nach den sonnbeglänzten Bergeshängen in der Ferne. Stets waren die grossen Augen traurig und gedankenvoll, stets schwebte ein stilles Lächeln um den kleinen tapferen Mund. Wenn Leben sich an scharfem Stein den Fuss zerschnitt, trocknete er mit seinem Gewand das Blut und küsste den verlegten Fuss mit seinen kleinen Lippen. Wenn Liebe vor Erschöpfung in der Wüste liegen blieb (denn selbst Liebe kennt Erschöpfung), lief er mit seinen kleinen nackten Füssen über den heissen Sand und fand selbst dort in der Wüste in Felslöchern Wasser, um Liebe’s dürstende Lippen damit zu netzen. Er war keine Last — er beschwerte sie nie; er half ihnen nur allezeit vorwärts auf ihrer Pilgerfahrt. Als sie an dunkle Bergschluchten gelangten, in welchen Eiszapfen von den Felsen hingen — denn der Weg von Leben und Liebe führt durch seltsame öde Gegenden — da fasste er dort, wo die Kälte herrscht und ewiger Schnee sich thürmt, ihre erstarrenden Hände, hielt sie an sein klopfendes kleines Herz und wärmte sie. Sachte zog er sie weiter und weiter mit sich fort.

    Und als sie das Reich der Blumen und des Sonnenscheins erreichten, da brach ein wunderbares Leuchten aus seinen grossen Augen und Grübchen spielten auf seinen Wangen. Fröhlich lachend lief er über das weiche Gras, sammelte Honig aus hohlem Baum und brachte ihn in seinen Handtellern; trug ihnen Wasser zu in den Blättern der Lilie und pflückte Blumen, mit denen er ihre Köpfe bekränzte, all sein Thun mit stillem Lächeln begleitend und schmückend.

    Er berührte sie, wie ihr Glück sie berührt hatte — nur schmiegten seine Finger sich fast noch zärtlicher an.

    So pilgerten sie weiter durch das dunkle und das lichte Reich und der kleine Tapfere immer heiter zwischen ihnen.

    Zuweilen geschah es, dass sie sich des ersten strahlenden Glücks erinnerten, dann flüsterten sie wohl: „Oh könnten wir es nur auch wiederfinden!"

    Endlich gelangten sie auf ihrer Pilgerfahrt dahin, wo Denken haust; ein seltsames altes Weib, das stets einen Ellbogen auf sein Knie und das Kinn auf die Hand gestützt hat und der Vergangenheit das Licht abstiehlt, welches es über die Zukunft ausgiesst.

    Und Leben und Liebe riefen aus: „O, Du Weise, lehre uns! Als wir uns verbunden hatten, besassen wir ein liebliches strahlendes Wesen: Freude ohne Thränen, Sonnenschein ohne Schatten. Ach, wie vergingen wir uns, dass wir es verlieren mussten? Wohin denn sollen wir uns wenden, um dasselbe wiederzufinden?"

    Sie aber, die weise alte Frau, antwortete: „Wollt Ihr, um es zurück zu haben, den, der jetzt neben Euch wandelt, aufgeben?"

    Doch angstvoll riefen Liebe und Leben: „Nein!"

    „Diesen lassen!" sprach Leben. „Wer wird mir das Gift aussaugen, wenn Dornen mich ritzen? Wer seine kleinen Hände auf den hämmernden Kopf legen

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