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Die Halbseele
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eBook209 Seiten2 Stunden

Die Halbseele

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Über dieses E-Book

Walter Merten, einziger Sohn des Landpastors, entscheidet sich gegen die Theologie und für die Medizin. Er wird Assistenzarzt im Städtischen Krankenhaus in Bernburg und gerät dort in eine persönliche Fehde zwischen seinem Vorgesetzten, Professor Westphal, einem Arzt von Weltruf, und dem Sanitätsrat Glasgow. Merten spürt schon bald, dass er sich vor Westphal besser in Acht nehmen sollte. Unerbittlich und rücksichtslos setzt dieser seinen Willen auch gegen jede medizinische Vernunft durch. Als er einen Patienten operiert, obwohl er selbst eine Handverletzung hat, stirbt dieser an einer Infektion. Merten hadert mit seiner Profession: Soll er sich gegen Westphal stellen? Wie bei allen großen Herausforderungen in seinem Leben spürt er seinen fehlenden Glauben als klaffendes Loch in sich ...-
SpracheDeutsch
HerausgeberSAGA Egmont
Erscheinungsdatum15. Jan. 2016
ISBN9788711487723
Die Halbseele

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    Buchvorschau

    Die Halbseele - Artur Brausewetter

    www.egmont.com.

    Erstes Buch.

    I.

    Halle, den ......

    Sehr geehrter Herr Sanitätsrat!

    Ich habe mich um die Stelle des ersten Assistenten am städtischen Krankenhaus in Bernburg, chirurgische Abteilung, beworben und höre, dass ich Aussicht habe, gewählt zu werden. Es liegt mir nun daran, ein sachkundiges Urteil über die Verhältnisse dieser Stelle zu erhalten. Ich wende mich deshalb an Sie, nicht nur als den erfahrenen Fachmann, sondern als den alten Freund unseres Hauses. Sie als der Leiter einer grossen Privatklinik werden mir zuverlässigen Bescheid geben können. Wie sind die Verhältnisse am städtischen Krankenhaus? Hat der erste Assistent eine gewisse Selbständigkeit? Darauf lege ich naturgemäss Wert, nachdem ich fast vier Jahre bei bedeutenden Vertretern der Chirurgie und Gynäkologie gearbeitet habe.

    Und vor allem, wie ist der Chef? Ich bitte um Ihr unumwundenes Urteil. Von der Persönlichkeit des leitenden Arztes hängt für den ersten Assistenten viel ab. Dass Professor Westphal ein hervorragender Vertreter seines Faches ist, weiss ich. Seine letzten Veröffentlichungen: „Beiträge zur Antisepsis" haben mir eine Fülle von Anregung geboten. Als Operateur hat er ja fast Weltruf. Aber wie steht es mit seiner Persönlichkeit? Er muss ein nicht leicht zu erkennender Charakter sein, denn die Urteile, die ich über ihn gehört habe, sind verschieden und widersprechend. Was für ein Mensch ist er? Was für ein Kollege? Das sind für mich wichtige und entscheidende Fragen. Ich harre Ihrer Antwort, auf die ich Gewicht lege, und bleibe mit Empfehlung an die verehrten Ihren Ihr Ihnen in aufrichtiger Hochachtung ergebener

    Dr. Walter Merten,

    z. Z. Assistenzarzt

    an der Universitätsklinik in Halle.

    Bernburg, den ....

    Lieber Herr Kollege!

    Besten Dank für Ihren Brief. Eine so offenherzige Anfrage an einen Mann, den Sie persönlich gar nicht kennen, verdiente gewiss dieselbe Antwort. Wenn diese dennoch nicht so ausfällt, wie Sie sie wohl wünschten, so werden Sie die Gründe meiner Zurückhaltung als Kollege zu würdigen wissen.

    Die Verhältnisse unseres städtischen Krankenhauses sind nicht besser und nicht schlechter, als man sie in grossen Städten gewöhnlich findet. Seitdem der Diakonieverein, von dem ich seit einigen Wochen auch vier Schwestern für meine Privatklinik habe, die Krankenpflege mit einer trefflichen Oberin an der Spitze übernommen hat, ist an der inneren Verwaltung des Hauses nichts auszusetzen. Sie haben also ein vorzüglich geschultes Personal und können in dieser Beziehung zufrieden sein. Ihr Arbeitsfeld wird weit sein, auch ihre Selbständigkeit grösser, als sie ein Assistenzarzt gewöhnlich besitzt und es Ihnen manchmal lieb sein wird. Die ganze Verantwortung wird auf Ihren Schultern ruhen, denn Ihr Herr Chef trägt sie nur dem Namen nach. Er kann kaum die Hälfte seiner Zeit dem Krankenhause widmen, da die andere seiner ausgedehnten Privatpraxis gehört, vor allem der Leitung seiner eigenen Klinik in der Hohenzollernstrasse, in der nur vornehme oder zahlungsfähige Patienten Aufnahme finden. Der Umstand nun, dass Professor Westphal durch seine Privatklinik mein Konkurrent geworden, wird es Ihnen begreiflich machen, dass ich mich nicht in irgendeiner Weise über ihn äussern möchte. Es genügte Ihnen, dass ich in seiner Würdigung als Chirurg und Gynäkologe mit Ihnen eins bin. Füge ich hinzu, dass ich in letzter Zeit auch in persönliche, recht schwere Meinungsverschiedenheiten mit ihm gekommen bin, so werden Sie mir um so lieber ein Urteil ersparen, als Sie dieses für parteiisch ansehen müssten.

    Ich will und darf Sie nicht beeinflussen. Kommen Sie und urteilen Sie selber. Zur Annahme der Stelle rate ich Ihnen unter allen Umständen. Es gibt kein Feld, auf dem sich eine junge, tatenfrische Kraft besser entfalten könnte. Ich hoffe, Sie bald von Angesicht zu Angesicht kennen zu lernen. Mit den Meinigen erwidere ich Ihre Grüsse herzlich als

    Ihr treu ergebener

    Glasgow, Sanitätsrat

    Nachschrift: Soeben war Stadtrat Vollmer bei mir; er ist Dezernent für das städtische Krankenhaus beim Magistrat und sagte mir, dass Ihre Wahl gesichert wäre. Herzlichen Glückwunsch, lieber Kollege! Sie sind uns willkommen.

    Der Ihre

    Glasgow

    Eine Drahtnachricht, die am nächsten Morgen eintraf, bestätigte Glasgows Schreiben: Doktor Merten war einstimmig zum ersten Assistenzarzt am städtischen Krankenhaus in Bernburg gewählt.

    Walter Merten war der einzige Sohn eines Landpastors. Sein Vater war eine stille, ernste Natur von einer innerlich kräftigen Frömmigkeit und rückhaltlosen Redlichkeit; sein Fleiss war gross, seine Begabung mässig. In dem Dienste einer ausgedehnten Landgemeinde auf der Nehrung verzehrten sich seine Kräfte schnell; die Tiefe seines Glaubens, die so viel überwunden hatte, trug sein langes, schleichendes Leiden mit einer Geduld, die ein überirdisches Gepräge trug; sein Sterben war friedlich und selig wie sein Leben.

    Walter war noch ein Kind bei seinem Tode; seine Mutter zog ihn in der schlichten Stille einer kleinen Stadt auf. Den felsenfesten Glauben des Vaters dem aufwachsenden Sohn mitzugeben, war der leitende Gedanke ihrer Erziehung. Dass der einzige Sohn eines solchen Mannes nur Prediger werden konnte, stand ihr als etwas Selbstverständliches fest, und ihm nicht minder.

    Er lebte sich in diesen Gedanken hinein, ohne ihm innerlich jemals nachzudenken; er sprach mit der Mutter sein Abendgebet, so lange er Kind war, und setzte es als Jüngling wie eine liebgewordene Gewohnheit fort. Er kannte keinen Kampf, kein Zweifel focht ihn an. Gott war dem zwanzigährigen jungen Mann dieselbe kindlich umgrenzte Märchengestalt geblieben, wie sie es dem sechsjährigen Knaben gejwesen war, der der Mutter sein Nachtgebet hersagte.

    Sowie er als Theologe auf die Universität ging, die ersten Vorlesungen hörte, kam er zur Erkenntnis.

    Nach kurzem, schwerem Kampfe konnte sich die verständnisvolle Mutter der Notwendigkeit seines Entschlusses nicht entziehen.

    Er entsagte der Theologie und begann Medizin zu studieren. Alle schlummernden Gaben entfalteten sich rasch und reich, sowie sie das Feld ihrer richtigen Betätigung gefunden; er bestand seine Prüfungen glänzend, wurde früh der begehrte Assistent der ersten Ärzte. Eine Zukunft lachte ihm.

    Aber nun vollzog sich ein wunderbarer Prozess in seinem Innenleben.

    Sowie er als Arzt vor schweren Anforderungen seines Berufes stand, besonders vor Operationen auf Leben und Tod, fühlte er trotz aller Begabung und allen Fleisses die Ohnmacht seines Könnens. Eine unbestimmbare Sehnsucht erwachte dann in seinem Herzen nach einer höheren Kraft, als sie dem Menschen von der Natur vergönnt war, nach irgendeinem Halt, an den er sich mit seiner zagenden Seele klammern könnte. Das Bild seines Vaters stand vor seiner Seele, wie er es aus der Erinnerung, mehr aber aus den verklärenden Schilderungen der geliebten Mutter kannte, die inzwischen auch gestorben war ... friedlich und selig wie der Vater.

    Wenn er glauben könnte wie der! Wie geborgen wäre er, wie glücklich! Aber das waren nur vorübergehende Empfindungen, bei denen es blieb. Ein wirklicher Glaube war ihm versagt. Das wusste er und machte deshalb keine Anstrengungen, ihn sich anzueignen.

    Er liess den Geistlichen an die Krankenbetten rufen, er riet Patienten, die seine Kunst aufgeben musste, das heilige Abendmahl zu nehmen — persönlich stand er dem allen fern. Er besuchte keine Kirche, hörte keine Predigt. Er wusste, dass sie ihm nichts sagen und nichts geben konnten.

    Zweierlei aber hatte er als Erbe seiner Eltern übernommen: von dem Vater eine strenge, unbestechliche Redlichkeit und Gewissenhaftigkeit, von der Mutter eine empfindsame Gemütsart. Dazu war er Idealist: er glaubte an die Menschen, an das Gute in der Welt.


    „Der Herr Professor sind oben in seiner Klinik, er lässt sich jetzt von niemand sprechen."

    „Der Herr Professor hat mich zu dieser Stunde gebeten."

    „Ah — der Herr Oberarzt aus Halle, jawohl, Sie werden erwartet, ich bin unterrichtet. Der Herr Doktor können sogleich in das Laboratorim gehen, oben in der Klinik, es ist nur für Eingeweihte — ich werde vorangehen."

    Der Diener schritt die mit dicken Läufern belegten Treppen empor und trat, leise die hohen, an der Innenwand gepolsterten Türen öffnend, in den behaglich ausgestatteten Vorraum der Privatklinik des Professors Westphal.

    „Hier bitte ich anzuklopfen, Meldung ist nicht nötig."

    „Herein!" rief eine gebietende Stimme.

    Als Merten öffnete, sah er eine kraftvolle Erscheinung im weissen Operationsmantel, die sich über ein hohes Pult beugte. Der gewaltige Kopf war in die Hände vergraben. Der kleine, nur von dämmerndem Licht erfüllte Raum, die willkürliche Anordnung von allerhand Seltenheiten und altertümlichen Kunstgegenständen, dazwischen einige Schädel und medizinische Instrumente, an den Wänden Kopien weiblicher Akte, anatomisch nüchtern aufgefasst, und in der Mitte von alledem die schweigende, weisse Gestalt, umhüllt von einem betäubenden Duftgemisch von Karbol, Jodoform und Äther ... das alles verwirrte für einen Augenblick den Eintretenden.

    Mit einem Male, als hätte er sein Kommen gar nicht bemerkt, erhob der Professor den muskulösen Arm, liess ihn dann auf das Pult herabfallen, dass es wie eine Erschütterung durch das Zimmer ging, die Schädel klapperten, die Gläser und Instrumente klirrten.

    „Heureka! rief die triumphierende Stimme. „So werde ich es machen, so muss es gelingen!

    Dann wandte er den Kopf, und das Erstaunen des jungen Arztes stieg.

    Professor Westphal stand in der Mitte der Sechziger. Mehrere Kollegen hatten es ihm erzählt, das Lexikon hatte es bestätigt. Aber diese ungebeugte Erscheinung, das volle Kopfhaar, durch dessen tiefes Schwarz einige graue Stellen wie neckend schimmerten, straften Kollegen und Lexikon Lügen.

    „Ah — Sie — Kollege Merten, nicht wahr? Willkommen!"

    Eine Hand streckte sich ihm entgegen, klein und weich im Gegensatz zu dem markigen Arm und dem starkknochigen Körper.

    „Ich dachte eben über ein Problem nach, ein verdammt schwieriges, von dem unsere Schulweisheit sich nichts träumt, aber von dem Leben und Tod abhängt für einen armen Teufel, der seine Millionen noch nicht lachenden Erben hinterlassen will und sich aus den Klauen des Todes gestern in meine rettenden Arme geflüchtet hat. Und ich werde ihn retten, damit er wenigstens noch ein paar Jahre mit seinem Mammon liebäugeln kann. Es stirbt sich verdammt schwer, wenn man ein Krösus ist.

    Sie hängen am Leben wie die Vampire am Blut, an jeden Strohhalm klammern sie sich. Lieber mit zerschnittenem Leibe, ein Krüppel an Körper und Geist, die süsse Gewohnheit des entbehrungsreichsten Lebens fristen, als Erlösung im schnellen Tode. Es ist die alte Weisheit Hamlets, dass wir die Übel, die wir haben, lieber tragen, als zu unbekannten fliehen. Darum ist unser Beruf auch der grösste und schönste. Wir sind die einzigen, die den Kampf wagen mit dem Allbeherrscher Tod. Wie manches Mal hat er seine Sense streichen müssen vor meinem Seziermesser. Deshalb hat er auch einen Groll auf mich, und wenn er mir mal die Hüfte rühren könnte — —! Aber noch nicht — noch stehe ich meinen Mann — trotz meiner fünfundsechzig Jahre."

    „In der Tat, Herr Professor, ich wollte es nicht glauben."

    „Hm ... hat mir schon mancher gesagt. Das macht die Arbeit, dieser lustige, frische Kampf von morgens bis zum späten Abend. Das ist doch noch Leben und Atmen! Zwar für Schwächlinge ist unser Beruf nichts, der braucht kräftige Naturen mit feuergehärteten Nerven — und mit nicht zu engem Gewissen."

    Und als Merten ihn mit einigem Erstaunen anblickte:

    „Natürlich! Sie verstehen mich nicht. Sie mit den Idealen Ihrer Jugend. Und doch ist es mein Ernst. So lange wir Ideale haben, sind wir weichlich und mehr oder minder kränklich. Aber hart muss der Chirurg sein und kalt! Sonst taugt er nicht. Und frisch zugreifen und sich nicht in allerlei Skrupeln und Zweifeln erschlaffen und um seine beste Kraft bringen lassen. ‚Der Chirurg soll das Herz eines Löwen und die Hand einer Lady haben,‘ sagt ein Engländer. Die Hand lasse ich auf sich beruhen — aber das Herz des Löwen, das unterschreibe ich!"

    „Auch ich. Nur als Sie vorhin sagten, unser Beruf vertrüge kein enges Gewissen —"

    „Sage ich noch einmal! Das Gewissen, wenn Sie es überhaupt brauchen, kann sprechen... vor der Entscheidung, vor der Tat. Aber nie nachher! Wenn mir ein Patient gebracht wird und der Fall ist mir zweifelhaft, dann schliesse ich mich hier in meine stille Klause ein, prüfe jedes Für und Wider und wäge es ernstlich ab. Und dann entscheide ich mich. Entweder übernehme ich die Operation, oder ich lehne ab. Meistens übernehme ich ... immer dann, wenn der Patient ohne sie einem sicheren Tode entgegengeht. Sowie ich aber übernommen habe, ist für mich die Sache innerlich abgetan, ein für allemal. Gelingt die Operation, dann bin ich um so glücklicher, je schwerer der Fall war. Misslingt sie, das heisst, sie misslingt mir niemals, geht jedoch der Patient an Schwäche oder Blutverlust zugrunde, so ist das eine Sache für sich. Aber mich dann in allerlei müssigen Fragen erschöpfen: ob ich früher oder später, ob ich am Ende hätte gar nicht eingreifen sollen, wie es Kollegen tun, die es entweder zu nichts bringen oder sich in ein paar Jahren aufreiben, das ist die Krankheit der weichlichen Gewissen, die unser Beruf nicht vertragen kann. Und wenn jemand von den Angehörigen kommt und will mir gar Vorwürfe machen, wie eben vor einer Stunde erst, dem weise ich die Tür — so!"

    Er hob den markigen Arm, und unter den hochstehenden, dichten Brauen sprühten die grauen Augen.

    Walter Merten konnte den Blick nicht losreissen von diesem Antlitz; es übte eine Gewalt auf ihn wie nie ein anderes. Dabei war es hässlich, sowie man es nach den Regeln der Ästhetik betrachtete. Was aber hiess hässlich — bei einem Manne, wie er es war? Diese Züge waren derb, ja plump wie die ganze Gestalt; die für gewöhnlich kupferne Farbe des grob geschnittenen Gesichts glänzte in diesem Augenblick in einem hellen Rot, und die stark sinnlichen Lippen, denen eine Bartbekleidung vorteilhaft gewesen wäre, waren fest und trotzig aufeinandergepresst. Aber nein — hässlich war er nicht!

    Und während er noch ganz in dem Banne dieser Erscheinung stand, die sich jetzt vor ihm erhob wie der zürnende Gott, der aus einem Paradies vertreibt, schoss, ihm selber kaum bewusst, ein Gedanke durch den Kopf: Zum Freunde würde er diesen Mann nie haben, ihn zu lieben, würde ihm nicht möglich sein — aber ihn zum Feinde sich machen, das müsste furchtbar und gefährlich sein.

    „Es war ein eigentümlicher Fall, fuhr der Professor fort, „eine Nephrotomie schwerster Art mit Komplikationen — Sie verstehen — wie sie selten vorkommen. Ich wagte die Operation — alles aufs beste — Einen Tag später stirbt die Patientin an Herzschwäche. Und da kommt ein Fant von Sohn und sagt mir, der Sanitätsrat Dingsda — Glasgow heisst er — hätte von vornherein die Operation für aussichtslos erklärt und hätte sich gewundert, dass ich sie übernommen hätte! Als wenn ich nicht zehnmal gemacht hätte, was dem Glasgow Alpdrücken bereitet, wenn er es träumt —

    „Der Sanitätsrat Glasgow, Herr Professor, ist ein treuer Freund unseres Hauses, den ich verehre —"

    Ein zündender Blitz unter den zusammengekniffenen Brauen, misstrauisch und fragend zuckt er über den Sprecher. „Es ist gut, dass Sie mir das sofort gesagt haben, und mit solcher Bestimmtheit. Der Name dieses Mannes ist in dieser ersten Stunde zwischen uns erwähnt worden — von nun an wird er nicht mehr über meine Lippen kommen. Aber hören Sie wohl, was ich Ihnen jetzt sage: Glasgow ist mein Feind, der grösste, den ich in dieser Stadt habe — und der unversöhnlichste —"

    „Ich glaube, Sie irren, Herr Professor."

    „Unterbrechen Sie mich nicht!

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