War mein Schnitzel glücklich?: Unsere Haltung zum Tierwohl
Von Mechthild Baumann und Frederike Potts
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Über dieses E-Book
Nicht immer geht es dabei sachlich zu. Die Kontroverse beginnt schon bei der Definition: Was ist überhaupt unter Tierwohl zu verstehen? Woran erkennen wir, ob es einem Tier gut geht? Ein glänzendes Fell? Schwanzwedeln? Wedeln Kühe überhaut mit dem Schwanz, wenn sie sich wohlfühlen? Womit wedelt ein Huhn?
Das Problem ist: Eine allgemeingültige Definition von Tierwohl gibt es nicht. Klar ist nur eines: Der Diskurs über das Tierwohl ist ein Kampf um die Deutungshoheit.
Dieses Buch bildet den aktuellen Diskurs über das Tierwohl mit seinen gegensätzlichen Meinungen ab, liefert auf unterhaltsame Weise Fakten und ordnet diese ein. In diesem Buch kommen Menschen zu Wort, die ganz unterschiedliche Haltungen zum Tierwohl haben: Veganerin und Jägerin, Landwirtin und Tierrechtler, Wissenschaftler und Schlachthofbesitzer.
Das Buch bietet die Chance, unterschiedliche Perspektiven zu diesem kontroversen Thema zu entdecken.
Mechthild Baumann
Dr. Mechthild Baumann ist promovierte Politikwissenschaftlerin und hat zwanzig Jahre als Studienleiterin in der europapolitischen Erwachsenenbildung gearbeitet. Ein Aspekt ihrer Arbeit war die Auseinandersetzungen mit gesellschaftspolitischen Kontroversen aus der Landwirtschaft, wie z. B. die Energiepolitik, das Tierwohl oder die Frage 'Wem gehört das Land?'. Heute arbeitet Mechthild Baumann als Beraterin, Autorin und Dozentin.
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Buchvorschau
War mein Schnitzel glücklich? - Mechthild Baumann
Danksagung
Ohne die finanzielle Unterstützung der Landwirtschaftlichen Rentenbank hätte dieses Buch nicht erstellt werden können. Ihr gilt unser besonderer Dank.
Ein ganz herzlicher Dank gilt auch allen Interviewpartnerinnen und - partnern, die sich viel Zeit für die Gespräche genommen haben und uns mit großer Offenheit Einblicke in ihre Ansichten zum Tierwohl und in ihre Lebensphilosophien gegeben haben.
Ein großes Dankeschön geht an Frederike Potts für ihren unermüdlichen persönlichen Einsatz hinter den Kulissen.
Und schließlich herzlichen Dank an Georg Baumann für das ehrenamtliche Lektorat.
Inhaltsverzeichnis
War mein Schnitzel glücklich? Der Diskurs über das Tierwohl und der Kampf um die Deutungshoheit
Aufbau des Buches
PORTRÄTS
Hans Nehoda, Wissenschaftler und Berater im Gesundheitswesen: „Die Lohnmästerei gehört abgeschafft und dafür müssen die echten Bauern mehr gefördert werden."
Johann Nesges, Schäfer und Schlachthofbesitzer: „Das Töten ist generell etwas ganz Schlimmes. Wenn jemand Wurst wegschmeißt, sage ich immer: ‚Dafür ist ein Tier gestorben.‘"
Annette Schubert, Musikpädagogin: „‚Milch tötet Kälbchen.‘ Durch diesen Satz wurde ich Veganerin."
Sybille Klug, Landwirtin und Landfrau des Jahres 2018: „Man kann nicht alle Kühe totstreicheln. Aber man muss achtsam und mit Wertschätzung mit dieser Kreatur umgehen."
Anja Kotsch, Jägerin und Betriebswirtin: „An der Jagd schätze ich den respektvollen Umgang mit dem Tier."
Ali Bülbül, Geschäftsführer eines Bildungsträgers: „Tiere sind ein wertvolles Geschenk von Allah. Ohne die Tiere könnten wir nur Gemüse essen."
Tobias Thüner, Geschäftsführer eines Luxus-Catering-Unternehmens: „Ein schön marmoriertes Steak bekommt man nur, wenn das Rind vorher Auslauf hatte und gut gefüttert wurde. Das bedeutet für mich Tierwohl."
Nauvoo Silva, Reinigungskraft und Masseurin: „Ich liebe Tiere. Aber auf Fleisch könnte ich nicht verzichten, es schmeckt so gut."
Ansichten von Experten
Sandra Düpjan Das Tierwohl aus Sicht der Verhaltensphysiologie
Angela Bergschmidt Tierwohl aus Sicht einer Agrarwissenschaftlerin
Jens Tuider Zur ethischen Relevanz tierlichen Wohlbefindens. Moralphilosophische Überlegungen
Epilog Glaubens- und Wertesysteme bestimmen die Haltungen zum Tierwohl
Autorinnen und Autoren
War mein Schnitzel glücklich? Der Diskurs über das Tierwohl und
der Kampf um die Deutungshoheit
von Mechthild Baumann
Haben Sie sich diese Frage schon einmal gestellt? Wahrscheinlich schon, aber eher nicht in dem Moment, als Ihnen das Schnitzel in goldig knuspriger Panierung, garniert mit einer Zitronenspalte, serviert wurde. Denn in dem Moment möchte man lieber nicht an das Tier hinter dem Produkt denken. Dennoch treibt Sie diese Frage um – sonst hätten Sie dieses Buch nicht in die Hand genommen.
Hinter der Frage „War mein Schnitzel glücklich?" steht die Frage nach dem Tierwohl. Tierwohl klingt erst einmal gut. Es hat einen Wohlklang. Es geht um das Wohlbefinden eines Tieres. Ein Wohlfühlwort, so wie hygge oder Wellness, mit dem man erst einmal positive Dinge assoziiert. Spannend wird es, wenn man den Begriff Tierwohl in seine beiden Bestandteile zerlegt, Tier + Wohl, und sich fragt: Um welche Tiere geht es hier? Und – die entscheidende Frage: Woran bemisst sich, ob einem Tier wohl ist?
In diesem Buch schildern viele unterschiedliche Personen ihre Einstellung zu Nutztieren¹. Das sind Tiere, die für die Nahrungsmittelproduktion gehalten, geschlachtet und verarbeitet werden: Rinder, Schweine und Hühner beispielsweise. Sie stehen im Fokus des medialen Interesses und die Diskussion um das Tierwohl berührt mehr Menschen als etwa bei Fischen. Ausgeklammert werden in diesem Buch Nutztiere, die nicht für den Verzehr gehalten werden, wie Pferde oder Hütehunde, ebenso wie Versuchstiere in Laboratorien, weil wir die Verbindung zwischen Tierwohl und Ernährung in das Zentrum dieses Buches stellen wollen.
Dann bleibt die Frage nach dem Wohl. Hier wird es kniffelig. Und emotional, denn woran ist erkennbar, ob es einem Tier gut geht? Ein glänzendes Fell? Schwanzwedeln? Wedeln Kühe überhaut mit dem Schwanz, wenn sie sich wohlfühlen? Womit wedelt ein Huhn? Das Problem hierbei ist: Eine allgemeingültige Definition von Tierwohl gibt es nicht.
Zur Annäherung an den Begriff „Tierwohl" ziehen wir in diesem Buch zwei Expertinnen und einen Experten zurate. Sie alle beschäftigen sich seit vielen Jahren intensiv wissenschaftlich mit dem Thema und bringen unterschiedliche Blickwinkel ein.
Die Biologin Sandra Düpjan stellt ernüchtert fest:
Das deutsche Tierschutzgesetz fordert in § 1, das Wohlbefinden aller Tiere zu schützen. Der Begriff ‚Tierwohl‘ hingegen findet sich in diesem Gesetz nicht. (Düpjan, in diesem Band)
Die Agrarwissenschaftlerin Angela Bergschmidt zitiert die aktuelle Definition des Bundeslandwirtschaftsministeriums:
Wenn Tiere gesund sind, ihr Normalverhalten ausführen können und negative Emotionen vermieden werden (z. B. Angst und Schmerz bei der Enthornung von Kälbern), kann von einer guten Tierwohl-Situation bzw. einer tiergerechten Haltung ausgegangen werden (BMEL 2017). (Bergschmidt, in diesem Band)
Beide Autorinnen verweisen auf die älteste und weitestgehende Tierwohl-Definition aus den späten 1970er Jahren aus Großbritannien. Fünf Freiheiten, so der Farm Animal Welfare Council, sollten einem Tier gewährt werden:
Freiheit von Hunger und Durst: Die Tiere haben Zugang zu frischem Wasser sowie gesundem und gehaltvollem Futter.
Freiheit von haltungsbedingten Beschwerden: Die Tiere haben eine geeignete Unterbringung wie z. B. einen Unterstand auf der Weide, trockene Lauf- und weiche Liegeflächen.
Freiheit von Schmerzen, Verletzungen und Krankheiten: Die Gesundheit und Unversehrtheit der Tiere wird durch vorbeugende Maßnahmen erhalten, erkrankte und verletzte Tiere werden durch eine geeignete Behandlung versorgt, auf Amputationen wird verzichtet bzw. werden die Tiere bei solchen Eingriffen betäubt.
Freiheit von Angst und Stress: Durch einen guten Umgang mit den Tieren und geeignete Haltungsbedingungen werden Angst und Stress vermieden, z. B. durch Verzicht auf Treibhilfen.
Freiheit zum Ausleben normaler Verhaltensmuster: Die Tiere haben die Möglichkeit, ihr artgemäßes Verhalten (Normalverhalten) auszuüben, z. B. durch ein ausreichendes Platzangebot, den Verzicht auf Anbindehaltung und den Kontakt zu Außenklima. (Bergschmidt, in diesem Band)
Basierend insbesondere auf diesen fünf Freiheiten haben sowohl die Verhaltensbiologie als auch die Agrarwissenschaft (ähnlich wie die Tiermedizin) in den letzten Jahren Verfahren entwickelt, mit denen sie versuchen, das Tierwohl objektiv zu messen. Die Idee dahinter ist, vergleichbare Maßstäbe zu entwickeln, die auf alle Tiere angewandt werden können und mittels derer die Einhaltung des Tierwohls überprüft werden kann.
Einen ganz anderen Blick auf das Thema bringt Experte Jens Tuider mit ein. Er betrachtet das Tierwohl unter ethisch-moralischen Gesichtspunkten.
Es wird zunehmend deutlich, dass auch Tiere Individuen mit komplexen kognitiven, emotionalen und sozialen Fähigkeiten sind – woraus sich ebenso komplexe Bedürfnisse und letztlich Verletzlichkeiten für die Behandlung durch uns ergeben. Unser Umgang mit ihnen – insbesondere in Bezug auf die sogenannten Nutztiere – wird dem natürlich nicht gerecht und führt zu einem erheblichen Spannungsverhältnis. (Tuider, in diesem Band)
Im weiteren Verlauf setzt er das Tierwohl in Verhältnis zu den Begriffen Tierwürde, Respekt für Tiere, artgerechte Haltung und subjektives Wohlbefinden.
Wir können also festhalten, dass nicht genau und für alle verbindlich definiert ist, was unter Tierwohl zu verstehen ist. Weil dies nicht klar ist, geht es in dem aktuellen Diskurs um das Tierwohl zu einem Großteil um die Deutungshoheit: Wer darf interpretieren, wann es einem Tier gut geht? Wer übersetzt die Gemütslage der Tiere in „Menschensprache"? Die Biologen argumentieren aus evolutionärer Perspektive, die Veterinäre aus tiermedizinischer, die Agrarwissenschaftler bewerten das Tierwohl in landwirtschaftlichen Zusammenhängen und die Philosophen betrachten es aus moralischer und kultureller Sicht. Wer hat recht?
Der Streit um Definition und Umsetzung des Tierwohls wird jedoch nicht nur auf wissenschaftlichen Konferenzen ausgetragen. Längst ist das Tierwohl zu einem Thema geworden, das die gesamte Gesellschaft polarisiert. Aus der Vogelperspektive betrachtet leuchten die gegensätzlichen Pole hell und klar: Fleischesser gegen Pflanzenesser. Grüne gegen Andersfarbige. Landwirte gegen Tierrechtler. Produzenten gegen Verbraucher. Berufsbürger gegen Industrielle. Klein gegen Groß. Doch wechselt man in die Froschperspektive und betrachtet den Diskurs aus der Nähe, sind die einzelnen Positionen längst nicht mehr trennscharf.
Gerade im Internet und in den sozialen Medien werden emotionale Diskussionen geführt. Eindrucksvoll ist eine Diskussion, die hier kurz zusammengefasst wird.
Ein Tierschutzverein übernimmt von der Tierrettung 200 Legehennen, die der Amtstierarzt wegen schlechter Haltung eingezogen hat. Der Tierschutzverein sucht in seinem Forum nach Personen, die bereit sind, diese Hennen aufzunehmen. Bedingung: Die Tierretter müssten sich verpflichten, die Hennen artgerecht zu halten, nicht zur Zucht zu verwenden, sie medizinisch zu versorgen und nicht zu schlachten. Außerdem müssten sie eine Spende an den Verein leisten.
Neben vielen Empörungen ob der schlechten Haltungsbedingungen entbrannte schnell ein emotionaler Streit im Forum, als eine Frau vorschlug, die Tiere artgerecht zu schlachten und das Fleisch an bedürftige Menschen zu spenden. Während einige Forennutzer dieser Frau eine Unterwanderung des Forums vorwarfen, schlugen andere vor, man solle, statt die Legehennen zu retten, doch lieber Rassehühner züchten, diese seien ein Kulturgut und es sei doch schade, wenn überall nur noch gerettete Legehennen rumlaufen würden.
Die Diskussion nahm an Fahrt auf: Haben die Legehennen kein Recht auf ein schönes Leben? Stattdessen sollten die Verbraucher keine Eier mehr von diesen Legehennen kaufen, um das System von Nachfrage und Angebot zu stören. Aber wo sollten dann die ganzen Eier hin, die die Legehennen weiterhin legen? Andere warfen ein, durch die Rettung kranker Legehennen aus Großbetrieben würde man den Betreibern nur die Entsorgungskosten abnehmen. Der Tierschutzverein beendete die Diskussion mit dem Fazit: Wir setzen uns für eine vegane Lebensweise ein, aber es gibt noch viele Menschen, die Eier essen. Die Hennen, die diese Eier legen, brauchen jetzt unsere Hilfe. Der Betrieb wird sowieso neue Hennen kaufen, ob wir die retten oder nicht.
Dieser Ausschnitt illustriert sehr schön zum einen die Emotionalität des Themas und die unterschiedlichen Betroffenheiten und Empathien. Zum anderen purzeln Argumente durcheinander, die alle eine Rolle in der Diskussion um das Tierwohl spielen und die eine generelle Bewertung des Themas erschweren. Zwei grundlegende Fragen lassen sich in der Debatte herauskristallisieren:
Die Frage nach dem „ob". Sollten für Nutztiere andere Maßstäbe an das Tierwohl angelegt werden als für Wildtiere oder Haustiere?
Eine Person fragt in der Onlinediskussion, ob es grundsätzlich sinnvoll sei, Nutztiere zu retten, oder ob man sie nicht besser – ihrem Zweck entsprechend – schlachten und verwerten solle. Hieran schließt sich die aus der Tierethik kommende grundsätzliche Frage, ob denn Nutztiere weniger Rechte haben sollten als andere Tiere. Viel Energie wird beispielsweise in die Rettung von Eichhörnchen oder Seerobben gesteckt: Wo zieht man da die Trennlinie zur Rettung der Legehennen?
In einem anderen Kommentar wird „artgerecht mit „schlachten
verknüpft. Die kommentierende Person geht davon aus, es liege in der Natur einer Henne, geschlachtet und verwertet zu werden. Das Argument, Nutztiere hätten ihren Lebenszweck in der Ernährung und Versorgung von Menschen, bildet die Grundlage für die gesamte Nutztierhaltung. So kann das Töten, Verwerten und Verzehren von Tieren überhaupt gerechtfertigt werden. Und hier wird die Trennlinie gezogen zwischen Nutztieren, Haustieren und Wildtieren.
Die Haltung zum Tierwohl wird auch geprägt durch Kultur und Religion.
Die Entscheidung, welche Tiere wir nutzen und welche wir essen, hat nur mittelbar mit dem Tierwohl zu tun, liefert aber wichtige Erkenntnisse darüber, welche Werte wir in unserer Kultur den verschiedenen Tierarten zuschreiben und zugestehen und wie wir mit ihnen umgehen. Ein Tier, das uns „heilig" ist, behandeln wir anders als ein Tier, das wir nur halten, um es zu nutzen. Und Tiere, die wir als Ungeziefer betrachten, werden meist direkt vernichtet.
Nehmen wir den Hund. Es gibt Hunde, die konkrete Aufgaben haben, wie etwa Blinden-, Jagd- oder Hütehunde. Doch des Deutschen Liebe zu seinem Hund, häufig genug verhätschelt und als Kindersatz herhaltend, irritiert Angehörige anderer Kulturkreise. Auf dem afrikanischen Kontinent gelten Hunde vielfach als unrein. Kaum einer käme auf die Idee, mit solch einem Tier sein Heim zu teilen. In Nepal wiederum gelten manche Hunderassen als Delikatesse und somit als Nutztiere. Kühe sind in Indien heilig, in Deutschland multiple Nutztiere, weil sie Milch geben, Fleisch liefern und ihre Haut für die Lederproduktion gebraucht wird.
Als Teil der Kultur spielt die Religion eine große Rolle bei der Entscheidung, welche Tiere wir essen und wie wir sie verwerten. Sowohl die Regeln des Islam als auch des Judentums sehen vor, dass nur bestimmte Tierarten verzehrt werden dürfen und dass diese geschächtet werden müssen. Schächten bedeutet, dem Tier ohne Betäubung mit einem Messer Luft- und Speiseröhre zu durchtrennen und das Tier ausbluten zu lassen.
Ist das Schächten für Gläubige beider Religionen elementar, um nach den Vorschriften ihres Glaubens leben zu können, so sehen Tierschützer hierin eine Quälerei für die Tiere. In Deutschland wurde dieser Konflikt vor dem höchsten Gericht, dem Bundesverfassungsgericht, ausgetragen. Tierschützer beklagten die Verletzung elementarer Tierrechte, die Glaubensvertreter fühlten sich in ihrer Religionsfreiheit eingeschränkt. Konkret ging es darum, wie § 4a Nr. 2 des Tierschutzgesetzes ausgelegt werden solle, welches das Schächten nur in gut begründeten Fällen erlaubt.
Das Bundesverfassungsgericht entschied im Jahr 2002 (Az: 1 BvR 1783/99), dass das Recht auf freie Religionsausübung über dem Tierschutz stehe, weil die Religion durch die Verfassung geschützt sei, der Tierschutz aber nur durch Gesetz. Eine Welle der Entrüstung machte sich daraufhin in Deutschland breit, woraufhin der Bundestag beschloss, den Tierschutz ebenfalls in das Grundgesetz aufzunehmen (Art. 20a GG).
Seitdem hat auch der Tierschutz Verfassungsrang, allerdings nur als Staatsziel, nicht als Grundrecht wie die Religionsausübung. Der Tierschutz wurde so zwar juristisch aufgewertet, der Religionsfreiheit aber noch nicht ganz gleichgestellt. Aus diesem Grund wird auch nach der Aufwertung weiter geschächtet und der Konflikt hält an.
Nimmt man die Tatsache, dass Menschen Fleisch und Tierprodukte verzehren, als gegeben hin, stellt sich die Frage nach Haltung und Schlachtung.
Ausgangspunkt der Onlinediskussion war der schlechte Zustand von 200 Legehennen. Der Zustand muss so schlecht gewesen sein, dass die Amtstierärztin „von Amts wegen" einschritt und die Tiere aus dem Stall entfernen ließ. Die Tiere hatten offensichtlich Leid erfahren, wie genau dies aussah, wissen wir nicht. Hier wird die zweite grundlegende Frage in der Debatte um das Tierwohl thematisiert: Wie und unter welchen Bedingungen sollten Nutztiere gehalten werden?
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