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Es lockt der Ruf des Muezzins: Europa am Kreuzweg
Es lockt der Ruf des Muezzins: Europa am Kreuzweg
Es lockt der Ruf des Muezzins: Europa am Kreuzweg
eBook291 Seiten3 Stunden

Es lockt der Ruf des Muezzins: Europa am Kreuzweg

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Über dieses E-Book

Der Autor, ein profunder Kenner des Islam, ist seit frühester Jugend unterwegs, um die muslimische Welt zu erkunden. In seinem neuesten Buch lädt er seine Leser und Leserinnen zu einer Reise ein, dabei durchqueren die Reisenden die Jahrhunderte und die Länder, in denen der Islam Fuss gefasst hat, und lernen eine Gegenwart kennen, die sie überraschen wird. Als Reisebegleiter fungiert der Koran, aus dem der Autor ausführlich zitiert, um die dargestellten Themenbereiche mit Koranversen zu untermauern.

"Es lockt der Ruf des Muezzins" beleuchtet die Hintergründe des Islam und gewährt verblüffende Einblicke in diese vielschichtige Religion. Ausführlich beschäftigt sich der Autor auch mit aktuellen Ereignissen und Entwicklungen und mit der blutigen Geschichte des Dschihad.
SpracheDeutsch
HerausgeberMünster Verlag
Erscheinungsdatum30. Mai 2020
ISBN9783907301098
Es lockt der Ruf des Muezzins: Europa am Kreuzweg

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    Buchvorschau

    Es lockt der Ruf des Muezzins - Manfred Schlapp

    2018

    ERSTES KAPITEL

    Am Anfang war ein

    schwarzer Würfel

    Die Fahne des Propheten auf globalem Siegeszug

    «Menschen EINEM Gott zu unterwerfen

    ist das grösste Verbrechen.»

    Altarabische Sentenz,

    die nach der Ausrottung des arabischen Polytheismus

    dem «Schaitan» in den Mund gelegt wurde.

    Es war einmal, so fangen nicht nur Märchen an. Vor rund 2600 Jahren begab es sich, dass nachdenkliche Menschen nicht länger an Götter glauben wollten. Sie erkannten, dass sich hinter dem angeblichen Walten von Göttern Naturgesetze verbergen, die der forschende Geist zu entbergen vermag. Die Sonne soll ein Gott sein? So ein Unsinn! Die Sonne ist ein glühender Steinhaufen. Mit solchen Lehren vollzog sich der Wandel vom Mythos zum Logos.

    An jene Zeit erinnert eine lehrreiche Geschichte, die sich im sechsten vorchristlichen Jahrhundert in Milet ereignet hat. Milet war eine multikulturelle Hafenstadt an der Westküste Kleinasiens, wo der Kosmologe und Mathematiker Thales lebte und wirkte. Als notorischer Sterngucker, den kosmische Erscheinungen interessierten, hat er sich den Ruf eines Spinners erworben, mit dem es kein gutes Ende nehmen werde.

    Anstatt sich um die Dinge zu kümmern, die vor seinen Füssen lagen, observierte Thales den nächtlichen Himmel. Es kam, wie es in den Augen seiner braven Mitbürger kommen musste. Er fiel in einen Brunnen, sehr zum Ergötzen seiner thrakischen Magd. Im Lachen der Thrakerin findet der zeitlose Streit zwischen Praktikern und Theoretikern seinen Ausdruck. Diesen Wettstreit hat Thales zu seinen Gunsten entschieden. Anhand einer kühnen Finanzspekulation bewies er den Mitbürgern und seiner Magd, welch segensreiche Früchte die Beobachtung von Naturphänomenen hervorzubringen vermag.

    Milet war weithin berühmt für sein erstklassiges Olivenöl, das auf den Hügeln oberhalb der Stadt gedieh. Die Olive liebt die Hitze. Im Frühjahr prognostizierte Thales einen heissen Sommer. Kurz entschlossen nahm er sämtliche Ölpressen der Region unter Vertrag. Ein risikoreiches Spekulationsgeschäft! Doch Thales irrte sich nicht. Der Sommer wurde heiss, und reich war die Olivenernte. Und so konnte der «Spinner», in dessen Händen das Monopol über die Ölpressen lag, den Olivenbauern den Preis für die Pressung diktieren.

    Es ist ein inspirierendes Gedankenspiel, sich vorzustellen und auszumalen, wie die Geschichte des Islam verlaufen wäre, hätte diese Ideologie ein Spinner vom Schlage eines Thales ersonnen, mit dem die abendländische Aufklärung beginnt. Der «Spinner», der als Begründer des Islam gilt, war jedoch aus einem anderen Holz geschnitzt.

    Was sich seit dem frühen siebten Jahrhundert christlicher Zeitrechnung in und um Mekka und mittlerweile rund um den Globus abspielt, ist untrennbar mit einem Mann verbunden, dessen Name in den islamischen Gemeinden Tag für Tag aus Millionen von Kehlen erschallt und mit zunehmender Lautstärke auch quer durch Europa: «Es gibt keinen Gott ausser Allah, und Muhammad ist der Gesandte Allahs!»

    Der Name Muhammad taucht im Koran, im hochheiligen Buch der Muslime, das Allah höchstpersönlich seinem Gesandten zugeraunt haben soll, nur viermal auf, ein Umstand, der Orientalisten nicht erstaunt, wie wir noch sehen werden. Immerhin erscheint Muhammad im 40. Vers der 33. Sure, in einem Vers von zentraler Bedeutung: Ma kâna Muhammad aba ahadin min ridschâlikum wa lakin rasûla’llahi wa châtama an-nabîna! Und das heisst: «Muhammad ist nicht der Vater von einem Eurer Männer, sondern Allahs Gesandter und das Siegel der Propheten!»

    Das ist eine starke Botschaft: Muhammad sei der krönende Abschluss aller Propheten vor ihm, von Moses bis Jesus. Aus dem Siegel-Vers, wie er genannt wird, ziehen Kommentatoren den Schluss, dass gläubige Muslime in einer «versiegelten Zeit» leben, mithin in einer Zeit, in der alles so geblieben ist und so zu bleiben hat wie in jenen Jahren, in denen Muhammad zwischen Mekka und Medina hin und her gependelt ist.

    Nach offizieller Lesart schlug die Geburtsstunde des Islam im Jahre 610, als der Erzengel Gabriel einem Kaufmann namens Muhammad in der Berghöhle Hirâ oberhalb von Mekka erschienen sein soll. Muhammad habe sich mehrfach dorthin zurückgezogen, um in Ruhe über sein Leben nachdenken zu können. Als er wieder einmal in dieser Höhle vor sich hin dämmerte, sei er plötzlich in den Armen eines Engels erwacht, und von oben her habe ihm eine Stimme befohlen: iqra! (= lies!) Muhammad sei zutiefst erschrocken und habe geantwortet, dass er nicht lesen könne. Gleichwohl sei ihm noch zweimal befohlen worden: iqra! Dann habe er eine erste Offenbarung in Form jener fünf Verse wahrgenommen, mit denen die 96. Sure beginnt:

    Iqra bismi rabika alazi chalaqa! chalaqa al-insana min âlaqin. iqra wa rabuka al-akramu, alazi âlama bil-qalami! âlama al-insana ma lam yaâlam. Diese fünf Kurzverse besagen: «Lies im Namen Deines Herrn, der erschaffen hat! Er erschuf den Menschen aus einem sich ‹Anklammernden› (= Samentropfen). Lies und Dein Herr ist gütig, der mit dem Schreibrohr gelehrt hat. Er lehrte den Menschen, was er nicht wusste.»

    Mit dieser Offenbarung, die Muhammad im Traumzustand empfangen habe, schlug in den Augen frommer Muslime die Geburtsstunde sowohl des Islam als auch des Koran. Doch der Koran hat eine lange Vorgeschichte, auf die wir noch eingehen werden. Vorläufig sei nur der schwarze Würfel angesprochen, der in Mekka zum Abbild des unsichtbaren Allahs werden sollte.

    Aus ideengeschichtlicher Sicht spielt der Volksstamm der Thamud eine interessante Rolle. Auf dieses Volk kommt der Koran in 21 Suren zu sprechen, es genügt jedoch, sich auf die 27. und auf die 89. Sure zu beschränken. Der neunte Vers der 89. Sure erinnert daran, dass die Thamud «jene (waren), die am Talrand die Felsen aushöhlten». Der Vers bezieht sich auf die Felsengräber der antiken Stadt Hegra, einer einst wohlhabenden Handelskolonie, die an der sagenumwobenen Weihrauchstrasse lag.

    Die Thamud, die diese Stadt bewohnten, geboten über den südlichen Stützpunkt der einst mächtigen Nabatäer, die sich mit der Felsenstadt Petra ein reiches, perfekt geschütztes Handelszentrum aufgebaut hatten. Nach dem Vorbild der Häuser und Monumentalbauten von Petra, die aus dem Sandstein herausgehauen wurden, legten die Thamud bei Hegra die Felsengräber an, die in der 89. Sure angesprochen werden.

    Unheilvolles berichtet diese Sure: «Sie (= die Thamud) haben in (ihrem) Land gefrevelt, denn sie haben in ihm Unheil angerichtet. (Deshalb) liess Dein Herr die Geissel der Strafe auf sie niedersausen!» Die Hand des Herrn hat sie hart bestraft, denn in der 27. Sure ist nachzulesen, dass Allah die Thamud bis zum letzten Mann ausgerottet habe.

    Was auch immer zu ihrem Untergang geführt haben mag: Von enormer Bedeutung ist die kulturelle Hinterlassenschaft der Thamud. Für Orientalisten eine wahre Fundgrube sind die Inschriften, deren Zeichen den aramäischen Buchstaben ähneln. Aus diesen Buchstaben hat sich im Laufe der Zeit das arabische Alphabet entwickelt.

    Bedeutsam sind auch die Götterdarstellungen der Thamud. Sie stellten ihre Götter nicht als Figuren dar, wie es bei den umliegenden Kulturen üblich war, sondern als gesichtslose Würfel und Quader. Und nicht minder bedeutsam ist: In ihren Tempeln verehrten sie eine weibliche Dreifaltigkeit, die von zwei schwarzen Würfeln und einem schwarzen, hoch ragenden Quader repräsentiert wurde. In der Dreifaltigkeit erkennt man das römische Götterprinzip der Trinität, das sich im Christentum bis zum heutigen Tag erhalten hat. Und die drei Kuben, die mit einer Menschengestalt nur entfernt zu tun haben, waren der sichtbare Ausdruck für ein elementares Gebot der jüdischen Religion, das der Islam übernommen hat: Mach Dir kein Bild von Gott!

    Als der Prophet Muhammad – inspiriert vom jüdischen Jahwe – in Mekka einen rigiden Monotheismus zu predigen begann, herrschte in dieser multireligiösen Handelsstadt ein fröhlicher Polytheismus. Die Kaaba, die mit Muhammads Herrschaft über die Mekkaner zum Zentrum einer bilderfeindlichen Ideologie wurde, war noch zu der Zeit, als der Prophet aus Mekka fliehen musste, eine Kultstätte, in der an jedem Tag ein anderes Götterbzw. Heiligenbild ausgestellt und verehrt worden ist. Wie ist das zu erklären?

    Im frühen sechsten Jahrhundert konnte im heutigen Jemen das christliche Königreich Himyar mithilfe abessinischer Truppen seine Macht voll entfalten. Der Einfluss dieses fast fünfhundertjährigen Reiches, über das zu jener Zeit die Königsburg Rayan oberhalb von Zafar wachte, reichte bis Mekka. In dieser Epoche war die Kaaba eine christliche Kirche.

    Im ältesten Reisebericht, der Mekka beschreibt, ist zu lesen, dass in der Nähe der Kaaba ein christlicher Friedhof lag und dass in der Kaaba Bildtafeln von Jesus und Maria hingen und über diesen eine hölzerne Taube, die den Heiligen Geist darstellte. Folglich hat es sich bei den rund 360 Götterbildern, die in dieser Kultstätte versammelt waren, wohl um die Heiligenbilder des christlichen Kirchenkalenders gehandelt. Entsprechend dem Ablauf des Kirchenjahres wurden diese Bilder Tag für Tag ausgewechselt.

    In der Kaaba sollen sich auch die drei kubischen Skulpturen befunden haben, die die weibliche Dreifaltigkeit der Thamud repräsentierten: «al-Lat», «al-Uzza» und «Manat», die im Koran «Manawat» heisst. Die 53. Sure hat diese einzigartige weibliche Trias verewigt, und zwar in den zwei Kurzversen 19 und 20: «Kennt Ihr al-Lat und al-Uzza und Manawat, die dritte, die andere?» An dieser Koranstelle habe der Satan vergeblich versucht, einige Verse einzuschmuggeln, in denen diese drei Göttinnen als Fürsprecherinnen bei Allah fungieren hätten sollen.

    Dem kollektiven Gedächtnis der Muslime haben sich diese Verse als jene «satanischen Verse» eingeprägt, die der Schriftsteller Salman Rushdie in seinem Bestseller gleichen Namens weltberühmt gemacht hat. Der Titel des Buches genügte, um lauthals den Tod des Autors zu fordern. Es war offensichtlich, dass die Schreihälse keinen blassen Dunst vom Koran hatten. Und welcher Moslem weiss, dass der Halbmond, das heilige Symbol des Islam, ursprünglich ein Attribut der Göttin «al-Lat» war? Seine Wiedergeburt erlebte dieses uralte Symbol bei Darstellungen der Gottesmutter Maria in Gestalt der Mondsichelmadonna.

    Der Name «al-Lat» bzw. «Allat» ähnelt auf verblüffende Weise dem Namen von Allah. «Allat» wurde als raba, als Herrin tituliert, zumal in der Region um Tâif, wo ihr höchstes Heiligtum stand. Raba ist die weibliche Form zu rab (= Herr). Und als rab wird Allah im Koran durchgehend angesprochen, so auch in der 96. Sure, in der ältesten Sure, die mit den mahnenden Worten beginnt: «Lies im Namen Deines Herrn!»

    Als Muhammad diese Mahnung in der Berghöhle oberhalb von Mekka empfing, war ihm diese Stadt noch wohl gesonnen. Doch die Stimmung wurde immer feindseliger, bis sie in blanken Hass umschlug. Muhammad wurde mitsamt seinen Anhängern aus Mekka vertrieben. Er floh nach Yathrib, in ein Städtchen nördlich von Mekka, das man später medina an-nabi (= Stadt des Propheten) nannte. Mit dieser Flucht im Jahre 622, die für Muslime die nämliche Bedeutung hat wie die Geburt von Jesus für die Christen, beginnt die islamische Zeitrechnung.

    Muhammads Flucht von Mekka nach Yathrib/Medina ging als «Hidschra» in die Geschichte des Islam ein. Dieser Begriff lässt sich nur umschreibend übersetzen, etwa mit den Worten: «gewaltsame Trennung einer gewachsenen Bindung». Diese «gewaltsame Trennung» bildete den Auftakt zu zahllosen Raubzügen und Blutbädern. Lang ist die Blutspur, die sich seit Muhammads Flucht aus Mekka bis in unsere Zeit ziehen lässt. Das erste Blutbad fand am 17. März 624 in der Schlacht bei Badr statt, bei einer Oase, die auf halber Höhe zwischen Mekka und Medina liegt.

    Dieser Oase hatte sich eine reich beladene Karawane der Quraisch genähert. Aus dem Hinterhalt griffen Muhammad und seine Anhänger die Quraisch an und fügten ihnen eine schwere Niederlage zu. Im Kampf gefallen ist Àmr ibn Hischâm, ein Todfeind von Muhammad. Reich war die Beute, und dem Propheten strömten neue Anhänger zu. Diese Schlacht spielte eine Schlüsselrolle im Kampf gegen die Quraisch, gegen einen mächtigen, Mekka beherrschenden Karawanenclan, dem die 106. Sure, as-suratu al-quraischi, gewidmet ist.

    Den Sieg, den der Prophet in der Schlacht bei Badr errungen hat, habe ihm Allah höchstpersönlich beschert, wie es die Hadithe verkünden. Noch blutiger verlief ein Jahr später die Schlacht am Berg Uhud, in der Muhammad und seine Truppe beinahe vernichtend geschlagen worden wären. Die Schlacht von Uhud ist als «Tag der Heimsuchung» in die Annalen der islamischen Geschichte eingegangen. In diesen Annalen ist nachzulesen, dass die Angreifer bis zum Propheten vorgedrungen seien, nachdem sie siebzig seiner Anhänger getötet und den Verteidigungsring überrannt hatten. Wieder habe Allah seine schützende Hand über den Propheten gehalten.

    Yathrib, das Exil von Muhammad, war eine Oase, die aus mehreren dorfähnlichen Siedlungen bestand, in denen drei jüdische Clans und christlich-arabische und polytheistisch-arabische Stämme lebten. Schon bald nach der Ankunft von Muhammad konvertierten fast alle arabischen Einwohner zur neuen Lehre. Nur die Juden weigerten sich, der Religion ihrer Väter eine Absage zu erteilen und Anhänger einer Doktrin zu werden, die zwar viele Elemente der jüdischen Tradition aufgriff, die aber die arabische Vormacht in den Vordergrund stellte.

    Zum Verhängnis wurde den Juden die sogenannte Grabenschlacht, die im Oktober 627 stattgefunden hat. Mit einer Streitmacht von 10'000 Mann, darunter Krieger verbündeter arabischer Stämme und abessinische Söldner, zogen die Quraisch gegen den Propheten. Yathrib war aufgrund der Topografie und des tiefen Grabens, den man angelegt hatte, leicht zu verteidigen. Vier Wochen lang belagerten die Quraisch die Stadt, dann gingen ihnen allmählich die Vorräte aus. Den Ausschlag gab angeblich wiederum Allah, der mitten in der Nacht einen gewaltigen Sturm aufkommen liess, der das Lager der Angreifer devastiert habe. Noch vor Tagesanbruch seien die Belagerer abgezogen.

    Schon vor Beginn der Belagerung wurde in Yathrib das Gerücht gestreut, dass «jüdische Kreise» hinter all den Angriffen auf Muhammad stünden, wiewohl die Juden mit dem Propheten ein Bündnis geschlossen hatten. Während der Belagerung durften zwei der drei jüdischen Clans abziehen. Sie flohen nach Chaibar, wo sie ein halbes Jahr später von Muhammads Raubrittern umgebracht wurden.

    Der dritte Stamm blieb in der Stadt und sass in der Falle. Diesem Stamm wurde die Absicht unterstellt, den Belagerungstruppen den Weg in die Stadt zu öffnen. Damit war der Vorwand geschaffen, dem Judenhass freien Lauf zu lassen. Muhammad liess die männlichen Mitglieder des Stammes auf dem Marktplatz «im Namen des Gesetzes» abschlachten. Die Frauen und Kinder wurden versklavt bzw. in die Wüste gejagt. Mit diesem Pogrom ist die islamische Jagd auf Juden salonfähig geworden, eine Jagd, die der Koran mehrfach preist und sanktioniert.

    Das Morden beschränkte sich nicht auf Yathrib/Medina. Noch ehe Muhammad als Sieger in Mekka einzog, führte er im weiten Umkreis der Stadt, in die er geflohen war, brutale Raubzüge durch. Diesem Morden fiel im Frühjahr 628 der Grossteil der Juden in Chaibar zum Opfer, in einer blühenden Oase, die durch Handel und durch Produktion von Seide reich geworden war. Von Hass und Beutegier angetrieben, eroberte Muhammad mit seiner Soldateska Chaibar und richtete unter den Juden ein Blutbad an.

    Ein Jahr vor diesem Gemetzel soll Muhammad davon geträumt haben, dass mittlerweile alle Einwohner von Mekka Allah verehren würden. Von diesem Traum beflügelt, pilgerte er mit seinen Anhängern nach Mekka, in der Hoffnung, zur Kaaba vorgelassen zu werden. Die Stadttore blieben jedoch verschlossen. Zwei Jahre später erreichte Muhammad endlich sein Ziel. Die Mekkaner übergaben ihm die Stadt.

    Umjubelt von seinen Anhängern zog er wie ein Triumphator in Mekka ein und zerstörte die Götterstatuen und Heiligenbilder, die im schwarzen Würfel verwahrt waren. Nachdem das Vernichtungswerk vollbracht war, erklärte Muhammad die Kaaba zum zentralen Heiligtum seiner Religion, zu dem künftig jeder Moslem pilgern müsse. Und ab sofort müsse man in Richtung Mekka und nicht mehr in Richtung Jerusalem beten, wie es die Juden taten, von denen Muhammad diesen Brauch abgeschaut hatte.

    Im Jahre 632, in dem Muhammad starb, soll er ein letztes Mal nach Mekka gepilgert und auf den Berg Arafat gestiegen sein, um seine Abschiedsrede zu halten. Sein Gesundheitszustand sei bereits schlecht gewesen. Nach Yathrib/Medina zurückgekehrt, sei er von Fieberkrämpfen geschüttelt worden. Mit letzter Kraft habe er sich von seinen Freunden verabschiedet, ehe er zu seiner Frau Aischa zurückkehrte, in deren Armen er seine Seele aushauchte. Er starb am 8. Juni Anno Domini 632.

    In seinen zwei letzten Lebensjahren führte Muhammad Kriege gegen Stämme, die um die Vorherrschaft über die Weihrauchstrasse stritten. Bündnisse wurden geschlossen und wieder aufgelöst. Aus Freunden wurden Feinde und umgekehrt. Angeblich ging es bei diesen Kriegen nicht um Geld und Macht, sondern um die Beendigung der ridda, der Apostasie vom Glauben an Allah. Die ridda-Kämpfe verliefen zugunsten des Propheten. Muhammad und seine Krieger erkämpften ihr Kriegsziel: Im Namen Allahs unterwarfen sie die Stämme der Arabischen Halbinsel, die den Handel mit Weihrauch und anderen Gütern betrieben, und gewannen die Kontrolle über die Weihrauchstrasse.

    In seinem Todesjahr war Muhammad der Herrscher über den westlichen Teil der Arabischen Halbinsel und somit der Herr über jene wichtige Handelsstrasse, die vom Golf von Aqaba über Medina und Mekka nach Sanaa und Aden führte und von dort in den Oman. Und es war ihm gelungen, die Stämme, die in dieser Region das Sagen hatten, zu einer ersten umma muslima und zu einem Verband kampfbereiter Wüstenkrieger zu vereinen.

    Nicht verschwiegen sei das Vernichtungswerk, das diese Krieger bei der Eroberung von Sanaa verübt haben. In dieser Stadt ist im sechsten Jahrhundert ein christliches Gotteshaus errichtet worden, das alle Kirchen von Himyar an Schönheit weit überstrahlte. Byzantinische Künstler schufen einzigartige Mosaiken und eine Kuppel aus Alabaster, durch die bei Sonnenaufgang die Strahlen der Sonne auf den Altar fielen.

    Dieses Prunkstück byzantinischer Kunst wurde bis auf die Grundmauern zerstört, und Teile der prachtvollen Mosaiken verschleppten die Eroberer als Siegestrophäen nach Mekka. Ebenfalls zerstört wurden die Kirchen in Aden, in Marib, in Nadschran und in Zafar. Diese Barbarenakte signalisierten den Beginn eines neuen Zeitalters.

    Zum Aufbruch in die neue Zeit blies in Muhammads Todesjahr Abu Bakr, den seine Anhänger zum Kalifen, zum Nachfolger des Propheten gewählt hatten. Die Wahl erfolgte unter Missachtung von Ali, dem Neffen und Schwiegersohn von Muhammad, den Schiiten bis zum heutigen Tag als den legitimen Nachfolger des Propheten verehren. Dem Wortsinn nach müsste man kalifa mit «Stellvertreter» übersetzen, mit dem nämlichen Beinamen, den auch der Papst trägt. Ein Kalif ist jedoch kein Stellvertreter Gottes, sondern der Stellvertreter jenes Mannes, den Allah zu seinem Propheten auserkoren habe.

    Abu Bakr verlor bereits zwei Jahre nach seiner Wahl zum «Stellvertreter» sein Leben. In diesen zwei Jahren eroberte er die gesamte Arabische Halbinsel und das nördliche Vorland. Aus heutiger Sicht umfasste sein Herrschaftsgebiet das Königreich Saudi-Arabien, den gesamten Jemen, das Sultanat Oman, die Vereinigten Arabischen Emirate, das Scheichtum Katar, das Emirat Bahrain, das Königreich Jordanien und das südliche Syrien.

    Im Verlauf der ridda-Kriege, die Muhammad begonnen hatte und die Abu Bakr auf der gesamten Arabischen Halbinsel erfolgreich weiter- und zu Ende führte, war es bereits zu Kontakten und Bündnissen mit arabischen Stämmen gekommen, die im byzantinisch kontrollierten Südpalästina und im persisch beherrschten Südmesopotamien lebten. Diese Bündnisse sollten sich bei der weiteren Ausdehnung der muslimischen Herrschaft als vorteilhaft erweisen. Als Abu Bakr 634 starb, standen seine Truppen vor den Toren von Jerusalem und Damaskus und in Sichtweite von Basra.

    Umar, der zweite Kalif, unterwarf in den zehn Jahren seiner Herrschaft ganz Palästina und Syrien, Mesopotamien, den Westteil von Persien und Ägypten. Und im Norden rückte er bis zu den Südflanken des Kaukasus vor. Um die wichtigsten Stationen seines Triumphzuges aufzulisten: Ein Jahr nach seiner Machtübernahme rückte Umar in Damaskus ein und vernichtete die Heere der Byzantiner und der Perser, die sich ihm entgegengestellt hatten. Mit diesen Siegen war der Weg nach Ägypten und nach Persien freigekämpft. Den Zenit seiner

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