Rätsel um die alte Schuld: Dr. Brinkmeier Classic 7 – Arztroman
Von Sissi Merz
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Über dieses E-Book
Max war damals nicht ganz im Frieden von zu Hause geschieden, und jetzt überlagern sich bei ihm verschiedene existentielle Gefühle.
In Afrika hat er eine wirkliche Lebensaufgabe gefunden. In der Heimat wird er dringend benötigt.
Die Ärztin, der seine große Liebe gilt, wirkt mit ihm gemeinsam auf der Missionsstation und ist inzwischen fest verwurzelt auf dem afrikanischen Kontinent.
Dr. Max Brinkmeier muß sich entscheiden – und Sie erwartet die spannendste, gefühlvollste Arztromanserie! Die beliebte Schriftstellerin Sissi Merz erreicht in diesen eindrucksvollen Romanen den Höhepunkt ihres Schaffens.
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Buchvorschau
Rätsel um die alte Schuld - Sissi Merz
Dr. Brinkmeier Classic
– 7 –
Rätsel um die alte Schuld
...denn sie konnten nicht vergessen
Sissi Merz
»Ach, ist das heut wieder ein Wetter! Ich spür’ die Kälte in allen Knochen. Wenn es nur bald Frühling werden tät.« Christel Brenner, die bewährte Sprechstundenhilfe im Doktorhaus von Wildenberg, warf einen wenig begeisterten Blick aus dem Fenster zum grauen Schneehimmel empor. Seit Tagen versank das idyllisch im Berchtesgadener Land gelegene Bergdorf nun in den weißen Massen, der Winter hatte Wildenberg fest im Griff.
Die patente Christel mit dem kurz geschnittenen Graukopf ließ sich aber nicht unterkriegen. Und als Dr. Max Brinkmeier, der Landarzt von Wildenberg, wenig später die Praxisräume betrat, hatte Christel schon frischen Kaffee gekocht.
»Recht frisch ist es heut, gelt?« merkte der hoch gewachsene Mediziner mit dem sandblonden Haar und den klaren, grau-blauen Augen an. »Ich hab’ ja nix gegen den Winter, aber langsam fängt man doch an, ans Frühjahr zu denken, gelt?«
»Wem sagst das, Doktor! Ich bin schließlich nimmer die Jüngste und spüre die Kälte in jedem Knochen.«
Max mußte lachen. »Christel, ich bitt dich! Du steckst doch noch manche Zwanzigjährige in die Tasche, fit wie du bist.«
»Schön wär’s!« Sie reichte dem Landarzt die Liste der Patienten, die für diesen Morgen angemeldet waren, und meinte: »Ich bin ja jetzt schon mehr als zwanzig Jahre hier in der Praxis. Ein junger Hüpfer bin ich leider nimmer.«
»Aber auch keine eingebildete Kranke wie unser Bürgermeister«, murmelte Dr. Brinkmeier, der die Liste überflog. »Der Burgmüller klagt also schon wieder über Gelenkschmerzen.« Er ließ den Zettel sinken und erklärte: »Das einzige, was ihm fehlt, ist Bewegung und eine ausgewogenere Ernährung. Er ist schlicht zu dick. Aber das will er net hören. Alle paar Wochen erscheint er hier und behauptet, das Rheuma seines Vaters selig geerbt zu haben. Ich kann sagen, was ich will, er beharrt stur auf seinem Standpunkt. Von einer Ernährungsumstellung und mehr Bewegung will er partout nichts wissen.«
Christel mußte schmunzeln. »Die Leut’ sind halt von Natur aus bequem, da kann man nix machen. Außerdem will der Burgmüller ja keinen Diätplan, sondern ein Rezept, das er dann zur Anna Stadler tragen kann.«
»Das hab’ ich mir fast gedacht. Also schön, tun wir ihm halt den Gefallen. Auch wenn’s medizinisch nicht korrekt ist.«
»Wir sind hier eben auf dem Land, da läßt sich manches leichter mit dem Herzen als mit dem Kopf lösen«, merkte Christel noch schmunzelnd an und reichte ihrem Chef einen Becher mit frischem Kaffee. »Das weißt doch selbst am besten, Doktor.«
Wenig später erschienen die ersten Patienten. Alois Burgmüller, Großbauer, Viehhändler und Ortsvorstand von Wildenberg, wollte gleich ins Sprechzimmer marschieren, aber Christel bremste ihn. »Du mußt schon warten, bis ich dich eini schick, Bürgermeister«, mahnte sie streng. »Hier geht alles der Reihe nach, gelt?«
Milli Reiter, die Hauserin von Hochwürden Hirtner, kicherte schadenfroh. »Da schau her, der hohe Herr muß warten wie die anderen auch. Wenn dich das net fuchsen tut, Burgmüller!«
Alois beachtete die alte Klatschbase nicht, er erklärte hoheitsvoll: »Ich hab’ keine Zeit zum Verwarten, schließlich lasten eine Menge Pflichten auf meinen Schultern. Also bitt schön, Christel, mach zu! Ich hab’ einen Termin.«
Sie musterte ihn kühl, drückte dann die Gegensprechanlange und ließ Dr. Brinkmeier wissen: »Der Burgmüller wär’ jetzt da.«
»Schick ihn halt durch, Christel«, kam es vom Doktor. Alois bedachte sie mit einem ärgerlichen Blick und ließ sich nun nicht mehr aufhalten. Drinnen beschwerte er sich sofort: »Die Christel nimmt sich immer mehr raus, Doktor, die solltest ein bisserl besser im Zaum halten. Sie behandelt einen Patienten wie den anderen. Und das ist doch wohl net in deinem Sinn, oder?«
»Aber gewiß doch ist das in meinem Sinn. Bei mir kriegt keiner eine Extrabehandlung«, versicherte der Landarzt freundlich. »Oder doch beinahe keiner...«
»Ah, da schau her! Du machst auch Ausnahmen. Also, raus mit der Sprache! Wer wird da bevorzugt behandelt und warum?«
Max hob leicht die Augenbrauen. »Ich dachte, du kommst wegen deinen Gelenkschmerzen her, Bürgermeister. Kann ich davon ausgehen, daß du momentan beschwerdefrei bist, wennst nur aufs Plaudern aus bist?«
»Ganz bestimmt nicht, sonst wäre ich ja net hier.« Alois verzog ärgerlich den Mund. »Ich kann es nur nicht leiden, wenn man mir keine gescheite Antwort gibt.«
»Nun gut, dann will ich dir antworten, Burgmüller: Du kriegst da eine gesonderte Behandlung, und die hast in der Tat der Christel zu verdanken.« Max mußte über die verständnislose Miene des Großbauern schmunzeln. »Dein so genanntes Rheuma ist nämlich nichts anderes als Bewegungsmangel und falsche Ernährung. Aber das sage ich dir ja nicht zum ersten Mal. Eigentlich müßte ich dich gleich wieder heimschicken, weil ich nämlich nichts für dich tun kann, das müßtest schon selbst machen. Aber die Christel meint, ein Rezept wird dir mehr helfen als meine mahnenden Worte. Und deshalb drücke ich eben ein Auge zu.«
Alois musterte sein Gegenüber ärgerlich. »Du willst mich wohl zum alten Fettsack stempeln, damit die Anna noch weniger von mir hält. Aber damit hast bei mir kein Glück, Doktor. Ich weiß, was ich weiß. Das Rheuma hatte schon mein Vater und auch mein Großvater. Und ich hab’s geerbt. Also, schreib mir halt was dagegen auf. Und wennst noch einmal sagst, ich wär’ zu dick, dann muß ich den Arzt wechseln!«
Was wie eine Drohung klingen sollte, prallte an Max Brinkmeier ab. Lächelnd riet er dem Bürgermeister: »Versuch es halt mal mit dem Kollegen Haselbeck in Schlehbusch. Ich fürchte allerdings, von dem wirst auch nix anderes zu hören bekommen als von mir.« Er reichte dem Burgmüller das Rezept. »Und eine Salbe gegen nix und wieder nix wird er dir wohl auch nicht verschreiben...«
Alois musterte den Landarzt mißbilligend. »Das würde dir so passen! Sag, Doktor, was spielt sich eigentlich zwischen dir und der Anna ab? Ich finde, ich hab’ ein Recht, es zu erfahren.«
Max schüttelte leicht den Kopf. »Also, Burgmüller, das geht zu weit. Bei allem Verständnis...«
»Ich brauch dein Verständnis net, Brinkmeier! Ich will wissen, ob du der Anna gut bist. Ich hab’ sie nämlich lieb und meine es ehrlich mit ihr, im Gegensatz zu dir!«
»Das reicht jetzt.« Max erhob sich. »Ich muß mich um meine anderen Patienten kümmern. Also, bitt schön...«
»Willst mir nicht antworten oder kannst es nicht?« Der Ortsvorstand von Wildenberg musterte den Landarzt forschend. »Ein jeder hier im Dorf weiß, daß du dein Herz schon an diese Buschärztin verschenkt hast. Ein Weiberl genügt dir wohl net, was? Aber glaub nur nicht, daß ich so einfach aufgebe. Ich hab’ die älteren Rechte. Und auf denen bestehe ich!«
»Würde mich nur mal interessieren, wie die Anna das sieht. Ich hab’ mir nämlich sagen lassen, daß sie nichts von dir wissen will, Burgmüller.«
»Pah, das wollen wir doch erst mal sehen!« Er schnappte sich sein Rezept und rauschte ohne Gruß aus dem Zimmer. Christel spitzte gleich darauf durch die Tür. »Was war denn los? Dicke Luft? Der Burgmüller sieht aus, als ob sein Blutdruck gefährlich im Steigen begriffen wär’...«
Max mußte lächeln. »Nix Besonderes. Du hast es ja selbst schon gesagt; er ist eben ein uneinsichtiger Sturschädel. Und das in jeder Beziehung.«
*
Anna Stadler öffnete an diesem Morgen die Rosenapotheke etwas später als sonst. Sie wollte zunächst noch mit ihrer Mutter telefonieren, die Geburtstag hatte. Die hübsche Blondine hatte den Laden vor einiger Zeit von ihren Eltern übernommen, die ihren Lebensabend auf Lanzarote verbrachten. Die Rosenapotheke bestand nun schon in der vierten Generation und war für die Menschen in Wildenberg längst zu einer Institution geworden. Daran, daß nun eine junge Frau hinter der Verkaufstheke stand, hatte sich mancher