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Das Gesetz der Unerbittlichen
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eBook262 Seiten3 Stunden

Das Gesetz der Unerbittlichen

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Über dieses E-Book

Ein Jahr ist vergangen, seit Anna Christ, die gute Seele und treibende Kraft der Familie, an Krebs gestorben ist. Markus Christ vermisst seine grosse Liebe noch immer jeden Tag, doch das Leben geht bekanntlich weiter.

So versuchen Markus und Nicole Ryff, seine Assistentin, herauszufinden, warum sein Freund, Richter Nico Peters, äusserst harte Urteile fällt, die in keinem Verhältnis zu den Straftaten der Beschuldigten stehen. Währenddessen wird Tina, die Ärztin und zweitälteste Tochter von Markus, mit einem schwierigen Fall konfrontiert. Obwohl ihr Patient in Lebensgefahr schwebt, will er sich aus religiösen Gründen nicht operieren lassen. Auch die Älteste der drei Geschwister, Kommissärin Andrea Christ, und ihr Partner Daniel sind gefordert, denn ein alter Fall aus dem Milieu lebt neu auf. Und Pfarrer Florian Christ, der Jüngste im Bunde, kann sich immer weniger damit abfinden, dass sich seine Lebenspartnerin in seine Seelsorgetätigkeit einmischt. Steht die Beziehung kurz vor dem Aus? Gelingt es Markus mithilfe von Nicole, die Familie zu unterstützen und zusammenzuhalten? Eine beinahe unlösbare Aufgabe ...

Anne Gold legt den zweiten Roman ihrer neuen Serie vor – der Christ-Clan.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum20. Juli 2020
ISBN9783724524427
Das Gesetz der Unerbittlichen

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    Buchvorschau

    Das Gesetz der Unerbittlichen - Anne Gold

    Marx

    1. KAPITEL

    Wie verängstigte Rehe schlichen Rita und Helen durchs Büro, während ihre Chefin Nicole Ryff die Presseberichte der letzten Woche durchging. Ihre Laune sank von Sekunde zu Sekunde. Nationalrat Markus Christ hatte sich wohlweislich in seinem Büro verbarrikadiert. Rita stellte Nicole ungefragt eine Tasse Kaffee auf den Tisch, eine Geste, die einem Friedensangebot gleichkam, doch sie taxierte ihre Mitarbeiterin mit einem vernichtenden Blick. Kopfschüttelnd legte Nicole die Zeitungsausschnitte zur Seite, schaltete ihren PC ein und las die Lesermails der Online-Medien.

    «Markus wollte unbedingt an diese Jahresversammlung des Jazzorchesters. Wir konnten ihn nicht bremsen, auf uns hört er nicht», versuchte sich Helen zu rechtfertigen.

    «Super! Wirklich gut gemacht, kann ich dazu nur sagen.»

    «Wir haben das Dossier seriös vorbereitet. Es liegt dort auf dem Stapel. Er fand es nicht einmal für notwendig, es durchzublättern.»

    Nicole vertiefte sich in das Dossier. Dem Orchester waren sämtliche Subventionen bis auf Weiteres gestrichen worden, weil es in der Abrechnung Ungereimtheiten gab. Anscheinend hatte der Kassier die Buchhaltung etwas zu kreativ geführt. Die Abteilung für Kulturförderung griff daraufhin ein und verlangte detaillierte Auskünfte.

    «Ihr hättet seinen Auftritt verhindern müssen, Rita.»

    «Ja, das versuchten wir auch. Wir flehten ihn richtiggehend an, aber Markus wischte unsere Bedenken einfach weg.»

    Nicole scrollte durch eine Unmenge von Kommentaren. Eines muss man dem Herrn Nationalrat lassen, er versteht es zu polarisieren. Erstaunlicherweise pflichteten ihm die meisten bei, wobei sie seine Wortwahl verurteilten.

    «Eine Woche! Ich nehme eine einzige Woche Urlaub und schon bricht das Chaos aus. Fünfhundert Einträge wegen eines unbekannten Jazzorchesters, das knapp dreissig Mitglieder zählt. Ich kenne das Orchester nicht einmal, ihr etwa?»

    «Nein, nicht wirklich. Es kommt noch schlimmer … Aus irgendwelchen Gründen weigert sich Markus, am Sonntags-Talk von Telebasel teilzunehmen, obwohl er zugesagt hat. Die sind auf hundertachtzig und drohten sogar, in der Sendung darauf hinzuweisen, dass das Wort des Nationalrats Christ nichts wert sei. Jetzt nach dem Orchester-Eklat setzen sie total Druck auf, sie wollen ihn um jeden Preis.»

    «Wunderbar. Kaum bin ich weg, tobt er sich aus.»

    «Deshalb riefen wir dich ja auch an. Er ist beratungsresistent.»

    «Rita! Weshalb, verdammt noch mal…», verblüfft starrte Markus Christ seine Assistentin an. «Was machst du denn hier, Nicole? Du bist doch in den Ferien.»

    «Nicht mehr, Markus. Deine liebe Bürochefin ist wieder da. Du darfst dich freuen.»

    «Aha. Gut, dann kümmere dich gefälligst darum, dass der Karren besser läuft.»

    «Er läuft wie geschmiert. Aber der Fahrer fährt ihn an die Wand, und zwar mit voller Wucht.»

    «Was meinst du damit?»

    «Ich sage bloss Jazzorchester. Hast du dich bemüht, nur einen Blick in das Dossier zu werfen?»

    «Das war unnötig.»

    «Ach ja? Dann können wir uns in Zukunft unsere Arbeit sparen. Packen wir zusammen. Worauf wartet ihr? Wir suchen uns einen neuen Chef. Der hier kommt ohne uns zurecht. Er weiss alles und kann alles, denn er ist ein Vollblutpolitiker und ein echter Christ. Die Familie kommt kurz nach Gott. Los, verschwinden wir.»

    «Was soll das? Hör gefälligst auf, so zu schreien … He! … Ich rede mit dir!»

    «Anders hörst du uns ja nicht zu. Wir arbeiten tagelang an deinen Auftritten, wir informieren dich über allfällige Stolpersteine, erwähnen jedes Detail und was machst du? Du trampelst absolut ignorant von einem Fauxpas in den anderen.»

    «Das verbitte ich mir.»

    «Rita, die Akte des Jazzorchesters.» Nicole schlug eine Seite auf und hielt sie Markus vors Gesicht. «Hier! Was steht da?»

    «Das weiss ich nicht.»

    «Aber lesen kannst du schon oder müssen wir dir die Informationen in Zukunft vorlesen?! … Rita warnte dich ausdrücklich vor dem Auftritt. Es sei ein Pulverfass. Der Kassier hat offenbar fünfzigtausend Franken für seine Hobbies und für den Vorstand abgezweigt. Und was machst du? Du trittst dort auf.»

    «Ich konnte ja nicht wissen, dass die Vorwürfe stimmen.»

    «Nein, natürlich nicht.»

    «Der Vorstand des Jazzorchesters hielt seine letzte Sitzung in einem Lokal in der Webergasse ab und danach muss es in der Ochsengasse ziemlich hoch hergegangen sein. Das vermerkte ich in den Unterlagen», meldete sich Rita kleinlaut zu Wort.

    «Ochsengasse! Klingelts bei dir?»

    «Ich bin nicht weltfremd. Das erwähnte ich übrigens auch, als es eskalierte.»

    «Oh ja. Die Medien berichten von nichts anderem.»

    «Ich lasse mich doch nicht von fünf alten, geilen Vollidioten provozieren, die das Geld des Vereins, notabene auch staatliche Subventionen, bei den Prostituierten in der Ochsengasse verprassen und dann noch einen Aufstand machen, weil die Stadt die Subventionen aussetzt.»

    «Was genau ist passiert?»

    «Eigentlich nicht viel. Ich wies lediglich darauf hin, dass die Stadt die Subventionen bis zum Schlussbericht der eingesetzten Kommission eingefroren hat. Sollte es sich herausstellen, dass die Gelder zu Unrecht blockiert wurden, werden sie sofort ausbezahlt und eine dementsprechende Pressemeldung verfasst.»

    «Eigentlich ganz harmlos. So weit, so gut.»

    «Nun ja … dann provozierte mich dieser schleimige Präsident.»

    «Was den Herrn Nationalrat zur Frage verleitete, ob der Präsident Unterricht in der Ochsengasse nimmt. In diesem Fall sei die Spesenabrechnung durchaus gerechtfertigt. Ich darf dich wörtlich zitieren, Markus: ‹Sie spielen doch Trompete, Herr Geiger. Und wie ich höre, bereitet Ihnen das Atmen zurzeit Mühe. Deshalb nahmen Sie vermutlich in der Ochsengasse Nachhilfeunterricht in der richtigen Blastechnik. Sie und Ihre Vorstandsmitglieder haben sich geopfert, um dazuzulernen. Das können Sie selbstverständlich über Spesen absetzen.›»

    «So war es nicht. Das ist aus dem Zusammenhang gerissen.»

    «Dann müssen wir die Medien verklagen oder zumindest eine Gegendarstellung verlangen. Rita, was meinst du?»

    «Sie… sie provozierten Markus arg.»

    «Absolut richtig und das lass ich nicht auf mir sitzen.»

    «Das musst du auch nicht. Du solltest aber unsere Dossiers lesen, damit du gewarnt bist und solche Veranstaltungen in Zukunft nicht mehr besuchst. Und wenn ich nicht da bin, hör gefälligst auf Rita und Helen.»

    «Ja, ja, deine Zöglinge. Die nerven genauso wie du.»

    «Geiger will übrigens gegen Markus wegen Rufmord und Beleidigung prozessieren. Sebastian hat es mir gesagt.»

    «Bist du sicher, Helen?»

    «Er prüft eine Anzeige.»

    «Ein starkes Stück. Vergnügt sich mit Prostituierten auf Vereinskosten und spielt dann den beleidigten Max. Ich will alles über ihn wissen. Ob und wie oft er in der Ochsengasse ist, wo er arbeitet, ob er Schulden hat et cetera. Nehmt ihn euch vor.»

    «Gut. Ich frage Seb, ob er vorbestraft ist.»

    «Und ich rufe Theo Sorg an. Er ist bei der ‹Basler Zeitung› für die klassische Musik zuständig. Der weiss über alles Bescheid, was in der Region im Musikgeschäft vor und hinter den Kulissen läuft.»

    «Sehr gut. Wir werden ihn auf den Boden der Realität zurückholen. Nun zu dir, Markus … Markus?»

    Der Nationalrat nutzte die Lagebesprechung seines Teams für einen strategischen Rückzug und war in sein Büro entwischt.

    Nicole trat ohne anzuklopfen in Markus’ Büro.

    «Wir waren noch nicht fertig.»

    «Ich glaube schon.»

    «Ich glaube nicht. Wenn du dich in meiner Abwesenheit unbedingt lächerlich machen und überall anecken willst, dann fahren wir das nächste Mal am besten gemeinsam in Urlaub.»

    «Du und ich? Nun, darüber lässt sich reden.»

    «Rita, Helen und ich. Warum ziehst du das Ganze ins Lächerliche?»

    «Du hättest deine Klone besser programmieren sollen.»

    «Du weisst genau, dass sie es nie wagen würden, dir zu widersprechen oder sich gar dir zu widersetzen. Also musst du ihnen zuhören und auf ihre Meinung vertrauen. Das kann ich von dir erwarten. Sie sind nämlich gut. Sehr gut sogar.»

    «Dieser Geiger und der ganze Vorstand sind eine absolute Zumutung.»

    «Warum hast du überhaupt zugesagt?»

    «Im Orchester spielt der Sohn eines Nachbars. Ein richtiges Talent. Mein Nachbar fragte mich, ob ich an einer Vorstandssitzung eine kurze Ansprache halten würde.»

    «Die dann zu einer Schlammschlacht ausgeartet ist.»

    «Ich lasse mich nicht vorführen. So schlimm wirds übrigens nicht. Die meisten Mails, die ich erhalte, sind positiv. Dieser Geiger eckt überall an.»

    «Das ist noch lange keine Rechtfertigung für dein Handeln.»

    «Mir ist es egal, was seine Entourage denkt. Ich will nicht weiter darüber sprechen.»

    «Aber ich. Es geht mir nicht um das Jazzorchester. Du musst mir versprechen, in Zukunft Rita und Helen ernst zu nehmen – vor allem, wenn ich nicht da bin.»

    «Ja, ja, ich werde ganz brav sein … Du hättest gar nicht zurückkommen müssen. Ich habe alles im Griff.»

    «Klar, das sehe ich. Ich wäre nur eine Woche weggewesen, eine einzige Woche.»

    «In London, ich weiss. Mit einem Typen?»

    «Mit Annette.»

    «Der zukünftigen Richterin?»

    «Das würde sie gern werden.»

    «Bei den nächsten Wahlen tritt Anselm Roncalli nicht mehr an, zwanzig Jahre seien genug. Er will vorzeitig in den Ruhestand treten und seine Favoritin ist Annette Dressler. Es gibt zwar noch andere Kandidaten, die versuchen, Anselm auf ihre Seite zu ziehen, doch er hat sich entschieden. »

    «Bist du sicher?»

    «Allerdings. Er meint, Annette bringe alles mit, um seinen Job zu übernehmen. Wenn Anselm das sagt, dann stimmt es. Vermutlich wird bei dieser Sachlage niemand anderes kandidieren.»

    «Wahnsinn. Damit würde ihr Traum in Erfüllung gehen.»

    «Es ist noch geheim, also behalt es vorerst für dich. Hast du wirklich wegen mir deinen Urlaub abgebrochen?»

    «Ja. Um zu verhindern, dass du vollkommen durchknallst.»

    «Es war dumm von mir, bitte entschuldige. Ich hätte mich nicht provozieren lassen dürfen, die Subventionsgeschichte geht mich gar nichts an. Du hättest Rita sehen sollen, als es eskalierte. Sie japste nach Luft, blies die Backen auf wie ein Frosch, aber es kam kein Ton dabei heraus.»

    «Ich kanns mir vorstellen. Die meisten Kommentare sind positiv. Nur deine Wortwahl wird durchs Band kritisiert.»

    «Na also, niemand fordert meinen Kopf. Ein Sturm im Wasserglas. Was liegt diese Woche an?»

    «Damit beschäftige ich mich nachher.»

    «Gut. Heute ist ein ruhiger Tag, soweit habe ich mich bei Helen informiert. Ich treffe Nico Peters im Kraft zum Mittagessen. Schliesst du dich uns an?»

    «Du verkehrst in letzter Zeit viel mit Richtern.»

    «Wir besuchten zusammen das Realgymnasium, das ist schon einige Jährchen her. Übrigens auch mit Anselm.»

    «Dann lass ich euch besser allein über die guten alten Zeiten reden. Da störe ich nur. Zudem kenne ich all deine Schwänke aus der Jugendzeit.»

    «Nur die seriösen.»

    «Gibts auch Skandale?»

    «Die bleiben geheim. Also essen wir ohne dich?»

    «Ja. Ich schau mir inzwischen den Terminplan für diese Woche an. Es wäre übrigens angebracht, wenn du dich bei Helen und insbesondere bei Rita entschuldigst.»

    «Nein!»

    «Warum nicht? Es wird dir schon kein Zacken aus der Krone fallen.»

    «Es war nicht meine Schuld. Geiger provozierte und Rita hielt mich nicht davon ab, ausfällig zu werden.»

    «So kann Mann es auch sehen … Was wäre passiert, wenn Rita dazwischengegangen wäre?»

    «An der Sache hätte sich nichts geändert. Das war doch ein passender Spruch.»

    «Echt jetzt? Und so jemand vertritt unsere Stadt in Bern.»

    «Allseits beliebt und von der Bevölkerung geschätzt.»

    «Und bei den engsten Mitarbeiterinnen verhasst. Wohin gehst du?»

    Markus Christ trat ins Vorzimmer und küsste die vollkommen überrumpelte Rita auf beide Wangen.

    «Es tut mir leid, ich hätte das Dossier studieren müssen. Es wird nicht wieder vorkommen. Verzeihst du mir?»

    «Aber … ich meine … es ist ja nichts weiter passiert. Dieser Geiger ist ein übler Kerl.»

    «Dann seid ihr mir nicht mehr böse?»

    «Wir waren dir nicht böse. Es ist nicht der Rede wert.»

    «Wunderbar.» Christ schloss lächelnd die Tür. «Bist du nun zufrieden, Nicole?»

    «Nein.»

    «Was denn noch? Soll ich ihr einen Blumenstrauss schenken?»

    «Hör mit dem dummen Grinsen auf.»

    «Wie mans macht, es ist immer falsch. Könntest du die Familie zu einem geselligen Abend zusammentrommeln?»

    «Klar. Aus einem bestimmten Grund?»

    «Ich vermisse meine Kinder. Andrea soll ihren Daniel und Florian seine Sara mitbringen. Ist Tina liiert?»

    «Soviel ich weiss, nicht. Vor einigen Monaten hatte sie kurz eine Affäre mit einem Chefarzt vom Unispital. Ein Langweiler.»

    «Sagst du.»

    «Sagt sie. Er sprach nur über seine grossartigen chirurgischen Fähigkeiten. Nach drei Dates hatte Tina genug gefachsimpelt, von der Prahlerei ganz abgesehen. Und so wurde er mit dem Skalpell entfernt.»

    «Recht hat sie. Florian macht mir auch keinen glücklichen Eindruck.»

    «Dein Sohn muss sich zuerst daran gewöhnen, dass er nicht mehr allein durchs Leben schwebt.»

    «Soll heissen, die Beziehung hält nicht lange?»

    «Sara ist eine tolle Frau, aber Florian fühlt sich durch ihre Anwesenheit eingeengt. Er ist ein Einzelgänger.»

    «Vermutest du?»

    «Das weiss ich. Sara ist von Florian enttäuscht und bat mich, ihr bei der Jobsuche zu helfen. Sie will ihm nicht zur Last fallen.»

    «Ich begreife das nicht. Sara ist eine wirklich tolle Frau und er lässt sie einfach laufen. Soll ich mit ihm reden?»

    «Versuch es, aber sei nicht enttäuscht, wenns nichts fruchtet. In der Zwischenzeit besorge ich ihr eine Abwartsstelle.»

    «Wo?»

    «Bei Christ-Immobilien.»

    «Ist dort eine Stelle frei?»

    «Keine Ahnung. Ich bat Peter darum.»

    «Du nötigst den CEO von Paps?»

    «Von Nötigung würde ich nicht sprechen. Es reichte vollkommen, als ich ihm erklärte, dass es dein Wunsch sei.»

    «Ich will gar nicht wissen, was für Wünsche ich sonst noch habe.»

    «Sara kann die Überbauung in Allschwil übernehmen.»

    «Welche Überbauung?»

    «Ich will dich nicht mit Details langweilen. Die Idee stammt von deinem Vater.»

    «Sehr interessant, was ihr so hinter meinem Rücken treibt. Wie ist Florians Verhältnis zu Andrea?»

    «Noch immer angespannt. Sollte Sara ausziehen, ist er bei seiner Schwester vollkommen unten durch. Wenn ich damit anfange, blockt sie ab. Dass er Sara nicht unterstützen wollte, versteht Andrea bis heute nicht.»

    «Immerhin musste Florian sie zu einer Lüge überreden.»

    «Ich teile Andis Meinung. Ich kann diesem schleimigen, scheinheiligen Getue nichts ab.»

    Nachdenklich schüttelte Christ den Kopf.

    «Ein Jahr nach Annas Tod bricht die Familie auseinander. Es ist so schwer ohne sie. Anna … Sie war die Liebe meines Lebens und das Herz der ganzen Familie. Ich weiss nicht, wie ich das Auseinanderdriften verhindern kann.»

    «Die Familie befindet sich in einer Krise, aber sie ist noch intakt.»

    «Dank dir, Nicole.»

    «Ich gebe mein Bestes. Ein Treffen am Wochenende, am besten am Freitag, ist bestimmt eine gute Idee.»

    «Wenn es zu kurzfristig ist, geht auch eine Woche später. Du und Paps seid selbstverständlich auch herzlich eingeladen.»

    «Herzlichen Dank. Das ist lieb gemeint, doch es ist ein Familienessen.»

    «Du gehörst zur Familie, ich will nicht darüber diskutieren.»

    «Zu Befehl, Chef.»

    «Immerhin scheint Andrea mit ihrem Muskelpaket glücklich zu sein. Sie arbeiten zusammen und sie leben zusammen, das stelle ich mir nicht einfach vor.»

    «Alles halb so wild, sie sind nur gute Freunde.»

    «Das wiederholt Andrea eine Spur zu oft. Ist Helen mit ihrem Staatsanwalt eigentlich glücklich?»

    «Ich weiss nichts anderes. Wieso fragst du?»

    «Sie hatten in der letzten Woche eine heftige Auseinandersetzung.»

    «Hier im Büro?»

    «Ja. Ich vergass eine Akte für die Sitzung unseres Parteivorstands. Rita war wegen dieses Jazzorchesters unterwegs und als ich ins Büro wollte, hörte ich sie streiten.»

    «Da bist du diskret reingegangen und sie beendeten das Gespräch.»

    «Ich blieb vor der Tür stehen und hörte zu. Aber alles konnte ich nicht verstehen. Ich bin zu spät an die Sitzung gekommen.»

    «Du lauschst und lässt den Vorstand warten, nur weil du einen Skandal witterst? Spinnst du?»

    «Die wissen ja nicht, warum ich zu spät kam.»

    «Ich glaube es nicht. Worum ging es?»

    «Um die Strategie für die kommenden Regierungsratswahlen. Kummer will nicht mehr antreten und so nominierten wir Alder, er ist bei Rechten und Linken unbestritten.»

    «Ich meine bei Helen und Sebastian.»

    «Ach so. Du kommst mir gerade recht. Wirfst mir vor, dass ich lausche, bist aber selbst total neugierig. Sie diskutierten über einen Fall von Kern. Offenbar erwartete er in diesem Zusammenhang etwas von Helen, doch sie wollte ihn nicht unterstützen. Dann driftete das Ganze ins Persönliche ab. Zu guter Letzt rannte Kern wutentbrannt aus dem Büro und rempelte mich an.»

    «Ist Helen in einen seiner Fälle involviert?»

    «Es scheint so. Du kannst ja deinen Klon Nummer eins fragen.»

    Nachdenklich verliess Nicole das Büro ihres Chefs.

    Kommissärin Andrea Christ las zum dritten Mal den Abschlussbericht ihres letzten Falls durch, den ihr Partner Daniel Winter geschrieben und den sie nun redigiert hatte. Partner – beruflich traf das voll zu, aber privat? Seit Wochen rang sie mit sich. Ist es gut, wenn aus unserer Freundschaft mehr wird? Ich weiss es einfach nicht. So, jetzt sollte der Bericht gut lesbar und verständlich sein. Daniel ist ein guter Kommissär, aber Deutsch ist nicht gerade seine Stärke. Es wäre einfacher, wenn er mir das Schreiben überlassen würde. Die Korrektur dieser zwei Seiten nimmt mehr Zeit in Anspruch, als wenn ich den Text selbst verfasse. Andrea schmunzelte. Nur würde Dani dann wieder einmal den Beleidigten spielen, weil er sich für Shakespeare hält. Tja, das mit der Selbsteinschätzung ist so eine Sache. Sie massierte sich den schmerzenden Nacken. Büroarbeit muss zwar sein, aber sie ist ein ungeliebtes notwendiges Übel. Andrea schob den Laptop zur Seite. Wie soll es

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