Der Zufall brachte es ans Licht: Der Arzt vom Tegernsee 35 – Arztroman
Von Laura Martens
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Über dieses E-Book
Seine Praxis befindet sich in Deutschlands beliebtestem Reiseland, in Bayern, wo die Herzen der Menschen für die Heimat schlagen.
Der ideale Schauplatz für eine besondere, heimatliches Lokalkolorit vermittelnde Arztromanserie, die ebenso plastisch wie einfühlsam von der beliebten Schriftstellerin Laura Martens erzählt wird.
»Ich werde morgen wieder nach Ihrer Mutter sehen, Frau Stefan«, versprach Dr. Eric Baumann. Er reichte der jungen Frau die Hand. »Machen Sie sich keine Sorgen. Ein paar Tage Ruhe, und sie ist wieder auf den Beinen.« »Versprochen?« fragte der kleine Jason. Gewöhnlich war er es, der einen Arzt brauchte, weil er kaum an einem Baum oder einer Mauer vorbeigehen konnte, ohne hinaufzuklettern. Ihm schien es überhaupt nichts auszumachen, daß er sich oft dabei verletzte. »Großes Indianerehrenwort.« »Fein«, sagte der Bub strahlend. »Ich habe meine Oma nämlich sehr, sehr lieb.« »Und so muß es auch sein«, meinte seine Mutter. Sie verabschiedete sich von Dr. Baumann und blieb bei der Haustür stehen, bis der Arzt in seinen Wagen gestiegen war, dann drehte sie sich um und ging zu ihrer Mutter hinauf, die mit einer schweren Erkältung im Bett lag. Dr. Baumann fuhr zum Rathausplatz.
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Buchvorschau
Der Zufall brachte es ans Licht - Laura Martens
Leseprobe:
Angriff am Nachmittag
Leseprobe»Ich finde dieses Haus superschön, und Sie sind alle sooo nett!« Die junge Frau, die das sagte, verdrehte schwärmerisch die Augen. Sie trug enge Jeans, dazu Schuhe mit hohen Absätzen und eine weit ausgeschnittene Bluse. Die Haare waren so locker aufgesteckt, dass es aussah, als würde die Frisur keinem Windstoß standhalten können. Sie hatte lange blutrote Fingernägel und war sorgfältig geschminkt. Noch nie hatte Antonia Laurin so lange, dichte Wimpern gesehen. Ob sie echt waren? Sie warf einen kurzen Blick zu ihrem Mann hinüber. Sein Gesichtsausdruck sprach Bände, und so beschloss sie, dem Leiden ein Ende zu bereiten. Sie hatten genug gehört und gesehen – wieder einmal. »Vielen Dank, Frau Möller«, sagte sie mit liebenswürdigem Lächeln, »wir melden uns bei Ihnen, wenn wir uns entschieden haben. Wir haben recht viele Bewerbungen bekommen …« »Oh, davon bin ich ab-so-lut überzeugt, aber glauben Sie mir, Frau Dr. Laurin, ich bin die Richtige für Sie, das habe ich sofort gespürt, als ich Ihr Haus betreten habe. Ich hatte mir außerdem die Karten gelegt für heute, und da stand es auch eindeutig drin: ›Heute erfüllt sich für Sie ein Herzenswunsch. ‹ Und dann die Aura, die das Haus hat …« Antonia bemerkte aus dem Augenwinkel, dass Leon eine unwillkürliche Bewegung machte – als würde er am liebsten aufspringen und die Frau eigenhändig hinausbefördern. Die ersten Gespräche mit den Bewerberinnen für die Stelle als Haushälterin hatten sie mit den Kindern gemeinsam geführt, doch diese Praxis schnell wieder beendet. Sie würden natürlich keine Frau einstellen, die ihre Kinder nicht mochten, aber sie hatten festgestellt, dass es besser war, die Vorauswahl zu zweit zu treffen.
Der Arzt vom Tegernsee
– 35 –
Der Zufall brachte es ans Licht
Laura Martens
»Ich werde morgen wieder nach Ihrer Mutter sehen, Frau Stefan«, versprach Dr. Eric Baumann. Er reichte der jungen Frau die Hand. »Machen Sie sich keine Sorgen. Ein paar Tage Ruhe, und sie ist wieder auf den Beinen.«
»Versprochen?« fragte der kleine Jason. Gewöhnlich war er es, der einen Arzt brauchte, weil er kaum an einem Baum oder einer Mauer vorbeigehen konnte, ohne hinaufzuklettern. Ihm schien es überhaupt nichts auszumachen, daß er sich oft dabei verletzte.
»Großes Indianerehrenwort.«
»Fein«, sagte der Bub strahlend. »Ich habe meine Oma nämlich sehr, sehr lieb.«
»Und so muß es auch sein«, meinte seine Mutter. Sie verabschiedete sich von Dr. Baumann und blieb bei der Haustür stehen, bis der Arzt in seinen Wagen gestiegen war, dann drehte sie sich um und ging zu ihrer Mutter hinauf, die mit einer schweren Erkältung im Bett lag.
Dr. Baumann fuhr zum Rathausplatz. Bevor er nach Hause zurückkehrte, mußte er noch eine Hose aus der Reinigung abholen. Er hatte seiner Haushälterin versprochen, es selbst zu tun, weil er ohnehin in der Gegend war.
Der Arzt parkte seinen Wagen in der Nähe der Reinigung und stieg aus. Er wollte eben die Straße überqueren, als er Paul Walkhofer sah, der aus einer kleinen Boutique kam. »Hallo!« rief er ihm zu und winkte.
Paul blickte auf und kam auf ihn zu. »Mein Onkel hat mich dazu abkommandiert, ihm neue Arbeitshosen zu kaufen«, sagte er, nachdem sie einen Gruß gewechselt hatten.
»In der Boutique?« fragte Eric amüsiert.
Der junge Bauer lachte. »Nein, ich dachte, wenn ich in der Stadt bin, kann ich auch gleich eine Kleinigkeit für meine Mutter besorgen. Sie verdient es, daß man ab und zu an sie denkt.«
»Da hast du allerdings recht«, bestätigte Eric. »Ich muß noch rasch zur Reinigung, und danach wird es allerhöchste Zeit für mich. In dreißig Minuten beginnt die Nachmittagssprechstunde.« Er reichte Paul die Hand. »Bestell deinem Vater und deiner Tante Grüße. Vielleicht komme ich morgen abend zu einer Partie Schach auf den Hof. Ich werde vorher anrufen.«
»Sie wissen, daß Sie uns jederzeit willkommen sind, Herr Doktor«, meinte Paul Walkhofer aufrichtig. Er mochte Dr. Baumann, auch wenn er allen Grund gehabt hätte, ihm zu grollen. Seine Stiefcousine Franziska, die er lieber heute als morgen geheiratet hätte, hatte nur Augen für Dr. Baumann, obwohl dieser ihr schon mehr als einmal deutlich zu verstehen gegeben hatte, daß er nur eine Freundin in ihr sah.
Während Dr. Baumann zur Reinigung ging, wandte sich der junge Mann dem Schloßplatz zu, wo er seinen Wagen geparkt hatte. Mit den Gedanken war er bei Franziska. Wohl schon zum hundertsten Mal überlegte er, was er tun sollte, um ihr Herz zu erobern. Mehr als ihr ständig zu beweisen, wie sehr er sie liebte, konnte er nicht. Allerdings waren sie seit ihrem elften Jahr, als ihn seine Stiefmutter auf den Löblhof gebracht hatte, wie Geschwister aufgewachsen. Vermutlich sah sie in ihm nur einen Bruder.
Plötzlich blieb Paul wie angewurzelt stehen. Nur hundert Meter von ihm entfernt stand seine Stiefcousine und unterhielt sich mit einem etwa fünfzigjährigen Mann und einem kleinen Buben. Beide kannte er nicht. Unterhielt? – Franziska konnte seit einem Unfall in ihrer Kindheit nicht sprechen! Fassungslos starrte er die junge Frau an. Franziska schien beim Friseur gewesen zu sein. Sie trug ihre Haare etwas kürzer als sonst, und auch das Kleid, das sie anhatte, kannte er noch nicht.
Nein, es konnte nicht Franziska sein! – Unmöglich!
Paul ging auf die Leute zu. Als er näherkam, hörte er, daß sie englisch miteinander sprachen. Dem Slang nach schienen sie Amerikaner zu sein. Aber auch aus der Nähe glich die junge Frau seiner Stiefcousine wie ein Haar dem anderen. Sie hätten Zwillinge sein können.
Der ältere Mann, der neben der jungen Frau stand, hob den Kopf. »Können wir Ihnen helfen?« fragte er. Sein Deutsch klang seltsam hart.
»Ich weiß nicht.« Paul konnte seinen Blick nicht von der jungen Frau wenden.
»Habe ich einen Fleck im Gesicht?« Ihre Lippen verzogen sich spöttisch. »Starren Sie alle Leute so an?«
Er holte tief Luft, griff nach seiner Brieftasche und zog ein Foto heraus, das er vor vier Wochen aufgenommen hatte. »Ich hielt Sie aus der Ferne für meine Stiefcousine«, erklärte er und reichte ihr das Foto.
»Wie heißt sie?« fragte die junge Frau verblüfft. »Daddy, schau!« Sie gab ihrem Vater das Foto.
»Ich will es auch sehen, Daddy.« Der Bub streckte verlangend die Hand aus.
»Gleich, Edward.«
»Meine Stiefcousine heißt Franziska Löbl«, sagte Paul. »Wir leben auf dem Löblhof. Er liegt etwas außerhalb von Tegernsee am Hang des Leebergs.« Wieder starrte er die junge Frau an. »Sie könnten Ihre Zwillingsschwester sein, wenn sie eine hätte.«
»Leider habe ich keine«, erwiderte sie. »Wir kommen aus Kalifornien. Mein Urgroßvater hat in Bad Wiessee gelebt. Wir sind die Böttchers.« Sie reichte ihm die Hand.
»Wir sind sozusagen auf Spurensuche«, sagte ihr Vater und stellte sich als John Böttcher vor. »Das ist mein Sohn Edward.« Er umfaßte die Schultern des Kleinen. »Mein Großvater, Hannes Böttcher, wanderte kurz vor der Jahrhundertwende nach Amerika aus. Dank seines Fleißes hat er es zu etwas gebracht. Uns gehört heute eine riesige Farm.« Er machte eine sekundenlange Pause und fügte mit der vielen Amerikanern eigenen Bescheidenheit hinzu: »Wir geben über dreißig Leuten ein Dach über dem Kopf, Brot und Arbeit. In der Erntezeit sind es sogar noch mehr.«
Paul stellte sich ebenfalls vor. »Meine Stiefmutter führt ihrem Bruder seit dem Tod seiner Frau die Wirtschaft. Franziskas Mutter ist übrigens eine geborene Böttcher gewesen. Allerdings habe ich noch nie davon gehört, daß sie Verwandte in Amerika hat.«
»Ich nehme an, daß der Name meines Urgroßvaters von der Familie totgeschwiegen und später vergessen wurde«, entgegnete John Böttcher. »Es gibt da ein dunkles Geheimnis, über das von meinen Großeltern nur in Andeutungen gesprochen wurde.« Er lachte breit. »Um ehrlich zu sein, ich hoffe es während meines Aufenthaltes