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Auf Lachen steht der Tod!: Österreichische Flüsterwitze im Dritten Reich
Auf Lachen steht der Tod!: Österreichische Flüsterwitze im Dritten Reich
Auf Lachen steht der Tod!: Österreichische Flüsterwitze im Dritten Reich
eBook329 Seiten2 Stunden

Auf Lachen steht der Tod!: Österreichische Flüsterwitze im Dritten Reich

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Über dieses E-Book

Hanna Dauberger und Minni Schwarz schufen 1946/47 mit der Veröffentlichung ihrer Sammlungen die wichtigste Quelle zum Flüsterwitz in Österreich während des Dritten Reiches. Manche dieser Witze haben ihre Flüsterer unter dem NS-Regime das Leben gekostet. Sie als Instrumente des aktiven Widerstands gegen den Faschismus zu interpretieren, wäre allerdings überzogen.
Vielmehr handelt es sich um Dokumente der Ablehnung, Verbalisierung persönlicher Befindlichkeiten und nicht zuletzt Ausdruck gesellschaftlicher Zustände.
Mit diesem Buch macht der Soziologe Reinhard Müller die 552 Witze erstmals wieder zugänglich. Versehen mit wichtigen Hinweisen zu Hintergründen und Mehrdeutigkeiten und ergänzt um über 100 Witze aus Deutschland, stellt er das typisch Österreichische heraus und ermöglicht so die Rekonstruktion eines Stücks heimischer Geschichte und Kultur.
SpracheDeutsch
HerausgeberStudienVerlag
Erscheinungsdatum2. Mai 2019
ISBN9783706558259
Auf Lachen steht der Tod!: Österreichische Flüsterwitze im Dritten Reich

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    Buchvorschau

    Auf Lachen steht der Tod! - StudienVerlag

    Reinhard Müller (Hrsg.)

    „Auf Lachen steht der Tod!"

    „Auf Lachen steht der Tod!"

    Österreichische Flüsterwitze

    im Dritten Reich

    Gesammelt von

    Hanna Dauberger und Minni Schwarz

    Herausgegeben und hintergründet von

    Reinhard Müller

    StudienVerlag

    Innsbruck

    Wien

    Bozen

    ©2009 by Studienverlag Ges.m.b.H., Erlerstraße 10, A-6020 Innsbruck

    E-Mail: order@studienverlag.at

    Internet: www.studienverlag.at

    © der Werke von Johanna Dauberger und Minni Schwarz bei John Zube – Wir danken für

    die freundliche Genehmigung der Wiederabdrucke.

    Buchgestaltung nach Entwürfen von Kurt Höretzeder

    Satz: Studienverlag/Roland Kubanda

    Umschlag: Studienverlag/Vanessa Sonnewend

    Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek

    Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

    ISBN 978-3-7065-5825-9

    Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder in einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

    Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

    Dieses Buch erhalten Sie auch in gedruckter Form mit hochwertiger Ausstattung in Ihrer Buchhandlung oder direkt unter www.studienverlag.at.

    Inhaltsverzeichnis

    Reinhard Müller

    Vorbemerkung

    Hanna Dauberger

    Wien wehrt sich mit Witz!

    Kurt Zube: Vorwort des Verlegers

    Hanna Dauberger: Vorwort der Herausgeberin

    Flüsterwitze aus den Jahren 1938 bis 1945

    Minni Schwarz

    Lachen verboten!

    Flüsterwitze aus dem Jahr 1938

    Flüsterwitze aus dem Jahr 1939

    Flüsterwitze aus dem Jahr 1940

    Flüsterwitze aus dem Jahr 1941

    Flüsterwitze aus den Jahren 1942 bis 1945

    Nachwort

    Register

    Vorbemerkung

    Mehr als andere Literaturgattungen, als andere Denk- und Erkenntnisformen, mehr als andere soziale Reaktionsweisen ist Witz den speziellen Bedingungen seiner Entstehungszeit verpflichtet und damit dem Wandel der Zeit unterworfen. Vieles an pointiert erzähltem Humor, an Witzen vergangener Jahrzehnte scheint uns heute banal oder un-witzig und dennoch als charakteristisches Zeugnis einer bestimmten Epoche. Natürlich erzeugen ähnliche Entstehungsbedingungen innerhalb eines Kulturraums ähnliche Witze. Dies bezeugt die Austauschbarkeit von Zeit und Ort bei Witzen, die im 20. Jahrhundert unter den Bedingungen von Zensur und Verfolgung entstanden sind. Viele der während des Nationalsozialismus heimlich erzählten, also geflüsterten Witze wurden nur leicht umgekleidet in den Staaten des ehemaligen Ostblocks erzählt, viele Flüsterwitze des Dritten Reichs waren aber ihrerseits bereits Abwandlungen von Witzen aus den bedrückenden Zeiten der Monarchie. Dennoch haben die Witze jeder Epoche auch ihre unverkennbaren Eigenheiten, weniger ersichtlich am einzelnen Witz, sondern in ihrer Summe. Absicht der hier präsentierten Sammlungen ist es, ein breites Reservoir an Flüsterwitzen aus Österreich während des Dritten Reichs vorzulegen, um sich selbst ein Bild vom Lachen dieser Zeit machen zu können. Dabei werden sicherlich manche Formulierung und manche Pointe heute Unbehagen, mindestens aber Kopfschütteln auslösen. In diesen Fällen sollte man bedenken, dass diese Witze unter der Angstglocke des nationalsozialistischen Regimes entstanden sind und weitererzählt wurden, dass also manche Derbheit, ja Rohheit nur Reaktion auf die Rohheit des Regimes war. Und vieles war Galgenhumor, später sogar im doppelten Sinn des Wortes. Bereits im so genannten Heimtückegesetz des Deutschen Reichs, im „Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei zum Schutz der Parteiuniformen vom 20. Dezember 1934, hieß es im Paragraf 2, Absatz 1: „Wer öffentlich gehässige, hetzerische oder von niedriger Gesinnung zeugende Äußerungen über leitende Persönlichkeiten des Staates oder der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, über ihre Anordnungen oder die von ihnen geschaffenen Einrichtungen macht, die geeignet sind, das Vertrauen des Volkes zur politischen Führung zu untergraben, wird mit Gefängnis bestraft.

    Doch dieses Gesetz berührte die Österreicherinnen und Österreicher noch nicht. Sie lebten zwar seit dem 4. März 1933, um die Ausschaltung des Parlaments als ein symbolisches Datum zu nennen, auch unter einem autoritären Regime, in einer hausgemachten, aber in ihren Folgen mit der nationalsozialistischen wenig vergleichbaren Diktatur. Der in der Verfassung vom 24. April 1934 geschaffene Bundesstaat Österreich „auf christlicher und ständischer Grundlage wollte zwar keine Witze über sein eigenes Regime hören, hatte aber wenig gegen Witze über die Nationalsozialisten im benachbarten Deutschland und die seit Juni 1933 in der Illegalität befindlichen österreichischen Nationalsozialisten. Diese Witze hatten in Österreich durchaus Tradition; schon 1924 spottete die Wiener Zeitschrift „Der Götz von Berlichingen. Eine lustige Streitschrift gegen Alle:

    Was ist der Unterschied zwischen der Wüste Sahara und der Nationalsozialistischen Partei? – In der Wüste Sahara werden Kamele von Menschen geführt und in der Nationalsozialistischen Partei – sind lauter Minderjährige.

    Damals machte man sich auch noch über den italienischen Faschismus lustig, hatten die Österreicher mit den Italienern doch noch ein Hühnchen wegen des nach dem Ersten Weltkrieg an sie verlorenen Südtirol zu rupfen:

    Die Italiener lassen nach der Machtergreifung Benito Mussolinis in Südtirol alle deutschsprachigen In- und Aufschriften entfernen, darunter auch das Wort „Abort. Schlägt ein Tiroler als Ersatz vor: „Wer muss – soll inni! (Wer muss, soll hinein).

    In den Zwanzigerjahren hofften manche noch, dass der Streit zwischen Deutschland und Österreich bald beigelegt werde, wem die Ehre gebühre, dass Adolf Hitler nicht sein Staatsbürger ist. Die Witze, die man damals in Österreich über Nationalsozialisten hörte, konnte man noch frei erzählen, waren also keine Flüsterwitze wie die in den nachfolgenden Sammlungen präsentierten. Zum Vergleich seien einige von Johannes Kunz (geb. 1947) gesammelte Witze aus der Zeit vor 1938 wiedergegeben:1

    Übermut und Überreizung

    Gibt eine gefährliche Hakenkreuzung!

    Man soll über die Bübereien der Hakenkreuzler nicht den Stab

    brechen – man soll sie lieber mit dem Stab durchhauen!

    Was ist ein Hakenkreuzler? – Der Hakenkreuzler ist meist im jugendlichen Alter zwischen vierzehn und siebzehn Jahren, ist indianerbüchel-romantisch angehaucht, frisst täglich schon zum Frühstück drei Juden und fünf Arbeiterführer, hat einen Freibrief zum Schießen auf Proletarier und ist das Herzbinkerl der Republik und ihrer k. u. k. Richter.

    Pressemeldung: „Wie der ‚Blaue Montag‘ erfährt, galt die Sympathiekundgebung der Nationalsozialisten für die Metallarbeiter nur einer bestimmten Kategorie – nämlich den Revolverdrehern!"

    Was ist der Unterschied zwischen einem Fass und der Nationalsozialistischen Partei? – Dem Fass geben die Reifen, der Nationalsozialistischen Partei die Unreifen den Halt!

    Ein Tummelfeld der Nationalsozialisten war die Universität, und als ihr erstes Opfer in Österreich wurde der jüdische Philosophieprofessor Moritz Schlick am 22. Juni 1936 von einem nationalsozialistischen Studenten im Stiegengebäude der Wiener Universität erschossen. Vor diesem Hintergrund entstand die Parodie auf das bekannte Lied aus der 1848er-Revolution „Das Proletariat" des deutschen Schneidergesellen Johann Christian Lüchow:

    Was kommt heran mit Gummiknütteln?

    Der Schlagring blinkt, die Fahne weht.

    Es naht mit Schrein und Fäusteschütteln –

    Die Universität!

    Des Ruhmes Gipfel ist erklommen,

    Und Gnade wurd’ umsonst erfleht,

    Wenn über einen fünfzig kommen –

    Die Universität!

    Die Knüttel hoch, das Wissen nieder,

    Dass es im Sturme abwärts geht!

    Der neue Geist fasst Haupt und Glieder –

    Der Universität!

    Als erster war ein Jud gefallen,

    Im Freiheitskampfe hingemäht!

    Ein „Vivant sequens" lässt erschallen –

    Die Universität!

    Was wird einst die Geschichte künden?!

    Wer weiß, was dort zu lesen steht

    Von Ruhmestaten und von Sünden –

    Der Universität?

    Typisch auch folgender Witz, zu dessen Verständnis man wissen muss, dass Am Steinhof eine in Österreich allen bekannte Nervenheilanstalt in Wien ist:

    Pressemeldung: „Die energische Propaganda der Nationalsozialistischen Partei zur Säuberung unserer Hochschulen hat erfreuliche Erfolge zu verbuchen. So wird schon in allernächster Zeit in der Anstalt ‚Am Steinhof‘ ein rein völkisches Beobachtungszimmer eingerichtet werden!"

    Die Annäherung zwischen italienischem Faschismus und deutschem Nationalsozialismus wurde ebenso immer öfter Gegenstand politischer Witze.

    Was ist die Achse Berlin–Rom? – Der Spieß, an dem Österreich braun gebraten wird! (1936)

    Und die Charakterisierung Adolf Hitlers (1933):

    Vom Duce hat er die Montur,

    Die römischen Allüren,

    Vom Marx die Kollektivnatur,

    Die Lust am Nivellieren.

    Am Staat, der über Leichen geht,

    Ist Machiavelli beteiligt,

    Und St. Ignatius Pate steht

    Beim Zweck, der alles heiligt.

    Da man die Attribute nicht

    Von der Substanz kann trennen,

    Was, frag ich, ist am großen Licht

    Noch original zu nennen?!

    Im Mittelpunkt der antifaschistischen Witze jener Zeit, in der in Österreich das klerikale Ständestaat-Regime herrschte, stand jedoch der Nationalsozialismus in Deutschland.

    Bei Versammlungen in früherer Zeit

    Da ward beraten und beschlossen!

    So reaktionär ist man nimmer heut:

    Jetzt wird ganz einfach geschossen!

    Ein jüdischer Geschäftsmann wird 1935 auf das Finanzamt vorgeladen. Da er die vorgeschriebene Steuer nicht zahlen will, streitet er mit dem Finanzbeamten herum und brüllt erbost: „Warten Se nur, bis de Nazis kommen! – „Was? ist der Finanzbeamte verblüfft, „das sagen ausgerechnet Sie, ein Jude?! – „Na, warum nicht, triumphiert der jüdische Geschäftsmann, „soll ich Ihnen sagen, was wird stehn über dem Finanzamt? Wird stehn: ‚Für Juden verboten!‘."

    Kommt ein Deutscher aus dem Dritten Reich nach Wien und will einmal eines der berühmten Kaffeehäuser besuchen. „Ich möchte ’n Kännchen Kaffee, bestellt er beim Ober. „Na was für an Kaffee wolln der gnä Herr? erkundigt sich der Ober, „an arischen, an nicht-arischen, an Hitler- oder an Dollfuß-Kaffee? „Können se mal die Unterschiede erklären, bittet der Deutsche. „Also, legt der Ober los, „a arischer Kaffee is mit Haut und a nicht-arischer ohne Haut, a Dollfuß-Kaffee is schwarz und a Hitler-Kaffee braun mit Milch, bittascheen! (1937)

    1937 ist die Anschlussgefahr in Österreich bereits allgemeines Gesprächsthema. „Nie wird der Hitler in Österreich einmarschieren, ereifert sich Blau gegenüber seinem Kompagnon, „denn das gäbe Krieg. Schau dir diese Weltkarte an. Dieser dunkelblaue Fleck ist Frankreich. Alles was da rot ist, ist die Sowjetunion. Und alles was da grün ist, das sind die USA. Und die vielen gelben Flecken bilden das Britische Empire. Na, und der winzige braune Fleck da ist Deutschland. „Ich weiß das, sagt der Kompagnon, „und du weißt das. Aber weiß das der Hitler?!

    Und in Deutschland kursierte 1937 der Flüsterwitz:

    Das Deutsche Reich hat drei Hauptstädte:

    Berlin: die Hauptstadt des Dritten Reichs;

    München: die Hauptstadt der Bewegung;

    Wien: die Hauptstadt der Opposition.

    Mit dem „Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 änderte sich die Lage österreichischer Witzerzählerinnen und Witzerzähler grundsätzlich. Jetzt galt auch in der so genannten Ostmark das „Heimtückegesetz, und wer Pech hatte, wurde wegen „Zersetzung der Wehrkraft" angeklagt, wodurch auf Flüsterwitze nun sogar die Todesstrafe stand. Eine Sammlung von Urteilen gegen Österreicherinnen und Österreicher, die gegen das nationalsozialistische Regime gerichtete Witze erzählten, legte Franz Danimann (geb. 1920) vor, der damals selbst sechs Jahre inhaftiert war, darunter drei Jahre im Konzentrationslager Auschwitz (Oświęcim, Polen).2 Auch eine der beiden Herausgeberinnen nachfolgender Witze, Hanna Dauberger, berichtet in ihrem Vorwort von einer Frau, die wegen der Vervielfältigung von Flüsterwitzen hingerichtet wurde. Dennoch sollten diese Witze nicht überzogen als ein Instrument des Widerstandes interpretiert werden: Eine ganze Reihe dieser Flüsterwitze stammen sogar von Nationalsozialisten selber (beispielsweise die meisten der hier abgedruckten Witze über Ernst Röhm oder über den „Ariernachweis). Allerdings kann man diese Witze, wie es der Herausgeber der Erstveröffentlichung formulierte, als „ein Dokument der Verachtung und Ablehnung sehen. Jedoch sind sie in jedem Fall eine bemerkenswerte Quelle der österreichischen Geschichte.

    Die beiden hier vorgelegten Sammlungen von Flüsterwitzen, zusammen 552 Witze, können als verbürgt betrachtet werden.3 Charakteristischerweise gehören Beispiele jüdischen Witzes zu den Ausnahmen (Witze Nr. 62, 127, 140, 335, 356, 488 und 539), und Emigrantenwitze fehlen vollständig. Dies kann nicht verwundern, versuchten Nationalsozialisten doch beide Gruppen aus dem sozialen Leben zu beseitigen und hatten tragischerweise Erfolg damit. Auffallend ist aber in diesen Sammlungen, dass – quantitativ gesehen – der ländliche Flüsterwitz dem städtischen beinah gleichwertig ist. Ein noch gewichtigeres Argument für die Authentizität der Witze ist der Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung. Wohl noch 1945/46 entstanden, wurden die Sammlungen vom Anarchisten, Schriftsteller und Verleger Kurt Helmut Zube (Dirschau, Westpreußen, heute Tczew, Polen 1905 – Freiburg im Breisgau 1991) veröffentlicht, besser bekannt unter seinem Pseudonym K. H. Z. Solneman.4 Dieser lebte vom Januar 1935 bis April 1938 im Exil in Wien, musste aber nach dem so genannten Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich nach Berlin zurückkehren, wo der im Juli 1935 von den Nationalsozialisten Ausgebürgerte nunmehr als „Ausländer lebte. Im Frühjahr 1942 ging Zube als kaufmännischer Angestellter nach Böhmisch Leipa (heute Česká Lípa, Tschechische Republik) und von dort erneut nach Wien, wo er Geschäftsführer und Teilhaber einer Rollpapierfirma war. Am 15. Januar 1945 ausgebombt, zog Kurt Zube nach Sankt Konrad (Oberösterreich), wo er 1946 bis 1947 den „Weltweiten Verlag in der nahen Bezirkshauptstadt Gmunden betrieb; Anfang 1951 kehrte Kurt Zube mit seiner Ehefrau Maria, einer drohenden Ausweisung – diesmal aus Österreich – zuvorkommend, wieder nach Deutschland zurück. Die erste in diesem Buch wieder veröffentlichte Sammlung, „Wien wehrt sich mit Witz,5 erschien anonym und stammt von der Wiener Schauspielerin Hanna Dauberger (geborene Johanna Kozumplik; Wien 1872 – Wien 1957). Ihre im Stil von Kürzesterzählungen geschriebenen Texte wurden leicht bearbeitet, da Dauberger etwa das für Witze wichtige Instrument der direkten Rede weitgehend vermied. Die zweite, nur geringfügig veränderte Sammlung stammt von der Österreicherin „Minni Hermine Schwarz, einer begeisterten Witzsammlerin, die ihren Witzschatz aus dem Dritten Reich in vier Heften unter dem Titel „Lachen verboten" publizierte.6 Obwohl die 552 Witze dieser Veröffentlichungen von Hanna Dauberger und Minni Schwarz für fast alle Sammlungen von Flüsterwitzen aus dem Dritten Reich genutzt wurden, sind sie bislang nicht wieder aufgelegt wor-den. Die mit Nummern versehenen Witze dieser Sammlungen wurden vom Herausgeber durch Varianten (mit Buchstaben gekennzeichnet; 104 Witze) ergänzt, um das Bild österreichischer Flüsterwitze aus der Zeit des Dritten Reichs abzurunden. Erläuterungen und Hinweise beabsichtigen, einerseits die heute vielfach nicht mehr nachvollziehbaren Mehrdeutigkeiten den nach dieser Zeit Geborenen wieder zu erschließen, und andererseits den mit dem Österreichischen weniger Vertrauten sprachliche Barrieren zu nehmen. Kurze Hinweise zu in den Witzen auftauchenden historischen Personen wie Organisationen finden sich am Ende des Buchs.

    Reinhard Müller

    Anmerkungen

    1   Vgl. Johannes Kunz: Hoffnungslos, aber nicht ernst. Der politische Witz in Österreich seit 1918. Wien–München–Zürich: Verlag Fritz Molden 1976, und Johannes Kunz: Der österreichische Witz. Das Standardwerk mit 1200 Witzen und Anekdoten. Eingeleitet von Fritz Muliar [d. i. Friedrich Stand]. Wien: Ibera & Molden Verlag 1995, S. 41–60.

    2   Vgl. Franz Danimann: Flüsterwitze und Spottgedichte unterm Hakenkreuz. Wien–Köln– Graz: Hermann Böhlaus Nachf. 1983 (= Dokumente zu Alltag, Politik und Zeitgeschichte. Herausgegeben von Franz Richard Reiter. 1.), besonders S. 147–186.

    3   Zu frühen Sammlungen vgl. Deutsche Flüsterwitze. Das Dritte Reich unterm Brennglas. Gesammelt und eingeleitet von Jörg Willenbacher [d. i. Franz Osterroth (1900–1986)]. Karlsbad [heute Karlovy Vary]: Verlagsanstalt „Graphia 1935 (= Braunes Deutschland. Bilder aus dem Dritten Reich. 2.), 82 S.; Nora von Winkler von Kapp (geb. Kapp von Gültstein, verheiratete Gräfin von Beroldingen, verheiratete Winkler; 1889–1953): Gigantowitsch oder Der entfesselte Proleteus. Über 150 Witze und G’schichten aus dem Dritten Reich. Erlebt, gesammelt und erzählt von Nora Winkler von Kapp. Partenkirchen (Obb.): Nora Winkler von Kapp 1945, 78 Bl. (Maschinenschrift, vervielfältigt); Vox populi [d. i. John Alexander Meier]: Geflüstertes. Die Hitlerei im Volksmund. (Verfasser dieses Buches ist das leidende und lachende deutsche Volk, dessen Naziwitze in zwölf Jahren der Unterdrückung John Alexander Meier sammelte, Kurt Sellin auswählte und zum Druck bereitete. Einleitung Paul Ronge. Die Bilder zeichnete Karl Bertsch.) Heidelberg: Freiheit-Verlag 1946, 149 S.; Richard Hermes: Witz contra Nazi. Hitler und sein tausendjähriges Reich. An 500 Anekdoten, Zoten, Absonderlichkeiten und Flüsterwitze, botanisiert und geketschert, vor den Luchsaugen der Gestapo verborgen, präpariert, aufgespießt und in ein „System gebracht. Mit gemütvollen Zeichnungen von Willy Thomsen. Hamburg: Morawe & Scheffelt 1946, 174 S.

    4   Vgl. Uwe Timm (geb. 1932): Radikaler Geist: Kurt Zube, in Wolfgang Eckhardt: Kurt Zube (1905–1991). Nachlassverzeichnis. Einleitung Uwe Timm. Berlin: Karin Kramer Verlag 2006 (= Bibliothek der Freien. Anarchistische Bücherei im Haus der Demokratie. Findmittel und Bibliographien. 1.), S. 4–20. Für weitere Hinweise und die Erlaubnis zum Wiederabdruck der von seinem Vater verlegten Druckwerke danke ich John Zube.

    5   Vgl. [Hanna Dauberger]: Wien wehrt sich mit Witz! Flüsterwitze aus den Jahren 1938– 1945. Wien–Gmunden–Zürich–New York: Im weltweiten Verlag (Kurt Zube) 1946, 32 S. (enthält die Witze Nr. 1–238).

    6   Vgl. Lachen verboten! Flüster-Witze 1938–1945. Gesammelt von Minni Schwarz. Wien– Gmunden–Zürich–New York: Im weltweiten Verlag (Kurt Zube) 1947, Heft 1: 24 S. (enthält die Witze Nr. 239–363); Heft 2: 24 S. (enthält die Witze Nr. 364–442); Heft 3: 16 S. (enthält die Witze Nr. 443–490); Heft 4: 16 S. (enthält die Witze Nr. 491–552).

    Wien wehrt sich mit Witz!

    Flüsterwitze aus den Jahren 1938 bis 1945

    Gesammelt von Hanna Dauberger

    Veröffentlicht 1946

    Vorwort des Verlegers Kurt Zube (1946)

    In beiläufig chronologischer Reihenfolge, nach ihrer Entstehung, wird hier von den vielhunderten, oft drastischen Witzen der Wiener gegen den Nazismus und seine verblendeten Anhänger eine Anzahl wiedergegeben.

    Wenn auch viele von denen, die solche Witze erfanden und aussprachen, nicht just das waren, was man „aktive Kämpfer" gegen den Nazismus nennt, wenn bei manchen solche Witze gar ablenkten vom wirklichen politischen und menschlichen Kampf gegen die Barbarei und wenn vor allem diese in ihrer grauenvollen Übersteigerung bereits hinausgewachsen war über den Bereich, wo Lächerlichkeit tötet, so dass der Witz letzten Endes schon kein Element der Negation des Bösen mehr, sondern nahezu – unbewusst – eine Ineinssetzung mit der Grausamkeit, dem Irrsinn, der Gehirnfinsternis ist, so hat doch auch die – freilich bequeme – Meinung etwas für sich, die Witze hätten irgendwie auf weitem Wege mitgeholfen, den Machtbau des Nazismus zu unterhöhlen, das Reich der Grausamkeit mehr und mehr der Verachtung preiszugeben und schließ-lich zu vernichten.

    Es bleibt ferner zu bedenken, dass der Witz der Wiener, im Betrieb, in der Straßenbahn, unter Bekannten dem andern zugeflüstert, die einzige Waffe der Wiener – des Volkes – war. Weltmächte in gemeinsamer Anstrengung erst vermochten das Reich der Grausamkeit niederzuringen, um die Völker – damit auch Österreich – wieder zu befreien.

    Nur aus den Witzen hört man die wahre Volkesstimme. So möge diese Sammlung als ein Dokument der Verachtung und Ablehnung gewertet werden.

    Vorwort der Herausgeberin Hanna Dauberger (1946)

    Mit der Herausgabe dieser Sammlung hoffe ich, Österreich einen Dienst zu leisten, denn unsere Freunde im Ausland können aus ihr erkennen, dass das österreichische Volk im Kern immer anti-nazistisch eingestellt war.

    Viele werden heute ja schon vergessen haben, was es damals hieß: politische Witze weiterzuerzählen oder sie gar zu sammeln!

    Man spielte um seinen Kopf!

    Ich kannte eine Frau, die erbarmungslos hingerichtet wurde, weil man gelegentlich einer Hausdurchsuchung das Karbonpapier fand, welches bewies, dass sie von solchen Witzen Durchschläge gemacht hatte.

    Und doch sammelte ich weiter, immer wieder gewarnt von denen, die darum wussten. Denn wer und was könnte einen Sammler von seiner Leidenschaft zurückhalten?

    1     Eine Kuh, eine Ziege und ein Esel in einem Schweizer Stall plaudern miteinander.

    Die Kuh sagt: „Ich will auswandern und zu den Nazis gehen. Dort habe ich es sicher besser. Sie kommt aber bald ganz verhungert wieder heim und meint: „Hier werde ich wohl viel gemolken, aber ich hab doch meinen schönen Stall und mein gutes Fressen. Dort aber wird man nichts als gemolken und wieder gemolken und hat nichts zum Fressen.

    Darauf sagt die Ziege: „Nun will ich es versuchen. Aber auch sie kommt schon bald halb krepiert zurück und sagt: „Ich habe an der deutschen Grenze nur ein bisserl gemeckert und wurde sofort verhaftet.

    Sagt der Esel: „Jetzt werde ich es versuchen. Erst nach vielen Monaten kommt er zurück, und da nur auf Besuch. „Ja, sagt er, „ihr habt es eben dumm angestellt. Ich aber bin sofort Parteileiter gewor-den, und jetzt werde ich Minister!"

    In Abwandlungen in Deutschland bereits seit 1933 erzählt.

    2     Dr. Goebbels wird vom Arzt viel Milch verordnet, und da fragt er

    Hitler, wo er wohl eine gute Kuh herkriegen könne. Dieser empfiehlt ihm, sich aus der Ostmark eine zu holen. Dr. Goebbels führt selbst die Kuh ins Tausendjährige Reich, aber sie will absolut nicht über die Grenze mit ihm.

    Nun fragt er wieder Hitler: „Was soll ich denn da machen?"

    Und Hitler sagt: „Was, nicht einmal eine Kuh bringst du herüber? Da schau mich an, ich hab viele Millionen Ochsen herübergebracht!"

    Ostmark: Von den Nationalsozialisten vor

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