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eBook329 Seiten3 Stunden

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Über dieses E-Book

Im Krematorium ist die Hölle los
und warum mischt sich die Kanzlerin ein?
Ein Supergau, ein Experiment von großer Tragweite
und eine Angelegenheit, die Anstand und Sitte vergrämt.
SpracheDeutsch
HerausgeberTWENTYSIX
Erscheinungsdatum10. Juli 2019
ISBN9783740776367
tot
Autor

Viktor Kamerer

Viktor Kamerer, geboren 1976, absolvierte kaufmännische Schulen bis zum Mittleren Management und arbeitete in einem Großhandel, bis er sich dem Schreiben widmete. Seit 2017 veröffentlicht er Gesellschafts- und Mysteryromane, alles beim Twentysix Verlag.

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    Buchvorschau

    tot - Viktor Kamerer

    Inhaltsverzeichnis

    Prolog

    Kapitel 1

    Kapitel 2

    Kapitel 3

    Kapitel 4

    Kapitel 5

    Teil 1: Hauptteil

    Kapitel Eins: Eine Familie

    Sektion 1

    Sektion 2

    Sektion 3

    Sektion 4

    Sektion 5

    Kapitel zwei: Jonathan

    Sektion 1

    Sektion 2

    Sektion 3

    Sektion 4

    Sektion 5

    Sektion 6

    Kapitel Drei: Jonathan Und Douglas

    Sektion 1

    Sektion 2

    Sektion 3

    Sektion 4

    Sektion 5

    Sektion 6

    Sektion 7

    Sektion 8

    Kapitel Vier: Er Muss Tun Was Er Tun Muss

    Sektion 1

    Sektion 2

    Sektion 3

    Sektion 4

    Sektion 5

    Kapitel Fünf: Nachforschungen

    Sektion 1

    Sektion 2

    Sektion 3

    Sektion 4

    Sektion 5

    Sektion 6

    Sektion 7

    Sektion 8

    Sektion 9

    Kapitel Sechs: Verfolgung

    Sektion 1

    Sektion 2

    Sektion 3

    Sektion 4

    Zwischenspiel

    Kapitel Sieben: Im Garten

    Sektion 1

    Sektion 2

    Kapitel Acht: Schobers Geistreiche Idee

    Sektion 1

    Sektion 2

    Sektion 3

    Kapitel Neun: Einsatz

    Sektion 1

    Sektion 2

    Sektion 3

    Sektion 4

    Kapitel Zehn: Auf Der Spur

    Sektion 1

    Sektion 2

    Sektion 3

    Sektion 4

    Sektion 5

    Sektion 6

    Sektion 7

    Sektion 8

    Kapitel Elf: Gefahr In Der Kaserne

    Sektion 1

    Sektion 2

    Sektion 3

    Sektion 4

    Sektion 5

    Kapitel Zwölf: Die Bundeskanzlerin

    Sektion 1

    Sektion 2

    Sektion 3

    Sektion 4

    Sektion 5

    Kapitel Dreizehn: Jonathan Und Die Kanzlerin

    Sektion 1

    Sektion 2

    Sektion 3

    Sektion 4

    Sektion 5

    Sektion 6

    Sektion 7

    Sektion 8

    Zwischenspiel

    Kapitel Vierzehn: Der General Und Sein Major

    Sektion 1

    Sektion 2

    Teil 2: Hauptteil

    Kapitel Fünfzehn: Jonathan Kontrolliert

    Sektion 1

    Sektion 2

    Sektion 3

    Sektion 4

    Zwischenspiel

    Kapitel Sechszehn: Gespräch Zwischen Humberg Und Jonathan

    Sektion 1

    Sektion 2

    Kapitel Siebzehn: Neue Gaben - Zwei Männer

    Sektion 1

    Sektion 2

    Sektion 3

    Sektion 4

    Sektion 5

    Kapitel Achtzehn: Die Übrigen Seelen - Neue Idee

    Sektion 1

    Sektion 2

    Sektion 3

    Sektion 4

    Kapitel Neunzehn: Ein Neues Geschäft

    Sektion 1

    Sektion 2

    Sektion 3

    Sektion 4

    Kapitel Zwanzig: Eine Schöne Begebenheit

    Sektion 1

    Sektion 2

    Teil 3: Endteil

    Kapitel Einundzwanzig: Kampf Dem General

    Sektion 1

    Sektion 2

    Sektion 3

    Kapitel Zweiundzwanzig: Telefonat Und Abholung

    Sektion 1

    Sektion 2

    Sektion 3

    Sektion 4

    Sektion 5

    Sektion 6

    PROLOG

    1

    Schwäbisch Gmünd

    Ein dunkler, langer Mantel, schlurfende Schuhe in Größe fünfundvierzig, ein schwarzer breitkrempiger Hut. Ein großgewachsener Herr. Hatte er Zweifel oder war er ausgegoren? Reif und bekömmlich? Sein Auftreten mit den dicken, harten Sohlen versprach nichts Gutes, als er laut und grob auf dem Boden seines Krematoriums hinwegging. Die Welt nahm ihn bislang an, das wusste er mit Sicherheit. Viele Freunde hatte er sich angeschafft, nicht zuletzt mit eigenartiger Korruption, denn Gelder flossen als Geschenk und er versprach sich natürlich sehr viel Ansehen und noch mehr Ehre und Ruhm.

    Aber würde die Welt, wie er sie kannte, ihn bald doch ausspucken? Hat sein antrainiertes, selbstbewusstes Verhalten irgendetwas Anständiges, und warum waren die Vorhänge zugezogen? Er ging mehr schwer als leicht an einem Foto vorbei, das an der Wand hing. Ein bittersüßes Mädchen kleinen Alters war darauf zu sehen und sie hing da halb nackt an Wand in einem Gang des Krematoriums. Seine Zunge fletschte über seine dicken Lippen und sein gieriger Blick ließ ein Ausnutzen dieses Mädchen in gewissem Maße erahnen. Wer war sie und weshalb hing das Bild von ihr bei einem Mann im Krematorium, der vielen etwas vorgaukeln will, einen gewissen Anstand zu wahren vorgibt? Vielleicht war sie seine Nichte, umso schlimmer wäre das und umso barbarischer war seine Erregung und dessen Höhepunkt.

    2

    Die Wände waren in dunklen Farben gestrichen und die Decke war hoch und unmöglich zu erkennen. Man erkannte einfach in diesem dunklen, fast nebulösen Räumen jene Decke nicht, vielleicht zog sie sich bis in den Himmel hinauf, wo dieser Herr womöglich seine Zukunft deutlich sah. Er zog jetzt das rechte, etwas längere Bein nach, ging aber unbeirrt und stolz seinen Weg durch dieses Gebäude; sein Gebäude. Wie war es zu erklären, dass er hier, in einer ominösen Dunkelheit sein Dasein fristete, wie ein Wolf im dichten, schwarzgefärbten Wald? Wie kam es überhaupt, dass er ein solches Unternehmen führte, das Pietät voraussetzte, wo er doch mit blutunterlaufenen, dunkelgeränderten Augen sein Inneres nach außen zog?

    Aus kurzer Entfernung hörte er einen schrecklich anmutenden Schrei zu ihm durchdringen. Metallisch und hoch, wie ein quietschendes Scharnier eines holzgetäfelten Schrankes. Noch zwei Schritte und er wäre da. Wo ist dieser verdammte Mohamed, habe ich ihm doch aufgetragen alles ordentlich und pünktlich zu erledigen? Wenn der sich wieder verdrückt hat, dann kriegt er es mit mir zu tun. ››Mohamed? Verdammt, wo bist du denn? Muss ich euch beiden denn immer nur suchen? Könnt Ihr nicht einfach tun was euch aufgetragen wird‹‹?

    Plötzlich stand der Hinkende vor einem seiner tagtäglich brennenden Öfen, wo vor etwa fünf Minuten wohl gerade etwas großes, vielleicht auch Großartiges, hineingeschoben wurde. Hatten die Angestellten nun ihre vertraglich geregelte Pflicht getan oder waren hier Dämonen im Spiel, die ihnen eine gewisse Faulheit hineingetrieben hatten?

    ››Dämonen‹‹, schrie der Chef, sichtlich angegriffen von irgendwelchen ominösen Machenschaften hier im Krematorium. Glaubte er daran, dass solche Kräfte hier herrschten? Wenn er sich seine beiden Mitarbeiter so ansah, dann war das durchaus möglich. Nett waren sie, aber der eine hellhäutig und blass, der andere – der eben erwähnte Mohamed – hatte Pickel vom Ausmaß einer Mondoberfläche auf seinem Gesicht gesammelt. Hatten diese beiden überhaupt eine gewisse Kompetenz, hier mit diesen Öfen herumzuhantieren? Der Chef ließ es wohl geschehen. ››Wie habe ich euch nur ausgebildet, Ihr beiden Nichtsnutze. Ihr bringt mir hier noch alles dermaßen durcheinander, dass ich täglich hinter euch herräumen muss. Ich muss die Spinnweben wegputzen und ich muss alles was Ihr tut, zwei Mal kontrollieren. Selbstständigkeit, sage ich euch immer. Das braucht Ihr hier‹‹.

    3

    Er hatte seine Mitarbeiter überaus schlecht behandelt und mies bezahlt, und doch hatte er eine Art Kameradschaft mit ihnen aufgebaut, ansonsten hätte keiner der beiden auf dieser Stelle durchgehalten, nur durch gelegentliche Aufmunterungen des Unternehmers waren die beiden bei ihm geblieben. Doch was geschah da in diesem bizarr wirkenden Moment?

    Kommen wir zurück zum Ofen, der da brennt.

    Aus diesem drang nun ein Schrei hervor, doch der Angestellte und der hinkende Unternehmer lächelten sich nur frohen Mutes gegenseitig an. Was war hier in sie gefahren? Es musste ein sogenannter Dämon gewesen sein, dachte sich nun Mohamed, er spürte wohl, dass sich ein übles Geschöpf, eine dunkle Seele, in ihm aufgebaut hatte, doch er konnte und wollte nicht dagegen angehen, schließlich musste er dem Chef gefallen, der Loyalität schätzte wie seine Schweizer Armbanduhr. Der Chef klopfte seinem Untergebenen auf die Schulter und schlurfte mit gewissenhaften Schritten weiter.

    ››Chef‹‹, rief der türkischstämmige Angestellte ihm hinterher. ››Ist es, weil er ein Deutscher ist? Muss dieser brennen, weil er ein Kartoffelkopf ist? Ich meine: Mir würden Sie das nicht antun, oder? ... Dreck, er würde es doch tun‹‹, fügte er beiläufig und zu sich selbst hinzu.

    Der Chef mit dem bürgerlichen Namen Douglas Humberg, meinte, dieser da im Ofen habe ihn, den unangefochtenen Chef dieses Etablissements aus lauter Freude und mit schwingenden Armen als Schwuchtel bezeichnet. Bei diesen Worten strich er mit seiner Hand über eine rote Schleife, die an seiner rechten Brust angehaftet war. Dazu schaute er seinem Untergebenen von unten nach oben an, dann schielte er tief in dessen braungebrannte Augen und setzte sich im Kopf seines Angestellten fest, wie eine Zecke in einer Achselhöhle. Wenn du glaubst du kannst so etwas mit mir machen, dann täuscht du dich gewaltig, Mohamed, flüsterte sich Douglas Humberg selbst zu. ››Gebe dich nicht zu groß, mein Lieber, dann wird alles gut. Verstehst du‹‹?

    Der Angestellte schaute an Douglas vorbei und spähte dabei neugierig in den menschenfressenden Ofen hinein, der innen zunächst mit Schamottesteinen, dann aber auch mit gebogenen Edelstahlpaneelen darauf ausgekleidet war.

    Zwei Stunden, flüsterte der Angestellte. Diese Zeit bleibt die Leiche jetzt da drin. Und weitere Zeit…

    4

    Chef Douglas kam später erneut bei dem Mitarbeiter Mohamed und dem Ofen vorbei, als die von ihm an seiner Armbanduhr abgelesene Zeit des Abbrennens vorüber war. Er sah in den Ofen und bemerkte silberne Tropfen auf dem Edelstahlboden des Ofens daliegen. Was waren also diese Tropfen? Musste da nicht vielmehr Asche nach dieser Zeit daliegen? Warum also Silber in Tropfenform? Douglas ging langsam und bedacht um Mohamed herum, starrte dabei immer noch auf das Silber im Ofen und hatte eine schreckliche Ausstrahlung an den Tag gelegt. Was hier vor sich ging, war ihm zum Naturell geworden und er war aus lauter Leidenschaft und Wut nicht in der Lage, nur einen Deut von dem abzuweichen, was hier, wohl immer mal wieder geschieht. ››Die musst du jetzt wegputzen, du weißt schon wie. Ok? Wie immer. Keine Experimente, verstanden‹‹?

    Diese Sache war also mit Sicherheit auf eine Regelmäßigkeit hinausgelaufen, wie sonst waren die antrainierten Worte von Herrn Humberg hier zu verstehen? Was bedeutete es sonst, wenn nicht das? Er hatte den Nagel schon auf den Kopf getroffen, das fühlte hier ein jeder, doch die Details und die Erklärung bleibt er uns noch etwas schuldig.

    5

    Der Angestellte, mit einem Anzug bekleidet, der ihm sehr gutstand, griff neben den Ofen nach einer durchsichtigen Flasche, mit einem halben Liter Fassungsvermögen, und einem Lappen, und wischte die silbernen Tropfen, kurzerhand und ohne jeden Zweifel and den Tag zu legen, weg.

    ››So, Chef. Es ist wieder einmal geschafft. Ich habe alles nach Ihren Wünschen getan. Warum müssen wir denn die Tropfen wegwischen, Chef‹‹?

    Herr Humberg nickte ihm grauenvoll und erregt zu. ››Du brauchst nicht alles zu wissen, OK‹‹?

    ››Aber es ist interessant, Chef‹‹, blieb Mohamed stur. Douglas dann: ››Die Muschi meiner Mutter ist auch interessant, aber ich muss sie nicht sehen‹‹.

    Douglas fühlte sich siegessicher und zwinkerte seinem Angestellten mit runzelnder Stirn zu. Dann griff er nach seinem vermaledeiten Bein und verzog grimmig und schmerzvoll sein Gesicht.

    HAUPTTEIL

    TEIL 1

    KAPITEL EINS

    EINE FAMILIE

    1

    Einige Meter weiter erspähte Douglas eine Familie mit Vater, Mutter und Kind. Er begrüßte sie anständig und mit angenehmer Stimme und hatte so etwas wie ein Lächeln auf dem Gesicht, was man auch akustisch vernehmen konnte. ››Sind Sie Deutsche‹‹? fragte er und hob dabei wie selbstverständlich die Augenbrauen.

    Der Vater entgegnete mit einem ››ja‹‹. Ob das denn ein Problem darstelle, dass sie Deutsche seien. ››Nein, nein. Ich selbst bin ja Amerikaner, aber ich habe nichts gegen die Deutschen. Ich lebe schließlich in diesem Land. Da muss man sich schon integrieren‹‹.

    Offensichtlich hatte Douglas eine Finte geschlagen und der Familienvater auf der anderen Seite hatte nichts Schräges, Sonderbares erkennen können. Vielmehr lag ihm Douglas mit dem Herzen und dem Charakter sehr nahe, denn beide Männer kümmerten sich umeinander. Douglas führte den großgewachsenen Mann, die ebenso große Frau, und den kleinen Jungen im Saal herum, wo einige Särge bester Qualität ausgestellt waren. Douglas war stolz auf sein Unternehmen und zeigte das auch gerne den Besuchern. ››Die hier sind heute vom Bestatter Poker und Sohn eingetroffen. Wenn Sie möchten öffne ich einen Sarg für Sie. Natürlich nur, wenn Sie starke Nerven haben. Ihr Kind sollte die Augen schließen‹‹.

    2

    Der einfache Familienvater schüttelte überrascht und ängstlich den Kopf. Die Augen seiner Frau traten aus den Höhlen hervor und das vierjährige, rotbackige Kind fing an zu weinen. Zu den Öfen aber führte er die Kunden nie, zu sehr würde das sein kleines Geheimnis gefährden und es war tatsächlich ein Geheimnis, das wussten nur er und seine Angestellten, und selbst diese ließ er in einigen Teilen im Regen und in Unwissenheit stehen.

    Dann aber wirkte Douglas wieder sehr kompetent und sehr vernünftig. Hatte er sein arglistiges Verrücktsein dann doch wieder abgelegt, jetzt, da der Junge weinte? ››Haben Sie einen Angehörigen verloren? Sie möchten sicherlich wissen, wie die Feuerbestattung bei uns abläuft‹‹.

    ››Hmmh‹‹, sagte der Vater und nickte Douglas Humberg dann doch freundschaftlich zu. ››Sollten die befüllten Särge nicht gekühlt werden, solange, wie sie hier drinnen im Saal stehen‹‹?

    Das gefiel dem Unternehmer Douglas überhaupt nicht, dass dieser doch zunächst so freundliche Herr, hier auf seinen Gefühlen herumtrampelte, wo doch dieser Betrieb sein ››Baby‹‹ ist. Douglas räusperte sich und ließ die Antwort auf sich warten. Er presste die Lippen zusammen und ließ ein ››argh‹‹ aus seinem Mund hervorquellen. Schließlich bemerkte der Familienvater Douglas` Bein, das dieser immer wieder und immer kräftig mit seiner Hand rieb. ››Sie haben da ein Malheur, werter Herr‹‹? ››Oh, nein, mein Sohn. Das habe ich schon von Geburt an. Sie sollten das überhaupt nicht beachten. Es ist nur eine verdammte, komplexe Krankheit, genetisch bedingt, aber ich komme sehr gut damit zurecht, oder würden Sie sagen ich humple hier herum››?

    ››Und wie heißt diese so komplexe Krankheit, wenn ich fragen darf‹‹? Das schlug Douglas jetzt aber arg auf den Magen, dass der einfache Familienvater so frech und keck daherkam. Er selbst wäre ja nie auf solche Fragen gekommen, zu sensibel und mitfühlend sah er sich selbst.

    ››Wissen Sie, werter Mann. Die Psyche, die Nerven, der Körper. Das hängt alles damit zusammen. Wie die Krankheit jetzt genau und auf Latein heißt, kann ich Ihnen nicht sagen. Aber es scheint mir viel besser, wir wüssten alle weniger über Krankheiten und Leiden. Verstehen Sie, mein Sohn? Ich möchte jetzt und immer überhaupt nicht darüber reden, schließlich verfällt man dabei nur noch mehr in Trauer, Wut und Selbstzerstörung‹‹.

    ››Hmmh‹‹. Erneut dieser Laut vom Vater der anwesenden Familie. ››Eine interessante Theorie‹‹, sagte der Vater, erneut fragend und jetzt auch noch arrogant.

    Obwohl der Vater Douglas` Theorie zuerst skeptisch gegenüberstand, hatte er doch, in Gedanken gefangen, immer mehr die Idee, dass es möglich war, durch Schweigen, Krankheiten gar nicht erst aufkommen zu lassen. ››Interessant‹‹ war hier das richtige Wort und der Vater musste jetzt Herrn Humberg im Auge behalten und ihm Kontra geben, nicht zuletzt wegen seines Sohnes, der einfach ››das Richtige‹‹ von seinem Vorbild erlernen sollte. Gut wer einen tollen, aufmerksamen Vater hat.

    3

    Der Vater griff sich an das Kinn und fragte, wie das denn mit einer Einäscherung vonstattenginge? Er habe sich zwar schon im Internet informiert, aber vielleicht würde der Feuerbestatter noch einige Details dazu nennen können. Jetzt war wieder Ernst und Nüchternheit eingekehrt, und der Familienvater hatte immer seinen kleinen Sohn im Blick, fest haftete auch der Junge seine Augen auf seinen – stolz war der Junge – umwerfenden Vater.

    Douglas griff sich grobschlächtig und anmaßend an die rechte Pobacke und druckste da unbehaglich herum. Er wollte nichts Falsches sagen, zu dämonisch waren die Gedanken, die in seinem Kopf herumschwirrten und ihn angreifbar machten – und das in letzter Zeit immer mehr. Er dachte an die Schreie gerade eben und hatte jetzt noch ein weiteres Bild vor seinen großen Augen, etwas Zukünftiges wohl, das er niemandem zu beschreiben vermochte. Zu grausam ist diese Vorstellung, zu heftig seine in der Luft liegenden Taten. Dann hatte er plötzlich auch die Bilder der letzten Wochen vor sich ablaufen sehen. Die Öfen. Das Feuer, und zuletzt diese silbernen Tropfen, deren Geheimnis er noch immer nicht preisgeben will.

    Was war in ihn gefahren, dass er so etwas Grauenhaftes sah? Direkt vor ihm schienen diese Bilder wie in Zeitlupe abzulaufen, mit schrecklichem Filter, wie sie heute auf Handykameras installiert sind. Er gab sich einen schnellen Ruck und schleuderte sodann die Antwort auf die Frage raus: ››Auf die Särge stelle ich einen Stein, einen solchen, der die Hitze und das Feuer überlebt. Darauf zeichne ich den Namen und eine gewisse Nummer darauf. Nach der Kremation kommt der Stein in eine Urne. Daraufhin graviere ich alle Daten, also Namen, Geburts- und Todestag‹‹.

    Als er diese langwierige und doch schnell vorgetragene Information geendet hatte, meinte der Familienvater, dass sei ja alles recht und gut. Douglas aber prahlte mit ausgestreckter Brust und lächelte wie ein Berserker. Als der Familienvater ihn hierauf respektlos ignorierte, gab sich Douglas Humberg eine gewisse Schuld. Das sah man an seinem rotbackigen Gesichtsausdruck und seinen schweißnassen Händen. Als er dann über sein kurzgeschnittenes Haar glitt, erkannte der Vater eine gewisse Arroganz und Selbstverliebtheit. Im nächsten Moment beschloss der Vater, dieses Krematorium zu meiden und sich schleunigst aus dem Staub zu machen. In ihm war irgendwie ein negatives Gefühl hochgekommen, das ihn zur Absage weiterer Gespräche und jedweder Verhandlungen verführte. War hier Douglas, mit all dem Mut den er gewiss hat, und mit aller Nüchternheit in der Sache, dann doch zu weit gegangen? Hatte er sich die Familie anders, schräger vorgestellt, so, wie er selbst denn war? Alles in allem war jedoch nun alles verloren, jede Chance auf eine Übereinkunft abgetan, und wieder einmal hatte sich ein Kunde ein Bild von Douglas gemacht, dem der Feuerbestatter selbst kaum entfliehen konnte.

    Der Vater drängte Frau und Kind zur Tür hinaus und schloss diese hinter sich. Das müsse er sich nicht geben, und sein Sohn erst recht nicht. Er hatte einen schrecklich missmutigen Blick. Douglas aber war schon wieder ganz in seinem Element, wo er doch dachte, er müsse nur das eine oder andere Mal souveräner auftreten. Er müsse nur die Gespräche ein wenig freundlicher, und doch drängender auf den Abschluss der Geschäfte, halten. Was weiß der denn schon? Dieser Winzling von Mensch, so groß er auch sein mag. Für mich ist er ein Blutegel, der mich nur aussagen will. Das können sie alle vergessen. Mich kann man nicht stoppen. Hört Ihr? Ihr Dämonen. Mich kriegt Ihr nicht klein, keinesfalls. Und so ging er zwei Schritte in Richtung Ofen Marke Selbstbau, und beschleunigte dann bis zum genannten Ofen. Das Feuer darin war bereits verblasst.

    4

    ››Erledigt‹‹? fragte er seinen türkischstämmigen Angestellten, der hier, in Langweile gehüllt, in der Gegend herumstand.

    ››Chef. Alles ist tot. So wie Sie es wünschen. Ich hoffe nur nicht, dass ich einst sterbe und in diesen unheimlichen Ofen hineinkomme‹‹.

    ››Mein lieber, bedauernswerter Mohammed. Mache dir keine Sorgen. Du hast mir nichts getan, und das ist das Wichtigste für mich. Tue einfach immer was ich sage und dein Gewissen ist rein‹‹.

    ‹‹Mein Gewissen ist rein, Chef‹‹? wiederholte Mohammed, mehr fragend als feststellend.

    ››Na siehst du. Wir verstehen uns doch blendend. Und jetzt gehe in den Eingangssaal und kehre den Boden. Hast ja sonst nichts zu tun‹‹.

    Mohammed kniff

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