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Bachchoral: Thriller
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eBook245 Seiten3 Stunden

Bachchoral: Thriller

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Über dieses E-Book

Gruppeninspektor Gruber hat seine Drohung wahr gemacht und überlässt Frieda Bach und Ronald Wendt nur noch alte Fälle zur Bearbeitung, bei denen keine Gefahr besteht, dass sie wieder politisch anecken. Frieda ergibt sich in ihr Schicksal und rührt keinen Finger mehr. Wendt hingegen ackert mit Feuereifer die alten Akten durch und stößt dabei auf einen bestialischen Mord, der vor knapp 50 Jahren in Linz verübt worden war. An und für sich nichts Besonderes, wäre nicht Friedas Mann in dieser Mordsache als Hauptverdächtiger geführt worden. Frieda fällt aus allen Wolken. Für sie war Emanuel stets ein Vorbild gewesen. Doch die Zweifel sind gesät. Allmählich kommen ihr Bedenken, ob ihr Mann wirklich der war, für den sie ihn immer gehalten hat. Sie sind mitten in den Recherchen, als sie in Vertretung für Gruber an einen Tatort geschickt werden. Eine junge Frau ist auf das Schlimmste massakriert worden. Das Unglaubliche ist jedoch, dass diese Tat aufs Haar jener vor 50 Jahren gleicht.

SpracheDeutsch
HerausgeberFederfrei Verlag
Erscheinungsdatum22. März 2019
ISBN9783990740552
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    Buchvorschau

    Bachchoral - Ernst Schmid

    508)

    Prolog

    Er kauerte in einer Ecke und beobachtete seinen Vater. Nur noch wenige Handgriffe, dann würde dieser sein Werk vollenden. Seit einem Jahr begleitete er ihn zur Arbeit, um das Handwerk von der Pike auf zu lernen. Nur wer sein Handwerk beherrschte, hatte sein Vater ihm eingeprägt, konnte es später einmal zu wahrer Meisterschaft bringen. Irgendwann würde er in die Fußstapfen seines Vaters treten. Bis es so weit war, musste er sich alles aneignen, was nötig war, um diesem ein würdiger Nachfolger zu sein. Und er war ein gelehriger Schüler.

    Mittlerweile kannte er alle Handlungsabläufe auswendig, wusste, welches Werkzeug welchem Zweck diente und wie viel Zeit er sich lassen durfte, um den Erfolg des Ganzen nicht zu gefährden. Insgeheim war er davon überzeugt, dass er bereits imstande war, die Arbeit alleine auszuführen. Trotzdem fürchtete er sich auch davor. Er wollte dem Vater keine Schande bereiten.

    Längst war ihm bewusst, dass ein Fehler ausreichte, um alles zu zerstören, was man erschaffen hatte. Solange er nur zusah, konnte er sich allerdings nicht sicher sein, dass er das Handwerk tatsächlich beherrschte. Trotzdem bedrängte er den Vater nicht, ihn selbst einmal Hand anlegen zu lassen, sondern nutzte die Zeit, die ihm verblieb, um seine Kenntnisse zu festigen.

    Er wollte gerüstet sein, sobald die Reihe an ihm war. Dass dieser Tag nicht mehr fern war, hatte der Vater ihm bereits angekündigt. Dann musste er sein Bestes geben, um ihn nicht zu enttäuschen.

    Mit einem lauten Stöhnen bäumte sein Vater sich auf. Er trat ein paar Schritte zur Seite, um freie Sicht auf dessen Gesicht zu haben. Nicht zum ersten Mal lag dieser missmutige Zug um den Mund des Vaters, als dieser von dem Körper unter sich glitt. Kein Vergleich mit der Befriedigung, die er noch vor einigen Monaten ausgestrahlt hatte. Er glaubte auch zu wissen, worin diese Unzufriedenheit gründete. Ständig vollzog sein Vater die gleichen Handgriffe und Bewegungen, ohne sich einmal eine Abweichung davon zu erlauben. Er selbst hätte die Handlungsabläufe variiert, um dem Ganzen etwas Abwechslung zu verleihen, auch wenn dies auf Kosten der Sicherheit gehen mochte. Aber der Vater war der Lehrmeister und wusste, was zu tun war. Ihm stand es nicht an, den Meister zu kritisieren oder gar eines Besseren zu belehren.

    Der Vater richtete sich auf und warf einen verächtlichen Blick auf den nackten Körper unter ihm. Über zwei Stunden hatte er sich an ihm abgearbeitet, ohne Erleichterung zu erfahren. Erzürnt trat er gegen den Stock, der ihr Hinterteil penetrierte. Die junge Frau stieß ein leises Wimmern aus. Zu mehr fehlte ihr die Kraft nach allem, was sie erdulden hatte müssen. Der Vater holte das Schlachtermesser aus der Tasche und streckte es von sich. Er hielt gebannt den Atem an. Das Finale stand bevor. Der erhebendste Augenblick des ganzen Abends.

    »Heute ist es an dir, ihr zu zeigen, was wir von Frauen halten, die sich dem Erstbesten an den Hals werfen.« Er reichte dem Sohn das Messer, wich ein paar Schritte zurück und nickte anerkennend, als dieser den ersten Schnitt setzte.

    Viele Jahre später

    1

    Ein lautes Poltern ließ Frieda Bach erwachen. Erschrocken riss sie die Augen auf und schaute sich benommen um. Wendt bedachte sie mit einem amüsierten Blick. Sie musste eingenickt und mit der Stirn auf der Schreibtischplatte aufgeschlagen sein. Sie unterdrückte ein Gähnen und schüttelte verwundert den Kopf.

    »Das kommt davon, wenn man die halbe Nacht nicht schlafen kann«, rechtfertigte sie sich. »So etwas fällt wohl unter die Kategorie senile Bettflucht.«

    »Aber Sie sind doch nicht alt«, schmeichelte Wendt ihr. »Jedenfalls kenne ich genügend jüngere Kollegen, die Ihnen bei Weitem nicht das Wasser reichen können.«

    Sie machte eine abwehrende Handbewegung in seine Richtung, nahm einen Aktenordner und hielt ihn sich vor das Gesicht, um zu verbergen, dass sein Lob sie erröten ließ. Sie unterdrückte ein weiteres Gähnen. Obwohl sie früher nicht selten achtundvierzig Stunden am Stück während des Dienstes auf den Beinen gewesen war, konnte sie sich nicht erinnern, jemals an ihrem Arbeitsplatz eingeschlafen zu sein. Allerdings war sie damals auch gefordert und nicht wie jetzt zum Däumchendrehen verurteilt gewesen.

    Seit mehr als drei Monaten machten sie nichts anderes, als sich mit über fünfzig Jahre alten Akten zu beschäftigen, um herauszufinden, ob es sich lohnte, einen dieser ungelösten Fälle wiederaufzunehmen. Eine sinnlose Tätigkeit, weil sich nach diesem langen Zeitraum kaum jemand noch daran erinnerte, was überhaupt geschehen war, und darüber hinaus die meisten Zeugen und Verdächtigen entweder bereits verstorben waren oder so gebrechlich, dass jede Befragung einer Therapiesitzung in der Demenzabteilung eines Pflegeheimes glich. Zu verdanken hatten sie diese ermüdende Beschäftigung Gruber. Wobei Frieda nicht umhinkam, ihm insgeheim zu diesem genialen Schachzug zu gratulieren, hatte er damit doch genau das erreicht, was er von Anfang an im Schilde geführt hatte, nämlich ihnen eine Tätigkeit zu verschaffen, mit der sie aus seiner Sicht keinen Schaden mehr anstellen konnten, und trotzdem Wendt das Gefühl zu vermitteln, dass er eine wichtige Aufgabe erledigte. Hut ab! So viel Raffinesse hatte Frieda Gruber gar nicht zugetraut.

    Bedauerlicherweise hatte sich auch die Prophezeiung ihres Chefs erfüllt, dass es nur eine Frage der Zeit wäre, bis Gruber seine Stelle einnehmen werde. Seit gut zwei Monaten war ihr ehemaliger Partner Liebermann gleichgestellt. Während diesem nur mehr repräsentative Pflichten oblagen, hatte der Minister Gruber hingegen als Anerkennung für seine herausragenden Verdienste mit der Führung des operativen Bereichs betraut. Dass ihr neuer Vorgesetzter sich dabei mit fremden Federn geschmückt hatte und die Auszeichnung eigentlich ihr und Wendt gebührt hätte, war zutiefst niederträchtig. Allerdings hatte sie von Gruber nichts anderes erwartet. Viel schlimmer war jedoch, dass dieser nun ganz alleine für die Zuteilung der Fälle zuständig war. Mit dieser Beförderung war Friedas Schicksal endgültig besiegelt, denn damit, dass dieser seine Meinung änderte und sie mit einer Aufgabe betraute, die ihren tatsächlichen Fähigkeiten gerecht wurde, war bis zu ihrer Versetzung in den Ruhestand sicher nicht mehr zu rechnen.

    Eigentümlicherweise schien Wendt dies überhaupt nicht zu berühren. Gewissenhaft las er jedes Schriftstück von vorne bis hinten durch, machte sich ständig Notizen und setzte dabei eine gewichtige Miene auf, als hinge allein von seiner Tätigkeit das Wohlergehen der Menschheit ab. Hatte er einen der Ordner durchgeackert, referierte er ihr das Gelesene und wollte von ihr in Erfahrung bringen, ob sich eine weitere Recherche lohnte. Da sie Grubers wahre Absichten durchschaute, hatte das alles für sie keine Bedeutung. Trotzdem band sie Wendt das nicht auf die Nase, sondern ermunterte ihn ab und an sogar, weiter nachzuforschen, nur um ein wenig Ruhe vor ihm zu haben. Stets ohne Erfolg, was sie nicht weiter überraschte. Doch Wendt ließ sich davon nicht beirren, sondern freute sich sogar, wenn Gruber sie einmal im Monat mit neuem Material versorgte, weil er immer noch darauf hoffte, einen dieser ungeklärten Fälle zu lösen und damit für Aufsehen zu sorgen.

    Nur aus Langeweile lauschte sie dem ausufernden Geschwätz ihres Assistenten, wenn er wieder einmal seine Sicht der Dinge zum Besten gab, oder griff selbst zu den Aufzeichnungen ihrer ehemaligen Kollegen. Allerdings rang die Lektüre ihr oft nur ein Kopfschütteln ab. Natürlich standen damals nicht die technischen Möglichkeiten zur Verfügung, auf die sie heute bei der Suche nach Spuren zurückgreifen konnten, trotzdem war ihr unverständlich, wie dilettantisch manche ihrer Kollegen Ermittlungen geführt hatten. Meist reichte eine simple Kombination, um Verdächtige ausschließen zu können, und manche Fährte, die von ihren Vorgängern nicht weiterverfolgt worden war, präsentierte sich in ihren Augen als äußerst erfolgversprechend.

    Aber sie hütete sich, etwas davon Wendt gegenüber verlauten zu lassen. Langeweile hin, Langeweile her! Ihre Lust, Energie in etwas zu investieren, das keinerlei Belang mehr hatte, hielt sich in Grenzen. Dafür war sie sich letztlich zu schade. Allerdings war die Aussicht, bis zu ihrer Pension unter Umständen nichts anderes mehr zu tun zu haben, als sich mit diesen uralten Akten auseinandersetzen zu müssen, auch nicht gerade förderlich für ihre Motivation.

    Sie verbarg ihr Gesicht erneut hinter dem Aktenordner und gähnte schläfrig. Wenigstens hatte der Fall, den sie in Händen hielt, für etwas Spannung und Abwechslung gesorgt.

    Es ging um eine Mordserie in den frühen Sechzigerjahren, die in Linz vor allem unter der weiblichen Bevölkerung für Angst und Schrecken gesorgt hatte und deren Täter als »Strumpfhosenkiller« in die Kriminalgeschichte eingegangen war. Ein Unbekannter hatte damals binnen eines halben Jahres fünf Frauen mit ihrer eigenen Strumpfhose erwürgt. Der Täter war stets nach dem gleichen Muster vorgegangen. Er hatte die Frauen im Treppenhaus überwältigt, sie in den Keller gezerrt und sie dort getötet, nachdem er sich an ihnen sexuell vergangen hatte. Nach dem fünften Mord hatten ermittelnde Beamten einen Mann in Gewahrsam genommen, der zur Zeit des Verbrechens in der Nähe des Tatorts gesehen worden war. Bei der Befragung stellte sich schnell heraus, dass der Verdächtige geistig minderbemittelt war und sich seit seiner Jugend in psychiatrischer Behandlung befand. Da man ihm nicht die intellektuellen Fähigkeiten zutraute, Taten wie diese zu planen und auszuführen, ließ man ihn schnell wieder laufen.

    Ein Fehler aus Friedas Sicht, denn mit dem Tag seiner Verhaftung endete auch die Mordserie. Entweder hatte der Umstand, dass man ihm beinahe auf die Schliche gekommen war, ihn derart in Panik versetzt, dass er keine Frau mehr anrührte, oder, was Frieda für wahrscheinlicher erachtete, er hatte Linz vorsorglich verlassen und seine Mordlust irgendwo anders ausgelebt. Leider hatten ihre Kollegen diese Möglichkeit nie ins Auge gefasst und den Fall ein halbes Jahr später ungelöst zu den Akten gelegt.

    Nach der Lektüre vor zwei Tagen hatte sie kurz mit dem Gedanken gespielt nachzuforschen, ob ihre Theorie der Wahrheit entsprach, doch ein Blick auf das Alter des Verdächtigen ließ sie davon wieder Abstand nehmen. Dieser war zum Zeitpunkt seiner Festnahme zweiundvierzig Jahre alt gewesen. Die Morde lagen fünfundfünfzig Jahre zurück. Selbst wenn der mutmaßliche Täter noch lebte, war er inzwischen siebenundneunzig und kaum mehr in der Lage, vor Gericht gestellt zu werden.

    Trotzdem war sie nahe daran, ihn zu überführen. Sie musste ihn nur auf frischer Tat ertappen. Gerade hatte er eine Frau gepackt und in den Keller verschleppt. Vorsichtig öffnete Frieda die Tür und spähte nach unten. Ein modriger Geruch schlug ihr entgegen. Sie fröstelte. Obwohl es unverantwortlich war, alleine in den Keller zu gehen, zog es sie fast magisch hinab. Kaum war sie unten angelangt, ließ ein Geräusch sie innehalten. Langsam drehte sie sich um. Sie machte einen Schatten aus. Ein Mann! Er hielt eine Strumpfhose in der Hand und kam näher. Plötzlich erkannte sie ihn. Es war Gruber. Er grinste sie bösartig an. In diesem Moment erlosch das Licht. Mit einem Knall krachte die Tür ins Schloss. Panik erfasste sie. Entsetzt wich sie zurück, bis die feuchte Mauer ihr den Weg versperrte. Links und rechts befanden sich die Holzleisten der Kellerabteile. Sie war gefangen. Sie vernahm Schritte. Diese kamen unaufhaltsam näher. Ein diabolisches Pfeifen ertönte. Es schmerzte sie in den Ohren. Sie war nahe am Ertrinken. Gierig schnappte sie nach Luft. In letzter Sekunde tauchte sie auf und blinzelte ins grelle Tageslicht. Gerettet!

    Verschwunden waren der Keller und Gruber mit der Strumpfhose in der Hand. Nur das schrille Pfeifen war noch immer zu hören. Es kam von der Person ihr gegenüber.

    Sie rieb sich den Schlaf aus den Augen und erkannte Wendt. Sie musste erneut eingenickt sein und hatte geträumt. Wie peinlich! Ihr Assistent zeigte aufgeregt auf den Aktenordner vor ihm auf dem Tisch. Dabei vibrierten seine Stirn- und Nebenhöhlen so intensiv, dass Frieda sich ernsthaft Sorgen um seine Gesundheit machte. Das geschah sonst nur, wenn er sich ärgerte oder signalisieren wollte, dass er etwas Besonderes entdeckt hatte. Da sie ihm keinen Anlass zum Ärgern gegeben hatte, tippte sie auf Letzteres. Dazu passte auch sein entgeisterter Blick.

    »Ihr verstorbener Mann hieß doch Emanuel mit Vornamen?«, erkundigte er sich aufgewühlt.

    »Das ist richtig. Warum fragst du?«

    Wendt schaute sie beklommen an, ohne etwas zu sagen.

    »Heraus mit der Sprache! Er wird schon niemanden umgebracht haben.«

    »Da wäre ich mir nicht so sicher«, erwiderte er zögerlich. »Zumindest war er vor vielen Jahren einmal der Hauptverdächtige in einem aufsehenerregenden Mordfall.«

    Er

    Er genoss es, wenn er sich in ihre Wohnungen schlich, um sich ein Bild davon zu machen, wie sie lebten. Der Eindruck, den er bei seinen heimlichen Besuchen gewann, war mitentscheidend dafür, auf welche Weise er sich später mit seinen Auserwählten beschäftigen würde. Katharina neigte etwas zur Schlampigkeit. Sie ließ das Frühstücksgeschirr bis zum Abend auf dem Tisch stehen und warf ihre Schmutzwäsche einfach achtlos auf den Boden. Aufräumen und Ordnung halten zählten nicht unbedingt zu ihren Stärken.

    Auch er wohnte alleine, aber das bedeutete nicht, dass er sich gehen ließ wie sie. Das wäre ihm nie in den Sinn gekommen. Ordnung war das halbe Leben. Diese Lektion würde er ihr mit auf den Weg geben, wenn sie von ihnen ging.

    So, wie sie sich präsentierte, konnte sie nicht darauf hoffen, dass er sich korrekt und zuverlässig verhielt, wenn er sich ihres Körpers annahm. Er liebte normalerweise Präzision und Zügigkeit, doch nur, wenn jemand es verdiente. Das war bei ihr definitiv nicht der Fall.

    Längst hatte er eine genaue Vorstellung davon, was er ihr antun würde. Bald würde es so weit sein. Er konnte den Moment kaum erwarten. Ein wenig wollte er allerdings noch zuwarten, um ihre Angst weiter zu steigern. Das war Teil des Spiels, das er mit ihnen trieb.

    Ihre Sorglosigkeit verblüffte ihn jedoch. Er an ihrer Stelle wäre allmählich in Panik verfallen. Obwohl, gänzlich dürften auch ihr die kleinen Zeichen nicht verborgen geblieben sein, die er in ihrer Wohnung für sie hinterlassen hatte. Zumindest deutete er so die verunsicherten Blicke, die sie um sich warf, sobald sie das Haus verließ, und das energische Rütteln an der Tür, wenn sie sich vergewisserte, ob sie tatsächlich abgeschlossen hatte. Als ob ihr das etwas genutzt hätte! Er war seit einigen Wochen im Besitz eines Nachschlüssels und konnte, wann immer er wollte, in ihrer Wohnung auftauchen. Diesen anfertigen zu lassen, bereitete ihm selten eine Schwierigkeit, verbrachte er doch jedes Mal eine Nacht mit seiner Auserwählten, auch um sicherzugehen, dass er die Richtige auserkoren hatte.

    Bei Katharina war er sich von Anfang an sicher gewesen. Sie strömte eine Unverschämtheit aus, die ihn geradezu zum Handeln zwang. Kaum ein anderes seiner Opfer hatte sein Schicksal so verdient wie sie. Er würde ihr eindrücklich zeigen, was er mit Frauen anstellte, die sich jedem Dahergelaufenen an den Hals warfen.

    Bei seinem nächsten Besuch würde er auf sie warten und ihrer Schamlosigkeit ein Ende setzen. Bis dahin wollte er ihr noch ein wenig zu denken geben.

    Er stellte die Frühstückstasse in den Geschirrspüler, legte ihr Nachthemd zusammen und sprühte einen Hauch seines Parfüms in die Luft. Gerade genug, um sie zu irritieren, aber zu wenig, um Verdacht zu erwecken. Zufrieden schaute er sich noch einmal um, ehe er nach draußen schlüpfte und verschwand.

    2

    »Das kann nicht sein!«, wehrte Frieda Bach entschieden ab. »Dabei muss es sich um einen Irrtum handeln. Vielleicht eine zufällige Namensgleichheit oder etwas in der Richtung. Lass mich schauen!«

    Wendt reichte ihr den Aktenordner. Sie überflog den Inhalt. Am 12. Mai 1966 war eine junge Frau in ihrer Wohnung bestialisch misshandelt und anschließend gewaltsam zu Tode gebracht worden. Bei dem Opfer handelte es sich um Marija Solnikowa, eine aufstrebende Sopranistin des Linzer Landestheaters. Sie hatte die Premiere der »Entführung aus dem Serail« mit mehreren Bekannten in einem Lokal in der Linzer Innenstadt gefeiert. Nach der Sperrstunde war sie von drei Männern nach Hause begleitet worden. Darunter befand sich auch Emanuel Bach, ein Student der Musikwissenschaften, der laut den Kollegen der Sängerin unsterblich in diese verliebt war. Nachdem man gemeinsam eine Flasche Champagner geleert hatte, hatten die drei Besucher sich gegen zwei Uhr morgens auf den Heimweg gemacht. Allerdings gab es dazu widersprüchliche Angaben.

    So behauptete Walter Schweizer, dass nur er und Gerhard Stark die Wohnung verlassen hätten, Emanuel Bach jedoch noch weiter geblieben sei. Aufgrund dieser Aussage wurde Bach in Gewahrsam genommen. Bei der Erstbefragung gab er an, kurz nach seinen beiden Bekannten auf Bitte von Fräulein Solnikowa ebenfalls die Wohnung verlassen zu haben, weil diese noch Besuch erwartet hatte. Allerdings konnten die Kriminaltechniker keine Spuren dieses mysteriösen Besuchers entdecken. Außerdem befanden sich auf dem Küchenmesser, mit dem die Tote penetriert worden war, nur Bachs Fingerabdrücke.

    Aufgrund der drückenden Beweislage wurde der Verdächtige in Untersuchungshaft genommen. Obwohl dieser nach wie vor seine Unschuld beteuerte, deutete alles darauf hin, dass er die junge Frau aus Eifersucht ermordet hatte. Zu einer Wende in diesem Fall kam es erst, als Gerhard Stark drei Tage später aus Wien eintraf, um sich der Befragung durch die Kriminalbeamten zu stellen. Er gab an, dass er damals noch einmal in die Wohnung zurückgekehrt sei, weil er seinen Hut vergessen habe. Bach sei gerade am Aufbrechen gewesen.

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