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Amalias Song: Roman
Amalias Song: Roman
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eBook398 Seiten5 Stunden

Amalias Song: Roman

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Über dieses E-Book

Verena Wilmes, selbst erfolgreiche Basketballspielerin, legt mit Amalias Song einen Spannungsroman vor, der hinter die Kulissen blickt und eine fesselnde Geschichte erzählt.

Der Tod des erst achtzehnjährigen Basketballtalents Amalia Steen erschüttert ganz Urberach. Nur ihr Freund zweifelt daran, dass es ein Unfall war, bis ein Lied im Internet auftaucht. Amalias Song bringt eine gefährliche Lawine ins Rollen, denn er erhebt schwere Vorwürfe gegen die Präsidentin des BBC Kronberg, Nele von Goltz, die mit ihrem Verein kurz vor ihrer ersten Saison in der 1. Damenbasketball-Bundesliga steht. Damit geht ein Traum für sie in Erfüllung. Doch wäre Nele für dieses Ziel auch über eine Leiche gegangen?
Kurz nach Erscheinen von Amalias Song wird Nele von einem Unbekannten erpresst wird. Jemand scheint hinter ihre Machenschaften im Verein gekommen zu sein. Nele lässt sich in eine Falle locken und es kommt zu einer tödlichen Verwechslung.
SpracheDeutsch
Herausgebermainbook Verlag
Erscheinungsdatum18. Feb. 2019
ISBN9783947612291
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    Buchvorschau

    Amalias Song - Verena Wilmes

    Kehle.

    Eins (Jetzt)

    Als Coach Christian Merkens am Freitagmorgen, dem fünfundzwanzigsten August, die Zeitung aufschlug, war er zufrieden mit sich. Er stand kurz davor, alles zu erreichen, was er je gewollt hatte.

    Christian genoss gerade sein Frühstück und schenkte sich die dritte Tasse Kaffee auf der Terrasse ein. Die Sonne stand bereits hoch am wolkenlosen Himmel. Die Kondensstreifen einiger Flugzeuge, die über das Taunusstädtchen Kronberg in gebührender Höhe hinwegflogen, hinterließen Kratzer im hellen, weiten Blau. In den Bäumen zwitscherten Vögel und das Summen der Insekten füllte die warme Luft. Sonst war es still um den Fünfzigjährigen herum. Während er den Zeitungsartikel auf der ersten Seite des Regionalsports verschlang, spürte er, wie sich vor Stolz sein Brustkorb ausdehnte. Dass der BBC Kronberg in die 1. Damenbasketballbundesliga aufgestiegen war, war diesem Schreibfritzen sogar zwei Seiten wert gewesen. Und im Gegensatz zu den sonst so schlampig geschriebenen Berichten hatte er sich dieses Mal Mühe gegeben, dem Verein die Aufmerksamkeit zu schenken, die er verdiente. Der Artikel begann mit dem Playoff-Finale im Mai, das Kronberg nach einer taktischen Meisterleistung ihres Coaches, Christian Merkens, für sich entschieden und damit den Aufstieg fix gemacht hatte. Dann ging der Schreiberling darauf ein, was das für die jüngste Spielerin der Mannschaft, die neunzehnjährige Luisa von Goltz, bedeutete. Er berichtete, dass sie seit ihrer Kindheit Individualtraining bei Christian bekam, sich kontinuierlich bis zu einer U20-Nationalspielerin weiterentwickelt hatte und ihr Stern in der nächsten Saison endgültig aufgehen könnte.

    Er zitierte Christian, als er schrieb, dass Lulu ihren Weg in die A-Nationalmannschaft fortsetzen wolle. Die Kaderplanung der Mannschaft für den Klassenerhalt in der Anfang Oktober beginnenden Saison sei so gut wie abgeschlossen. Das musste sie auch sein, da für die Damen des BBC Kronberg bereits nächste Woche die Saisonvorbereitung begann. Doch eigentlich hatte Christian da ein wenig geflunkert. Es musste getan werden, was nötig war. Und es war nötig, den Verein nach außen hin absolut professionell darzustellen. Nur so konnten sie weitere Sponsoren gewinnen. Der Journalist musste nicht wissen, dass ihnen noch zwei starke ausländische Spielerinnen fehlten, um in der Liga mithalten zu können, geschweige denn, weshalb sie noch fehlten. Wichtig war bloß, dass die harte Arbeit gewürdigt wurde, die Lulu, der BBC Kronberg und er selbst investiert hatten. Es war sein Job, aber bei den paar Kröten konnte man das kaum so nennen. So ein Zeitungsartikel war eher ein angemessener Lohn. Christian legte die Zeitung beschwingt zur Seite und setzte sich an die Erstellung des Trainingsplans für Lulu, während die strahlende Sonne ganz Kronberg auf südländische Temperaturen einstimmte. Ihr Individualtraining bei ihm und das Mannschaftstraining mussten koordiniert werden und die Inhalte des Individualtrainings wollten sorgfältig gewählt sein. Beim Lehrgang der U20-Nationalmannschaft letzte Woche hatte Lulu in den Testspielen einige Schwächen offenbart. Vor allem ihr Zug zum Korb und ihr Abschluss mussten besser, variabler werden, wenn sie nächste Saison auf sich aufmerksam machen wollte. Wenn sie doch nur nicht so verdammt klein und zierlich wäre. Wenn ihm da nicht bald etwas einfiel, dann würde sie den Sprung in den festen Kader der A-Nationalmannschaft nicht schaffen. Nur war das keine Option. Das war sein Traum. Es war ihr Traum. Und jetzt, wo sie in der 1. Liga angelangt waren, was die Grundvoraussetzung für die A-Nationalmannschaft war, würde er dafür sorgen, dass sie die entsprechende Leistung zeigte. Dafür musste er allerdings ein Team zusammenstellen, das auch die Liga halten würde.

    Um das zu tun, brach er am frühen Nachmittag in die Halle auf, nur wenige hundert Meter Luftlinie von seinem Haus entfernt. Das einstöckige Einfamilienhaus lag idyllisch am Sackgassenende einer kleinen Straße mit Temposchwellen. An die Sackgasse grenzte ein Feld, in dem jetzt Ende August das Gras hoch stand. Manchmal, wenn sich die Autofahrer jenseits des Feldes nicht an das Tempolimit hielten, drang gedämpfter Verkehrslärm herüber. Doch als er das Haus nun in der größten Mittagshitze verließ, hörte er nur das Rascheln der Bäume, als der schwüle Wind, der keinerlei Abkühlung brachte, in die dichten Blätterdächer hineinfuhr.

    Die Rettung bestand heute entweder aus einer Abkühlung im Wasser oder einer funktionierenden Klimaanlage. In der Halle gab es nichts von beidem. Dort herrschte eine stickige, brütende Hitze. Die Jungenmannschaft, die gerade Training hatte, japste mit hochroten Köpfen und schweißdurchtränkten T-Shirts. Dazu sonderten sie einen Körpergeruch ab, der der Luft in der Halle nicht zuträglich war. Christian war froh, als er die Tür zum Trainerbüro schließen konnte und das stetige Dotzen der Bälle leiser wurde.

    Nele und die zwei Vorstandsheinis, die für die Finanzen zuständig waren, warteten bereits auf ihn und fächerten sich mit Papieren Luft zu. Nach einer kurzen Begrüßung pferchten sie sich im engen Trainerbüro vor seinem Laptop zusammen, um die Videos der Amerikanerin und der Tschechin anzusehen, die Christian für die Saison verpflichten wollte. Er war sich sicher, mit dieser Verstärkung das Beste aus der Mannschaft herausholen zu können. Aber die beiden Schlappschwänze aus dem Vorstand hatten ein Wörtchen mitzureden. Immerhin musste den ausländischen Spielerinnen eine Wohnung besorgt und ein Gehalt gezahlt werden. Die beiden waren nicht der Meinung, dass sich der Verein das beim derzeitigen Stand der Sponsorengelder leisten konnte. Sie wollten, dass er billigere Spielerinnen wählte, die aber schlechter waren. Und sie begriffen nicht, was sie damit anrichteten.

    Wenn Nele nicht wäre, hätte er beinahe etwas gesagt, das er später bereut hätte. Am liebsten hätte er die beiden ehrenamtlichen Idioten sofort gegen die bruchsichere Scheibe gedonnert, die das Trainerbüro vom Spielfeld der Halle trennte. Aber Nele öffnete den Mund, noch bevor er reagieren konnte und verkündete, dass die dem Vorstand vorliegenden Sponsorengelder nicht der tatsächlichen finanziellen Situation des Vereins entsprachen. Es würde noch eine Finanzspritze geben, mit der sich der BBC die von Christian ausgesuchten Spielerinnen ohne Probleme leisten könne. Im ersten Augenblick sah Christian die Vereinspräsidentin genauso erstaunt an wie die anderen beiden. Doch er war nicht lange irritiert. Natürlich hatte Nele es mal wieder geschafft. Sie wusste, um was es bei diesem Projekt 1. Liga ging. Das hier war genauso sehr ihr Leben wie seines.

    Mit der Zusicherung, die beiden Mädels verpflichten zu können, betrat er um kurz nach achtzehn Uhr das Haus. Er schloss die Tür hinter sich und kickte seine ausgelatschten Turnschuhe in das übliche Chaos im schmalen Hausflur. Seine Umhängetasche hatte ein Schweißmuster auf seinem schwarzen T-Shirt hinterlassen, obwohl er seinen Laptop im Trainerbüro hatte liegen lassen. Es war noch immer heiß draußen. Als er seine Tasche auf die Kommode im Flur legte, konnte er nur noch an sein letztes Bier im Kühlschrank denken.

    In gut zwei Stunden musste er bei Nele zuhause sein, auf der Grillfeier für die Sponsoren. Aber jetzt wollte er bloß das kalte Bier seine ausgedörrte Kehle hinabfließen lassen und eine eiskalte Dusche nehmen. Auf schweißfeuchten Socken trabte er über den Parkettboden an der hölzernen Wendeltreppe vorbei in die offene Küche. Ein rechteckiger Esstisch, auf dem eine Obstschale vor sich hin rottete, stand in der Mitte des hellen Raumes wie eine Insel.

    Christian öffnete die Kühlschranktür, hielt sein Gesicht in die kalten Dampfschwaden und suchte den Inhalt der Türfächer ab. Milch, Butter, Essig; die Fächer waren gut gefüllt. Doch zwischen der Milch und dem Essig, dort, wo sein Bier hätte stehen sollen, war eine verwaiste Stelle. Christian stutzte. Seine Augen wanderten den Rest des Kühlschranks ab, in der Hoffnung, falsch in Erinnerung zu haben, wo er das Bier hingestellt hatte. Doch er fand es nirgends. Verdattert stand Christian vor dem Kühlschrank, bis ihm klar wurde, dass es nur eine Erklärung geben konnte. Christian spürte, wie seine gute Laune schwand. Die Bosheit seiner Frau machte ihn sauer.

    „Claudia?, rief er und donnerte die Kühlschranktür zu, sodass der Inhalt der Türfächer klapperte. Er hatte seine Frau heute noch nicht gesehen, da sie bereits zum Dienst gegangen war, als er noch geschlafen hatte. Doch er wusste, dass sie mittlerweile zuhause war, denn ihr Wagen parkte in der Einfahrt. „Claudia!

    „Ich bin hier", drang die Stimme seiner Frau von der Terrasse. Sie klang matt. Christian traute seinen Ohren kaum. Er ging ins Wohnzimmer und versuchte, nach draußen auf die Terrasse zu spähen, doch die Topfpflanze neben der Terrassentür versperrte ihm die Sicht. Für einen Moment zögerte er. Es gab gute Gründe dafür, dass in der Regel keiner von ihnen auch nur das geringste Anzeichen von Schwäche zeigte.

    Durch die offene Terrassentür sah er seine Frau auf demselben Stuhl sitzen, auf dem er heute Morgen gefrühstückt hatte. Doch sie hatte den Stuhl gedreht, sodass er sie nur im Profil sah, als er im Türrahmen stehen blieb und seine Arme vor der Brust verschränkte. Sie hatte ein Bein angezogen, ihr nackter Fuß ruhte auf dem Stoffbezug des Stuhls. Auf ihrem angewinkelten Knie balancierte sie sein letztes und bereits halbleeres Bier. Abwesend starrte sie auf das kurzgemähte Gras in ihrem kleinen Garten, der sich einmal um das Haus herumzog. Vor ihr auf dem Gartentisch lag etwas, das nach MRT-Bildern aussah.

    „Seit wann trinkst du mir mein letztes Bier weg?", fragte Christian etwas aus dem Konzept geraten wegen der Bilder auf dem Tisch. Normalerweise trank sie keinen Alkohol, und wenn doch, dann niemals Bier.

    „Ups."

    „Harter Tag im Krankenhaus?", fragte er weiter und gab sich keine Mühe, seinen gelangweilten Unterton zu verstecken. Dr. Claudia Merkens, Unfallchirurgin im Krankenhaus in Bad Soden, würde es ohnehin nicht zugeben, falls es so gewesen war.

    „Es ging."

    „Und was ist das da?", fragte er und machte mit seinem Kinn eine Bewegung in Richtung der Bilder.

    „Das", begann Claudia, wobei sie das Wort auf eine seltsame Weise betonte und den Kopf zu ihm drehte, „das sind die MRT-Bilder vom Knie deiner wichtigsten Spielerin."

    Christian gab sich allergrößte Mühe, seine Verblüffung zu verbergen. „Wieso siehst du dir … Du hast doch gestern nach der Untersuchung gesagt, mit Lulus Knie ist alles in Ordnung. Du hast gesagt, es ist kein Meniskusschaden, und dass die Knieschmerzen wahrscheinlich davon kommen, dass sie das Bein falsch belastet hat. Durch die Sehnenentzündung im anderen Fuß." Er spürte sein Herz beklommen pochen. Es war nicht auszudenken, was es bedeuten würde, wenn Lulu wieder verletzt ausfiel. Das konnte sie sich nicht leisten. Sie musste die Vorbereitung mitmachen, um zu Saisonbeginn im Vollbesitz ihrer Kräfte zu sein.

    „Ich weiß, was ich gesagt habe. In der Regel vergesse ich meine Diagnosen nicht so schnell. Aber irgendwas an diesen Bildern hat mich einfach nicht losgelassen. Und jetzt weiß ich endlich, was das war."

    Christian unterdrückte nur mit Mühe ein Augenrollen. „Ich weiß nicht, wovon du redest!"

    Claudia hob die Bierflasche an und blickte auf die träge darin schwappende Flüssigkeit, während sie bedächtig antwortete: „Sie hat eine Deformierung der Kniescheibe. Jägerhutsyndrom dritten Grades. Wunderschön sichtbar auf den MRT-Bildern. Ist das nicht ein sagenhafter Zufall?"

    Christian starrte sie an. Ihre Worte, denen ein Hauch von Bitterkeit anhaftete, besaßen die Durchschlagskraft einer Schrotflinte. „Ja, und?", brachte er etwas zu schnell hervor und wusste sofort, dass das ein Fehler gewesen war.

    Claudias Augen bohrten sich in seine, während sie einen Schluck von dem Bier nahm, das ihr ganz offensichtlich nicht schmeckte. Sie schluckte und zuckte mit den Achseln, ehe sie schließlich sagte: „Ich dachte nur, das solltest du wissen. Wenn du nicht willst, dass ihr die Kniescheibe rausfliegt und ihre Karriere beendet ist, dann solltest du ihre Beinmuskulatur stärken."

    Christian antwortete nicht. Etwas hatte sich verändert im Garten an der Rückseite des Hauses, der bereits im Schatten lag, da die hohen Hecken die Strahlen der tiefer stehenden Sonne abfingen. Es musste ein frischer Wind aufgekommen sein, der ihm unter sein verschwitztes T-Shirt kroch und ihn auskühlte. Es war nicht fair von ihr, auf die Verletzung anzuspielen, die seine Basketballkarriere beendet hatte. Doch seine sonst so empfindliche Stelle schien taub zu sein. Dagegen spürte er umso deutlicher ein nervöses Kribbeln im Bauch.

    Er verengte seine Augen zu Schlitzen, während er abzuschätzen versuchte, was hier gerade passierte. „Danke, ich weiß, wie ich meinen Job zu erledigen habe, sagte er schließlich und hielt ihrem Blick stand, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, bis er es nicht mehr aushielt. „Ich gehe mal duschen.

    In seinem Kopf rasten die Gedanken. Er musste sich unter dem kalten Wasser sortieren und würde hoffentlich zu dem Schluss kommen, dass er Gespenster sah. Doch kaum hatte er einen Schritt gemacht, ertönte noch einmal Claudias Stimme hinter ihm. „Wie geht’s Luisas Fuß eigentlich? Hat sie noch Schmerzen? Die letzte Kortisonspritze habe ich ihr vor zwei Wochen gegeben. Ich frage mich, ob sie ihr geholfen hat. Da sie ja schon wieder mit irgendeiner Nationalmannschaft unterwegs war, scheint sie sich nicht an die Pause gehalten zu haben, die ich ihr empfohlen habe."

    Christian blieb wie angenagelt stehen. Ihre Worte fühlten sich tatsächlich wie Nägel an, die durch seinen großen Zeh in den Boden geschlagen wurden. Das Zittern in seinen Beinen wurde stärker. Er drehte sich um. „Ihr und ihrem Fuß geht es bestens. Mach dir keine Gedanken."

    „Tja, weißt du, irgendwie mache ich das doch. Vielleicht sollte ich sie noch mal untersuchen und ein Blutbild machen, um … ich weiß auch nicht, sie mal gründlich durchzuchecken. Die Entzündungsparameter bestimmen und so weiter. Meinst du, das wäre eine gute Idee?"

    Die Fünfundvierzigjährige war im Grunde keine hübsche Frau. Zwar hatte sie einen schlanken Körper, der nach diesem Sommer sonnengebräunt war, doch sie hatte helle, blaue Augen, die Stahl zerschneiden könnten. Ihre Gesichtszüge waren meistens ernst und kühl und von einer unübersehbaren Arroganz. Heute war ihr Gesicht geradezu in Stein gemeißelt, lockerte sich nun allerdings etwas auf, um Amüsement Platz zu machen. Sie fuhr sich mit einer Hand durch ihre kurzen, blonden Haare, die feminin gestylt ihre Ohren freiließen. In ihrem Poloshirt und der dreiviertellangen Hose hielt sie die Illusion aufrecht, ein Bollwerk zu sein, an dem alles abprallte.

    Aber Christian wusste es besser. Den entscheidenden Machtkampf in ihrer seit zweiundzwanzig Jahren andauernden Ehe hatte schließlich er gewonnen. Und die Erinnerung daran gab dem einsneunzig großen, stabil gebauten Mann mit dem Bauchansatz, den kurzen, roten Haaren und dem Bart die Sicherheit, sich zu seiner vollen Größe aufzubauen. „Ich weiß nicht, wovon du sprichst."

    Er sagte das mit seiner tiefen Raucherstimme, die er durch das jahrelange Qualmen nach dem Ende seiner Karriere bekommen hatte. Er hatte erst damit aufgehört, als Claudia und er versucht hatten, schwanger zu werden. Es hatte monatelang nicht funktioniert. Schließlich hatte sie ihm vorgeworfen, dass er durch das Rauchen seine Spermien zerstört habe. Doch es hatte nicht an ihm gelegen. Das hatte er schwarz auf weiß. Und sie wusste es.

    „Ich spreche davon, dass Luisas Trainer sich verzockt hat. Die Wahrheit kommt immer irgendwann ans Licht. Und das hättest du wissen sollen." Claudias Stimme klang nicht triumphierend. Ihr Blick flackerte verwundet.

    Christian trat einen Schritt auf sie zu und sagte leise, mit ebenfalls angeschlagener Stimme: „Claudia, ich habe keine Ahnung, welchen Unsinn du da faselst."

    Claudia antwortete nicht. Eine Pause trat ein, in der die Rufe Fußball spielender Kinder aus der Nachbarschaft zu ihnen drangen. Sie starrten sich an. Christians Herz schlug ihm irgendwo in der Nähe seines Adamsapfels. Sie würde nicht tun, was nötig war.

    „Wie du meinst", stieß Claudia ebenso leise hervor, wandte ihren Blick ab und leerte den Rest des Bieres in einem Zug.

    Zwei

    Charlotte Scheiber wusste genau, wie oft sie in den letzten drei Jahren im Haus ihrer Schwester gewesen war. Aber Nele war eben sehr beschäftigt. Ihr war sicherlich nicht klar, dass Charlotte zuletzt im November vergangenen Jahres hier gewesen war, kurz nach dem Tod ihres Vaters. Das war für Charlotte kein Grund, sich nun, als sie im Auto vor Neles Haus saß, Gedanken darüber zu machen, weshalb ihre Schwester sie zur Grillfeier für die Sponsoren des BBC Kronberg eingeladen hatte. So wie Linda es gewollt hatte.

    Die Vierzigjährige saß über das Lenkrad gebeugt da und ließ ihren Blick an der Vorderseite des zweistöckigen Hauses mit der makellosen Fassade und der anthrazitfarbenen Eingangstür entlanggleiten. An die gepflasterte Einfahrt schloss sich eine Garage an, an deren Wand ein Basketballkorb hing.

    Sie fragte sich, weshalb sie alles so anders in Erinnerung gehabt hatte. Vielleicht lag es daran, dass das Haus letztes Jahr im November im eintönigen, kalten Grau des Winters versunken war, während an diesem fünfundzwanzigsten August die Natur noch in ihrer vollen Blüte stand. Wäre Linda doch nur mitgekommen. Aber Linda hatte ihre Einladung nicht annehmen wollen. Sie hatte Linda heute noch zweimal angerufen, aber sie war bei ihrer Meinung von vor drei Tagen geblieben, als Charlotte ihr von der Feier erzählt hatte.

    Ein plötzliches Klopfen gegen die Scheibe auf der Fahrerseite riss Charlotte aus ihren Überlegungen und ließ sie erschrocken zusammenzucken. Sie drehte ihren Kopf und blickte geradewegs in Luisa von Goltz‘ freundliches Gesicht. Sie stand neben Charlottes altem Opel und winkte ihr zu, unter ihren Arm einen abgegriffenen Basketball geklemmt. „Hallo Lotte!"

    Charlotte wusste nie, wie ihr geschah, wenn das Lächeln der Neunzehnjährigen ihr galt. Sie öffnete die Tür und stieg aus, um ihre Nichte fest in ihre Arme zu schließen.

    „Hallo, meine Kleine", sagte sie, obwohl Lulu mit ihren Einssiebzig sogar ein kleines bisschen größer war als ihre Tante. Aber Lulu würde immer ihre Kleine bleiben. Das war sie seit dem Tag ihrer Einschulung, als Charlotte sich unsicher in der hintersten Reihe der Schulturnhalle herumgedrückt hatte und auch auf das auffordernde Winken ihres Vaters nicht nach vorne gekommen war. Schließlich hatte Nele ihr erklärt, dass Lulu sie kaum kennen und Angst bekommen würde. Sie war ohnehin schon nervös genug gewesen am Tag ihrer Einschulung. Doch dann war Lulu, dieses süße Mädchen mit der Zahnlücke, auf sie zumarschiert und hatte sie gefragt, weshalb sie von ihr nichts in ihrer Schultüte hatte. Überrumpelt hatte Charlotte in ihren Hosentaschen gekramt und einen Lutscher gefunden, den sie beim Einkauf im Supermarkt geschenkt bekommen hatte. Hocherfreut hatte Lulu daraufhin ihre Hand genommen und mit ihr gemeinsam den Schulhof erkundet.

    Überwältigt von dieser Erinnerung musste Charlotte ein paar Tränen wegblinzeln. Sie hielt Lulu eine Armlänge von sich entfernt fest und betrachtete sie glücklich. Ihre Nichte hatte hellbraune Haare, die sie zu einem Zopf gebunden trug, warme, nussbraune Augen und dieses kindliche Lächeln. Überhaupt sah sie gar nicht aus wie eine Abiturientin. Sie hatte eine zierliche Figur, auch wenn sie verglichen mit dem letzten Mal, als Charlotte sie gesehen hatte, ein wenig an Muskulatur zugelegt hatte. Jemand, der sie nicht kannte, erriet wohl kaum, dass sie demnächst Basketball in der 1. Bundesliga spielen würde.

    „Wie geht’s dir? Hast du einen Platz in Zahnmedizin bekommen?", fragte Charlotte.

    „Na ja …, begann Lulu ausweichend und befingerte den Ball unter ihrem Arm. „Ich war zwar zugelassen, aber Mama meinte, es wäre besser, ich mache erst mal etwas anderes, damit ich noch Zeit für Basketball habe.

    Charlotte blinzelte in die Abendsonne. Die Straße war nur auf einer Seite bebaut, da auf der anderen Straßenseite, jenseits des hohen Bordsteins, an dem Charlotte parkte, ein grasbewachsener Hang abfiel. Neben dem Haus ihrer Schwester gab es noch fünf weitere in der kleinen Straße. Es waren allesamt freistehende Häuser von einer Größe, bei der Charlotte sich fragte, ob sie bereits als Villen galten. „Und was machst du dann jetzt?"

    „Ich fange im Oktober an, Lehramt zu studieren. Für Englisch und Sport", erklärte Lulu achselzuckend und verzog ihren Mund zu einem Lächeln.

    „Oh, entfuhr es Charlotte überrascht. Doch ehe sie noch etwas dazu sagen konnte, fragte Lulu: „Wo ist Linda?

    Charlotte spürte, wie ihr der Schweiß in den Nacken rann. Dabei sorgte gerade ein Windstoß für ein wenig Abkühlung.

    „Sie … sie hat leider keine Zeit", stammelte Charlotte und wich dem Blick ihrer Nichte aus. Da war es wieder. Dieses Gefühl, ihr Magen sei in sich verdreht. Eigentlich hatte sie gar keinen Appetit auf etwas vom Grill aus dem Garten hinter dem Haus ihrer Schwester, aus dem sie nun gedämpfte Stimmen, Gelächter und das Klirren von Gläsern vernahm.

    „Schade. Ich wollte ihr einen Reversekorbleger zeigen, bei dem ich mir den Ball im Sprung einmal durch die Beine gebe."

    Charlotte sah ihre Nichte verständnislos an.

    Lulu grinste. „Das hab ich in diesem Video gesehen, das ich Linda das letzte Mal gezeigt habe. Pass auf!"

    Sie führte Charlotte zum Basketballkorb an der Garagenwand. Ein kleines Tor trennte die Einfahrt vom Garten, hielt jedoch nicht die Geräusche ab, die von dort herüber drangen. Charlotte erhaschte einen kurzen Blick auf den dampfenden Grill, aber von Nele war nichts zu sehen.

    „Aber nicht lachen, wenn es nicht klappt!", meinte Lulu und stellte sich gut drei Meter vor dem Korb auf. Charlotte blickte sie gespannt an. Vielleicht könnte Lulu mal zum MTV Urberach kommen und Charlottes Mädchenmannschaft vormachen, was sie alles konnte.

    Ihre Nichte, die passend zu ihrer kurzen Sommerhose pinkfarbene Flip-Flops trug, machte ein Dribbling und zwei Schritte und wollte dann unter dem Korb auf ihrem linken Fuß abspringen, doch sie hob nur ein kleines Stück vom Boden ab, als hätte sie plötzlich die Kraft verlassen. Dann landete sie mit einem spitzen Aufschrei unsanft auf dem Pflaster.

    „Au!", stöhnte und wimmerte sie und griff sich mit schmerzverzerrtem Gesicht an ihren Fuß, während der Ball gegen die Garage prallte und wegrollte. Charlotte eilte mit einem Satz zu ihr.

    „Lulu, was ist passiert?", fragte sie alarmiert und kniete sich neben sie.

    „Nichts. Ich glaube, da war nur ein Steinchen … oder so etwas", ächzte Lulu, doch ihr Gesichtsausdruck verriet Schmerzen.

    „Lass mich mal sehen", sagte Charlotte und schob Lulus Hände von ihrem Fuß, um nachzusehen.

    „Es ist nichts", erwiderte Lulu und versuchte hastig, ihren Fuß aus dem Griff ihrer Tante zu befreien. Doch Charlotte hatte es bereits entdeckt. Ihr klappte schockiert der Mund auf.

    „Was ist das denn?", brachte sie hervor und starrte auf die Innenseite von Lulus Fuß, die von winzigen, schwach lila verfärbten Flecken übersät war. Sie sahen aus wie Einstichstellen von Spritzen; etwas, das sie bei ihrem lange pflegebedürftigen Vater ständig gesehen hatte. Die Innenseite von Lulus linkem Fuß sah aus, als hätte sie gleich mehrere Spritzen verabreicht bekommen. Sie hob ihren Blick, um ihrer Nichte ins Gesicht zu sehen, als plötzlich Lindas Stimme in ihrem Kopf laut wurde.

    „Wie kannst du ignorieren, was Lisa erzählt? Glaubst du wirklich, sie hat das erfunden? An der Sache mit Amalia war doch auch etwas faul. Muss erst Lulu was passieren, damit du einsiehst, dass in diesem Verein etwas nicht stimmt? Ich kann einfach nicht mehr. Hör bitte auf, dir etwas vorzumachen! Auch über mich!"

    „Lulu! Ich suche dich seit …" Nele von Goltz‘ harsche Stimme durchschnitt die sommerliche Luft aus dem Nichts. Charlotte hatte sie nicht kommen hören. Sie ließ den Fuß ihrer Nichte los, als sie sich erschrocken umdrehte und ihre Schwester hinter dem Gartentor erblickte.

    „Oh, Lotte, du bist schon … Was macht ihr zwei denn da unten auf dem Boden?" Nele klang unkonzentriert, als hätte sie eine Million Dinge in ihrem Kopf, an die sie gleichzeitig zu denken versuchte. Charlotte erhob sich, während Lulu aufsprang, um ihren Ball zu holen, ehe dieser die Straße hinabrollen konnte.

    „Sie wollte mir etwas zeigen. Einen Korbleger", stotterte Charlotte. Sie wollte auf ihre Schwester zugehen und sie umarmen, doch das geschlossene Gartentor, hinter dem Nele stand, machte diese Absicht zunichte.

    „Aha", sagte Nele. Ehe Charlotte noch einmal ihren Mund aufmachen konnte, wanderte Neles Blick zu ihrer Tochter.

    „Lulu, hör auf, hier rumzualbern. Ich hab dir gesagt, du sollst dich umziehen und dann bitte zum Essen kommen!", wies Nele sie an. Sie klang unentspannt. Überhaupt wirkte die achtundvierzig Jahre alte Frau gestresst. Ihre schlanke Figur steckte in einer schicken, weißen Baumwollhose und einer locker fallenden, teuer aussehenden Bluse. Dazu trug sie ihre schwarzen Haare zu einem voluminösen Dutt hochgesteckt. Sie sah gut aus, aber ihr ernster Gesichtsausdruck und der stechende Blick aus ihren kleinen, grauen Augen verrieten ihre Anspannung.

    „Ich wollte Lotte nur …"

    „Das freut mich, aber beeil dich bitte, das Essen ist fertig und wir hatten doch besprochen, dass du den Leuten etwas über dich erzählst." Nele klang angestrengt.

    Lulu blickte schüchtern von ihrer Tante zu ihrer Mutter und erwiderte dann artig: „Okay. Ich bin gleich da." Mit dem Ball unter dem Arm ging sie die Stufen zur Haustür hoch.

    „Und zieh bitte die Sachen auf deinem Bett an! Die mit dem Vereinslogo, ja?, rief Nele ihr noch um die Ecke hinterher. „Dieses basketballverrückte Mädchen, meinte sie dann an ihre Schwester gewandt und lächelte, wobei sie ihre Zähne entblößte. „Komm rein, die ersten Steaks sind gerade durchgebraten", fügte sie hinzu, als der würzige Duft von frisch gebratenem Fleisch Charlottes Nase erreichte, und öffnete das Tor von innen.

    Doch sie wartete weder auf eine Erwiderung von Charlotte noch darauf, dass sie den Garten betrat. Nele wandte sich um und eilte mit wehender Kleidung zurück auf die Feier, während ihre Schwester in der Einfahrt stand und ihr nachsah, einen stechenden Schmerz niederringend, der ihr fast den Atem raubte.

    Aber das war schon in Ordnung. Nele meinte das nicht böse. Sie war durch den Wind an diesem wichtigen Abend, wollte Sponsorengelder sammeln, um den Aufstieg ihres Vereins in die 1. Bundesliga zu finanzieren. Und Charlotte würde sie dabei unterstützen. Dennoch wusste sie nicht so recht wohin mit sich, als sie das Gartentor hinter sich geschlossen hatte. Sie stand am Rande des saftigen Rasens, der aussah wie aus einem Katalog für Gartenmöbel und stellte fest, dass ihr der Garten früher größer erschienen war, als es bloß die kleine Holzhütte in einer Ecke und den winzigen Teich in der anderen gegeben hatte und keine dreißig bis vierzig Menschen sich auf dem gepflegten Rasen getummelt hatten.

    Zwei Bierbankgarnituren, über deren blankes Holz bereits viele Hintern scheuerten, während die zugehörigen Münder die erste Ladung vom Grill verspeisten, standen in der Mitte des Gartens. Sie zeigten geradewegs auf den Grill, ein dampfendes, hochmodernes Monstrum, auf dem bereits die nächste Fuhre Fleisch brutzelte. Zwei Stufen führten vom Rasen auf die Terrasse mit dem langen Gartentisch, an dem weitere Gäste Platz genommen hatten. Charlotte ließ ihren Blick durch die Menge schweifen. Sie suchte Nele, von der sie gehofft hatte, sie würde allen ihre Schwester aus Urberach vorstellen, einem kleinen Städtchen bei Rödermark, knapp vierzig Minuten von hier entfernt, die selbst auch jahrelang Basketball gespielt hatte. Charlotte könnte vom MTV Urberach erzählen, wo sie ehrenamtliche Jugendtrainerin war, und davon, dass zwei talentierte Mädchen, die nun beim BBC Kronberg spielten, einst von ihr trainiert und nach Kronberg geschickt worden waren, weil sie dort die besseren Ausbildungsmöglichkeiten hatten. Das wäre eine gute Werbung für den Verein. Doch wie sollte Charlotte erklären, dass eines dieser Mädchen tot war und das andere im Augenblick nicht mehr nach Kronberg ins Training wollte?

    Charlotte schüttelte den Kopf, irritiert von ihrem Gedanken. Sie wollte ihre Schwester finden, die alles erklären würde. Auf ihre Schuhe starrend, Sneakers von RiseUp, die Linda ihr zu Weihnachten geschenkt hatte, setzte Charlotte sich in Bewegung. Sie achtete angestrengt darauf, niemanden anzurempeln, während sie sich durch die Menge schob. Bei ihrer geringen Körpergröße war das normalerweise kein Problem, doch sie war nicht nur anders gekleidet als die übrigen Frauen, sie hatte im Vergleich zu ihnen auch eine etwas pummelige Figur. Ihre kurzen, schwarzen Haare mussten beim Friseur eigentlich mal wieder ordentlich in Form geschnitten werden und sie trug eine Brille, hinter der sich schüchterne, dunkle Augen verbargen.

    Die laute, kratzige Stimme ihrer Schwester ließ sie aufschauen. Sie entdeckte Nele, die gerade über die Terrasse in die Küche ging. Charlotte folgte ihr eilig und schritt mit gesenktem Kopf über die rötlichen Steinplatten in die Küche, in der sie dieselben Temperaturen wie draußen empfingen.

    Die Küche war ein großer Raum mit den schicksten Küchengeräten, die Charlotte je gesehen hatte. Allen voran einer High-Tech-Kaffeemaschine, die sie noch nicht einmal einschalten könnte. Abgesehen davon sah es hier allerdings gerade alles andere als schick aus. Die schwarzen Arbeitsplatten auf den hölzernen Küchentheken waren übersät mit den Resten von geschnittenen Tomaten, gewaschenen Salatblättern, Zwiebelschalen, einer leeren Mozzarellapackung, etwas, das nach Couscous aussah, und einem Kochtopf, in dem offensichtlich Nudeln gekocht worden waren. Mehrere Gewürzdosen flogen neben der Spüle herum. Alles in allem sah es aus, als hätte Nele sämtliche Salate und Beilagen, die draußen auf dem Gartentisch standen, selbst zubereitet. Und jetzt stand sie neben der Herdplatte und schnitt ein krümelndes Baguette, während an dem Hängeschrank über ihr die Türen offenstanden.

    „Kann ich dir helfen?", fragte Charlotte zaghaft.

    Nele wirbelte herum. „Mensch! Was machst du denn hier drin? Das Messer fiel klappernd auf das Brett, auf dem sie das Baguette gerade geschnitten hatte. Sie griff sich mit einer Hand ans Herz, als hätte Charlotte es darauf abgesehen. „Schleich dich doch nicht so an, Schwesterherz!

    Für einen Moment war sie so überwältigt von Neles letztem Wort, dass sie erst einmal tief Luft holen musste. Charlotte begann ihre Finger zu kneten und suchte nach irgendetwas in ihrem Wortschatz, das eine angemessene Erwiderung wäre, während ihre Schwester ihr wieder den Rücken zuwandte, zum Kühlschrank schritt und ein Bier herausholte.

    „Entschuldige. Hätte ich nicht reinkommen sollen?", war alles, was Charlotte einfiel, als sie glaubte, dass die Stille zwischen ihnen zu lange andauerte.

    Nele warf ihr mit hochgezogenen Augenbrauen einen Blick zu, während sie einen Flaschenöffner aus einer der Schubladen kramte. Mit einem Zischen öffnete sie das Bier und reichte es Charlotte.

    „Oh, aber ich kann auch … Ich kann auch einen Wein trinken. Oder Sekt", meinte sie hastig.

    „Papperlapapp! Du

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