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Im Bann der Finsternis: Mars - der Krieger des Lichts
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Im Bann der Finsternis: Mars - der Krieger des Lichts
eBook336 Seiten4 Stunden

Im Bann der Finsternis: Mars - der Krieger des Lichts

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Über dieses E-Book

Der Kampf zwischen Göttern und Vampyren ist nicht mehr aufzuhalten.
Jetzt, da der Götterbote verbannt wurde, ist es an Mars, dem Kriegsgott, seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Dabei trifft er eine alte Liebe, die Amazonen-Königin Ortrera, wieder und findet seine Herausforderung in der Vampyrin Shanti. Schon einmal ist er ihr begegnet, doch diesmal sind es ganz andere Voraussetzungen.

Wird Mars das Tal der Amazonen verraten, um seinen Dolch wiederzuerlangen und damit seinen Seelenstein?
Und was wird aus der Vampyrin Shanti, wenn sie erfährt, dass ein Teil einer ganz besonderen Nymphe ihr innewohnt?
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum31. Juli 2018
ISBN9783946381457
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    Buchvorschau

    Im Bann der Finsternis - Marc Short

    Prolog

    Im Amazonental

    Schmerzen. Ich fühlte sie schon lange nicht mehr. Körperlich hatte ich sie abgestellt, seit ich denken kann – also seit ich geboren wurde. Anders hätte ich wohl nicht überlebt. Doch das ist eine andere Geschichte. Sie ginge zu tief. Und ich möchte davon jetzt weder erzählen noch mich daran erinnern.

    Ich senkte meinen Blick und sah auf meine Hände. Sie wirkten wie die Pranken eines Silbertigers, nur dass meine Nägel geschliffener und kürzer waren als deren Krallen. Was nicht hieß, dass sie weniger tödlich wären.

    Ich schrie auf, schlug mit der Faust gegen einen der roten Felsen und erinnerte mich an das erste Mal, als ich so einem Tier gegenüberstand. Das Fell: weiß mit schwarzen Streifen. Die Augen: von einem Blau wie das Wasser der Arktis. Der Gang: so majestätisch, als würde ihnen das Tal gehören. Sie waren wie ich, und manchmal habe ich mich gefragt, ob sie nicht sogar mehr waren.

    Wieder schlug ich mit der Faust gegen das Gestein, und diesmal begleitete ein Donnerhall meinen durchdringenden Schrei. Hier am Fuß des roten Felsmassivs, am Sandhof, wo der Dschungel begann, fand man mich oft. Die Farbmalerei dieser gelben bis roten Töne, das zerklüftete und mahnende Landschaftsbild hatte etwas Beruhigendes, etwas Heimatliches. Doch nicht heute. Vielleicht nie mehr. Mein Atem ging rasselnd wie der eines Bullen im Todeskampf, mein Kiefer war gespannt. Warum nur empfand ich jedes verdammte Mal diesen Schmerz in mir, wenn ich sie sah?

    Venus, dachte ich, mein Abendstern. Allein diese Worte sagten mehr, als ich mir eingestehen mochte. Als ich mir eingestehen konnte.

    Plötzlich vernahm ich ein Rascheln im hohen Gras. Die Halme und Gräser waren knie- bis hüfthoch. Die Färbungen reichten von oliv- bis jadegrün. Ich hätte die veränderten Nuancen längst erfassen und einordnen müssen.

    Aber nicht heute.

    Waren das meine Gedanken oder die eines anderen? Sie hatten einen süßlich tröstenden Klang.

    Mein Magen knurrte, und mein Torso spannte sich an – ein klares Zeichen, dass mir Gefahr drohte. Doch in diesem Umfeld ist jeder andere machtlos. Wer also wagte sich heran?

    Ich ließ den Blick schweifen, konnte aber nur schwer etwas wahrnehmen. Immer wieder zog der Begriff Abendstern durch meinen Geist. Und diese Umgebung hatte etwas damit zu tun.

    Sie und ich, waren wir nicht schon vor unserer Geburt miteinander verbunden gewesen? Dazu verdammt – ich wollte dieses Wort nicht mehr zwischen meine Lippen legen, aber es gab kein anderes –, uns auf ewig anzusehen und aus dem Weg zu gehen? Zumindest unseren Gefühlen. Oder wenigstens ich meinen?

    »Großer Krieger. … So klein. … Heute«, zischelte es süßlich aus dem Gras. Noch immer konnte ich nichts erkennen, dabei war der Schatten bereits auf gut drei Meter heran. Ich versuchte, eine Duftnote zu erhaschen. Sie verging mit dem Wind, so wie die Worte mit dem Blätterrauschen verflogen. Amazonen, dachte ich. Doch nur eine Königin würde sich so nah an mich heranwagen. Und nur eine konnte dies, ohne den Tod fürchten zu müssen. Viele hatten mich getröstet, manche waren danach nie wieder erwacht – sie hatten es in Kauf genommen. Diese jedoch hatte es überlebt, und jetzt suchte sie mich und meine kalte Nähe ein ums andere Mal heim. Ich konnte ihr nicht ausweichen, nicht in meiner Lage und Situation. Ich befand mich sprichwörtlich im Venuskreis.

    Nur ein Mal hatte ich sie bekommen, hatte ich sie genommen. Seitdem bin ich verflucht. Seit diesem Tag trage ich diesen Schmerz in mir.

    Lang ist es her. Ich war mehr ein junger Krieger als ein erfahrener gewesen. Damals waren ich, Mercure und Venus noch in Arkadien und sind dort unserer Bestimmung nachgegangen.

    »Sehnsucht. … Nach der Stille. … Der Zeit«, zischte die Amazone.

    Die Worte kamen, und sie gingen. Sie liefen mir über den Rücken wie eine Herde Hirschkäfer, und sie hinterließen ein Kribbeln, das nicht mehr weichen wollte. Es blieb auch, weil ich nicht mehr allein war.

    »So nah.«

    Bei diesen Worten berührten Lippen meinen Nacken. Kaum merklich ruckte mein Kopf, begleitet von einem Knacken wie bei brechenden Ästen, zur Seite.

    »Ich kann dir geben, wonach du verlangst.«

    Ich schloss die Augen und fragte: »Kannst du das?«, obwohl ich die Antwort längst kannte. Eine Antwort, die auch die Amazone kannte.

    »Zumindest deine Sehnsucht kann Ortrera stillen.«

    Ihre Lippen glitten über meinen Nacken. Ich hätte mich umdrehen und sie zerquetschen können wie einen Käfer, doch ich tat es nicht, weil ich gerade meine Haltung verlor – so wie sie es kannte, so wie sie es wollte. Und ich in diesem Moment ebenso.

    Sie war eine hochgewachsene Kriegerin, und sie wusste ihre Mittel gekonnt einzusetzen.

    »Ortrera stillt deine Sehnsucht«, hauchte sie immer wieder in mein Ohr. Mir war klar, warum sie das tat. Sie wollte, dass sich ihr Name in meinen Geist brannte und einen anderen verdrängte, ja für immer auslöschte. Amazonen konnten hart sein, doch ich lehrte sie, dass es noch Härtere gab.

    Sie drängte sich an meinen Körper wie eine Schlange um ihr Opfer. Geschwind wie ein Blatt im Wind war sie und tauchte plötzlich vor mir auf, ihre Brüste so nah und so reif wie die Äpfel im Garten der Göttin Idun. Meine Fingerspitzen kribbelten, ich spürte ein Ziehen in den Kuppen, als stünden sie unter Strom. Und diesen Strom musste ich weiterleiten. Ich versuchte, sanft zu sein. Schließlich handelte es sich um das Fleisch einer Lebenden, nicht um das einer Frucht.

    Ortreras Lippen strichen über meine Wange, feuchtkalt und fließend. Es löste eine Welle des Verlangens in mir aus, und meine ungeschliffene Waffe im Lendenbereich verhärtete sich. Die Amazone wirbelte um mich wie ein Sturm der Leidenschaft. Meine Hände folgten ihren Bewegungen, doch wo zuvor noch ihre Brüste waren, war jetzt nur elektrisierte Luft. Dafür hatte sie mich von hinten umschlungen, meine Brust enthüllt und tief in meinen Schritt gegriffen. Ein Brummen entrang sich meinem Mund. Ich wollte mir nicht eingestehen, dass es mehr einem Stöhnen glich. Ich musste hart bleiben.

    »Hart bist du«, hauchte Ortrera. »Hart ist alles an dir. … So hart.« Ihre Finger strichen über mein gespanntes Glied und über meine Hoden, wanderten zupfend über meinen Rumpf zur Brust, als wollte sie die Saiten eines Instruments zum Klingen bringen. Ich spürte, wie sich der unverkennbare Strudel der Leidenschaft aufbaute. Berührung und Worte, Verführung und Körpersprache, sie ließen meinen Verstand zwischen die Beine sinken. Mein Bauch war hart wie ein Brett geworden, die Armmuskeln wölbten sich. Ich konnte nicht länger, ich packte zu wie ein Tiger, der nach seiner Beute griff. Doch Ortrera war nicht das scheue, fluchtbereite Opfer, das man erwartete. Sie war vorbereitet. Ihre Hände fingen meine und ließen sie gekonnt an ihren Schultern abprallen, was mir ein Lächeln entlockte. Im gleichen Zug stellte sie mir ihren Oberkörper entgegen, so nah, dass ich beinahe zurückgetreten wäre. Aber ich hatte nicht vor, auch nur einen Schritt zu weichen. Ich stieß meinen Kopf hinab, prallte mit meiner Stirn gegen ihre Stirn und mit meinen Lippen auf ihre Lippen. Ein leidenschaftliches Spiel begann, Spannungen entstanden, die sich abbauten, als unsere Münder sich wie bei einem wilden Tanz verschlangen. Unsere Leiber drängten sich immer fester aneinander, verschmolzen wie Schnee und Schlamm im Angesicht des Feuers. Ein Klicken ertönte, und der Schnappverschluss meines Gürtels öffnete sich. Freiheit für den Körper. Der Gedanke war da, und noch ehe ich ihn zu Ende gedacht hatte, spürte ich ihre feuchte Scham an meinem Glied reiben. Wie ein Blütenkelch, der bestäubt werden wollte, streckte sie sich meiner Eichel entgegen. Mit einem tiefen Stöhnen betrat ich das geheime Reich der Amazone und kostete die endlos scheinende Tiefe. Meine Hände fassten ihre Pobacken und zogen sie fest an mich. Ich ging in die Knie und dankte meiner Planetenkraft, dass sie dies möglich machte. Knapp über dem Boden wogten wir hin und her wie ein Schiff im schweren Wellengang. Ein Sturm zog heran, die Wellen türmten sich immer weiter auf. Wir konnten darin nur untergehen.

    Ein Beben ging durch Ortreras Becken, und die Auswirkungen erfassten mein Geschlecht. Ein grimmiger Ausdruck, der die Haut zwischen den Wagenknochen spannte, legte sich auf mein Gesicht – ich kannte ihn zu gut.

    »Du bist wunderschön, wenn du wütend wirst«, hauchte sie.

    Ich konnte es gerade so verstehen.

    »Ich bin nicht wütend. Wie könnte ich es je auf dich sein«, antwortete ich zischend.

    »Deine Röte. … Wie die Sonne in der Abendglut, nur viel feiner, leuchtender und pulsierend im Rhythmus deines Herzens«, sagte die Amazone mit gedämpfter Stimme.

    »Ich bin schön erregt, durch dich«, knurrte ich in ihr Ohr und schnappte nach dem Läppchen. Es war die einzige Stelle, die nicht war, wie sie sein sollte. Durch einen Brand soll eine Hälfte verdorrt sein. Danach soll sie sich dieses Stück Haut mit einem Messer abgetrennt haben. Amazonen haben eben besondere Rituale und Bräuche. Was auch immer und wie auch immer, Ortrera schlug bei dieser Berührung aus wie eine wilde Stute. Sie war nicht mehr zu halten. Selbst ich hatte Schwierigkeiten, sie zu zügeln. Es gefiel mir.

    Nachdem sie sich wieder unter Kontrolle gebracht, diesen Schmerz überwunden hatte, bereitete es auch ihr eine Lust, die besonders war.

    »Du bist der Einzige, der diese Stelle kennt. Der Einzige, der mich so sieht.«

    Ich hielt meine Stirn gegen ihre gedrückt, sah ihr tief in die Augen. Unser Atem ging schwer und im gleichen Rhythmus. Ich stieß in sie, und die Amazone festigte ihren Griff um meine einzige wohl nicht ganz tödliche Waffe. Doch es fühlte sich extrem gut an.

    »Du weißt«, setzte ich an, »dass ich viel nehme. Aber ich gebe auch viel.« Das war die Wahrheit. Die Amazone wusste das. Die Kontrolle zu behalten war mir wichtig. Niemals ließ ich zu, dass meine Planetenkraft an die Oberfläche drängte und meinem Körper diesen geheimnisvollen Schein bescherte. Niemals, außer bei dieser Amazone. Und bei Venus.

    »Ich sehe, was du denkst«, hauchte sie.

    Ihr Mund klebte plötzlich wie ein Saugnapf an meinem Hals. Die Arme umfassten mich wie Schlingpflanzen. Ihre Nägel fuhren wie Dornen in meine Seiten, und ein hohes Zischen entstand. Amazonen stöhnten nie, nicht einmal, wenn sie kamen. Doch man sah es in ihren Augen – ich zumindest –, wenn diese unter den Wimpern blitzten wie die einer Katze im Jagdfieber.

    Ein Donnerschlag zerschlug die Luft, meine Halswirbel knackten, als ich den Kopf in den Nacken und den Blick zum Himmelszelt warf, wo ich nichts erkannte außer verschwommener Dunkelheit mit grünen Tupfen.

    »So ist es gut! … Gib mir auch deinen letzten Tropfen.«

    Das Saugen in ihrer Leibesmitte war wie das einer Sanddüne, welche auf eine Quelle prallte und nicht gesättigt werden konnte.

    »Mein Krieger …«

    Ich senkte den Blick, noch immer war er verschleiert. Ihre Worte, sie klangen, als wollte Ortrera noch so viel mehr sagen. Ich hakte nicht nach. Amazonen redeten nur, wenn sie wollten, aber niemals, wenn sie gefragt wurden.

    »Wo Licht ist, da ist auch Schatten. Du bist mein Licht. Doch bringe ich dir Schatten.«

    Ich biss mir auf die Lippen. Es war ein Biss der Verzweiflung. Ich unterdrückte damit die Frage, die in meiner Brust brannte – immer mehr, immer stärker – wie die Spitze eines glühenden Messers. Stattdessen sagte ich: »Du lässt mich im ehrlichsten Licht erstrahlen. Im reinsten – jenem, in dem ich geboren wurde.«

    Hatte ich solche Worte jemals zu Venus gesagt?

    Amazonen sagten nicht, wenn Worte sie berührten. Sie zeigten es auch nicht. Doch ich glaubte, im Rauschen des Windes ein Seufzen wie das einer Nymphe zu vernehmen. Mercure hatte mir einst davon erzählt.

    Mercure … Ich dachte an ihn, unseren Boten. Hatte er bei den Nymphen Trost gefunden? Bei einer ganz besonderen von ihnen? Wir Götter ziehen Königinnen an, dachte ich. Aber auch den Kampf um Macht und manchmal den Tod.

    Ich schob Ortrera von mir und stand auf. Alles war vergessen. Mein Blick war klar, doch es lag eine Feuchtigkeit darin, die ich so nicht kannte. Ich wollte das anders machen. Schließlich war ich der eine Krieger! »Was auch immer kommen mag, ich beschütze dich«, flüsterte ich Ortrera zu.

    »Mars, du kannst mich nicht einmal vor dir schützen!«

    In der Dunkelheit vernahm ich Töne, die aus einer Welt kommen mussten, welche nur aus Schatten bestehen konnte.

    Niemals würde Ortrera sagen, dass es zu spät ist. Aber ein Krieger wie ich wusste, wann ein Kampf verloren war. »Ein letztes Abendmahl wird das nicht gewesen sein«, knurrte ich und ließ meine Wut hinaus in die Welt. Ich musste einen Teil am Rand des Amazonenwaldes vernichten, um einen anderen Teil zu retten, um der Königin eine höhere Chance einzuräumen. Während ich das tat, verschwand die Amazone zwischen Sträuchern und Farnen. Ich wusste, dass ich sie für eine lange Zeit nicht wiedersehen würde, aber vielleicht hatte ich ihr genügend Rückendeckung gegeben, um ungesehen unterzutauchen. Um zurück nach Hause zu kehren.

    Das ist das Ende!, hallte es in meinen Gedanken. Die Stimmen der Schatten, sie hatten gesprochen. Ich sah auf meine geballte Hand, öffnete sie. Ein letztes Andenken, ein altgoldener Reif. Nicht gemacht für die Arme einer Frau, sondern für die eines Kriegers, dachte ich. Nein, das ist nicht das Ende! Ich zog meinen Dolch, hob die Hand, die ihn hielt, und mit einem wütenden Schrei sprang ich auf, wirbelte durch die Luft. Mitten im Sprung stieß ich die Hand herab, und in einem hellen, die Nacht zerreißenden Blitz spaltete ich einen Findling des rotbraunen Gesteins. So verschwand ich. Doch ich wusste ganz tief in mir: Ich würde wiederkommen. Und nicht nur ich. Nicht allein. Denn wenn die Amazonen meine Hilfe brauchten, würde ich zur Stelle sein.

    Zu dieser Zeit hatte ich nie daran gedacht, dass ich meinen Dolch einmal verlieren könnte. Dass der Grund meines Auftauchens auch ein anderer sein könnte.

    I

    »Skard war gut, aber du bist besser.« Vulcano sah auf seinen neuen Diener herab, auf eine Kreatur, die in der Dunkelwelt geboren war. Ein Vampyr aus der alten Zeit, der gelernt hatte, zu warten.

    Der Diener kniete vor Vulcano auf einem Bein, das andere war aufgestellt. Einen Arm hatte er auf dem Bein platziert, mit der Hand des anderen stützte er sich auf dem kalten Stein ab. Er sah aus wie eine Statue, ein aus Vulkanasche gemalter Körper.

    »Konntest du die Amazone finden?«, fragte Vulcano.

    »Herr, wir sind ihr auf der Spur. Sie ist gut, und sie verwischt geschickt, doch unsere Spürer sind besser.«

    »Eine Frage des Wo und des Wann also.«

    Omega nickte kaum merklich. Dann sagte er: »Da wäre noch etwas … Unsere letzten Geweihten, sie sind in der Zwischenzone gefallen. Wir müssen eine neue Methode finden, um in das geheime Tal zu gelangen.«

    »So wird es Zeit, meine Stieftochter Shanti aufzusuchen«, murmelte Vulcano und gab so seinen Gedanken preis. »Seit Serenety fort ist und sie die Bekanntschaft mit den Göttern gemacht hat, wirkt sie verändert. Doch sie wird meinen Forderungen nachkommen. Denn wenn nicht …«

    »Shanti mag sich verändert haben, Herr. Aber sie steht nicht gegen uns«, warf Omega beschwichtigend ein.

    »Ich habe mich bereits einmal geirrt. Das darf nie wieder vorkommen.« Vulcano versuchte, seine Stimme konstant zu halten, doch er schaffte es nicht ganz. Diesmal nicht. Dass er so offen sprach, war eine Wertschätzung gegenüber Omega, der lange im Schlaf gelegen hatte. Der Vampyr würde es zu schätzen wissen.

    »Herr, viel Sand des Wartens ist durch das Sonnenglas gerieselt. Jetzt ist es an der Zeit für mich, aus dem Untergrund zurückzukehren, meinen Namen zu altem Ruhm zu führen und die Kerben der Vergangenheit auszuwetzen.«

    »Du sollst deine Geschichte neu schreiben«, entschied Vulcano. »Doch vergiss nicht – Shanti hat oberste Priorität. Deine Chronik steigt und fällt mit ihr. Sollte dir gelingen, was ich dir auftrage, und du ihr den Silberschatten entlocken können, so wirst du den Status eines Dieners niemals mehr tragen müssen. Stattdessen darfst du wieder das Oberkommando über deine Beludar haben. Sie tanken derzeit die düstere Energie des Quants in den dunklen Hügeln. Ihnen wäre deine Rückkehr eine wahre Freude, so sie diese überhaupt empfinden können.«

    »Ich weiß um Shantis Geschichte mit dem Silberschatten, Herr, und ich danke Euch für Euer Angebot.« Omega senkte als Zeichen hierfür sein Haupt. »Ich werde meine Fehler nicht wiederholen, denn ich habe aus ihnen gelernt.«

    »Das sagst du – jetzt gilt es, dies zu beweisen. Und ich werde derweilen weitere Steine ins Rollen bringen.« Vulcanos Finger wanderten dabei über den Stab, der einem Zepter glich. Er hatte den Caduceus Mercures gesehen und seine Macht erfahren. »Doch meine Macht wird ungleich höher sein – wie auch die meines Stabes«, murmelte er. »Es ist der dunkle Königsstab. Jener, der von mir geschmiedet wurde und durch die Zeit ging.« Jener, der auch einmal durch Omegas Hand gewandert ist, dachte Vulcano. Als er noch den Status eines Königs hatte. »Weißt du, was das Besondere daran ist, wie dieser Gegenstand wurde, was er ist?«, fragte er an seinen Diener gerichtet.

    Omega verneinte.

    Natürlich, niemals hatte er jemand davon erzählt. Allein sein Vater wusste es, denn der hatte ihn beobachtet – Tag und Nacht –, bis sein Werk vollendet war.

    »Mercure hat mich einst vor dem Tode bewahrt. Er hat dabei jedoch, ohne es zu wissen, einen Splitter seines Seelensteins eingebüßt. Einen so geringen Teil, dass ihm das niemals aufgefallen ist. Das machte mich auch in den Augen meiner Vorfahren zu etwas Besonderem. Damals habe ich begonnen, dieses Zepter zu schmieden, um eines Tages diesen Splitter aus mir herauszuholen und dort einzusperren, um wieder rein zu sein. Wenn schon mein Körper wegen seiner Färbung nicht rein war, so sollte es doch meine Seele sein.«

    »Herr, Ihr seid unverkennbar ein König, Ihr allein! Eure Seele ist dunkel und rein!«

    »Einen geringen Teil, einen mikroskopisch kleinen, aber von der Macht her wie Sternenstaub, muss ich davon an Serenety weitergegeben haben. Darum diese Anziehungskraft auf Mercure. Und eben deshalb habe ich sie auf den Götterboten angesetzt. Sie wusste nichts davon, doch aus diesem Grund schuf ich das Gesetz, welches allein Königen den Biss erlaubt. Meine Tochter hielt, um es gelinde auszudrücken, schon immer wenig von meinen Gesetzen, und so hat sie Mercure gebissen. Wie ein Krebsgeschwür hat sich der mikroskopisch kleine Teil danach ausgebreitet und am Ende ihren Geist verbrannt. … Diese Närrin!«

    »Herr, dafür könnt Ihr nichts. Niemand hätte voraussehen können, dass dies geschieht. Aber ich vermute, nach allem, was sich zugetragen hat, wird sie sich für längere Zeit nicht mehr einmischen.«

    Vulcano lächelte. »Wollen vielleicht, aber können nicht mehr. Die Götter haben ihre eigenen Gesetze, die hatten sie schon immer. In diesem Fall wird sich eines gegen sie und Mercure gewandt haben.« Den letzten Satz sagte er mit vernehmbarem Genuss. Ein Hauch von Rache … immerhin, dachte der Vampyr-König, bevor er weitersprach. »Und wenn sie sich doch wieder einbringen wollte, so ist immer noch das Quant der Finsternis in ihr, welches ich mehr denn je beherrsche.« Vulcano klopfte mit seinem Stab auf den Boden. »Genug der Worte, schreiten wir zur Tat!« Wieder hieb er mit dem Gegenstand auf die kalten Fliesen, und mit jedem Pochen wurde seine Gestalt durchscheinender. Bis Omega allein an Ort und Stelle war.

    Der Diener aus der Schattenwelt blieb, wo er war. Er würde hier verharren, bis die Zeit ihn rief. Omega kannte das Geheimnis der Zeit. Sie war sein Freund geworden, und sie würde ihn nie wieder enttäuschen. Mit nur leicht geöffneten, limonengrün schimmernden Augen warf er einen Blick hinter den Vorhang des Schicksals. Seinem Spiegelbild, das er dabei anstarrte, gefiel, was es sah. Und ebenso umgekehrt. Du bist ich, und ich bin du, dachte Omega. Vergangenheit und Zukunft. Die Zeit ist unser.

    II

    Shanti wandelte durch das Kellergewölbe der Burg. So stumm wie jetzt waren die Räume, Schächte und Wege lange nicht mehr gewesen. Der Hall der Qual, seit dem Angriff der Götter auf diese Burg war er verstummt. Vulcano hatte sich einen neuen Sitz gesucht. Und doch war dieser Standort nicht aufgegeben worden. Nach dem Rückzug der Lichten waren die Bruchstücke abgetragen und größere Schäden gerichtet worden. Dennoch hatte ihr Vater für ein Verlassen dieses Ortes plädiert, ja darüber bestimmt.

    Shantis Schritte wurden schneller, griffen ausholender durch den Raum. Sie hatte ein unstillbares Verlangen, sich zu bewegen. Nicht nur auf der Stelle, was mit einem reizvollen Gespielen ebenso schön sein konnte, sondern insbesondere in der unterirdischen Weite. Alte Kavernen, der Geruch von gestautem Nass, von alter Erde und Wurzelgeflecht, von Pilzen und Moos und von Vergangenheit, all das zog sie an und löste in ihr einen Schauder aus. Ein Prickeln, so klein wie Nadelstiche, wachsend zur Größe von Eisflocken, die in Verbindung mit vielen anderen eine kristallene Landschaft zaubern konnten. Hier bin ich zu Hause, dachte sie. Hier war schon immer mein Platz. Doch was verbarg sich hinter diesen Worten? Was hinter ihrem nahezu makellosen Gesicht und den tiefgründigen Augen, dem stechenden Blick, dem viele auswichen? Niemand konnte bis auf den Grund ihrer Seele blicken, weil niemand es schaffte, standzuhalten. Nicht einmal sie selbst. Mit der Rechten fuhr Shanti über ihre Wange und fühlte die kreuzförmige Narbe. Auch wenn diese oberflächlich geheilt war, so hatte sich ihr Ursprung mit jedem Messerschnitt, jeder Flammenzunge tiefer gegraben. Schmerz ist gut, dachte sie. Schmerz zeigt, dass du lebst. Und Schmerzen würden verhindern, dass sie je wieder mit ihrem dunklen Herzen liebte. Sie konnte den Hall der Qual noch immer hören, den Schrei der Opfer, den Klang sich kreuzender, metallener Klingen und das Fauchen der vergnügten Vamypre, die all dies auslösten.

    Plötzlich hielt sie inne. Ihre Nägel fuhren über die hölzerne Oberfläche einer mächtigen Tür. Sie fand den schweren, eisernen Ring und zog daran. Das Tor in die Vergangenheit schwang auf. Hier war es gewesen, das Quartier von Ganymed. Dem Halbgott, den ihre Schwester Serenety zu ihnen gebracht und der hier lange unter ihrer Obhut gelegen hatte. Doch ich habe nicht getan, was die Meisten von mir denken. Mein Vater eingeschlossen, dachte Shanti. Zwar hatte eine Vampyrin mit ihm geschlafen, doch war es nicht sie gewesen. Sie hatte eine andere geschickt, ihn zu verführen und um den Verstand zu bringen, und lediglich zugesehen. In jedem Falle hatte sie Ganymed nie tödlich verletzt.

    Ein Fauchen drang aus Shantis Kehle, und sie spitzte ihre Lippen. Dann legte sie ihren Kopf an die Tür, schloss die Augen und die längst vergangenen Bilder tauchten wieder auf.

    Ich habe ihm die Dunkelheit gezeigt, die Vorzüge dessen, was ihm sonst auf ewig verwehrt geblieben wäre. Vielleicht hatte sie ihn auch für einen Moment vergessen lassen, was war, welche Qualen andere ihm noch auferlegten, und den Augenblick, der seinen Tod bedeuten würde. Vampyre waren nicht zimperlich, sie sagten, was kommen würde. So hatte Ganymed gewusst, dass er bald schon vom eigenen Blut verraten werden würde. Es hatte Shanti Genuss bereitet, ihm von Mercure und der Vampyrin zu erzählen.

    Ihre Zunge fuhr leckend über die Oberlippe. Sie musste zugeben, dass eine unbändige Kraft in dem Halbgott gesteckt hatte. Vanisha hatte das zu spüren bekommen. Nie würde ich meinen Körper mit einem Gott vereinigen. Nicht einmal mit einem Halbgott, dachte Shanti.

    Geschmeidig glitt sie in den quadratischen Raum. Mauerwerk, nichts als Stein auf Stein, sich türmend nach oben bis zur Nacht, umgab sie. Aus der Wand ragten Haken und Rundringe für Ketten.

    Shanti ließ sich in der Mitte des Raumes niedersinken. Mit dem Einatmen kehrten Bilder wieder, die einen Strudel aus Energie erzeugten, der ihre verborgene Begabung aktivierte. Die Vampyrin biss sich auf die Lippen, bis Blut daraus auf den Boden tropfte. Es kostete Shanti große Mengen an Kraft, ihre Fähigkeit zu aktivieren. Doch sie hatte es geschafft, jetzt musste sie diese ausbauen. Mehr als je zuvor. Denn nicht einmal sie wusste, wo im Leben sie nun stand. Und das bedeutete vor allem eines: jede Menge Feinde.

    Mars stand in

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