Die Sprache der Schmetterlinge: Erzählungen
Von Michael Stavaric, Asmara Hahn, Franziska Leippert und
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Über dieses E-Book
Der Schmetterling hat mit seiner Farbenpracht und seiner zarten Gestalt seit jeher die Menschen fasziniert. Bis in die Antike zurück reichen die literarischen Texte über den Sommervogel, Buttervogel oder Falter.
In Märchen, Fabeln, Erzählungen und in der Lyrik hat der Schmetterling seine Spuren hinterlassen. Vor allem die geheimnisvolle Verwandlung der aus dem Ei geschlüpften Raupe oder Larve in die Puppe und von der Puppe in den Falter verbindet man als erstes mit dem Schmetterling. Goethe und Heine, Rilke und Hesse, Jean Paul, Mörike und viele andere haben den Schmetterling über die Jahrhunderte hinweg bedichtet.
Fünf junge Autorinnen haben in dieser Tradtion - ausgehend von einem Workshop mit dem österreichisch-tschechischen Autor Michael Stavaric - ungewöhnliche Erzählungen geschrieben.
Michael Stavaric
Michael Stavaric wurde 1972 in Brno (Tschechoslowakei) geboren. Er lebt als freier Schriftsteller, Übersetzer und Dozent in Wien. Studierte an der Universität Wien Bohemistik und Publizistik/Kommunikationswissenschaften. Über 10 Jahre lang tätig an der Sportuniversität Wien - als Lehrbeauftragter fürs Inline-Skating. Zahlreiche Stipendien und Auszeichnungen, zuletzt: Adelbert-Chamisso-Preis, Österreichischer Staatspreis für Kinder- und Jugendliteratur. Lehraufträge zuletzt: Stefan Zweig Poetikdozentur an der Universität Salzburg, Literaturseminar an der Universität Bamberg.
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Buchvorschau
Die Sprache der Schmetterlinge - Michael Stavaric
Inhalt
MICHAEL STAVARIČ
Vorwort
ASMARA HAHN
Zitronenfalter
FRANZISKA LEIPPERT
Āmyrah
CHIARA KAUFFMANN
My One and Only Butterfly
SOPHIA WENDT
Black ink
ANNABEL NANNT
Schmetterling
ALEXANDER RECK
Nachbemerkung
Vorwort
Der tschechoslowakische Dichter und einziger Literaturnobelpreisträger dieser heutigen Länder, Jaroslav Seifert, notierte in seiner autobiographischen Betrachtung Alle Schönheit dieser Welt einen mir immer wieder in den Sinn kommenden Vers: »Die Suche nach (schönen) Worten ist besser als Töten und Morden.« Ich wollte mich vermutlich schon immer auf diese Suche begeben, seit ich denken kann, denn einer Sache war ich mir durchaus bewusst: Das Wort bildet nicht nur, es bindet auch, all die monomanische Destruktion lässt sich in etwas Friedfertiges, Nachdenkliches und Konstruktives verwandeln.
Ich habe heute das Glück, regelmäßig mit Schülerinnen und Schülern im Rahmen von Schreibwerkstätten arbeiten zu können, wo es letztendlich stets darum geht, ein Plädoyer für Fantasie, Kreativität und Imagination vorzutragen. Wenn ich im Anschluss sehe, mit welcher Lust und Freude sich Schülerinnen und Schüler an eigene Texte setzen, vorgegebene Aufgaben lösen und man schlussendlich in einen Dialog tritt, dann weiß ich, es war alle Mühe wert. Sprache ist etwas Identitätsstiftendes, sie ist etwas zutiefst Kreatives, man kann sie für sich adaptieren, bearbeiten, formen und nicht zuletzt neu schöpfen. Auch deshalb erläutere ich den Teilnehmern meiner Workshops immer wieder diverse Grundzüge der dichterischen Auseinandersetzung mit Sprache; Wortherkunft und Wortneuschöpfung, Metaphern und Intonation sind dabei unerlässlich.
Am Gymnasium in Plochingen erzählte ich den Schülerinnen und Schülern damals eine Geschichte, wie das Wort »Schmetterling« im Deutschen entstanden ist – und dass es eng mit dem englischen Ausdruck »butterfly« verwandt ist. Ich hätte nicht zu träumen gewagt, dass daraus viel später ein neues Schreibprojekt erwächst, das die Schülerinnen und Schüler selbständig mit ihrem Lehrer Alexander Reck in Angriff nehmen. Ich denke, letztendlich gibt es für einen Schriftsteller keine schönere Wendung und ich hoffe natürlich sehr, dass diejenigen Schülerinnen und Schüler, die nunmehr »Schmetterlingsgeschichten« verfasst und interpretiert haben, auch darüber hinaus weiter schreiben werden. Denn: Möge das Schreiben und die Auseinandersetzung mit Sprache zu einer Selbstverständlichkeit in ihrem Leben werden; und wer weiß, vielleicht lese ich irgendwann einen ganzen Roman, der einst in einem Workshop in Plochingen seinen Anfang nahm.
Ich glaube nämlich zutiefst daran, dass sich ein jeder von uns auf eine Reise begeben muss, um später anderen davon zu erzählen; nicht ausschließlich darüber, was man gesehen und gespürt, vielmehr auch davon, wie es einen verändert und transformiert hat. Jedes Mal, wenn man ein Buch zur Hand nimmt, begibt man sich schließlich auch auf eine Reise, denn das Unterwegssein ist eben nicht nur physischer Natur. Und ganz egal wie banal und abgehalftert es auch klingen mag: Das Leben ist eine Reise, der Weg ist das Ziel, und die Fantasie ist wichtiger als jedes Wissen …
Michael Stavarič
ASMARA HAHN
Zitronenfalter
11.10.2000
Die laue Herbstluft spielt mit meinem schmutzigen Haar und tollt ausgelassen um mich herum. Ich nehme sie nicht wahr. Die Leere in mir lässt es nicht zu, schottet mich von allem ab. Die tiefstehende Sonne blendet mich, als ich den Kopf hebe. Ich widerstehe dem Drang zu blinzeln und löse mich in dem warmen Licht auf.
Ein einzelner Zitronenfalter fliegt durch den roten Schein. Bei seinem Anblick bohrt sich ein langer Dolch in mein Herz und dreht sich einmal gewaltsam um sich selbst, zerfetzt mich. Ein gequälter Schrei verlässt meinen Mund. Ich lasse mich auf den Rücken fallen, lasse mich von dem hohen Gras verschlingen und kauere mich schluchzend zusammen. Über mir fängt eine Amsel den Zitronenfalter.