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Tage im Leben eines Feiglings
Tage im Leben eines Feiglings
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eBook222 Seiten3 Stunden

Tage im Leben eines Feiglings

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Über dieses E-Book

Melanie Gubser und Moritz Panzer sind Schulfreunde. Nach den Sommerferien fällt Moritz auf, dass Melanie sich verändert hat. Sie gibt nicht nur ihm, sondern auch seinen Freunden Rätsel auf. Moritz vermutet, dass sie sich in etwas eingelassen hat, was ihr Leben allmählich zerstört. Er will ihr helfen, doch Melanie macht es ihm nicht leicht, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Erst als Melanie nicht mehr nach Hause kommt und die Polizei nach ihr sucht, wird im klar, dass er zu lange gezögert hat.

Egli hat für seine vielen Fans wieder eine spannende Geschichte geschrieben, in der er sehr einfühlsam und trotzdem glasklar darstellt, wie schwierig es sein kann, stark zu sein und das Leben zu meistern.
SpracheDeutsch
HerausgeberARAVAIPA
Erscheinungsdatum20. Dez. 2018
ISBN9783038642145
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    Buchvorschau

    Tage im Leben eines Feiglings - Werner J. Egli

    wollen".

    Außerhalb der Schule und abgesehen von dem gemeinsamen Stück unseres Schulwegs hatte ich Melanie nur einmal getroffen. Ohne Verabredung oder so was waren wir uns zufällig begegnet. Vor drei Wochen, an einem Montag, kurz nach den Sommerferien. Ich hatte keinen Bock, zu Hause in meinem Zimmer zu sitzen und meine Schularbeiten zu erledigen. Also ging ich in den Keller, holte mein Fahrrad heraus, nahm eine Dose Cola aus dem Kühlschrank, machte mir ein Sandwich, umwickelte es mit Alufolie und verstaute es zusammen mit der Coladose, dem Zeichenblock und einem Buch von Kafka in meiner Gitarrentasche. So fuhr ich los, über die Brücke und auf der anderen Seite ein Stück das Flussufer entlang, dann über die Bundesstraße und hinaus durch die lichten Wälder zur Bahnstation, die seit vielen Jahren nicht mehr benutzt wurde. Früher, im Krieg, hatten die Züge hier gehalten und in unserem Stadtmuseum hingen Fotos von damals, als von diesem Bahnhof aus Hunderte von Menschen in die Konzentrationslager deportiert wurden. Längst hält hier kein Zug mehr, die Züge vom Süden in den Norden und retour fahren mit Höchstgeschwindigkeit am halb zerfallenen Gebäude vorbei, und wer im Zug sitzt und schnell mal hinausblickt, sieht nicht viel mehr als ein Backsteingebäude und einen angebauten Holzschuppen inmitten einer Lichtung, die von Brombeergestrüpp überwuchert ist.

    Die Bummelzüge rattern langsamer vorbei, weil sie entweder direkt zum Bahnhof in der Stadt weiterfahren und ihre Fahrt nur verlangsamen, da sie drei Kilometer weiter dort anhalten müssen.

    Bei der alten Bahnstation, verliert sich kaum jemand, aber ich habe in der Schule munkeln gehört, dass man hier draußen ungestört mit seiner Freundin herummachen konnte, und das sogar bei Regen, weil eine der Türen nicht mehr versperrt war und man durch das Verschieben zweier Bretter Zugang zum kleinen Wartesaal hatte.

    Ich wollte eigentlich nichts anders tun, als das Stück in Kafkas Buch lesen, das unser Deutschlehrer Konrad Dübel beim nächsten Test abfragen wollte, danach vom alten Gebäude ein paar Skizzen machen und schließlich in dieser herrlichen Stille etwas auf der Gitarre herumklimpern, aber daraus wurde nichts.

    Schon als ich mich dem Stationsgebäude näherte, fiel mir das Fahrrad auf, welches jemand an die Mauer gelehnt hatte. Bei dem Fahrrad handelte es sich nicht um eines dieser modernen Bikes, sondern um ein älteres Damenrad mit geschwungenem Lenker, mit Schutzblechen, Kettenschutz, Lampe mit Vorderraddynamo, Gepäckträger und einem kleinen Drahtkorb, der am Lenker befestigt war.

    Ich hielt etwa fünfzig Meter vom Gebäude entfernt an und lehnte mein Fahrrad an die Stange, an der das Schild mit der Aufschrift Zutritt auf eigene Gefahr befestigt war. Der rot-weiße Schlagbaum stand aufrecht, und im aufgeweichten Boden war eine frische Fahrradspur zu erkennen, die zwischen den vielen Pfützen hindurchführte.

    Mit der Gitarre auf dem Rücken schlich ich mich auf einem schmalen Pfad über das, was einmal ein ungeteerter Vorplatz gewesen war, an das Gebäude heran.

    Die Tür zum Wartesaal war mit Brettern zugenagelt worden, aber jemand hatte zwei Bretter so gelockert, dass sie nur noch an den oberen Nägeln hingen und zur Seite geschwenkt werden konnten.

    Ich spähte durch eine Ritze zwischen den Brettern in den Wartesaal und wurde im selben Moment von einem Blitz geblendet, nur für eine Sekunde, allerdings nicht so stark, dass ich das Mädchen, das ein Foto von sich selbst machte, nicht gesehen hätte.

    Es war Melanie.

    Sie stand mitten im leeren Wartesaal. Die Sonne schien durch ein paar Ritzen in den Brettern, mit denen die Fenster auf den Bahnsteig hinaus dicht gemacht worden waren. Die Lichtstreifen lagen über der Backsteinmauer in Melanies Rücken, von der der feuchte Putz wie weiße Krusten herunterhing und die Backsteine freigegeben hatte.

    Es war kalt in diesem düsteren Raum mit dem grünen Kachelofen und einer langen Holzbank an der Wand, auf der Melanies Jacke lag.

    Melanie trug ein kariertes Männerhemd, das ihr über die Jeans herunterhing. Sie hatte die Ärmel lose hochgekrempelt. Über ihrer Brust stand es ziemlich weit offen, sodass ich ihre Brüste fast vollständig sehen konnte. Sie hatte ihr Handy in der linken Hand, strich sich mit der rechten ihr welliges Haar zurück und blitzte sich noch einmal, den Kopf leicht in den Nacken gelegt.

    Ziemlich verwirrt schlich ich mich davon, ging auf dem gleichen Weg zurück zum Schlagbaum, setzte mich aufs Rad und fuhr pfeifend den Forstweg entlang, bis ich, so als hätte ich beim Schlagbaum nie angehalten, wieder das Stationsgebäude erreichte.

    Melanie zeigte sich nicht, obwohl sie mich pfeifen gehört haben musste. Ich fuhr bis zum Schuppen, an dem sich eine schmale Betonrampe befand, hielt an und stieg ab. Das Fahrrad lehnte ich an die Bretterwand, hockte mich auf die Rampe und holte mein Zeug aus der Gitarrentasche. Den Zeichenblock und das Etui mit den Stiften legte ich auf die Rampe. Dann begann ich das Sandwich zu essen und von dem Cola zu trinken. Ich hatte einen guten Überblick über meine unmittelbare Umgebung und sah auch Melanies Fahrrad mit den verdreckten Reifen und den chromblitzenden Schutzblechen. Wenn ich mich recht erinnere, war das Fahrrad auch mit diesen Netzen ausgestattet, die einen Rock davon abhalten, sich in den Speichen des Hinterrads zu verfangen.

    Ich hatte keine Ahnung, ob Melanie mich durch eine der Ritzen zwischen den Brettern oder durch ein Loch in der Mauer beobachtete, auf jeden Fall konnte sie mir unmöglich entkommen, ohne dass ich sie gesehen hätte.

    Ich hätte sie natürlich auch rufen können, aber ich tat es nicht. Es gibt Dinge, die tut man, und es gibt solche, die tut man nicht. Egal wieso. Ich konnte warten. Geduld hatte ich genug. Zeit auch.

    Außer uns beiden war niemand da. Wieso hätte sich auch jemand hier draußen aufhalten sollen. Hier draußen war nichts. Nur wer Fantasie hatte, konnte sie sehen, die Leute mit ihren Köfferchen auf dem Bahnsteig, die Frauen und Kinder und die alten Leute, aber auch die Soldaten und die Offiziere, von denen sie angeschrien wurden, sodass die kleinen Kinder sich ängstlich an den Mänteln ihrer Mütter festhielten. Auch hören konnte ich es, das schreckliche Gebell auf Menschen abgerichteter Schäferhunde.

    Und auf dem Nebengleis, im leichten Schneegestöber, standen die Güterwagons, in denen die Menschen nach und nach verschwanden, bis am Ende niemand mehr da war, außer dem Stationsvorsteher und seinem Gehilfen, und der Güterzug langsam anfuhr und ratternd und quietschend ins Schneegestöber und ins graue Licht des Tages eintauchte und eine Ewigkeit später meinen Blicken entschwand, und nie mehr, nie mehr zurückkehrte.

    Dafür rauschte jetzt der ICE vorbei, und ich schreibe mit Absicht rauschen, weil mir kein besseres Wort für dieses Geräusch einfällt, von dem ich plötzlich umgeben war, von dem ich regelrecht aufgesogen wurde wie von einem Trichter.

    So dicht fuhr der Zug am Bahnhof vorbei, dass er mit all seinen Fenstern und der Verschalung zu einem einzigen Strich wurde, einem Strich, den ich später oft zu skizzieren versuchte, was mir aber nie richtig gelang.

    Nur das Geräusch, das kann ich heute noch hören, so klar und durchdringend wie damals, scharf wie die frisch geschliffene Klinge eines Messers. Sekunden dauerte es nur, dann war der Zug vorbei. Was zurück blieb, war ein Vakuum. Eine Leere ohne ein wirkliches Geräusch außer dem, das in Wirklichkeit längst nicht mehr zu hören war.

    Es waren bestimmt zwanzig Minuten vergangen, als Melanie schließlich aus dem Wartesaal kam, sich durch die Lücke zwängte und die Bretter hinter ihr in ihre ursprüngliche Lage zurückfielen, während sie sich aufrichtete.

    Als sie in ihre Jacke schlüpfte und den Reißverschluss bis an den Hals zuzog, blickte sie zu mir herüber.

    „Moritz, rief sie, „was machst denn du hier draußen?

    Das ist es, was ich sie hätte fragen können, aber ich glaube nicht, dass sie mir eine ehrliche Antwort gegeben hätte.

    „Ich bin oft hier, log ich. „Zum Zeichnen. Ich mache Skizzen hier draußen. Heute wollte ich auch das Stück aus Kafkas Buch lesen, das Dübel abfragen will.

    Ohne ein weiteres Wort an mich zu richten, ging sie zu ihrem Fahrrad, stieg auf und fuhr davon.

    Ich glaubte es nicht. Da ließ sie mich erzählen und sie selbst fuhr einfach davon, dabei hätte sie mir zum Beispiel verraten können, warum sie sich in dieser Pose, halb nackt, fotografiert hatte.

    Ich schaute ihr nach. Sie schwankte auf der holprigen, zum Teil mit Schotter bedeckten Straße hin und her, fuhr ungelenk um Schlaglöcher herum, manchen aber konnte sie nicht ausweichen und so fuhr sie mitten durch eine der großen Pfützen, die vom letzten Gewitterregen übrig geblieben waren, und ein wenig später war sie im Wald verschwunden.

    Ohne auch nur einmal zurückzuschauen.

    Ich war allein. So wie hier draußen jeder immer allein ist, außer vielleicht Ruben. Aber von ihm erzähle ich später, wenn es besser passt.

    Im Moment will ich überhaupt nichts erzählen. Außer, dass mich diese Begegnung mit Melanie ein paar Tage beschäftigte, weil ich nicht den Mut gehabt hatte, die Bretter zur Seite zu schieben und sie bei ihrem Tun zu überraschen.

    Melanie war meine Banknachbarin, aber ich getraute mich nicht, sie an einem der nächsten Tage zu fragen, was sie dort draußen gemacht hatte. Es ist jedem erlaubt, Fotos von sich zu machen, denke ich mal.

    Sie kam von selbst auch nie darauf zu sprechen, aber sie begegnete mir von diesem Tag an mit mehr Aufmerksamkeit. Einmal lag sogar ein Stück Schokolade auf dem Ablagebrett meines Pultes und ich war mir sicher, dass sie es dorthin gelegt hatte.

    Das sagte ich ihr auch. In der Pause. „Danke, Meli, für die Schokolade."

    „Ach, antwortete sie, „ich weiß doch, dass du die magst.

    Das stimmte. Ich mochte Zartbitter-Schokolade. Und ich mochte Melanie. Aber das verriet ich ihr nicht. Nicht jetzt. Als ich es dann einmal wirklich tun wollte, war es dafür schon fast zu spät. Also ließ ich es bleiben.

    Auf jeden Fall dachte ich während der folgenden Tage oft an diese Begegnung, weil mir schien, Melanies Wesen hätte sich verändert. Genau kann ich das auch heute noch nicht erklären, obwohl ich heute natürlich weiß, was sie in diesen Tagen durchmachte und wie sehr sie an sich selbst zu zweifeln begonnen hatte.

    Sie machte auf mich den Eindruck, als wäre sie gar nicht mehr richtig da, aber obwohl ich sie mochte, wollte ich mich nicht in ihr Leben einmischen.

    Außerdem stand ich selbst unter Hochdruck, denn in der Schule begannen die Tests. Im Fußball wollten wir am Ende der Saison an der Spitze der Rangliste stehen. Wir trainierten wie die Besessenen.

    Damit hatte ich kein Problem. Ich hatte überhaupt keine Probleme. Alles war okay.

    Tage später, an einem heißen Mittwoch nach dem Fußballtraining, zeigte mir Ruben ein Foto von Melanie. Da kam alles wieder zurück. Die Erinnerung an den Tag, als ich sie im alten Bahnhof dabei beobachtet hatte, wie sie sich selbst blitzte. Und wie ich darauf gewartet hatte, dass sie aus dem Wartesaal kommen würde, und sie dann einfach davongefahren war, als existierte ich überhaupt nicht.

    Ruben hatte das Foto zusammen mit einigen schweinischen Fotos auf seinem Handy gespeichert, nur, die anderen waren aus dem Internet, während das von Melanie eben Melanie zeigte und Melanie kein Mädchen war, das Fotos von sich veröffentlichte. Melanie war nicht mal auf Facebook oder Instagram. Melanie war überhaupt auf gar nichts. Genau gesagt, hatte ich sie überhaupt noch nie mit ihrem Smartphone herumfummeln sehen, was ja in unserer Zeit schon mal ziemlich merkwürdig uncool ist. Aber der Hammer an diesem Foto war – es zeigte sie nackt auf einem Stuhl sitzend, vor einem Spiegel, und sie hatte in einer Hand ihr Handy und fotografierte sich im Spiegel, das ganze Bild ein bisschen überbelichtet durch die Reflexion des Blitzes, und trotzdem konnte man alles deutlich sehen, ihre Brüste und ihre Beine und die Hand im Schoß.

    Melanie lächelte, aber es war kein Lächeln, das mir gefiel. Ihr Mund erschien mir leicht verkniffen, das Lächeln berührte ihre Augen nicht. Es war ein aufgesetztes Lächeln, das Melanie verloren wirken ließ, so als wäre sie sich nicht ganz sicher, ob sie überhaupt auf den Auslöser drücken sollte.

    Das Zimmer musste ihr Zimmer sein, bei ihr zu Hause. Goldgelbe Vorhänge hinter ihr, ein Stück von einem Bett. Ein Regal, auf dem Bücher standen und lagen, ein schlaffer Teddybär, ein kleiner Korb mit Henkel und ein gerahmtes Bild, auf dem nichts zu erkennen war, weil sich der Blitz im Glas des Bildes spiegelte.

    Ruben stieß mich mit dem Ellbogen an. Ja, er ist einer von denen. Verschafft sich die Aufmerksamkeit eines anderen mit einem Ellbogenstoß.

    „Was sagst du nun, Mo?"

    Wir waren eben aus der Dusche in die Umkleidekabine zurückgekommen, beide noch nass, mein Haar triefend. Ich nahm das Frottiertuch vom Haken und fing an, es zu trocknen. Er hatte das Handy längst wieder ausgeschaltet und auf sein Kleiderbündel gelegt.

    „Geile Titten, sagte er und griff nach seinem Tuch. „Ich dachte immer, die ist nicht so, wie sie sich gibt, Mo. Verstehst du, was ich meine? So wie gar nicht, verstehst du? Ich dachte immer, die Meli ist einfach nur die Meli, verstehst du?

    „Und was weißt du jetzt?", fragte ich ihn unter dem Frottiertuch hervor.

    „Mann, jetzt weiß ich, dass sie ganz anders ist."

    „Wie denn?"

    „Anders eben. Voller Geheimnisse."

    Die anderen kamen aus der Dusche. Ich setzte mich auf die Bank und betrachtete meine Füße auf dem Kachelboden. Dabei dachte ich an Melanie. Sie saß im Deutsch- und im Französisch-Unterricht mit mir in der gleichen Bank. Stilles Mädchen. Hübsch und still. Rötliches Haar. Sommersprossen. Super in der Schule. Nie irgendwelche Probleme. Hätte ich sie nicht draußen im alten Bahnhof überrascht, als sie sich mit ihrem Handy blitzte, hätte mich das Foto nun wirklich überrascht.

    Rubens Schatten fiel über mich.

    „Versuch mal, ihr während des Unterrichts zwischen die Beine zu fassen, Mann", raunte er. „Die kleine Schlampe will es, verstehst du.

    Im ersten Moment wollte ich aufspringen und ihn von mir wegstoßen, aber ich sah ihn nur kurz an und er brachte seinen Mund noch näher an mein Ohr heran.

    „Nur so wie zufällig, Mo, da merkst du gleich, was mit ihr los ist. Vielleicht steht sie auf dich und du weißt es nur nicht."

    Felix ging hinter ihm vorbei und klatschte ihm sein nasses Frottiertuch auf den Hintern.

    „Herrgott, zieh was an, Ruben. Deine rosigen Arschbacken bringen mich in Versuchung."

    „Schwule Sau!, zischte Ruben, doch Felix lachte nur, weil eh jeder wusste, dass er es nicht war. Gilbert kam von draußen herein. Angezogen. Er schaute sich um, als hätte er irgendetwas vergessen. „Zeig uns deinen Schwanz, Gil!, rief ihm Ruben zu.

    „Gil hat keinen", behauptete Felix ernst.

    Gilbert schlug die Tür wieder zu.

    Einer nach dem anderen verließ den Umkleideraum. Dominik und ich waren die Letzten. Er kämmte vor dem Spiegel sein lockiges Haar. Ich tat meine Sachen in die Sporttasche und nahm mir vor, sie zu Hause herauszunehmen und nicht wieder drin liegen zu lassen, bis sie zu stinken anfingen.

    Im Flur begegneten wir unserem Sportwart. Er hatte einen Eimer in der einen Hand und einen Schrubber in der anderen.

    „Habt ihr euren Scheiß mitgenommen?"

    Er humpelte an uns vorbei und verschwand im Umkleideraum.

    Draußen schien die Sonne. Ein wolkenloser Himmel. Spätsommer. Bald begannen die Herbstferien. Ich hatte Melanies Foto im Kopf, während wir durchs Stadiontor gingen. Auf der anderen Straßenseite saßen sie alle auf der Mauer. Wie die Geier hockten sie dort. Felix, von Ruben und Gilbert flankiert, Gilbert mit seiner Sporttasche auf den Knien. Er hielt sie mit beiden Armen umschlungen, als wären nicht nur seine stinkenden Fußballschuhe und sein anderes Fußballzeug drin, sondern ein ganz besonders wertvoller Schatz. Während Ruben noch ein paar nasse Haarsträhnen in der Stirn klebten, sah

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