Im Springen eines Steines: Eine tour noir
Von Werner J. Egli und Martin Kolozs
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Über dieses E-Book
Siebzehn Jahre sind seit der Veröffentlichung des Bestsellers vergangen, der Pinter berühmt gemacht hat. Nun hat er endlich sein neues Buch fertig geschrieben. Für Pinter ist es ein Meisterwerk, auf das die Welt gewartet hat. Sein Verleger schickt ihn jedoch mit seinem alten Buch auf Lesetour, auf der Pinter von seiner Lektorin, Eva, einem hübschen, zarten und beinahe durchsichtigen Wesen begleitet wird, die den alternden Autor für sein erstes Buch tief verehrt.
Als Eva Pinter im Hotelzimmer mitteilt, sein neues Werk würde nur dann veröffentlicht werden, wenn er es völlig umschreibt, entzündet sich Pinters Wut, und er tötet Eva kaltblütig. Anschließend verstaut er ihre Leiche im Kofferraum seines Wagens und macht sich auf in die nächste Ortschaft, wo er am Abend lesen soll.
Während einer Pause auf einem Kaufhausparkplatz, bemerkt Pinter einen jungen Tramper, der sein Auto aufbrechen will. Er stellt diesen zur Rede. Aber der Junge ist nicht nur mit allen Wassern gewaschen, er erinnert den Schriftsteller auch an sich selbst, wie er einmal gewesen ist, bevor er mit seinem ersten Buch erfolgreich wurde.
Pinter nimmt den Jungen gegen alle Vernunft mit auf seine Tour, ohne zu ahnen, was er sich damit antut...
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Buchvorschau
Im Springen eines Steines - Werner J. Egli
www.kyrene-verlag.com
Tag 3
In seinem Kopf waren die Worte bereits aufgeschrieben: Von der Straße führte ein schmaler Forstweg in den Wald hinein. Dort war es kühl und schattig. Ein friedlicher Ort. Er suchte nach dem Himmel. Er fand Fetzen davon zwischen Wipfeln und Kronen. Auf einem Ast saß ein Kleiber. Ein kleiner Vogel, der nicht sang. Sonnenlicht lag über dem Boden wie Blätter des vergangenen Herbstes. Nicht weit von ihm entfernt zeigte sich ihm eine kleine Lichtung mit Farnen und Totholz. Das war der Platz, nach dem er gesucht hatte. Thomas Pinter ging dorthin. Mit dem Fuß prüfte er die Festigkeit des Bodens. Er schaute sich um und kehrte zum Wagen zurück. Er öffnete die Beifahrertür und suchte nach Sachen, die ihr gehört hatten. Im Handschuhfach fand er eine noch fast volle Schachtel Mentholzigaretten. Er drückte den Anzünder. Warum hatte er nicht ihr Feuerzeug mitgenommen? Es hatte auf dem Bett gelegen! Das Klicken beim Herausspringen des Zigarettenanzünders brachte ihn zurück aus seinen Gedanken. Er nahm ein paar hastige Züge, stieg aus, ging um den Wagen herum und blickte zu der Stelle hinüber. Dort war alles gleich geblieben. Aber der Kleiber war fort.
Pinter schätzte die Distanz. Wie viele Schritte waren es? Er hatte sie nicht gezählt. Oder sollte er noch näher heranfahren? Er entschied sich dagegen, nahm einen letzten Zug von der Zigarette, trat sie aus und ging die Strecke zurück. Es waren vierundzwanzig Schritte. Er brach einen Ast von dem toten Baum ab und stocherte damit in der Erde. Sie sah lebendig aus. Er bückte sich und hob eine Handvoll davon an seine Nase. Aber der Geruch war falsch, modrig und verdorben. Es wischte sich die Hand an der Hose ab und ging zurück zum Wagen. Dort sah er sich noch einmal um, hörte den spitzen Ruf des Kleibers und sonst nichts. Er ging um seinen Wagen herum zum Kofferraum und drückte den Schlüsselknopf. Im selben Augenblick hörte er sie kommen. Und wie aus dem Nichts stand sie plötzlich vor ihm, auf der Stelle joggend.
„Sie sind es ja wirklich, sagte sie lachend, „Thomas Pinter, der Autor! Ich habe Sie schon von weitem erkannt.
„Ach."
„Das ist meine Laufstrecke, erklärte sie. „Was machen Sie hier?
Er dachte schnell darüber nach, was er ihr sagen sollte, und sagte: „Haben Sie den Kleiber nicht gehört?"
„Den was?"
„Den Kleiber, ein Vogel!"
Er zeigte nach oben.
„Sind Sie deswegen in den Wald hineingegangen?"
„Wo haben Sie mich gesehen?!"
„Sie haben doch dort drüben gestanden", sagte sie und zeigte auf die Stelle.
„Dort habe ich ihn gesehen."
„Den Kleiber?"
„Ja. Er musterte sie, bemerkte, dass sie verschwitzt war, attraktiv, und immer noch auf und ab hüpfte. „Laufen Sie hier jeden Tag?
„Dreimal in der Woche, erklärte sie. „Es ist ideal, der Boden ist weich.
Er folgte ihrem Blick und sah seinen Zigarettenstummel neben ihren Füßen liegen.
„Sie müssten das wissen", sagte er.
„Was denn?", fragte sie.
„Muss ich hier umdrehen oder kann ich auf dem Forstweg weiterfahren und komme dann wieder auf die Hauptstraße zurück?"
„Da müssen Sie schon umkehren", erklärte sie, lief an ihm vorbei und deutete mit dem Finger in die Richtung.
Er machte einen Schritt, setzte seinen Fuß auf die Zigarette und bedankte sich.
„Woraus lesen Sie heute", fragte sie. „Auch aus Friedenszeiten?"
„Kommen Sie denn zur Lesung?"
„Selbstverständlich. Wenn schon ein so berühmter Schriftsteller sich in unsere Gegend verirrt!"
„Na dann, beendete er rasch das Gespräch, „sehen wir uns heute Abend.
Mit angehaltenem Lächeln tippelte sie noch ein paar Sekunden vor ihm, bevor sie sich wortlos umdrehte und mit zusammengekniffenem Hintern weiterlief.
Pinter schaute ihr hinterher, wartete, bis sie verschwunden war und er den Zigarettenstummel aufheben konnte. Er steckte ihn in seine Hosentasche und dachte nach. Er musste hier weg! Gleich! Er setzte sich hinters Steuer und wendete.
Zurück auf der Straße. Auf dem Weg ins Hotel. Den Blick nach vorne gerichtet. So kannte er es von den Tausenden Malen zuvor. Kilometer abspulend. Ohne ein Ziel vor Augen, aber dennoch wissend, wohin. Er war wieder unterwegs. Allein unterwegs. Nichts konnte ihn mehr aufhalten. Alles ging wie von selbst. Er kannte es. Er wusste es. Er tat es. Das gab ihm die Sicherheit.
Das Hotel hatte Eva ausgesucht. Es entsprach ganz ihrem Stil. Es hätte ihr gefallen: die goldene Farbe der Fassade; die ins Glas geätzten Ornamente an den Fenstern; die Topfpflanzen im Eingangsbereich; und das giftig riechende Potpourri an der Rezeption. Er hätte kotzen können.
„Kann ich Ihnen helfen?", fragte der Mann vom Empfang.
„Wo kann ich mein Auto parken?", fragte Pinter zurück.
„Sind Sie Gast in unserem Haus?"
„Pinter, antwortete er. „Thomas Pinter.
Der Mann blickte von seinem Computer auf, nickte: „Hatten Sie eine gute Fahrt, Herr Pinter?"
„Ja."
„Sie haben für zwei Personen reserviert, Herr Pinter?"
„Ähm, ja, aber wir brauchen statt der beiden Einzelzimmer jetzt nur ein Doppelzimmer."
Der Mann vom Empfang lächelte verstehend und meinte: „Kein Problem, Herr Pinter! Dann nahm er den Schlüssel vom Brett, reichte ihn über den Tresen und sagte: „Ich habe ein schönes Zimmer für Sie, Herr Pinter, mit Balkon zum Park.
„Danke, sagte Pinter, „und wo kann ich jetzt mein Auto parken?
„In der Tiefgarage, Herr Pinter."
„Und wie komme ich dorthin?"
„Fahren Sie einfach ums Haus."
In der Tiefgarage standen zwei andere Fahrzeuge. Ein neueres Model von Volkswagen und eines unter einer alten, fleckigen Zeltplane. Der Form nach war es wahrscheinlich ein Porsche. Ihnen gegenüber, unter der abgeschrägten Decke, lagerten Gartenmöbel und Sonnenschirme mit dem aufgedruckten Logo des Hotels und ein halb verrosteter Benzinrasenmäher, von dem der rote Lack wie große Schuppen abblätterte. In der hintersten Ecke bemerkte Pinter unter einer transparenten Abdeckfolie einen Stapel breiter Ersatzreifen. Der einzige freie Parkplatz befand sich zwischen dem Volkswagen und dem Sportwagen. Mühelos hätte Pinter vorwärts einparken können, aber er entschied sich, rückwärts in die Lücke zu stoßen. So nahe an die Wand wie möglich. Beim Aussteigen konnte er die Fahrertür nicht ganz öffnen und hatte dadurch Schwierigkeiten, seinen Koffer aus dem Wageninneren herauszubugsieren. Mit einem Ruck gelang es ihm schließlich, ihn aus dem Spalt zwischen den Vordersitzen zu befreien. Mit dem Funkschlüssel betätigte er die Zentralverriegelung und kontrollierte