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Jagdfieber
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eBook179 Seiten2 Stunden

Jagdfieber

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Über dieses E-Book

Eine Geflügelschere mag bei manchen Menschen Kastrationsängste auslösen, doch Detlev Meyer sieht das ganz anders. Wer seinen 'Bericht an einen fernen Freund' gelesen hat, wird in Zukunft nur mit versonnenem Lächeln nach diesem Gegenstand greifen. Acht Erzählungen enthält dieser Band, acht Autoren schreiben auf subtile Weise über Dinge, die hinter verschlossenen Türen stattfinden, und außer Meyer gewinnen auch Walter Foelske, Lutz Büge und die anderen diesem Thema verblüffende Aspekte ab.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum1. Feb. 2011
ISBN9783863000110
Jagdfieber

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    Buchvorschau

    Jagdfieber - Pil Crauer

    6

    TÄTOWIERUNGEN

    ULRICH HARTMANN

    Der Junge ist hinter den Büschen. Er springt auf sein Rad. Was ist los? fragt der Mann, als der Junge vorbeirast. Der Mann schaut ihm nach. Der Junge radelt am Seeufer entlang, dann in den Wald. Der Mann streckt sich aus, schließt die Augen. Der Junge kommt zurück. Da war ‘n Typ, der wollte ‘ner Frau ihre Handtasche klauen, sagt er. Ich hab sie ihm wieder abgenommen. Der hat dumm geguckt. Der Junge neben dem Mann. Der Mann steht auf. Der Mann schaut den Jungen an, sagt, du hast schöne Tätowierungen. Der Junge streckt sich. Besonders die auf der Brust, sagt der Mann. Er zeigt mit dem Finger darauf, berührt sie fast. Hat ein Kollege gemacht, sagt der Junge. Der Schmetterling ist am besten. An den Armen die Tätowierungen sind nicht so gut. Hier, die Tauben, sagt der Junge, die erste ist noch ganz fein gemacht, aber die zweite, da sind wir beide schon zu besoffen gewesen. Der Irokese ist auch nicht besonders. Was ist das darunter? fragt der Mann. Sollte ein Adlerkopf mit einem Schwert durch sein. Aber man kann es nicht erkennen. Den Blitz auf der Hand hab ich selbst gemacht, sagt der Junge. Den lass ich übertätowieren. Den kleinen Punkt auf der Backe krieg ich selbst wieder weg. Da wollt ich ‘ne Träne machen. Hab ich mal bei ‘nem Mädchen gesehen, das sah geil aus. Und das P unten auf dem Arm? fragt der Mann. Paul, sagt der Junge. Hast du noch mehr Tätowierungen? fragt der Mann. Nein, sagt Paul und bleibt in seinen Hosen. Seine Jeans sind eng. Ich hol mal meine Sachen her, sagt Paul. Hier, sagt Paul und setzt sich neben den Mann, in der Motorradzeitung, da ist eine Anzeige, hier: Übertätowierungen. Die lass ich mir machen. Geile Bilder in Farbe. Lass mal die Anzeige sehen, sagt der Mann. Ich steh auf Motorräder, sagt Paul und nimmt die Zeitung. Hier, so ein Chopper, der tät mir gefallen. Aber dahinten – wo ist die jetzt? – die Harley Davidson, die würd ich auch fahren. Was kostet so eine Maschine? fragt der Mann. Ach, die sind nicht billig, sagt Paul. Hier, allein die Verkleidung da, aber die muss man haben, die kostet achtzehnhundert. Die Maschine weiß ich jetzt nicht. Aber, sagt Paul, ich hab bald Geburtstag, am 6. werd ich achtzehn, da krieg ich Geld von meiner Mutter. Für ‘ne Maschine. Hier, guck mal, sagt Paul, was ich hier in der Tasche hab. Das ist ‘ne echte Wildlederweste. Ich muss das Bier ins Wasser stellen. Wird ja ganz warm. Hab zwei Sixpacks dabei. Und die zwei Liter Roten, die sind für die Kollegen, die wollen noch kommen, irgendwann, heut Abend, wir wollen grillen. Das ist ein schöner Anhänger, sagt der Mann. Erst denkt man, es ist ein Kreuz. Aber wenn man näher hinsieht, sieht man, das ist was anderes. Das ist eine Frau, die steht im Urwald, sagt Paul. Das ist schön. Das hat meine Mutter gemacht. Meine Mutter, sagt Paul, die ist gestopft, die macht so Silberschmuck und verkauft Rheumadecken. Da zieh ich zweidreimal die Woche für sie los und verkauf die Decken. Eine kostet um die tausend Mark. Ich krieg pro Tag hundert oder hundertfünfzig. Das reicht. Ich brauch ja nicht viel. Ich will nicht jeden Tag arbeiten. Ich auch nicht, sagt der Mann. Hier, sagt Paul und nimmt die Motorradzeitung, da werden Jungen und Mädchen mit Tätowierungen gesucht. Das ist bestimmt Porno. Ich weiß nicht, sagt der Mann. Für Illustrationen, da kann man nicht so genau wissen, was die meinen. Was sind das, Illustrationen? fragt Paul. Ach, Bilder, weißt du, sagt der Mann. So leicht ist das gar nicht zu erklären. Ach so, sagt Paul. Ja dann kann man nicht wissen, ob es Porno ist. So ein Chopper, sagt Paul und blättert weiter noch vorn, der tät mir gefallen. Aber eine Harley Davidson auch. Wenn man da so draufsitzt. Eine ganz große kann ich nicht nehmen, die ist viel zu schwer, ich bin ja nicht so groß. Und in der Stadt kann man damit auch nicht fahrn. Was ist eine Kutte? fragt der Mann. Hier steht: Wollen MC mit Kutte gründen. Ach, sagt Paul, hab ich auch schon gehabt, das ist, man ist in einem Klub, und alle haben die gleiche Jacke, halt ‘ne Kutte. Wir hatten die deutsche Fahne drauf. Paul, fragt der Mann, du bist nicht rechts oder so? Was? fragt Paul. Fascho, sagt der Mann. Ach nee, sagt Paul, das war einfach nur so, die deutsche Fahne. Ich gehe mal ins Wasser, sagt der Mann. Paul holt sich ein Bier.

    Der Mann steigt aus dem Wasser. Sein Schwanz ist halb wach, der Sack vom kalten Wasser fest. Paul liegt da, sagt von unten: Dir würden Tätowierungen auch stehn. Der Mann legt sich neben Paul. Ihre Körper sind ganz nah. Der Schmetterling ist wirklich schön, sagt der Mann und fährt mit dem Finger darüber. Ich hätte noch gerne eine oben auf dem Rücken, sagt Paul. Vielleicht ‘n Adler. Und den Irokesen, den lass ich mir bunt übertätowieren. Hier steht ja in der Anzeige: Übertätowierungen. Ist vielleicht nicht billig. Aber ich hab bald Geburtstag, am 6. werd ich achtzehn, da krieg ich Geld von meiner Mutter. Bist du über dreißig? fragt Paul. Ja, sagt der Mann. Ich hab oft mit Älteren zu tun, sagt Paul. Wo meinst du, soll ich mich tätowieren lassen? fragt der Mann. Ich meine, ich hätte, glaube ich, ganz gerne hier was, hier am Hintern. Das fänd ich nicht schlecht. Oder hinten auf der Schulter. Da hab ich mal eine ganz tolle gesehen. Kennst du Jean Cocteau? fragt der Mann. Ist ja auch egal. Das ist ein Franzose, sagt Paul. Mein Vater ist auch Franzose. Dann kannst du französisch? fragt der Mann. Nein, sagt Paul, aber ich hab das am Namen gehört, dass das ein Franzose ist. Also der, ist ja auch egal, jedenfalls der hat auch gezeichnet, der Cocteau, sagt der Mann, und da gibt es so Profilzeichnungen von dem, also so von der Seite, Jungs, und da habe ich mal eine tolle Tätowierung gesehen, die war danach gemacht. Die sah gut aus. Ein Adler ist aber auch gut, sagt Paul. Und auf dem Schwanz? Ich kenne einen, sagt Paul, der hat sogar auf der Eichel eine. Auf dem Schwanz fände ich scharf. Aber ich traue mich das glaube ich nicht. Deiner wird ja hart, sagt Paul und schaut zu. Ich hol noch ein Bier. Paul bringt die leere Flasche zum Mülleimer und holt eine neue. Macht dich das geil? fragt Paul. Mensch, der wird ja immer größer. Ich geh mal ins Wasser, sagt der Mann, aber im Wasser steht er meistens noch mehr. Komisch, sagt Paul, bei mir wird er immer ganz klein im Wasser. Verstehe ich nicht, sagt der Mann, das hab ich schon oft gehört, aber im Wasser wird doch alles so schön fest, und dann wird er von ganz alleine groß. Gehst du mit ins Wasser? fragt der Mann. Nee, vielleicht gleich, sagt Paul und trinkt Bier. Eine Schlange könnte man auf den Schwanz tätowieren, sagt Paul, als der Mann neben ihm tropft, oder «Freundins Liebling». Auf deinem, lacht Paul, könnte man ein ganzes Gedicht unterbringen. Sie schauen seinen Schwanz an und lachen beide. Mensch, der ist ja echt hart, sagt Paul. Macht dich das geil? Der Mann liegt neben Paul auf dem Rücken. Ich muss mal an was anderes denken, sagt der Mann. Hast du dir die Eier rasiert? fragt Paul. Ja, sagt der Mann und zeigt es ihm, musst du mal versuchen, ist ein klasse Gefühl. Vielleicht fast so gut wie tätowiert werden. Wenn mich eine Frau tätowiert hätte, sagt Paul, hätte ich einen Steifen gekriegt. Lass uns über was anderes reden, sagt der Mann. Mein Ständer geht nicht mehr weg, die Leute gucken schon. Ach, das sind doch alles Schwule, sagt Paul. Guck mal da, die vier Männer, das sind doch alles Schwule. Ich hol mir noch ‘n Bier. Stell dir mal vor, sagt Paul und macht das Bier auf, so eine geile Frau, unten rasiert, wenn die so mit breiten Beinen auf ‘nem Stuhl sitzt und schaut dich direkt an, und ihre Fotze ist ganz weit auf, und die Schamlippen hängen so runter, was? Das ist doch geil? Was? Hä, das seh ich doch, und es tropft noch aus ihr raus, stell dir das mal vor, so ‘ne geile Frau, das ist doch geil? Und ihr Kitzler hängt richtig raus, das ist doch geil, und es tropft richtig aus ihr raus, das ist doch geil, hä, bei dir tropft‘s ja jetzt auch. Warum drehst du dich denn um, so einen Schwanz, den muss man doch zeigen. Der Mann liegt auf dem Bauch, und Paul nimmt die Motorradzeitung. So ein Chopper, der tät mir gefallen, sagt Paul. Ein Kollege von mir, der hat genau so einen. Der tät mir auch gefallen. Ich verstehe eigentlich nichts von Motorrädern, sagt der Mann. Überhaupt nichts. Da hat man was zwischen den Beinen, sagt Paul. Aber wie‘s bei dir da jetzt aussieht, möcht ich gerne wissen. Boh, die Frau dahinten, die hat ja Titten, da würd ich mal gern dran nuckeln, sagt Paul. Guck, die macht an ihrer Möse rum. Bestimmt, die macht an ihrer Möse rum. Da geh ich jetzt hin. Blieb hier, sagt der Mann. Kommst du mit ins Wasser? Paul zieht die Jeans aus. Er hat nichts drunter. Sein Schwanz ist dunkelbraun, mit dichten schwarzen Haaren. Die Eichel ist halb frei, der Schlitz aufgesperrt wie ein Fischmaul. Sie stehen im Wasser. Das kapier ich nicht, sagt Paul und guckt, dass deiner im Wasser hart wird. Jetzt sieh dir das an. Der wird ja immer hart. Sie liegen nass nebeneinander. Ich muss mal gucken, ob meine Kollegen kommen, sagt Paul und springt hoch. Wir wollten doch grillen. Und dann wollte noch der eine kommen, den erkenn ich aus jeder Entfernung, der hat immer einen weißen Hut auf, aber ich seh den nicht. Paul setzt sich. Paul steht wieder auf, holt noch ein Bier, geht nah an den vier Männern vorbei, sie schauen ihm nach. Die sind alle schwul, sagt Paul, als er zurückkommt. Ich bin auch schwul, sagt der Mann. Und jetzt? Ich kenn ‘ne Masse Schwule, sagt Paul, manche sind auch nett. Wenn sie nicht immer gleich was von mir wollen. Irgendwie wollen sie immer gleich was von mir. Wird was mit dir zu tun haben, sagt der Mann, vielleicht auch die Tätowierungen. In deiner Motorradzeitung sind viele schwule Anzeigen, sagt der Mann. Ach ja, sagt Paul. So ein Chopper, der tät mir gefallen, echt. Ich weiß gar nicht, wenn die nicht bald kommen, irgendwann muss ich auch gehen, Mensch, heut muss ich meine Freundin vögeln, heut muss ich sie richtig vögeln. Der Mann schließt die Augen. In so ‘nem Sexbuch, sagt Paul, da hab ich mal ‘nen Typ gesehn, der hatte vielleicht ‘nen Knüppel. Wenn du morgen wieder da bist, vielleicht komm ich morgen auch wieder, dann bring ich‘s dir mit, wenn ich dran denke. Hast du mal, fragt Paul, Mister Dingdong gesehn? Der hat fünfundvierzig Zentimeter, aber die kriegt er nicht steif. So was geht nicht. Man kann ja auch Schwänze kürzer machen lassen, sagt Paul. Und länger. Ein ganz gutes Stück länger. Meinst du wirklich? fragt der Mann. Das glaube ich nicht. Und wofür auch? Dein Schwanz ist völlig in Ordnung, sagt der Mann. Er ist sogar schön. Manche machen sich auch Ringe durch oder so, sagt Paul. Finde ich auch scharf, sagt der Mann, aber eigentlich stört es bei allem, was man machen will. Neulich hab ich mal einen getroffen, der hatte auch Tätowierungen und einen Ring durch die Brustwarze, das hat mir gefallen. Bei Frauen ist das unten besser, so Ringe durch die Schamlippen, sagt Paul, wenn sie so dasitzen, mit breiten Beinen auf einem Stuhl, direkt vor einem. Aber ich mein, ich mach das glaub ich nicht, so gepierct, hier am See, das sieht ja dann jeder. Deine Tätowierungen sieht auch jeder, sagt der Mann. Das ist was anderes, sagt Paul, das hab ich gern, wenn die Leute gucken, die schauen einen dann so an und sagen sich, ach guck mal, der hat Tätowierungen, dann gucken sie so, das hab ich gern. Und wenn ich als Vertreter geh, dann zieh ich immer ein Hemd mit langen Ärmeln an, da kann man nichts sehen, weil, für Vertreter ist das nicht gut, tätowiert zu sein, wenn man so Rheumadecken verkauft. Höchstens sieht man den Blitz vorn auf der Hand, aber sonst nichts. Ein Kollege von mir, der hat sich die Rolling-Stones-Zunge – kennst du die Rolling-Stones-Zunge? ja? – auf die Stirn tätowieren lassen, hat er aber die Haare drüber. Kann man nur sehen, wenn er die Haare hoch macht. Ich weiß nicht, sagt der Mann, stell dir vor, wenn der sechzig ist oder so und hat ‘ne Glatze und Falten und alles, und dann die Rolling-Stones-Zunge. Oder im Altersheim. Weißt du, was ich denke, Paul? Du kannst mit deinem Körper machen, was du willst, das geht keinen was an, aber ... Außer vielleicht den lieben Gott, sagt Paul. Ja, stutzt der Mann, außer vielleicht den lieben Gott, aber was ich sagen wollte: Lass die Tätowierungen aus dem Gesicht. Ja, den Punkt von der Träne mache ich auch wieder weg. Und die anderen, die nicht so gut sind, lasse ich bunt übertätowieren. Was sagen eigentlich deine Eltern dazu? fragt der Mann. Och, eigentlich nichts, mein Vater hat nur gesagt:

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