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Ich glaube
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eBook74 Seiten48 Minuten

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Über dieses E-Book

Dieses Buch ist eine Aufforderung an Christen und Nicht-Christen, sich ihrer religiösen Sozialisation und ihres Glaubens zu versichern und mit anderen darüber zu reden.

Als Anregung hierzu skizziert der Autor seinen eigenen Werdegang – seine religiöse Erziehung, den Austritt aus der protestantischen Kirche und den Wiedereintritt – und seine Überlegungen zu zentralen Aussagen seiner Kirche. Hintergrund ist die Überzeugung, dass Religiosität und religiöse Gemeinschaften auch und gerade heute eine große Bedeutung haben – im Widerstand gegen eine Ökonomisierung aller Lebensverhältnisse und im Kampf für eine friedliche und gerechte Welt.
SpracheDeutsch
HerausgeberRomeon-Verlag
Erscheinungsdatum7. Nov. 2018
ISBN9783962299491
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    Buchvorschau

    Ich glaube - Klaus F Geiger

    An der Kreuzung

    Es gibt Wörter, bei denen erinnere ich mich genau an die Zeit und den Ort, wo ich sie zum ersten Mal gehört habe. Das Gleiche gilt für Gedanken, die danach für lange Zeit oder für immer meine Überzeugungen bestimmten.

    So trage ich in mir ein Bild von dem Augenblick, als ich gewahr wurde, dass ich meinen Kinderglauben an Gott verloren hatte. Ich war damals achtzehneinhalb Jahre alt; noch ein Jahr würde ich aufs Gymnasium gehen. An dem erinnerten Moment war ich mit dem Fahrrad auf dem Weg vom Zentrum des Stadtteils zu der Stadtrandsiedlung, wo ich zusammen mit meiner Familie wohnte. Ich kam an eine Kreuzung, dort wollte ich auf die Hauptstraße abbiegen. Ich hielt an, setzte meinen rechten Fuß auf die Fahrbahn, um den Verkehr auf der Hauptstraße vorbeizulassen. Bis dahin hatte ich an alles Mögliche gedacht. Als aber mein Fuß den Asphalt berührte, genau in diesem Moment, schoss mir der Gedanke durch den Kopf: Ich glaube nicht mehr an Gott.

    Es gibt unbewusstes Denken. Demnach muss ich damals, vielleicht Tage, vielleicht Wochen lang – ohne mir dessen bewusst zu sein – innerlich mit einem Widerspruch beschäftigt gewesen sein, der mein Denken und Verhalten bestimmte. Zu der Zeit war ich Teil einer Gruppe von drei Schülern, die sich für die aktuelle existenzialistische Literatur interessierten. Unsere Bitte, in der Schule eine Philosophie-AG einzurichten, war von der Direktion abgelehnt worden. Also trafen wir uns ein oder zwei Mal in der Woche privat in der Wohnung von einem von uns, redeten uns die Köpfe heiß und tranken Rotwein. In der Schule probten wir den Aufstand gegen alle Regeln, die unserer Meinung nach unsere freie Entfaltung einengten. Gleichzeitig aber war ich Leiter einer evangelischen Jugendgruppe, führte sogenannte Bibelstunden durch, ging mehr oder weniger regelmäßig zum Sonntagsgottesdienst. Das Eine, die Philosophie-Lektüre und –Debatten tat ich mit Begeisterung, das Andere, den Kirchenbesuch und die Bibelstunden, aus einem Gefühl der Verpflichtung heraus. Bis zu dem beschriebenen Augenblick.

    Die Einsicht, tatsächlich nicht mehr an Gott zu glauben, löste ein Gefühl der Befreiung aus: Der vorher nicht bewusste, aber sehr wohl gefühlte Widerspruch war gelöst. Gleichzeitig empfand ich ein Unwohlsein: Wenn ich aufrichtig leben wollte, musste ich einiges ändern, z. B. die Leitung der Jugendgruppe aufgeben, die Gottesdienstbesuche einstellen. Ich wollte das allerdings so tun, dass es nicht zu einem Streit mit meiner Familie führen würde - mit meiner Mutter, die wegen meines Atheismus traurig sein, und mit meinem Großvater, der darüber zornig werden würde. Innerhalb der Familie würde ich daher meinen Abfall vom Glauben verschweigen.

    Wie hatte mein Kinderglaube ausgesehen, von dem ich im Alter von 18 Jahren Abschied nahm? Mir fallen als Antwort auf diese Frage drei Schlagworte ein: Selbstverständlichkeit, Friedfertigkeit, Moral.

    Selbstverständlichkeit: Meine Mutter hatte immer mit uns Kindern ein Abendgebet gesprochen; am Tisch meines Großvaters sprach ich vor dem Essen das Tischgebet; seit ich fünf Jahre alt war, besuchte ich die Sonntagsschule, wie man damals den Kindergottesdienst nannte, war dort (wie in der „richtigen" Schule) aufmerksam und wissbegierig. Ich war Teil einer Welt, in der die Zugehörigkeit zur christlichen Kirche und in weitem Umfang auch der Gottesdienstbesuch den nicht hinterfragten Normalzustand darstellte. Was mich von manchem Gleichaltrigen sicher unterschied: die Ernsthaftigkeit, mit der ich Wort für Wort dem verkündeten Glauben anhing.

    Friedfertigkeit: Mein Vater war im Krieg gefallen, eine Tatsache, unter der ich viele Jahre litt und die mir jede Form kriegerischen Handelns verhasst machte. Nicht aggressiv zu handeln war auch, was uns unsere Mutter lehrte – und es war etwas, was mir als ängstlichem Kind nahe lag. Friedfertigkeit stellte für mich als Kind (und stellt für mich heute) den Kern der christlichen Botschaft dar.

    Moral: Den Auftrag, richtig zu handeln, Regeln nicht zu übertreten, ehrlich und aufrichtig zu sein, nahm ich sehr ernst – einmal, weil es richtig war, zum andern, weil ich fürchtete, mit anderem Verhalten meine Mutter traurig zu machen. Die christliche Lehre, wie ich sie verstand, war für mich zuvörderst Morallehre, Lehre vom richtigen Verhalten. Die Zustimmung hierzu war allerdings nicht frei von einem leisen Gefühl des Zwangs. Ein kleiner Christ zu sein war richtig, es machte aber

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