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Ich bleibe. Katholisch. Trotzdem.: Eine Geschichte von Missbrauch und Glauben
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eBook169 Seiten2 Stunden

Ich bleibe. Katholisch. Trotzdem.: Eine Geschichte von Missbrauch und Glauben

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Über dieses E-Book

Christina Zumdieck wurde mit 14 Jahren durch einen katholischen Priester missbraucht. Sie beschreibt in diesem Buch die Folgen für sich, ihre Familie und ihren Glauben. Als Diplompsychologin beleuchtet sie ihr eigenes Erleben, gibt Einblicke in die den Missbrauch begünstigende Faktoren und identifiziert die Strategien ihres Täters. Im zweiten Teil des Buches nimmt Sie den Leser mit auf ihren eigenen Glaubensweg und beschreibt, warum sie trotz des Missbrauchs noch immer Teil der Katholischen Kirche ist.

> Missbrauchte Katholikin hält weiter an ihrem Glauben an die Kirche fest
SpracheDeutsch
HerausgeberEchter Verlag
Erscheinungsdatum1. Sept. 2022
ISBN9783429065881
Ich bleibe. Katholisch. Trotzdem.: Eine Geschichte von Missbrauch und Glauben

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    Buchvorschau

    Ich bleibe. Katholisch. Trotzdem. - Christina Zumdieck

    I. Teil – Mein Leben vor und nach dem Missbrauch

    Der Glaube meiner Kindheit

    Ich bin in einer sehr katholischen Familie groß geworden, die besonders von der Frömmigkeit meiner Mutter geprägt war. Ich durfte mit sechs Geschwistern aufwachsen. Der katholische Glaube prägte unseren Familienalltag. Der Besuch der Heiligen Messe am Sonntag war selbstverständlich, ebenso das Beten vor den Mahlzeiten und besonders abends vor dem Schlafengehen. Ich erinnere mich, wie meine Mutter mich und meine jüngere Schwester kurze Gebete auf dem Weg zum Kindergarten auswendig lernen ließ, indem sie sie mit uns übte.

    Als ich vier oder fünf Jahre alt war, begleitete ich meine Mutter, als sie beichten ging. Ich fragte sie über die Beichte aus und sie erzählte mir, dass man dabei Jesus die Dinge erzählt, die man nicht gut machte, bei denen man gesündigt hatte. Und dass dann der Priester, der in diesem Moment anstelle von Jesus zuhörte, einem die Lossprechung gibt. „Es ist so, als würdest du Jesus direkt deine Sünden erzählen. Und nach der Lossprechung ist man dann wie ein ganz neuer Mensch und alle Sünden sind weggewaschen", sagte sie. Also bat ich darum, auch beichten zu dürfen. Sie sprach kurz mit dem anwesenden Priester und ich ging in den Beichtstuhl. Ich weiß noch genau, dass ich beichtete, dass ich meiner Mutter oft ungehorsam war und dass ich oft Wutanfälle bekam, denn ich war ein ausgesprochen impulsives, jähzorniges Kind.

    Ein paar Tage später lief ich ganz verzweifelt zu meiner Mutter um ihr zu sagen, dass die Beichte nicht funktioniert hätte. Ich war wieder wegen irgendeiner Sache sehr wütend geworden. Dabei hatte ich das doch gebeichtet und war doch ein neuer Mensch geworden! Kindliche Logik …

    Die Übersetzung von „katholisch bedeutet „allumfassend. Und innerhalb der Katholischen Kirche durfte ich gleich zwei recht extreme Formen des katholischen Glaubens – zumindest verglichen mit der durchschnittlichen deutschen katholischen Gemeinde – kennenlernen und in ihnen groß werden. Als Kind besuchte ich mit meinen Eltern und Geschwistern regelmäßig Veranstaltungen und Treffen der Charismatischen Erneuerung in der Katholischen Kirche. Die Gottesdienste waren geprägt von neuen Lobpreisliedern mit Gitarrenbegleitung. Es wurde geklatscht, gesungen, getanzt. Es wurde frei gebetet und Gott gelobt. Es wurde angebetet und verherrlicht.

    Aber gleichzeitig besuchten wir sonntags jahrelang eine sehr konservative Kirchengemeinde, zu der wir extra in die nächstgrößere Stadt fuhren. Der dortige Pfarrer nutzte noch immer den wunderschönen geschnitzten, hölzernen Hochaltar, was bedeutete, dass er einen Teil der Heiligen Messe mit dem Rücken zur Gemeinde feierte. Und bevor er zur Predigt die Kanzel bestieg, legte er stets sein Obergewand ab. Es kam durchaus vor, dass er Leute rügte, wenn diese während seiner Predigt auf die Uhr schauten.

    In dieser Gemeinde gab es nur männliche Messdiener und es waren zu jedem Gottesdienst mindestens zehn von ihnen anwesend. Es kam vor, dass Väter zusammen mit ihren Söhnen den Dienst am Altar taten. Die Gottesdienste waren immer brechend voll und wir mussten immer schon rechtzeitig da sein, um einen Sitzplatz zu bekommen. Obwohl es eine Stadtgemeinde war, mitten in einem Viertel voller Firmen- und Verwaltungsgebäuden, kamen jeden Sonntag die Gottesdienstbesucher viele Kilometer weit angereist. Ich fühlte mich wohl in der Kirche, sowohl in der charismatischen als auch in der erzkonservativen. Das, was beide miteinander verband, war ein lebendiger Glaube an einen großen Gott. Einen Gott, der erhaben und mächtig ist. Einen Gott, der furchtgebietend und majestätisch ist.

    Als Kind hatte ich das Glück, regelmäßig Katechismusunterricht zu erhalten, so dass ich bereits in jungen Jahren viel Wissen über meinen katholischen Glauben aufsaugte. Doch obwohl ich im Glauben der Katholischen Kirche groß geworden bin, war es mitunter ein erlernter Glaube, der bisweilen eher Routine und Gewohnheit war. So kann ich mich auch daran erinnern, dass ich die Heilige Messe sonntags sehr oft langweilig fand und mir während des Gottesdienstes Geschichten ausdachte, um mir die Zeit zu vertreiben.

    Und dann gab es da noch das „Müssen": Wir mussten sonntags in die Messe gehen. Es war selbstverständlich, dass wir vor Ostern und Weihnachten beichten gingen. Auch während des restlichen Jahres war dies selbstverständlich, damit wir würdig die Kommunion empfangen konnten. Konnten wir für einen längeren Zeitraum nicht beichten gehen, so kam es vor, dass ich oder jemand anderes aus meiner Familie sonntags nicht mit zum Kommunionempfang während der Messe ging, sondern auf der Bank sitzen blieb. Und so war der Glaube meiner Familie meistens selbstverständlich für mich, aber es gab auch einen Anteil Zwang, den ich mal mehr, mal weniger stark erlebte.

    Hinzu kam der Glaube meiner Großmutter, der mich oft unter Druck setzte. So ermahnte sie uns Kinder oft, dass wir alles tun müssten, um nicht in die Hölle oder das Fegefeuer zu kommen. Ja dass wir alles, was schwierig oder unangenehm war, „aufopfern sollten zur Sühne der Sünden in der Welt. Dass wir für die armen Seelen im Fegefeuer beten sollten und dass es nicht mehr lange dauern würde, bis Jesus wiederkommen würde. Bevor er aber wiederkommen würde, sollten drei dunkle Tage kommen, an denen die ganze Welt in Finsternis gehüllt sei und die Welt untergehen würde. Dieses „Wissen hatte meine Großmutter aus sogenannten Privatoffenbarungen, die sie ständig las und aus denen sie uns Auszüge kopierte und mitbrachte.

    Die Existenz der Hölle und des Fegefeuers war für mich selbstverständlich. Und so entstand in mir als Kind eine große Angst vor der Bestrafung Gottes und es dauerte viele Jahre, bis ich in meiner Beziehung zu Gott diese Angst abschütteln konnte. Die Schuldgefühle, die ich nach dem erlittenen Missbrauch haben sollte, waren besonders auch durch diese Angst begründet.

    Als ich zwölf Jahre alt war, durfte ich mit ein paar anderen Mädchen eine Wallfahrt nach Frankreich machen. Eigentlich war die Fahrt für Mädchen ab 14 Jahre gedacht, doch es wurde für mich eine Ausnahme gemacht. Dort verbrachten wir einige Tage in Lisieux, dem Ort, in dem die heilige Therese im Kloster gelebt hatte. Ich erinnere mich nicht mehr wirklich an Einzelheiten der Fahrt, aber ich erinnere mich sehr gut daran, dass mich die „Kleine Therese" total faszinierte. Es gab dort eine lebensgroße Fotografie von ihr und ich weiß noch, wie ich völlig hingerissen von dieser jungen Frau im Ordensgewand gewesen bin. Ihre Augen hatten es mir angetan. Zu Hause eröffnete ich daher meiner Mutter, dass ich später ins Kloster gehen würde.

    Doch mein Enthusiasmus hielt nicht lange an. Schon kurze Zeit später sollte ich auf die Frage eines Mitschülers bezüglich meines Glaubens antworten, dass ich nicht mehr wirklich an Gott glaube und dass ich sonntags nur wegen meiner Familie den Gottesdienst besuchen würde.

    Damals wollte ich unbedingt in der Schule „dazugehören" und erlebte oft Ausgrenzung und Spott wegen meiner großen Familie mit sechs Geschwistern. Meine Begeisterung für Gott und die Kirche war wankelmütig und mit zunehmender Pubertät gab es einfach so viele andere Dinge, die in meinem Leben wichtiger wurden. Musikbands, Kleidung, Coolsein. Und genau in diese Zeit, in der ich mich innerlich vom Glauben verabschiedete, kam eine Begegnung mit Jesus, die mein Leben verändern sollte.

    Von Jesus berührt

    Es war der 19. Februar 1994. An diesem Tag fand ein Besinnungstag für Jugendliche statt. Da dort auch ein Junge sein würde, den ich damals ganz toll fand und in den ich ein bisschen verliebt war, bin ich dorthin gegangen. Und auf diesem Besinnungstag begegnete ich einem Franziskanerpater, der in einer Art und Weise von Jesus sprach, wie ich es niemals zuvor erlebt hatte. Seine Worte trafen mich mitten ins Herz. An diesem Tag verliebte ich mich in Jesus.

    Mit einem Mal durfte ich Jesus auf eine Art und Weise erfahren, wie ich es mir niemals hätte erträumen können. Ich fühlte mich so geliebt, geborgen und angenommen. Mich erfüllte eine Freude, die ich heute auch nur schwer in Worte fassen kann. Mit einem Mal wurde mein ganzer Glaube mit innerem Leben gefüllt.

    An diesem Abend beichtete ich und übergab Jesus mein Leben. Mein Glaube, den ich fast abgelegt hätte, wurde so lebendig. Vieles machte plötzlich Sinn, was ich noch kurz zuvor in Frage gestellt hatte.

    Aber auch viele neue Fragen des Glaubens tauchten auf, denen ich auf den Grund gehen wollte. Ich war so erfüllt von einer Freude über und an Jesus, dass ich kaum aufhören wollte, zu beten. So erinnere ich mich daran, wie ich in den folgenden Wochen immer wieder meine Hausaufgaben für die Schule unterbrach, um „noch eben mal" ein weiteres Gesetz vom Rosenkranz zu beten. Hätte man mich damals einem Psychiater vorgestellt, dann hätte dieser mir wohl eine Manie unterstellt.

    Aber bei all der Freude im Glauben und dem Erleben einer Intimität mit Jesus, besonders in der Heiligen Messe, blieb ich doch mit den Füßen auf dem Boden. So schrieb ich damals in mein Tagebuch: „Christ-Sein bedeutet, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen und dennoch die Hoffnung niemals zu verlieren." Aus meinem erlernten Glauben war eine persönliche, tiefe Beziehung zu Gott geworden. Und Gottesdienste, die ich zuvor noch als langweilig empfunden hatte, wurden plötzlich schön und spannend. Das Sakrament der Beichte, welches ich stets ungern besucht hatte, wurde für mich zu einem Ort der Begegnung mit Jesus, in dem ich immer wieder meine Beziehung zu ihm erneuern durfte. Gott hatte mich angerührt und ich war in meinem Inneren ein neuer Mensch geworden.

    Erst spät ist mir aufgegangen, dass diese besondere Zeit, in der ich so unverdient und überwältigend die Liebe Gottes für mich erfahren durfte, mir wohl das Leben gerettet hat. Denn nur wenige Monate nach dieser Erfahrung sollte ich jene verhängnisvolle Bekanntschaft machen, die mich bis in mein tiefstes Innerstes verstören und verletzen würde.

    Ein verhängnisvolles Kennenlernen

    Es war im September 1994 – im August war ich 14 Jahre alt geworden –, als ich an einem Gebetsabend teilnahm. Seit meiner lebendigen Begegnung mit Jesus im Februar besuchte ich regelmäßig solche Gebetsabende, so genannte Fatima-Gebetsnächte. (In Fatima, Portugal, einem der größten katholischen Wallfahrtsorte der Welt, erschien im Jahr 1917 die Jungfrau Maria drei Hirtenkindern und bat diese um Gebet für den Frieden in der Welt).

    Auch versuchte ich so oft wie möglich die Heilige Messe zu besuchen. Einmal wöchentlich konnte ich zu einem Jugendgebetskreis gehen, in welchem wir Jugendliche gemeinsam Lobpreislieder sangen, den Rosenkranz beteten und gemeinsam das Evangelium des kommenden Sonntags lasen und betrachteten. Bei jener Fatima-Gebetsnacht im September 1994 war nun ein polnischer Priester in Begleitung eines deutschen Freundes und zweier Ordensschwestern zu Gast. Zunächst dachte ich, dass auch dieser Freund Priester sei, da er mit priesterlichem Kollar³ bekleidet war. Doch in der Heiligen Messe, in der er predigte, trug er das Gewand eines Diakons.

    Mein Entschluss, ins Kloster zu gehen, den ich zwei Jahre zuvor in Lisieux gefasst hatte, war mit der Erfahrung der letzten Monate wieder neu aufgeflammt. Ich konnte mir sehr gut vorstellen, dass dies später mein Weg sein würde. Also versuchte ich im Anschluss an die Gebetsnacht mit den beiden Ordensschwestern zu sprechen, um mehr über ihr Kloster und ihren Orden zu erfahren.

    Während ich auf die beiden wartete, kam der deutsche Begleiter des Gastpriesters auf mich zu und sprach mich an. Er hatte seinen Freund, den polnischen Priester, und die beiden Ordensschwestern auf ihrer Reise nach Deutschland begleitet, da er in Polen Theologie

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