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Verbeult, verschlafen - durchgehalten: Wie ich als Pfarrer Kirche erlebe
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Verbeult, verschlafen - durchgehalten: Wie ich als Pfarrer Kirche erlebe
eBook133 Seiten1 Stunde

Verbeult, verschlafen - durchgehalten: Wie ich als Pfarrer Kirche erlebe

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Über dieses E-Book

"Als alter Mitarbeiter weiß ich, was in unserer Kirche los ist … Sie bietet manchmal ein trostloses Bild. … Trotz allem habe ich durchgehalten, und nach über vierzig Jahren überlege ich, weshalb? Was hat mir in der Kirche die Kraft gegeben, in ihr und mit ihr auszuhalten?"
Dieser Frage geht Albert Damblon über Geschichten von Menschen, Begegnungen, alltäglichen Erfahrungen nach. Sie alle lassen etwas spüren von der Freude am Evangelium, machen zugleich aber auch deutlich, dass es gilt, kritisch zu bleiben, warnend die Stimme zu erheben und dem nachzuspüren, was Jesus mit Kirche gewollt hat.
Ein aufbauendes Buch, das an die Träume erinnert, die mit Kirche sein verbunden sind.
SpracheDeutsch
HerausgeberEchter Verlag
Erscheinungsdatum1. Sept. 2017
ISBN9783429063559
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    Buchvorschau

    Verbeult, verschlafen - durchgehalten - Albert Damblon

    Anstoß

    Ich werde 70 Jahre alt. Es ist ein runder Geburtstag, den ich anders als die Feste in den Jahren vorher feiern werde. Denn der Wunsch zurückzublicken ist viel stärker als zuvor. Die Zahl 70 lässt nicht mehr viel Zukunft. Sie birgt aber einen Schatz an Vergangenheit. Das Erinnern prägt die Gefühle, das Erhoffen hat sich ein wenig zurückgezogen. Vielleicht sollte ich wie viele andere meine Erinnerungen erzählen. Aber was ich erzählen würde, wäre nur für mich interessant. Wen würde die Geschichte eines gewöhnlichen Pfarrers beeindrucken? Ein bisschen Extravaganz müsste die Erzählung würzen. Mit Extravagantem kann ich nicht dienen, denn ich habe normal gelebt und gearbeitet, ohne Sensationen und Skandale. Über die Strafzettel des Ordnungsamtes lohnt sich kaum zu erzählen. Mein Leben kennt keine herausragenden Ereignisse. Ich habe keinen Gipfel bestiegen, genauso wenig habe ich einen Weltrekord aufgestellt. In meinem Beruf gründete ich kein Hilfswerk, und kirchliche Karriere habe ich nicht gemacht. Auf meinem Kopf passt kein Prälatenhut. Widerstand musste ich nicht leisten, und Weltreisen habe ich vermieden. Mein Buch wird auch dieses Mal kein Bestseller. Ich bin nie in den Rhein gesprungen, um einem Menschen das Leben zu retten. Bis vor Kurzem waren meine Freunde und ich gesund, und von meinem Gehalt konnte ich leben. Selbst vor tragischen Todesfällen wurde ich im Familienkreis bewahrt.

    Über 40 Jahre arbeitete ich als Gemeindepfarrer. Ich stand morgens auf und ging abends zu Bett. Jedes Mal erlebte ich einen üblichen Tag. Ärger, Freude, Trauer. Über die Tage eines Normalen könnte ich berichten, doch wen interessieren Alltäglichkeiten? Trotzdem erzähle ich, weil es für mich wichtig ist. Hinter dem Einerlei stehen wunderbare Menschen, die ich kennengelernt habe. In vielen Gesprächen durfte ich in meiner Kirche trösten, ermutigen, bestärken, und ich habe Gottesdienste gefeiert, die die Freude am Evangelium spüren ließen. Sie eröffneten Wege zu gelingendem Leben. Nur so konnte ich den Niedergang volkskirchlicher Mentalität aushalten, ohne in eine Depression zu verfallen.

    Anderseits staune ich, dass ich als Pfarrer trotz allem durchgehalten habe. Ich bin heute noch gern das, was ich einmal begonnen habe. Vielleicht hat sich die Beamtenseele meines Vaters durchgesetzt. Sie vermittelte mir auszuhalten. Wenn ich ehrlich zurückblicke, erkenne ich, dass meine Beständigkeit kein persönliches Verdienst ist. Es ist so gelaufen. Dabei hätte es auch anders kommen können. Manche Mitbrüder gerieten in Krisen, die sie bis ins Mark erschüttert haben. Sie wussten weder ein noch aus. Rettung bot nur, die Kirche zu verlassen. Ich selbst bin an mancher Klippe haarscharf vorbeigeschrammt und bin krumme Wege gegangen. Doch bekanntlich schreibt Gott auf krummen Zeilen gerade. Unabhängig von der gesellschaftlichen Entwicklung hinterfrage ich einiges in der Kirche. Die innerkirchlichen Phänomene hat das II. Vatikanische Konzil besprochen, aber kaum bearbeitet. Theologen haben sich die Finger wundgeschrieben, um endlich zu einer Lösung zu kommen. Nichts hat sich bewegt. Das Zölibat, die Homosexualität, die Missbräuche, das Frauenpriestertum, eine synodale Ordnung, die unüberschaubare Gemeindegröße, die Ökumene, die Rechte von Laien – die Liste offener Fragen lässt sich fortführen. Es ist ein Lichtblick, wenn Papst Franziskus für die wiederverheiratet Geschiedenen barmherzig die Tür einen Spalt öffnet.

    Insgesamt geht es nicht um Fragen, die mehr oder weniger leichtfertig zu beantworten sind. Dahinter stehen Schicksale, die Menschen zerstört haben. Das Zölibat ließ Priester zerbrechen. Ihre Frauen wurden mit ins Unglück gezerrt, und ihre Kinder leiden unter Umständen bis heute. Homosexuellen und wiederverheiratet Geschiedenen erging es in der Kirche ähnlich. Welcher Bischof zählt ihre Tränen, die sie geweint haben? Wer trocknet sie? Wer versucht in Zukunft zu verhindern, dass sie überhaupt weinen müssen? Vor meinen Augen spielten sich Katastrophen der Unbarmherzigkeit ab. Finanzielle Zuwendungen seitens der Generalvikariate halfen wenig, das Leid zu lindern. Hinter vorgehaltener Hand erzählen wir uns unter den Mitbrüdern diese Leidensgeschichten, und wir halten still. Letztlich ist alles gesagt oder geschrieben, was zu tun wäre, um die Schmerzen zu vermindern. Es tut sich wenig, im Gegenteil, gewisse Kreise versuchen die Kirche wieder abzuschotten und in die tridentinische Festung zurückzuführen.

    Als alter Mitarbeiter weiß ich, was in unserer Kirche los ist, ohne dass ich je bei einer Dienstbesprechung des Bischofs mit seinem Generalvikar dabei war. Meine Kirche bietet manchmal ein trostloses Bild. Die Tatsache, dass kaum heute einer meinen Beruf ergreift, schlägt in meiner Seele Wunden. Trotz allem habe ich durchgehalten, und nach über 40 Jahren überlege ich: weshalb? Was hat mir in der Kirche die Kraft gegeben, in ihr und mit ihr auszuhalten?

    Gerade zu meinem Geburtstag frage ich mich, warum ich noch in der Kirche mitmache. Für einige war Rückzug oder sogar Austritt eine Lösung. Nach langer Dienstzeit könnte ich mich aus dem kirchlichen Betrieb elegant zurückziehen. Für das tägliche Brot ist gesorgt, ich habe es mir erarbeitet. Aber so würde ich meine Kirche von außen erleben. Während ich darüber nachdenke, merke ich, dass es für mich keine Lösung ist. Es ist meine Kirche, und was mein ist, gehört zu meinem Leben. Daran hänge ich, und ich will es so lange wie möglich behalten. Die Kirche ist die Ursache von Leid und Unsinn. Gleichzeitig verkündet sie Heil und Sinn. Zu dieser Kirche gehöre ich, und sie hat mein Leben geformt. Sie hat mir geholfen, vieles zu bewältigen. Ja, ich würde sie vermissen. Es gilt, kritisch die Augen aufzuhalten, warnend die Stimme zu erheben und dem nachzuspüren, was Jesus mit Kirche gewollt hat. Ich habe versucht zu finden, was meine Beziehung zur Kirche gestärkt hat. Dabei fand ich meine persönlichen Kirchengeschichten. Winzige Ereignisse erzählen von meiner Kirche. Kleinigkeiten sind meine alltäglichen Bekenntnisse. Trotzdem antworten sie am besten auf die Frage, weshalb ich in der Kirche bin. Die Antwort ist nicht umfassend und nicht zwingend, manche Leserin und mancher Leser wird eine Gegengeschichte finden. Dogmatisch gibt es sowieso bessere Antworten. Man braucht nur die Dogmatische Konstitution des II. Vatikanischen Konzils zu lesen. Mir helfen die Geschichten, meinen 70. Geburtstag in meiner Kirche zu feiern.

    Ich friere wenn ich an meine Kirche

    und ihre Aufseher denke

    Traurig blicke ich denen nach

    die gehen oder schon gegangen sind

    Doch ich bleibe weil ich Freunde habe

    die mit mir die Träume nicht vergessen

    die uns verändert haben

    in der Kirche

    (Wilhelm Bruners)

    Der verbeulte Gefährte

    Als junger Student fieberte ich einem eigenen Auto entgegen. Klimawandel und CO2 waren damals für mich keine Themen. Ich plante meinen Studienort zu wechseln. Die Stadt Salzburg faszinierte mich. Sie bot nicht nur eine traditionsreiche Hochschule, sondern sie versprach auch einen hohen Freizeitwert. Zumindest konnte ich den Autokauf mit der Entfernung legitimieren.

    Mein Vater galt in der Familie als Autoexperte, ohne sich jemals handwerklich mit einem Wagen beschäftigt zu haben. Er hatte sich die Autos nur gekauft, so dass ich seinen Rat schätzte, als er die Kleinanzeigen durchblätterte. Die meisten Angebote kamen nicht in Frage. Sie waren zu teuer und für einen Studenten unbezahlbar. Außerdem hatte mein Vater mir beigebracht, dass die laufenden Kosten beim Kauf mit eingeplant werden mussten. Was nützte ein billiger Kaufpreis, wenn Steuer, Versicherung und Reparaturen zu viel Geld verschlangen. Eines Tages entdeckten wir die Anzeige, auf die ich lange gewartet hatte. „DKW Junior, 8 Jahre alt, 70 000 km gelaufen, kleiner Unfallschaden, für 450 DM von privat zu verkaufen." Ich kannte die Fahrzeuge von der Straße. Mit ihren verkürzten Heckflossen täuschten sie amerikanisches Design vor, obwohl die Karosserie auf deutsche Weise zurechtgestutzt war. Wir riefen die angegebene Telefonnummer an. Eine verkaterte Stimme meldete sich. Er habe gerade an der Uni sein Diplom abgelegt, erzählte er, und wolle zurück in seine Heimat, um dort in seinen neuen Beruf einzusteigen. Der alte DKW hindere ihn daran. Deshalb wolle er ihn loswerden.

    Als mein Vater und ich vor dem Studentenwohnheim standen, erblickten wir ihn zum ersten Mal. Ungeputzt parkte er am Straßenrand. Die Scheinwerfer ragten aus den überbetonten Kotflügeln heraus, die Schlussleuchten schlossen die rückwärtigen Flossen ab. Über dem Kühlergrill waren die vier Ringe von DKW angebracht. Die lichtgrüne Farbe gefiel mir sofort. Irgendwie sah der Wagen fröhlich aus. Ich drängte darauf, bei dem Studenten zu klingeln. Ein junger Mann öffnete verschlafen die Tür. „Entschuldigung. Habe mein Examen zu stark gefeiert, meine Bude ist nicht aufgeräumt. Schauen wir uns den Wagen sofort an", so stellte er sich vor und winkte mit dem Autoschlüssel. Zunächst umkreisten wir den Wagen. Seine Rundungen sagten mir zu, die Ecken übersah ich. Eine Delle am hinteren Kotflügel stach dagegen in die Augen. Das Blech war in der Mitte ganz eingedrückt,

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