Inspiration 1/2019: Mein Gott
Von Echter Verlag
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Über dieses E-Book
den Blick zu nehmen: Mein Gott.
Natürlich ist jede Mehrdeutigkeit gewollt, die Vielfalt der Leserschaft und den Reichtum unterschiedlicher Erfahrungen im Blick. Schon das Wort "Gott" ist vielen abhandengekommen oder wird ausdrücklich abgelehnt: "o Gott", jetzt doch wieder ein Heft mit diesem Thema. Aber gehen wir mutig davon aus, dass dieses umstrittene Wort selbst als Leerstelle noch sinnvoll bleiben und werden kann. "Das ist das Verderbliche an diesem Wort, das so oft als Antwort
gebraucht wird. Er hätte einen Namen haben müssen, der wie eine Frage klingt." So eine Figur im Roman "Rituale" von C. Nooteboom.
"Mein Gott" - diese Formulierung hat denselben Status wie "mein Mann" oder "meine Wohnung". Sie signalisiert Zugehörigkeit, Verbundensein und Beziehung, ja Intimität. Das Possessivpronomen hat im Raum zwischenmenschlicher Beziehungen mindestens zwei Lesarten. Symbiotisch ist es ein Besitzverhältnis verwickelter (wörtlich: verwachsener) Art: Partner oder Partnerin werden als Eigenbesitz betrachtet, als Verlängerung des Ego zwecks Lebenserhalt. Entsprechend war und ist es die Gefahr aller Religionen und Kirchen, Gott als Privatbesitz zu betrachten und, gegen andere für sich behalten zu wollen. Von Liebe dagegen im Unterschied zu solcher Symbiose ist erwachsen(d) erst dann zu sprechen, wenn Freiheit und die Lust am Unterschied im Spiel ist, am Bejahen der Anderen als Anderen: ich brauche dich nicht, aber ich will dich brauchen, und so bist Du mein und Ich dein.
So beziehungsstark lernen und lehren Bibel und Mystik von und mit Gott zu reden. Der biblische Gott gewinnt Name und Gesicht in Beziehungen und aufgrund von Geschichte(n). Er ist der Gott Abrahams und Saras, der Gott Israels und Rebekkas, der Gott Jesu Christi. Die originelle Gottesrede, die Jesus praktiziert und empfiehlt, verstärkt diese Intimität der Beziehung: "Abba, mein Vater" - und das direkt neben der Überlebensfrage: "Mein Gott, mein Gott, warum hast mich verlassen". Gottesbeziehung und Selbstwerdung gehören untrennbar zusammen. So mögen die Beiträge dieses Heftes anregend sein für die Frage: "Was tue ich, wenn ich - bejahend oder bestreitend - Gott sage?"
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Buchvorschau
Inspiration 1/2019 - Echter Verlag
Gotthard Fuchs
Zur Einführung
Das Wort Gott mit all seinen Fassetten ist vielen fremd geworden oder es ist für sie gänzlich überflüssig. Zu verjenseitigt und personal(istisch) den einen, zu verklebt mit Angst- und Gewaltgeschichten und zudem mit Kirchengeruch anderen. Wieder anderen Inbegriff größter Hoffnung und Adressat aufrichtigen Betens. Schon das eigene Leben nötigt hier zur Klärung. So galt es auch für dieses Heft, Eingrenzungen vorzunehmen und einen einzigen Blickpunkt in den Blick zu nehmen: Mein Gott.
Natürlich ist jede Mehrdeutigkeit gewollt, die Vielfalt der Leserschaft und den Reichtum unterschiedlicher Erfahrungen im Blick. Schon das Wort »Gott« ist vielen abhandengekommen oder wird ausdrücklich abgelehnt: »o Gott«, jetzt doch wieder ein Heft mit diesem Thema. Aber gehen wir mutig davon aus, dass dieses umstrittene Wort selbst als Leerstelle noch sinnvoll bleiben und werden kann. »Das ist das Verderbliche an diesem Wort, das so oft als Antwort gebraucht wird. Er hätte einen Namen haben müssen, der wie eine Frage klingt.« So eine Figur im Roman »Rituale« von C. Nooteboom.
»Mein Gott« – diese Formulierung hat denselben Status wie »mein Mann« oder »meine Wohnung«. Sie signalisiert Zugehörigkeit, Verbundensein und Beziehung, ja Intimität. Das Possessivpronomen hat im Raum zwischenmenschlicher Beziehungen mindestens zwei Lesarten. Symbiotisch ist es ein Besitzverhältnis verwickelter (wörtlich: verwachsener) Art: Partner oder Partnerin werden als Eigenbesitz betrachtet, als Verlängerung des Ego zwecks Lebenserhalt. Entsprechend war und ist es die Gefahr aller Religionen und Kirchen, Gott als Privatbesitz zu betrachten und, gegen andere für sich behalten zu wollen. Von Liebe dagegen im Unterschied zu solcher Symbiose ist erwachsen(d) erst dann zu sprechen, wenn Freiheit und die Lust am Unterschied im Spiel ist, am Bejahen der Anderen als Anderen: ich brauche dich nicht, aber ich will dich brauchen, und so bist Du mein und Ich dein.
So beziehungsstark lernen und lehren Bibel und Mystik von und mit Gott zu reden. Der biblische Gott gewinnt Name und Gesicht in Beziehungen und aufgrund von Geschichte(n). Er ist der Gott Abrahams und Saras, der Gott Israels und Rebekkas, der Gott Jesu Christi. Die originelle Gottesrede, die Jesus praktiziert und empfiehlt, verstärkt diese Intimität der Beziehung: »Abba, mein Vater« – und das direkt neben der Überlebensfrage: »Mein Gott, mein Gott, warum hast mich verlassen«. Gottesbeziehung und Selbstwerdung gehören untrennbar zusammen. So mögen die Beiträge dieses Heftes anregend sein für die Frage: »Was tue ich, wenn ich – bejahend oder bestreitend – Gott sage?«
Johannes Lieder
Über 7 Milliardenmal »Mein Gott«
Das vielzitierte Wort des Theologen Karl Rahner: »Der Christ der Zukunft wird ein Mystiker sein, einer, der etwas von Gott erfahren hat, oder er wird nicht mehr sein.« möchte ich aus meiner Sicht als Geistlicher Begleiter ergänzen mit dem Wort: »Die Kirche der Zukunft wird eine erfahrene Begleiterin für die existentiell suchenden Menschen von heute sein oder sie wird nicht mehr sein.«
Wenn ich hier etwas über »Geistliche Begleitung« in Bezug zum Thema dieser Ausgabe »Mein Gott« schreibe, sind mit diesem kurzen Satz bereits die wesentlichen Fragen angesprochen:
1. Wie geht die Kirche mit dem Wort, oder, besser gesagt, mit der Wirklichkeit »Gott« um?
2. Was haben die Erfahrungen aus der Geistlichen Begleitung dazu beizutragen?
3. Abschied von »Unserem Gott«?
Wo ich »die Kirche« sage, kann ich natürlich nur von dem Erfahrungsausschnitt sprechen, den ich wahrnehme und der mir besonders am Herzen liegt. Und da habe ich wohl die Erfahrung mit vielen Zeitgenoss*innen gemeinsam, dass das Wort »Gott« in Liturgie und Verkündigung oft zu oberflächlich oder als sei es objektiv erfassbar im Munde geführt wird. Was für ein frommer – sicher meist gut gemeinter – Wortschwall! Der gute Gott, der allmächtige Vater, der Sohn, der mit ihm herrscht in Ewigkeit, und das alles in der Einheit des Heiligen Geistes usf. Als wäre das alles so klar, so greifbar, so selbstredend, eine objektiv gegenüberstehende definierbare, d.h. abgrenzbare, Wirklichkeit!
Wie gut kann ich da die Worte von Rainer Maria Rilke nachempfinden:
Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort.
Sie sprechen alles so deutlich aus:
Und dieses heißt Hund und jenes heißt Haus,
und hier ist Beginn und das Ende ist dort.
Mich bangt auch Ihr Sinn, ihr Spiel mit dem Spott,
sie wissen alles, was wird und war;
kein Berg ist ihnen mehr wunderbar;
ihr Garten und Gut grenzt grade an Gott.
Ich will immer warnen und wehren: Bleibt fern.
Die Dinge singen hör ich so gern.
Ihr rührt sie an: sie sind starr und stumm.
Ihr bringt mir alle die Dinge um.
(aus: Rainer Maria Rilke, Die frühen Gedichte, Leipzig, Insel-Verlag; Auflage: 18.–20. Tsd., 1919)
Die Kirche wird als eine besserwisserische Lehrinstitution erlebt, die alles über Gott und das Leben weiß und einen Alleinbesitzanspruch auf »ihn« zu haben.
Wenn dies schon für das Wunder »der Dinge« gilt, wie viel mehr dann für das Wort und die Wirklichkeit Gottes, die so groß ist, dass wir immer nur einen Zipfel von ihr erhaschen. Ja, auch die Kirche im Ganzen: nur ein Zipfel dieser unfassbaren Lebens- und Liebesfülle der göttlichen Wirklichkeit!
Die Kirche wird so vielfach als eine besserwisserische Lehrinstitution erlebt, die meint, alles über Gott und das Leben zu wissen und gleichsam einen Alleinbesitzanspruch auf »ihn« zu haben.
Ihr bringt mir alle die Dinge um … Ihr bringt mir Gott um …