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Vier Tote im See: Regionalkrimi Bayern
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eBook269 Seiten4 Stunden

Vier Tote im See: Regionalkrimi Bayern

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Über dieses E-Book

In einem Segelboot auf dem Starnberger See werden zwei Leichen gefunden: die attraktive Frau des berühmten Krimiautors Oskar Maria Grande und ihr Liebhaber, ein Mitglied der albanischen Waffenmafia. Grande wird zum Hauptverdächtigen, doch in die Schusslinie gerät bald ein anderer: der erfolglose Privatdetektiv Kurt Abel. Ursprünglich vom Autor zu Recherchezwecken engagiert, wollen ihm plötzlich die Waffenmafia, die Polizei, der ehrgeizige Staatsanwalt Dr. Kettenbach und letztlich Grande selbst ans Leder. Zwei weitere Tote sind die Folge des erbarmungslosen Ringens um Dichtung, Wahrheit und Vertuschung – und Abels verzweifeltem Versuch, den Fall zu lösen.

SpracheDeutsch
HerausgeberSchardt Verlag
Erscheinungsdatum20. Dez. 2015
ISBN9783898418843
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    Buchvorschau

    Vier Tote im See - Günter Reiß

    1. Kapitel

    1

    Wie belanglos erscheint einem zunächst ein Ereignis, doch anschließend wird nichts mehr wie vorher sein, und man ahnt in diesem Augenblick nicht einmal, wohin einen das Leben treibt. Erst am Ende, wenn alles überstanden ist, wird man wissen, ob nicht alles in eine totale Katastrophe geführt hat.

    Es war an einem verregneten Sommermorgen mitten im Juli. Kurt Abel erinnerte sich später nur deshalb daran, weil Deutschland fünf Tage zuvor zum dritten Mal Fußballweltmeister bei den Männern geworden war und es an einem Freitag, den Dreizehnten geschah. Außer diesem bedeutungsschweren Datum gab es sonst nichts Auffälliges an diesem Morgen – mit Ausnahme eines für ihn unerwarteten Anrufs.

    Abel kam wie üblich kurz nach neun Uhr in sein Büro, warf sofort die Kaffeemaschine an, holte die Abendzeitung aus dem Briefkasten und setzte sich mit ihr und einer großen Tasse schwarzen Kaffee an den Schreibtisch. Nach dem ersten Schluck zündete er sich eine filterlose Zigarette an, schwor wieder einmal, dass sie die letzte sei, blies den Rauch an die Decke und vergnügte sich mit der Zeitungslektüre.

    Draußen prasselte der Regen auf seinen VW Käfer, der grün wie ein Laubfrosch in einem vollgemüllten Hinterhof an der Ligsalzstraße in München stand.

    Auch bei Abel war nichts festzustellen, was besonders aufgefallen wäre, außer dass in seinem Gesicht ein Schnauzer prangte, der ihm bis über die Mundwinkel hing. Er mochte Mitte dreißig sein, war schmächtig, ziemlich klein, kaum größer als einen Meter siebzig, und hatte braunes Haar, das mit Pomade zur Seite gescheitelt war.

    Sein Büro sah etwas schäbig aus. Ein schmaler Raum, nicht viel länger als sein Schreibtisch, grauer Linoleumboden ohne Teppich, ein kleiner Aktenschrank, zwei Stühle, und es roch nach Staub und kaltem Zigarettenrauch. Die Gardinen vor dem einzigen Fenster waren vergilbt und voller Fliegenschiss. Auf der Fensterbank lagen drei tote Stubenfliegen, offensichtlich schon seit Tagen.

    Abel war im Sportteil vertieft, als das Telefon klingelte.

    Er las, am linken Daumennagel kauend, den Spielbericht über seinen Lieblingsverein. Immer wieder schüttelte er den Kopf und fluchte leise vor sich hin. Am Sonntag hatte Deutschland gegen Argentinien 1:0 gewonnen, die Roten vom FC Bayern waren zum wiederholten Mal deutscher Meister im Fußball geworden, nur seine „Münchner Löwen" waren wieder einmal drittklassig geblieben. Auch jetzt spielten sie in den Vorbereitungsspielen für die neue Saison schon wieder scheiße.

    Nach dem fünften Läuten zögerte er noch. Wenn es wichtig ist, wird er bis zum zehnten Klingeln warten, überlegte er und zog an der Zigarette.

    Warum Abel angerufen wurde, wissen wir nicht. Vielleicht deshalb, weil seine Detektei im Branchenbuch von München an erster Stelle stand und jemand nur den erstbesten Privatdetektiv ausgewählt hatte. Vielleicht war es auch nur ein Spaßvogel. Wahrscheinlicher ist aber, dass der Anrufer mehr auf den Text in Abels Anzeige – „Observation und Beweisführung in Eheangelegenheiten" – Wert gelegt und gedacht hatte, der könnte ein Schnüffler sein, der seine Nase notfalls in jeden Dreck stecken würde. Als Abel später darüber nachdachte, sollte er zu dem Schluss kommen, dass der Grund belanglos war. Entscheidend war nur der Anruf selbst, da ab dann nicht nur sein Leben in eine völlig andere Richtung verlief.

    Und so fing alles an. Nach dem zehnten Läuten legte er die Zeitung zur Seite, streckte langsam seinen rechten Arm aus und nahm den Hörer in die Hand.

    „Ja-ah?"

    „Hier Oskar Maria Grande. Grüß’ Sie Gott."

    Der berühmte Kriminalschriftsteller vom Starnberger See, dachte Abel und sagte: „Oh." Er schnappte nach Luft wie ein Karpfen auf dem Trockenen. Von ihm hatte er zwar noch kein Buch gelesen, aber er wusste, wer er war. In letzter Zeit konnte er keine Talk-Show einschalten, ohne zu sehen, wie Oskar Maria Grande seinen neuesten Krimi in die Kameras hielt. Auch war es unmöglich, an einer Buchhandlung vorbeizugehen, ohne von einem Foto von ihm angelächelt zu werden.

    „Spreche ich mit Kurt Abel, dem Privatdetektiv?"

    „Ja. Um was geht es denn?"

    „Um einen Auftrag."

    „Das freut mich sehr, Herr Grande, sagte Abel, während er die Zigarette in den Aschenbecher legte. „Sehr ehrenvoll für mich. Womit kann ich Ihnen helfen?

    „Ich brauche Sie sofort für ein paar Tage."

    „Für das Übliche?"

    „Vielleicht. Doch das kann ich nicht mit wenigen Worten erklären. Es ist eine heikle, etwas längere Geschichte, sehr persönlich. Am besten besprechen wir das bei mir. Passt Ihnen elf Uhr?"

    „Sicher. Also um elf Uhr. Ich freue mich schon darauf."

    Der Anrufer gab noch eine Adresse am Prinzenweg in Starnberg bekannt. Dann verstummte seine Stimme am anderen Ende der Leitung.

    Auch Abel legte auf. Nach den geschäftlich miserablen Wochen endlich wieder einmal ein fetter Auftrag, dachte er und rieb sich die Hände.

    2

    Schon eine Viertelstunde lang saß Oskar Maria Grande, der von seinen Lesern wie ein Popstar verehrte Kriminalschriftsteller, in seinem Arbeitszimmer und blickte reglos nach draußen. Die Ellenbogen auf den Schreibtisch gestützt und den Kopf in die Hände gelegt, sah es aus, als grübele er gerade über ein teuflisches Verbrechen nach. Doch dies war nicht der Fall. Er schaute aus dem Fenster, weil er es liebte, wenn der See still und wie leblos unter ihm lag, wenn die Regenwolken auf dem grauen Wasser lasteten und ihm den weiten Blick bis zu den Bergen versperrten. In diesen Momenten, während er so dasaß, war es ihm, als ob der Starnberger See nur für ihn alle seine Toten freigab und deren Geheimnisse zu ihm nach oben flogen. Nicht selten brauchte er sich dann nichts mehr auszudenken. Nur ihre Geheimnisse musste er noch schnell zu Papier bringen, und schon nach wenigen Monaten war er damit auf den unumgänglichen Lesetouren.

    Seufzend richtete sich Oskar Maria Grande wieder auf. Mit der rechten Hand strich er versonnen über das Titelbild seines neuen Romans: Der Starnberger See im Schein der Morgenröte, fast blutrot, und weiter nach Süden die noch dunkle Alpenkette. Im Vordergrund liegt ein Kajütboot an einer Boje. Sein Mast ragt kahl bis hoch in den Himmel.

    Vor knapp zwei Monaten war sein neuester Kriminalroman mit dem Titel „Zwei Tote im See erschienen, und schon jetzt stand er auf der Bestsellerliste. Wie von ihm gewohnt, hatte er den Roman in nicht einmal einem Jahr geschrieben, und wie jedes Jahr lag auch dieser Krimi pünktlich vor Pfingsten in jedem Buchladen. Es war der zwölfte Fall des Kommissars Cross. Längst nicht so brillant wie manche andere seiner Werke, wie er fand. Obgleich schon jetzt am meisten verkauft, hielt er seinen neuesten Kriminalfall keinesfalls besser als viele seiner anderen Mordgeschichten. Oskar Maria Grande musste lächeln. Doch die meisten Kritiker hielten diesen Krimi für sein stärkstes Werk. In einer der vielen Buchbesprechungen meinte Schmitt-Mühsam, der Papst unter den Literaturkritikern, dass er damit endlich den Krimipreis verdient habe. Mit dem Kommissar Oskar Cross habe Grande eine Figur geschaffen wie einst Georges Simenon mit seinem unvergesslichen Detektiv Maigret. „Besser kann man einen Kriminalroman einfach nicht schreiben, war sein Schlusssatz.

    Aber vielleicht bin ich in meinem Alter einfach zu streng zu mir geworden, dachte er, während er weiter auf das Wasser starrte. Vielleicht vergleiche ich meine letzten Krimis nur noch mit dem ganz großen Kriminalfall, den ich noch einmal schreiben werde, der mich hoffentlich unsterblich macht.

    Oskar Maria Grande seufzte leise auf. Warum? Vor ihm lagen die ersten mit der Hand beschriebenen Seiten zu einem Kriminalfall, den er sich gerade ausgedacht hatte. Er möchte ihm den Titel „Mord mit dem Golfball" geben. Diesmal ging es darum, dass ein Spieler gezielt und mit voller Wucht und wie mit der Pistole von einem Golfball getroffen wurde, statt umgekehrt. Es war kein Versehen, es war Mord.

    Er blickte auf die Uhr. Schon elf, und er hatte seit zwei Stunden kein weiteres Wort mehr geschrieben, obgleich ihm sonst in den Morgenstunden die Worte fast von alleine zuflogen und er wie fast immer ungestört geblieben war.

    Charlotte, seine weit jüngere Ehefrau, hatte sich schon nach dem Frühstück von ihm verabschiedet. Trotz des regnerischen Wetters auffallend fröhlich, wie er beim Abschiedskuss feststellte. „Oh, du armer Schriftsteller, hatte sie gesagt und ihn flüchtig auf die Wange geküsst. „Liebster, du brauchst nicht auf mich zu warten. Ich spiele mit Brigitte erst eine Runde Golf und anschließend lunchen wir im Clubhaus. Du kennst sie ja und weißt, wie sie ist und wie lange es deshalb dauern kann, lachte sie und verschwand.

    Vor fast zwanzig Jahren hatte er Charlotte kennengelernt, noch unter seinem bürgerlichen Namen Oskar Gross, auf einer feuchten Faschingsparty in Schwabing. Sie fiel ihm durch ihr lautes Lachen und ihre goldblonden Haare auf, und schon in den frühen Morgenstunden war sie ihm in sein kleines Zimmer gefolgt. Sie war knapp zwanzig und gab sich ihm in ihrer Nacktheit so ungezwungen und ohne jegliche Einschränkung hin, dass er sie, noch berauscht von dieser Nacht, schon nach wenigen Monaten fragte, ob sie seine Frau werden wollte. Rückblickend eine goldrichtige Entscheidung, die er von Tag zu Tag mehr für seine beste hielt. Damals war er noch ein unbedeutender Regionalschriftsteller in München gewesen. Und jetzt?

    Oskar Maria Grande schaute versonnen nach draußen. Er liebte seine Frau noch immer bis zum Wahnsinn. Sie war noch immer unverschämt hübsch, zwar etwas unberechenbarer geworden, manchmal auch hintergründig, aber noch immer ziemlich scharf im Bett. Wenn er ehrlich war, so war das Leben mit ihr, zwischen höchstem Glück und tiefer Verzweiflung, der Schlüssel zu seinem Erfolg. In seinen Romanen übertrug er die Erlebnisse mit ihr, seine Gefühle zu ihr eins zu eins in seine Geschichten, was erst seine Leser und später auch seine Kritiker verzückte. So einfach ist manchmal die Schriftstellerei, resümierte er. Charlotte war gewiss kein Büchernarr. Genau genommen las sie nur irgendwelche bunte Illustrierte. Dafür war sie einfach eine zu gute Sportlerin und zu häufig auf den Golfplätzen. Oskar Maria Grande lächelte. Nur eines war Charlotte, seine Muse, bestimmt nicht: langweilig. Wenn sie mich verließe, ich wüsste nicht, was ... Er seufzte laut auf und ließ den Satz unvollendet.

    Für ihn dagegen war die Welt des Sports und vor allem die des Golfsports mit den Leuten, die nur das weiße Bällchen in ihren Köpfen hatten, so fremd wie der Mond mit seinem Männchen. Zu dieser Sorte gehörte auch dieser ehemalige Schriftstellerkollege namens von Eichendorff, dieser hoffnungslose Romantiker, den er von früher aus der Schwabinger Szene kannte. Ein fleißiger, aber mieser Schreiberling war er geblieben. Kaum zu glauben, bei diesem berühmten Namen. Vielleicht sollte er auf Lyrik machen, Gedichte schreiben oder was Ähnliches. Ein hämisches Grinsen huschte über Oskar Maria Grandes Gesicht, als er daran dachte. „Dazu heißt er noch Ernst Günter mit Vornamen, da konnte sowieso nichts aus ihm werden, lachte er. Und was sein Golfspiel betraf, da war er zwar ebenso fleißig wie beim Schreiben irgendeines banalen Krimis gewesen, aber noch mieser. Nicht einmal ein Handicap von unter sechsunddreißig hatte er geschafft. „Kaum Geld, kein Talent, kein Erfolg, aber im teuersten Club direkt am Starnberger See Golf spielen, spöttelte er, während er den Bleistift spitzte. Wenigstens einige Zeilen wollte er noch schreiben.

    In diesem Augenblick klingelte es unten an der Haustür.

    Oskar Maria Grande schüttelte verärgert den Kopf. Er überlegte ein paar Sekunden, doch dann stand er auf und nahm automatisch ein von ihm bereits signiertes Hochglanzfoto vom Stapel. Es zeigte ihn als einen gutaussehenden, großgewachsenen Mann mit blondem Haar, schwarzem Rollkragenpullover und abgewetzten Cordhosen. Sein Haar war noch nicht schütter und auch noch nicht silbergrau wie jetzt, und seine Figur wirkte noch voll durchtrainiert. Das war vor zehn Jahren, als er knapp über vierzig war. Jetzt sah er wie einer dieser älteren, recht schwammigen Entertainer im Showbusiness aus. Zu blank polierten braunen Stiefeletten trug er eine weite Leinenhose, dazu ein weites Seidenhemd mit seinem Monogramm, oben soweit geöffnet, damit ein Goldkettchen zu sehen war.

    Die zwei Wendeltreppen vom Dach bis zum Parterre schritt Oskar Maria Grande etwas mühsam hinunter, denn er war um die Hüften recht füllig geworden, und spürte dies bei jedem Schritt. Noch bevor er die Haustür öffnete, knipste er sein berühmtes Lächeln mit den vielen schneeweißen Jacketkronen an und knipste es sofort wieder aus. Draußen auf der Straße, direkt neben seinem Range Rover in Portofinorot, stand ein Mann. Er war klein, dazu noch schlecht gekleidet, gegeltes Haar und mit einem nach unten hängenden Oberlippenbart. Einfach igitt. Und als dieser Mann zwei Meter vor ihm stand, wehte ihm der Geruch von Zigarettenrauch entgegen. Grande rümpfte die Nase. So einen Fan hatte er wirklich nicht erwartet.

    Mit „Kurt Abel, stellte sich der kleine Mann vor, streckte die rechte Hand aus und verharrte so. Sein Ärmel war nach hinten gerutscht, und auf dem Unterarm tauchte eine bunte Tätowierung auf. „Privatdetektiv Abel, wiederholte er nach drei Sekunden und zog seine Hand wieder zurück.

    Grande blickte ihn kühl an. Er überlegte nur kurz. „Muss ich Sie kennen? Immer länger dehnte er die vier Worte beim Sprechen. „Wenn nicht, so wäre es mir lieb, wenn Sie mich nicht weiter belästigen.

    Kurt Abel schaute ihn mit einem immer dünner werdenden Lächeln an. „Aber, Herr Grande, Sie haben mich doch vor knapp zwei Stunden angerufen."

    Grandes Miene verfinsterte sich, als er erst die Hand hob und dann mit dem Zeigefinger zur Straße zeigte. „Das müsste ich doch wissen. Also bitte."

    Abel erblasste und starrte Grande an, als wäre der ein Alien. „Sie haben mir doch am Telefon einen Auftrag für ein paar Tage versprochen. Erinnern Sie sich nicht mehr? Sie sagten, ich sollte um elf Uhr bei Ihnen sein."

    „Ich? Grande zog die Augenbrauen hoch. „Wäre bestimmt lustig gewesen, wenn ich mit Ihnen telefoniert hätte. Also was führt Sie zu mir?

    „Ich habe eine Detektei in München. Observation und Beweisführung in Eheangelegenheiten sowie Recherchen aller Art. Selbstverständlich alles mit äußerster Diskretion."

    „Ach was, meinte Grande. Ihm entwich ein amüsiertes Lächeln. „Aber jetzt sagen Sie mir endlich, warum Sie tatsächlich vor meiner Haustür stehen.

    „Ich bitte um Verzeihung, aber das konnte ich nach allem nicht annehmen. Ein Fremder müsste sich dann mit mir einen üblen Scherz erlaubt haben. Tut mir echt leid."

    Oskar Maria Grande wiegte den Kopf. „Schon gut, mein Lieber. Da hat Ihnen jemand einen Bären aufgebunden. Ich kann Ihnen versichern, ich war es jedenfalls nicht." Ein Lächeln überzog plötzlich sein Gesicht, denn eine Idee schoss ihm durch den Kopf.

    Er achtete immer darauf, in seinen Kriminalgeschichten nur jenes Lokalkolorit zu verwenden, das ihm vertraut war, und nur die Personen auftreten zu lassen, die er selbst kannte oder sich in sie hineindenken konnte. Beim Schreiben kam er ihnen deshalb so nahe, dass er manchmal wie die Hauptpersonen seiner Romane sprach, so lachte und oft auch so hasste. Aber die Golfszene war ihm so fremd wie einem Mönch die Szene auf der Reeperbahn in Sankt Pauli. Da kam ihm dieser Abel gerade recht. Wie detailverliebt Oskar Maria Grande war, sah man auch an seinem Waffenarsenal. Jede Waffe, die seine Mörder einmal in der Hand hielten, lagen während des Schreibens griffbereit in der Schublade seines Schreibtisches: eine Makarov, eine Ceska und sogar ein Modell von einem Colt Goverment, Modell 1911 A1, samt Schalldämpfer, den die Profikiller gerne benützten. Um exakt beschreiben zu können, was ein Mörder und sein wehrloses Opfer jeweils vor dem Abzug fühlen – den Hass, die Freude am Töten, die Angst, die ganze Palette der teuflischen menschlichen Gefühle –, schoss er in seinem schallisolierten Kellerraum gerne auf menschenähnliche Attrappen. Ohne es zu wollen, wurde er dadurch sogar ein treffsicherer Kunstschütze.

    „Hmm, sagte Oskar Maria Grande nach einer Weile. „Wenn Sie schon hier sind. Vielleicht kommen wir doch noch ins Geschäft. Also treten Sie ein, mein Lieber. Er klopfte Abel auf die Schulter, drehte sich um und schritt ins Haus.

    Seltsam, höchst merkwürdig, dachte Abel. Er fragte sich, ob Grande wie einige andere Schriftsteller etwas verrückt sein könnte. Er zögerte kurz, doch dann folgte er ihm ins Haus.

    „Ich bin jetzt doch froh, dass Sie gekommen sind", sagte Grande, während er Abel in das Arbeitszimmer führte. Mit einer großartigen Geste bat er ihn, auf einem gelben Sofa mit bunten Kissen Platz zu nehmen.

    Abel schwieg und blickte sich im Zimmer mit einer schrägen Holzwand um. Auf dem Boden lagen Bücher, und ihm gegenüber war eine Wand voller vielfarbiger Buchrücken. Sein Blick wanderte langsam zurück und blieb bei einem gerahmten Foto auf dem Schreibtisch stehen. Es zeigte eine große, schwindelerregende Frau mit üppigem Busen und aufregenden Hüften. Sie trug ein luftiges Sommerkleid, und ihr Haar war goldblond.

    „Meine Frau", sagte Grande nicht ohne Stolz.

    Abel nickte, ohne etwas zu sagen.

    „Also wie schon erwähnt, vielleicht könnten Sie mir doch noch helfen, fing Grande an. „Ich ... also ... Wie soll ich es Ihnen erklären ...

    Abel lächelte aufmunternd. „Keine Sorge, Herr Grande. Jedes Geheimnis ist bei mir bestens aufgehoben. Wie schon gesagt, die Observation wird mit äußerster Diskretion durchgeführt. Ich garantiere Ihnen, keiner wird von meinen Beobachtungen erfahren."

    „Nein, das ist es nicht, lachte Grande lauthals heraus und setzte sich ihm gegenüber in einen gepolsterten Schaukelstuhl. Er wippte vor und zurück, und immer noch lachend fuhr er fort: „Es ist etwas ganz anderes.

    „Also nicht das Übliche?"

    „Bestimmt nicht. Gott sei Dank."

    Und dann erzählte Oskar Maria Grande, dass er einen neuen Roman mit dem Titel „Mord mit dem Golfball schreibe und leider oder lieber gesagt nichts von diesem Sport und seinen Spielern verstehe. Er wisse zwar schon, dass alle Golfspieler nur über Golf reden, denn das wisse ja jeder, aber das genüge für seine Romane einfach nicht. Er möchte genauestens erfahren, welche speziellen Ausdrücke sie für ihr Gerede verwenden, was auf einem Golfplatz getratscht und gemunkelt werde, und was das für Leute seien, das interessiere ihn natürlich auch. Er möchte seinen Lesern all das so vermitteln, als wären sie mittendrin. Als er fertig war, fragte er: „Was meinen Sie? Glauben Sie, dieses Lokalkolorit rund um den Golfsport für mich recherchieren zu können?

    Kurt Abel nickte heftig. „Absolut, Herr Grande. Ich verspreche es Ihnen. Recherchen in der Golfszene sind sogar eine Spezialität von mir."

    „Also topp. So sei es dann. Darauf erhob sich Oskar Maria Grande und sagte: „Zwei Dinge sollten Sie noch wissen. Erstens möchte ich nicht, dass mein Name fällt und dass Sie mit mir zusammen gesehen werden. Ist das klar?

    Abel nickte und stand vom Sofa auf.

    „Und zweitens: Ab Montag bin ich für eine Woche auf einer Lesetour. Sie haben also genügend Zeit. Qualität geht vor Schnelligkeit."

    „Versprochen, Herr Grande. Auf mich können Sie sich verlassen. Und vielen Dank für den

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