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Alligator, Gassi gehen!
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eBook256 Seiten3 Stunden

Alligator, Gassi gehen!

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Über dieses E-Book

Marie-Luise, eine fast 40jährige alleinerziehende Mutter, wohnt in Hamburg und schlägt sich mit ihren beiden Teenagern Lukas und Charlotte herum, von deren Vater sie geschieden ist. Außerdem erzieht sie noch die vierjährigen Zwillinge Maria und Joseph, die sie von ihrem verstorbenen spanischen Ehemann Carlos "geerbt" hat. Die Mutter der Zwillinge sitzt derweil in einer Nervenheilanstalt. Ergänzt wird die chaotische Familie durch einen schwarzen Labrador, Rufname Alligator. Während Marie-Luise hinter jedem Mann einen potentiellen Axtmörder vermutet, versucht ihre Mutter unermüdlich, einen weiteren Lebenspartner für ihre Tochter zu finden. So arrangiert sie immer wieder neue Verabredungen für ihre Tochter, die diese mit haarsträubenden Geschichten über den Tod ihres Mannes torpediert. An Marie-Luises Geburtstagsparty treffen zufällig alle Männer aufeinander und nach einem desaströsen Abend merkt Marie-Luise, dass in ihrem Leben vielleicht doch noch Platz für eine neue Beziehung ist. Allerdings hat sie nun die Wahl zwischen zwei Verehrern. Da einer der Beiden in München wohnt, kann Marie-Luise vorerst unproblematisch eine Beziehung mit beiden Männern führen. Dann erhält der Münchner plötzlich ein Jobangebot in Hamburg. Jetzt fangen Marie-Luises Probleme erst richtig an ...
SpracheDeutsch
HerausgeberColonnaden
Erscheinungsdatum10. Okt. 2017
ISBN9783962556037
Alligator, Gassi gehen!

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    Buchvorschau

    Alligator, Gassi gehen! - Christine Colo

    KAPITEL EINS

    Es ist November. Ein verregneter Donnerstagnachmittag. Die Farbe des Tages: Grau. Ich sitze auf dem schwarz-weiß karierten Küchenfußboden in mitten von Scherben und Resten eines Marmeladenglases. Schaufel und Handfeger in der einen, Zwiebeln in der anderen Hand. Die Tränen strömen mir nur so über das Gesicht, als meine Tochter Charlotte in Kopf in die Küche steckt.

    „Oh mein Gott, wie siehst du denn aus?! Total verquollen! Was ist denn passiert?" Sie schaut sich entsetzt in der Küche um.

    „Mir ist das blöde Glas runtergefallen, irgendeiner von euch hat den Deckel mal wieder nicht richtig raufgeschraubt", presse ich genervt zwischen den Tränen hervor.

    „Aber deswegen musst du doch nicht gleich heulen?" Charlotte guckt mich fragend an.

    „Ich heule, weil ich eben Zwiebeln geschnitten habe".

    Während ich die restlichen Marmeladenflecken entferne, redet Charlotte weiter: „Du hast heute Abend eine Verabredung, Mama. So kannst du da nicht hingehen, schau dich mal an, überall Flecken im Gesicht - und dein Pulli, grauenhaft! Sie guckt mich vorwurfsvoll an. „Wieso wolltest du jetzt Zwiebeln schneiden? Ich bestelle mir gleich eine Pizza und du gehst essen, soweit ich weiß!

    Ach ja, die Verabredung, ich hatte sowas von keine Lust dazu. „Lotte, ich weiß doch gar nicht, wer dieser Mensch überhaupt ist und nachher ist das so ein Gammeltyp mit schlechten Zähnen und Mundgeruch! Apropos schlechte Zähne. „LUKAS! brülle ich an Charlotte vorbei, die zusammenzuckt „Zähne putzen, aber dalli! Charlotte ist sauer: „Schrei hier nicht so rum und nenn mich nicht immer Lotte, ich heiße Charlie!

    Charlie erinnert mich immer an diesen Affen aus dieser Fernsehserie. Wie hieß die noch gleich? Ich überlege fieberhaft. „Immer dieser Affe? Charlie und wir? Keine Ahnung, ist ja auch egal. Obwohl, wenn ich recht darüber nachdenke, gab´s auch eine Kinderserie mit Lotte. Lotte aus der Krachmacherstrasse oder so. Nee, LOTTA schreie ich plötzlich los, „Genau, Lotta, Gott sei Dank, ich bin noch nicht senil! LUKAS! Zähne putzen! Oder der Typ gehört zu einer von Omas New-Living-Dingsda-Freundinnen, arrogant und eingebildet, das fehlt mir noch!"

    „Wieso Oma? Was hat die denn damit zu tun? Charlotte schaut mich erneut fragend an. „Na, der Typ ist doch der Sohn einer ihrer Kartenfreundinnen.

    „Welche von ihren Kartengruppen denn?"

    „Das ist genau das Problem, ich hab vergessen zu fragen. Entweder die Kneipen-Skatgruppe, die gemischte Doppelkopfrunde oder diese reichen Bridge-Frauen. Ich stöhne wieder auf. „Und was ist, wenn das der Axtmörder ist? „Welcher Axtmörder?, möchte Lotte wissen. „Was weiß ich, es gibt immer einen Axtmörder, oder nicht?

    Lukas schaut in die Küche rein: „Mutter! Ich putz mir erst die Zähne, wenn ich gegessen habe!" Er stakst zum Kühlschrank und reißt die Tür auf.

    „Spinnst du?! Du hast dir gerade eine Currywurst mit Pommes reingezogen! Ich schlage die Kühlschranktür wieder zu. „Dir wird schlecht!

    „Quatsch, grummelt Lukas, „Ich mach mir jetzt Spiegeleier, hab Hunger! Herrje, 15-jährige Halbwüchsige sind nicht satt zu bekommen. Außerdem sollte ich mal über die Ernährung meiner Kinder nachdenken.

    Irgendwann. Vielleicht. Wenn ich mal Zeit habe.

    Ich stelle die Zwiebeln in den Kühlschrank und verlasse die Küche, nicht, ohne mich vorher nochmal zu vergewissern: „Und du passt heute Abend auf die Zwillinge auf, ja? „Ja, Mama, hab ich doch schon tausendmal gesagt Charlotte wirkt jetzt auch genervt, „sie zu, dass du jetzt endlich unter die Dusche kommst, sonst fährt Klaus-Günther ohne dich zum Essen."

    „Wer ist Klaus-Günther?" fragen Lukas und ich gleichzeitig.

    Klaus-Günther ist ein Buchhalter-Typ. Auf diese Art von Menschen stehe ich besonders. Humorlos, stocksteif und der Name sagt eigentlich schon alles. Wobei, bei Namen sollte ich besser ganz vorsichtig sein; die Zwillinge sind hier Programm.

    Maria und Joseph, meine geerbten 4-jährigen Zwillinge. Charlotte mag es gar nicht, wenn ich das sage, aber ich erkläre ihr immer, sie muss auch nicht im Kindergarten stehen und rufen: „Maria, Joseph, Jacken anziehen!"

    Die Zwillinge hat mir mein verstorbener Mann vererbt. Sie stammen aus seiner früheren Beziehung mit einer durchgeknallten Künstlerin, die es besonders witzig fand, ihre beiden am 24.Dezember geborenen Kinder Maria und Joseph zu nennen. Ich habe mich oft gefragt, wie es wohl bei Drillingen gewesen wäre? Maria, Joseph und Jesus? Oder die heiligen drei Könige?

    Nachdem man die Dame eingewiesen hatte, sprach man das Sorgerecht meinem Mann zu und nach seinem Tod meinte das Jugendamt, die Beiden wären offensichtlich bei mir vorerst am besten aufgehoben. Ich sehe das ab und zu etwas anders. Hätte ich vier Kinder gewollt, hätte ich auch vier bekommen. Aber naja, jetzt bin ich froh, dass ich nur zwei Kinder hatte, sonst wären es schon sechs!

    Soviel zu den Zwillingen. Kann ja auch sein, dass die leibliche Mutter irgendwann mal als geheilt entlassen wird und ihre Kinder zurückhaben will. Ist alles möglich.

    Zurück zu meiner Verabredung. Wir sitzen also in diesem vornehmen Lokal - er ist tatsächlich der Sohn einer der reichen Bridge-Frauen - und versuchen krampfhaft, Konversation zu betreiben. Ich langweile mich zu Tode, trinke ein Glas Rotwein nach dem anderen (guuuten Rotwein, wie mir Klaus-Günther versichert) und schaue mich unauffällig im Restaurant um. Vielleicht gibt es hier irgendwo eine Alternative zum `Buchhalter´? Während ich einen kleinen, dunkelhaarigen Mann ins Visier nehme, wird Klaus-Günther persönlicher: „Sag mal, Marie-Luise, du bist also verwitwet? „Ja. Ich schau ihn an. Jetzt könnte es interessant werden. „Wie ist denn dein Mann gestorben, wenn ich fragen darf?"

    Ich will direkt mit „Nein, du darfst nicht fragen antworten, da höre ich schon den vorwurfsvollen Ton meiner Mutter in meinen Ohren: „Mariechen, sei freundlich!

    Stattdessen erzähle ich also Klaus-Günther meine Geschichte: „Mein Carlos war ein ganz verrückter, mutiger Mann und hatte viel Abenteuerlust. Eines Tages ging er zum Fallschirmspringen. Das Wetter war fantastisch, die Sonne schien, die Bedingungen waren scheinbar perfekt. Doch er hatte auch Feinde durch seinen Beruf geschuldet, und so kam es, dass jemand seinen Fallschirm manipuliert hatte. Er ließ sich nicht öffnen und Carlos prallte mit 200 km/h ungebremst auf dem Boden auf. Er war sofort tot." 

    Klaus-Günther ist entsetzt. Er öffnet seinen Mund und flüstert: „Das ist ja furchtbar! Wie schlimm und schrecklich. Du Arme! Was musst du da mitgemacht haben! Und wer war der Täter? Hat man das herausgefunden?"

    Ich nehme noch einen großen Schluck Rotwein, bevor ich antworte: „Die Ermittlungen dauern noch an. Ich bin selber im Visier der Polizei, denn ich hatte doch das beste Motiv. Eine große Lebensversicherung, deren einzige Begünstigte ich war. Nach einer kurzen Pause fahre ich fort: „Hast du auch eine Lebensversicherung? Wenn wir weiter ausgehen wollen, dann solltest du das Bezugsrecht auf mich umschreiben lassen, falls dir was passiert.

    Auf Klaus-Günthers Gesicht erscheinen rote Flecken und er atmet plötzlich flach: „Ich glaube, mir ist gerade nicht so gut, ich würde dich dann jetzt gerne nach Hause fahren, wenn es okay ist?"

    Ich lächle süffisant: „Gerne, kein Problem, wir können unser Gespräch ja ein andermal fortführen."

    „Mutter!" Mein herzallerliebster Sohn, der mich mit seinem Mutter gerne in den Wahnsinn treibt (er sagt, dann reagiere ich wenigstens), brüllt ein paar Tage später am frühen Nachmittag durchs Haus: „Wo ist meine X-Box? Ich kriege gleich Besuch! Wo ist die X-Box?!"

    „Schätzelein, brülle ich zurück, „Wenn du Besuch bekommst, brauchst du die X-Box doch nicht. Dann könnt ihr euch doch unterhalten. Ich weiß, dass das wiederum meinen Sohn auf die Palme bringt. Ein schönes Spielchen, das wir seit Jahren treiben. Von Nintendo über Nintendo DS, dann kam die Playstation eins, zwei, drei und die X-Box. Gibt’s davon eigentlich auch schon Mehrere? Ja, X-Box One, hatte ich vergessen. Genau. Egal.

    Er schreit weiter: „Wenn du so weitermachst, dann ziehe ich zu Papa! „Gerne, schreie ich zurück, „Vergiss dann die X-Box nicht!"

    Er steckt den Kopf durch die Tür: „Mama, jetzt mal ernsthaft, wo ist die X-Box?"

    „Wenn du mit dem Hund wiederkommst, dann sag ich es dir." Ich lächle freundlich.

    „Wieso Hund? Ich hatte nicht vor, mit dem rauszugehen. Lukas schaut irritiert. „Nun, dann hast du es jetzt vor und ich bring dir in der Zeit die X-Box in dein Zimmer. Ich lächle immer noch freundlich.

    Lukas wird wütend. „Ist jetzt nicht dein Ernst, oder? Kann man hier auch einfach mal in Ruhe gelassen werden?!"

    „Wenn du deinen eigenen Haushalt führst, kannst du tun und lassen, was du willst. Aber solange du deine Füße unter meinen Tisch … Oh Gott, hab ich das gerade wirklich gesagt? Aber es scheint zu funktionieren, Lukas schiebt Richtung Haustür ab und ruft nach dem Hund: „Alligator, Gassi gehen!

    Nee, das ist jetzt kein Überbleibsel der durchgeknallten Künstlerin, da wollte ich mal witzig sein!

    Solange ich Maria und Joseph noch nicht hatte, war das auch wirklich lustig, wenn ich im Wald gerufen habe: „Alligator, hierher, Fuß!"

    Aber jetzt klingt das nur noch dämlich, wenn ich auf dem Spielplatz stehe und rufe: „Maria und Joseph, wir müssen los, ich muss noch mit Alligator Gassi gehen." Ich befürchte, eines Tages werden Sie mich zu Carlos´ Ex schicken.

    Meine Tochter schneit herein: „MAMA! Ich hasse alle Menschen, und vor allem hasse ich dumme Menschen! „Ja, sage ich, „das ist ja jetzt keine neue Erkenntnis." Ich hole den Staubsauger raus.

    „Hör mir gefälligst zu!, pöbelt sie los „die blöde Frau von Reim mit ihrer blöden Emanzenlektüre und Stasiliteratur will mir ernsthaft nur 13 Punkte in Deutsch geben! Die tickt doch nicht ganz richtig!

    Ich schaue entspannt mit dem Staubsauger in der Hand (huch, das reimt sich sogar). „Lotte, und ich genieße den Blick, während ich das sage; bin ich eigentlich Sadomaso veranlagt? Was genau heißt das überhaupt? Muss ich nachher mal googlen. „Wenn ich mich recht entsinne, hast du den Studienplatz in Holland schon sicher, worüber regst du dich dann eigentlich auf? Und dann dieses Wort `eigentlich´ Ich habe mal gelesen, dass es dieses Wort nicht gibt, also keine Bedeutung hat. Wieso benutzt man es dann eigentlich? Ich schweife schon wieder ab, vielleicht bin ich überarbeitet.

    Charlotte grunzt nur. „Erstens heißt es die Niederlande und nicht Holland, das habe ich dir schon tausendmal erklärt, und dann geht es hier ums Prinzip! Aber das verstehst du ja nicht! „Stimmt, sage ich und schmeiße den Staubsauger jetzt endlich an. Somit geht der Rest von Lottes Schimpftirade in diesem ätzenden Geräusch des saugenden Elektrogerätes unter.

    Plötzlich steht mein Sohn in der Tür und macht den Staubsauger wieder aus.

    „Mama, die Zwillinge prügeln sich schon wieder. Und wo ist jetzt die X-Box?! Und du willst ja jetzt wohl nicht staubsaugen, wenn ich gleich Besuch bekomme?! Er wirkt direkt panisch. „Kommt ein Mädchen?, will ich wissen.  „Wieso? „Weil dich das sonst auch nicht interessiert, wenn ich staubsauge, während du Besuch hast. „Ja, wenn du es unbedingt wissen willst: Es kommt gleich Nadja vorbei!"

    Plötzlich habe ich es eilig, die X-Box aufzubauen und lasse den Staubsauger links liegen. Die Zwillinge dürfen sich noch ein wenig weiter prügeln, das hier ist jetzt entscheidend wichtiger!

    Es ist endlich Wochenende und die Zwillinge treiben mich noch in den Wahnsinn.

    Da sitzt Joseph auf der Treppe, hat sich die Hose ausgezogen, schmiert seine Hinterlassenschaften auf den Parkettfußboden, während Maria seelenruhig ihre Hände ableckt und verzückt Schok`laade ruft. Ich stehe vor dem Schlamassel und weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll. „Kann mal bitte irgendjemand kommen? Hiiiilfe! verzweifelt klingen meine Rufe durchs Haus. „Haaalloooooo? Charlotte? Lukas?

    Der einzige, der auf meine Worte reagiert, ist Alligator. Herzlichen Glückwunsch, der hat mir hier gerade noch gefehlt. Bevor er sich auch auf die Schok`laade stürzen kann, reiße ich ihn am Halsband zurück und sperre ihn im Badezimmer ein, wo er erst mal protestierend unverständliche Gurgelgeräusche von sich gibt. Ist das jetzt ein Bellen? Oder hat er von der Köstlichkeit hier vor mir schon genascht?

    Okay, die Kinder rühren sich immer noch nicht. Ich versuche es nochmal: „Wenn ihr hier nicht sofort auflauft, dann habt ihr 14 Tage Handyverbot! Ich bin jetzt echt sauer. Plötzlich tut sich was. Lukas kommt die Treppe hoch und staunt: „Oha, da haben die ja wieder ganze Arbeit geleistet. Ist ja ekelhaft. Viel Spaß noch! Er macht tatsächlich Anstalten, die Treppe wieder runterzugehen. „Halt!, schreie ich los „Du musst mir helfen, nimm Joseph und pack ihn die Badewanne, ich bringe dir gleich Maria hinterher und mache dann die Sauerei hier erst mal weg. Lukas guckt mich an, als hätte ich den Verstand verloren. „Hä? Ich bin doch nicht bescheuert. Das ist ja widerlich, ich geh wieder!"

    „Lukas, sage ich drohend, „Du nimmst jetzt Joseph und verschwindest im Bad. „Wieso immer ich? Wo ist Charlie? Die kann das doch auch mal machen. Lukas weigert sich immer noch. „Weiß ich nicht, ist mir auch egal, ich hab nur zwei Hände, also sieh zu, dass du jetzt loslegst!

    Allmählich reißt mir der Geduldsfaden, während Maria immer noch seelenruhig ihre Finger abschleckt. Der Gestank ist unbeschreiblich und ich muss mich schon fast übergeben, als Lukas sich endlich überwindet und die Tür mit Joseph auf dem Arm zum Badezimmer öffnet.

    Als nächstes sehe ich nur noch Alligator mit Lukas und Joseph zusammen in der Scheiße liegen.

    Mist, ich hatte den Hund vergessen.

    Jetzt taucht auch endlich Charlotte an der Treppe auf und schießt erst mal seelenruhig gefühlte 40 Handybilder, bevor sie sich, vor Lachen krümmend, Maria schnappt und in die Badewanne steckt. Ich bin fix und fertig und frage mich zum achthundertsten Mal in dieser Woche, womit ich das eigentlich verdient habe. Ach, da war es wieder, das Wort. Eigentlich. Wollte ich doch noch googlen. Eigentlich.

    Vielleicht. Irgendwann. Wenn ich mal Zeit habe.

    Abends sitze ich bei einem Glas Rotwein (ein guuuter, wie mir der Sommelier im Laden versicherte) und lausche ins Haus. Ich höre - Nichts. Wie schön kann doch das Leben sein…

    „Mama?"

    „Maaaamaaaaa?"

    „MUTTER!"

    „Ja, Schatz?, ich schaue auf. Lukas steht mit der Weinflasche vor mir in der Hand. „Möchtest du noch ein Glas? Ich glaube, du hast es heute echt nötig, irgendwie siehst du fertig aus.

    Es geht doch nichts über aufmerksame Kinder!

    Zwei Wochen später komme ich gegen zehn Uhr abends nach Hause und schaue mich nochmal um. Ist das wirklich mein Haus? Die Hausnummer stimmt jedenfalls. Im Wohnzimmer schallt mir ein ohrenbetäubender Lärm entgegen, aus dem Kinderzimmer höre ich Geschrei und im Bad scheint jemand zu renovieren. Ist der Klempner da? Ich kann mich nicht erinnern, ihn gerufen zu haben.

    Vorsichtig taste ich mich ins Kinderzimmer vor, das erscheint mir erst mal vorrangig zu sein. Die Zwillinge, verkleidet wie Hänsel und Gretel, versuchen gerade den Wolf (Charlotte) zu erwürgen. Gut, die scheint das aber im Griff zu haben, zumindest winkt sie mir noch schwach mit der Hand zu. Reden kann sie nicht mehr, aber ich habe den Eindruck, dass sie trotzdem klarkommt.

    Also schleiche ich mich langsam Richtung Wohnzimmer vor und bleibe an der Tür mit offenem Mund stehen. WOW. Was man aus diesem Zimmer alles machen kann, erstaunlich! Die Bilder sind abgehängt, der Teppich aufgerollt, die Möbel stehen alle an der Seite übereinander gestapelt, im Aquarium schwimmt eine Flasche Wodka und den Rest kann ich durch diese dicke Rauchwolke nicht mehr erkennen. Schade. Oder zum Glück. Je nachdem. Aus den Lautsprechern tönen irgendwelche merkwürdigen Geräusche, ist das noch Musik?

    Nachdem ich meine Sprache wiedergefunden habe, versuche ich, Lukas ausfindig zu machen. Dies gestaltet sich schwieriger, als ich gedacht habe. Allmählich habe ich mich an den Nebel gewöhnt und erkenne etwa 10 Jugendliche auf dem Sofa. Komisch, ich hatte immer das Gefühl, mit drei Leuten ist das Sofa schon zu klein. Mindestens 20 Teens tummeln sich auf und neben dem Couchtisch - dafür war wohl an der Wand kein Platz mehr - und etwa fünf weitere Gestalten stehen mehr oder weniger lässig an der Seite und starren die halb bekleideten weiblichen Gäste an.

    Aber wo war mein Sohn? Ich greife mir den nächstbesten an der Tür. „Wo ist Lukas? Der Typ starrt mich an und fragt „Wer? „Lukas, wiederhole ich, „der hier wohnt. Noch, füge ich hinzu.

    „Achso, nuschelt der Teenager mir zu, „guck mal inne Küche. „Danke", sage ich und frage mich gleichzeitig, wieso und wofür ich mich bedanke.

    Die Küche gleicht einem Schlachtfeld. Mir war auch vorher nie bewusst, wie viele Menschen in meine Küche passen. Auf dem Herd köcheln komische Suppen vor sich hin, soll das vielleicht Bowle sein oder kann man das essen? Und während ich noch versuche, Lukas ausfindig zu machen, stehen plötzlich fünf Polizisten hinter mir im Flur.

    „Sind Sie die Eigentümerin dieses Hauses?, will einer von Ihnen von mir wissen. „Ja, stammle ich, „ich glaube schon. „Ich bin der Einsatzleiter.

    „Einsatzleiter, hauche ich respektvoll. „Genau, sagt der wirklich gutaussehende Mann in dieser Uniform vor mir. Mariechen, sage ich mir, du denkst jetzt nicht allen Ernstes an eine Verabredung, während dein Haus zerstört wird. „Wo waren Sie heute Abend?", will der Polizist jetzt von mir wissen. Wieso heute Abend? Warum fragt er mich nicht, ob ich morgen vielleicht Zeit habe? Der Abend ist doch jetzt schon gelaufen!?

    „Essen hauche ich wieder entzückt. „Nun, erwidert der schöne Mann vor mir, „die Nachbarn haben uns gerufen, hier ist offensichtlich eine Party außer Kontrolle geraten. Wo ist denn Ihr Mann?"

    „Tot" sage ich jetzt, schon etwas bestimmter. Was heißt denn hier außer Kontrolle? Und wieso mischen sich die Nachbarn ein? Haben die keine eigenen Probleme oder Hobbies?

    „Oh", sagt der schöne Polizist. Dabei legt er jetzt so ein mitleidiges Gesicht auf und guckt mich wissend an. Hmh, denke ich, jetzt könnte es interessant werden.

    Also lege ich los: „Mein Carlos, der war ein mutiger und abenteuerlustiger Mann. Eines Tages wollte er unbedingt Bungeejumping vom Fernsehturm

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