Anna Katharina Emmerick: Das Leben einer Augustinerin im ehemaligen Kloster Agnetenberg in Dülmen in Westfalen
Von Karl Erhard Schmöger und Aloys Bockhorst
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Buchvorschau
Anna Katharina Emmerick - Karl Erhard Schmöger
http://sammlungen.uni-muenster.de
EINFÜHRUNG
Anna Katharina Emmerich – eine Mystikerin, eine Frau mit imaginativer Fantasie - wurde in Dülmen in einer Grabeskirche bestattet, um ihrer zu gedenken. Der Name Emmerich ist eine alte Bezeichnung und wird heute unter Emmerick geführt. In dieser Grabeskirche, der Heilig Kreuz Kirche in Dülmen, wurden ihre Gebeine in der Krypta beigesetzt. Ihre Seligsprechung erfolgte im Jahr 2004.
Ein Buch aus dem Jahr 1875 von Karl Ehrhard Schmöger schildert ihr Leben, beschreibt die wichtigsten Phasen ihrer Erlebnisse, bringt in prägnanter Weise zum Ausdruck, wie sie verehrt und gehasst wurde. Dem Hass, Misstrauen, Neid und Missgunst besetzten Verhalten durch Kirchen- und Behördenvertreter bot ihr starker Wille, vom Glauben geführt, Halt, auch wenn sie selbst streckenweise darunter sehr gelitten hat. Doch Leiden gehörte für Anna Katharina von Anfang an zum Leben, sie erkrankte früh an Rachitis bis zu ihrem Tode. Diese Krankheit wurde nie erkannt, geheilt und bestimmte ihre Glaubens- und eigene Lebenswelt.
Ihr Lebenslauf ist schnell skizziert, doch findet sich in den neueren Schriften aus dem Jahr 2010 (Scholz, Infoblatt der katholischen Gemeinde Heilig-Kreuz / Emmerick Bund und Dülmen Marketing eV) kein Hinweis auf eine angeordnete Untersuchung von der damaligen preußischen Regierung für drei Wochen wegen Betrug Verdachts. Anna Katharina wurde auf behördliche Anordnung durch den Oberpräsidenten Münster und den Landrat in das Schloss Darfeld gebracht, dort weggesperrt und auf unwürdige Art und Weise untersucht und rund um die Uhr von zwei abgestellten Beamten beobachtet. Dies war noch schlimmer als alle anderen Untersuchungen durch bischöfliche Weisungen zuvor.
Ihrem Bestreben, die von Gott ausgehende Liebe zu leben, um dem Leid in der Welt ein Zeichen zu setzen und dem Verfall des christlichen Glaubens entgegenzuwirken, hat sie bis zu ihrem Tode Zeugnis abgelegt. Ihr kindliches Gemüt bewahrte sie vor Irrwegen und Ablenkungen. Sie begann nach der Bibel den göttlichen Weg als ihre Berufung und Aufgabe zu verstehen. Ihre andersartigen geistigen Fähigkeiten verschafften ihr das Grundgerüst, den Leidensweg von Jesus Christus selbst zu erfahren, nachzuerleben und jedwedem Unheil zu trotzen. Selbst Krankheiten waren für sie kein Anlass, von dem einzigartigen Weg abzuweichen, so dass sie die Kreuzigung als Selbsterfahrung durchlebte und die Folgen daraus sichtbar, erfahr- und für alle Anwesenden spürbar wurden.
Nächstenliebe war für sie nicht nur ein Wort sondern gelebte und wahrgenommene Wirklichkeit. Dies waren ihr Vermächtnis und ihre Begabung zugleich, Gedankenbilder zu erkennen und zu beschreiben, so dass Sie ihrem Begleiter ihre Visionen von den verfolgten Christen lebhaft schilderte.
Nach einer ersten Öffnung des Grabes stellte man fest, dass ihr Körper kaum verwest war. Sie hatte sich selbst durch Nahrungs- und Wasserentzug mumifiziert und unsterblich werden lassen.
Der Herausgeber
LEBENSLAUF
1774
8. September in Coesfeld/Flamschen als fünftes von neun Kindern, getauft am selben Tag in St. Jakobi Coesfeld
1786
Erstkommunion in der Pfarrkirche St. Jakobi, Strenge Eigenerziehung von Beginn an, Tragen eines Bußgürtels, Abtötungen menschlicher Neigungen, Fürbitten für Verstorbene, Fähigkeit vergangene und zukünftige Ereignisse sehen zu können
1786-1788
Magd beim Großbauern Emmerich
1789-1793
Lehrmädchen als Näherin in Coesfeld
1794-1798
Haus- und Wandernäherin, Nähstube im elterlichen Hause
1796
Firmung durch Weihbischof K. M. von Droste-Vischering, Erster Kontakt bei den Augustinerinnen in Borken, Nachfrage bei den Klarissen in Münster
1799-1802
Wirtschafterin bei Kantor Söntgen zwecks Erlenen des Orgelspiels
1802
Stigmatisation durch eine imaginäre Dornenkrone
1802
Eintritt in das Augustinerinnen-Kloster Agnetenberg in Dülmen
1803
Ablegen des Ordensgelübdes
1811
Aufhebung des Klosters im Zuge der Säkularisation
1812
Schwer erkrankt an Rachitis und Wechsel in neue Unterkunft als Haushälterin bei Abbé Lambert im Haus der Witwe Roters (heutige Münsterstraße)
1812
Stigmatisation durch Wundmale an Händen, Füßen, dem Kopf, zwei Kreuzen auf der Brust, Wunde an der rechten Seite
1813 – 21
Wechsel der Unterkunft bei Abbé Lambert mit Schwester Gertrud in eine größere Wohnung im Hinterhaus des Gastwirts Franz Limberg
1813
Überprüfung der Glaubwürdigkeit durch die Kirche
1818-24
Freundschaft mit Clemens Brentano, der ihre Visionen dokumentiert
1819
Gefangennahme in das Schloss Darfeld zwecks amtlicher Untersuchung (4. bis 31. August) durch den Oberpräsidenten Münster und Landrat im Hause des Kammerrates Mersmann, danach Rückkehr in das Hinterhaus von Gastwirt Franz Limberg
1821-24
Tod von Abbé Lambert, Umzug zum Beichtvater Clemens Limberg (heutige Tiberstraße)
1824
Tod am 9. Februar 1824, Begräbnis unter großer Teilnahme der Bevölkerung am 13. Februar
Erstes Kapitel.
Erstes Kapitel.
TAUFE UND ERSTE JUGENDZEIT
Die gottselige Anna Katharina wurde am 8. September (Mariä Geburt) 1774 in der Bauerschaft Flamske bei Coesfeld geboren. Ihre Eltern waren Bernhard Emmerich und Anna Hillers. Die Ehe war mit neun Kindern gesegnet, darunter war Anna Katharina das fünfte. Schon von ihrer Geburt an war sie außerordentlich begnadigt.
In der heiligen Taufe ward ihr mit der heiligmachenden Gnade und den göttlichen Tugenden auch das übernatürliche Licht der Weissagung in besonderem Maße eingegossen. Hören wir darüber ihre eigenen Worte. Am 8. September 1821 erklärte sie: „Ich erhielt heute ein Gesicht von meiner Geburt und Taufe und war dabei gegenwärtig in einem ganz seltsamen Gefühle...
Ich fühlte mich mit vollem Bewusstsein den ganzen Weg von unserer Hütte in Flamske bis in die Jacobi-Pfarrkirche in Coesfeld tragen: Ich fühlte und sah alles um mich her. Ich sah die ganze heilige Taufhandlung an mir verrichten und es gingen mir dabei die Augen und das Herz auf eine wunderbare Weise auf. Ich sah, als ich getauft ward, meinen Schutzengel und meine Namenspatrone, die heilige Anna und Katharina, bei der heiligen Taufhandlung gegenwärtig. Ich sah die Mutter Gottes mit dem Jesukindlein und wurde mit ihm durch Darreichung eines Ringes vermählt. Es ward mir alles Heilige, alles Gesegnete, alles, was mit der Kirche zusammenhängt, so lebendig fühlbar, als es nur irgend jetzt der Fall ist. Ich fühlte die Gegenwart Gottes im Allerheiligsten Sakramente und sah die Gemeinde der Heiligen in der Kirch erleuchtend und erkannte die Heiligen, die über ihnen erschienen. Ich sah alle meine Vorfahren bis zu den zuerst unter ihnen Getauften und erkannte in einer langen Reihe von Sinnbildern alle Gefahren meines zukünftigen Lebens...
Als ich aus der Kirche wieder nach Hause über den Kirchhof getragen wurde, hatte ich ein lebhaftes Gefühl von dem Zustande der Seelen der hier bis zu Auferstehung ruhenden Leiber, unter denen ich einige Leiber hell und herrlich leuchtend mit Ehrfurcht bemerkte."
Der Gabe dieses Lichtes entsprach eine andere Zierde mit der Anna Katharina gleichfalls in der Taufe begnadigt wurde. Es war die Gabe höchster Reinheit des Leibes und der Seele. Der Glanz dieser Reinheit, der auf dem Kinde lag, zog die Herzen seiner Eltern, Geschwister sowie der einfachen Landleute, unter denen es seine Jahre zubrachte, wunderbar an. Derselbe verlieh demselben einen unwiderstehlichen Liebreiz und gab, als es älter wurde, seinem Tun und Lassen eine Weihe, die äußerst wohltätig auf seine nächste Umgebung einwirkte. Eine Wirkung dieser Reinheit war es, dass Anna Katharina bis zu ihrem Tode die arglose Einfalt eines demütigen, unschuldigen, nur in Gott lebenden Kindes bewahrte.
Die Bewahrung dieses Schatzes aber war für sie an die Bedingung unausgesetzter Überwindung, Entsagung und Abtötung geknüpft. Sie erkannte dieses klar, weshalb sie von der Zeit an, wo sie überhaupt im Stande war, sich eine freiwillige Abtötung aufzulegen, mit dem größten Eifer anfing, sich darin zu versuchen.
In einem Winkel der Scheune hatte sie ein Bildchen der Mutter Gottes mit dem Jesuskinde aufgehängt und davor ein Stück Holz gestellt, das einen Altar bedeuten sollte. Hierher trug sie alles, was sie von ihren Eltern und Bekannten zum Geschenke erhalten hatte. Gar oft geschah es, dass ihre Gaben vor dem Bildchen verschwanden, was ihr die frohe Gewissheit gab, das Jesuskind selbst habe sie in Empfang genommen. Noch keine vier Jahre alt erlaubte sie sich nie mehr eine volle Sättigung bei der Mahlzeit. Ihrem Gaumen tat sie auf alle Weise Abbruch: sie aß so wenig, dass es unbegreiflich schien, wie sie damit ihr Leben fristen konnte.
Gar groß war ihr Mitleid mit den Leiden anderer. Hörte sie von irgendeinem Übel, so machte dies einen solchen Eindruck auf sie, dass sie erblasste und wie starr da saß, als wäre sie im Begriff, in Ohnmacht zu fallen. Mit heißen Bitten flehte sie zum Herrn, er möge auf sie die Leiden anderer legen, damit diesen geholfen werde. Sie ging so weit in ihrem Mitleidsgefühl, dass sie selbst die Kleidungsstücke vom Leibe weggab. Wenn sie einen Hungrigen fand, so sagte sie:
„Wartet, ich will euch Brot aus dem Hause holen."
Sie wusste durch die innigsten Bitten von ihren Eltern die Zustimmung zu erhalten, dass sie ihr letztes Hemdchen einem Bettelkinde schenken durfte.
Sah oder hörte sie von einer Sünde, so war sie von heftiger Betrübnis ergriffen und vergoss bittere Tränen. Aber über nichts freute sie sich so sehr, als über Gott und alles, was auf dessen Verherrlichung Bezug hatte. Anderseits fühlte sie sich über nichts so betrübt, als wenn Gott verunehrt und beleidigt wurde, ja, man kann sagen, dass dies ihr einziges Leid, ihre einzige Betrübnis gewesen. Oft bat sie in einem Alter von erst drei Jahren Gott aufs Eindringlichste, er möchte sie nur sterben lassen, weil man Gott später oft mit großen Sünden beleidige. Wenn sie aus dem Hause ging,