Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Delta City
Delta City
Delta City
eBook302 Seiten3 Stunden

Delta City

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Was haben eine Kopfgeldjägerin, ein Raumpirat und ein kinderloses Paar gemeinsam? Gewaltige Probleme, denn sie geraten allesamt zwischen die Fronten, als sich in Delta-City - der Vorzeigestadt des Universums - eine Verschwörung anbahnt. Nun ist es an ihnen, dafür zu sorgen, dass nicht die Falschen ihr Leben verlieren - zum Beispiel sie selbst.
SpracheDeutsch
HerausgeberMystic Verlag
Erscheinungsdatum18. Sept. 2018
ISBN9783947721078
Delta City

Ähnlich wie Delta City

Ähnliche E-Books

Science-Fiction für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Delta City

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Delta City - Timo Arnold

    2018

    © Mystic Verlag

    Umschlaggestaltung:

    Judith Schöne/Patrizia Jesberger

    unter Verwendung von Fotos

    Pixabay

    Satz: Helga Sadowski

    Lektorat: Mathias Schlicke /Helga Sadowski

    Korrektur: Jacqueline V. Droullier

    ISBN: 978-3-947721-07-8

    Interessierte Leser und Autoren finden weitere Informationen auf unserer Website.

    www.mysticverlag.de

    Geschäftsführer: Timo Arnold

    Adolf-Ludwig-Ring 69

    66955 Pirmasens

    Inhaltsverzeichnis

    1 – Kriecherjagd

    2 – Zugzwang

    3 – Familie

    4 – Warnungen

    5 – Entscheidungen

    6 – Unbekanntes

    7 – Verbindungen

    8 – Zugang

    9 – Angebote

    10 – Realitäten

    11 – Perspektiven

    12 – Ereignisse

    13 – Bekanntschaften

    14 – Vermisst

    15 – Ankunft

    16 – Erwachen

    17 – Infiltriert

    18 – Entkommen

    19 – Vorbereitungen

    20 – Eindringlinge

    21 – Entlassung

    22 – Wunden

    23 – Bürgerjagd

    24 – Auskünfte

    25 – Rettung

    26 – Ergebnisse

    Epilog

    Danksagung

    Anmerkungen

    Für meine Mädelsgang:

    Melina

    Yuna

    Angua

    Anna

    Die bloße Imitation der Natur, wie akkurat sie immer sein mag, berechtigt den Menschen noch lange nicht, sich den heiligen Namen »Künstler« beizulegen.

    Edgar Allan Poe

    Dass die Menschen die Erde kleinkriegen würden, war anzunehmen.

    Dass sie es allerdings schafften, sie in eine wilde, lebensfeindliche Umgebung zu verwandeln – das konnte man schon als besondere Leistung bezeichnen.

    Einen Planeten zu finden, auf dem die Menschheit – oder das, was davon übrig war – leben konnte, stellte sich als zu große Herausforderung dar.

    Also blieb nur Science-Fiction – womit wir bei Delta-City wären: einer völlig autarken, interstellaren Stadt. Der vierten – nach drei gescheiterten Versuchen.

    Hier gibt es nur begrenzten Raum.

    Daher wurden die Bewohner sehr sorgfältig ausgewählt.

    Man arbeitete bei ihrer Konstruktion nur mit der fortschrittlichsten Technologie.

    Die perfekten Voraussetzungen für Utopia!

    Doch wer glaubt schon an Utopia?

    Jede Stadt hat ihre Schattenseiten!

    1 – Kriecherjagd

    Normalerweise erfreute sich die Oase um diese Zeit guten Besuchs, doch am heutigen Abend beglückten nur wenige Gäste den Wirt Balthasar mit ihrer Anwesenheit. Darunter befanden sich drei Lagerarbeiter, die in modischen und – dank der fast vollständig automatisierten Lagertechnologie – sauberen Overalls an dem seitlich verlaufenden Teil der langen Theke zusammensaßen. Diese unterhielten sich zu Balthasars Bedauern jedoch nur über Belanglosigkeiten ihre Arbeit betreffend.

    Auch die kleine Raumfahrer-Crew, die sich hier ihren Aufenthalt vertrieb, während Hafenarbeiter und Techniker ihr Schiff in Beschlag nahmen, konnte die Neugier des Wirtes nicht befriedigen. Die Würfelrunde am Stammtisch inmitten des Raumes bestand zwar immerhin aus Wesen gleich dreier Spezies, doch kamen diese nun auch schon seit über einem Jahr wöchentlich her, sodass sie Balthasars Hunger nach Neuigkeiten schon längst nicht mehr stillen konnten.

    Wie es in solchen Bars üblich ist, gab es natürlich auch in der Oase eine dunkle Ecke mit einem kleinen Tisch für Gäste, die besonders geheimnisvoll oder gefährlich wirken wollten. Diese lag von der Tür aus direkt rechts, ein wenig durch eine Kaminattrappe an der seitlichen Wand abgegrenzt. Außer einem gewissen Sichtschutz sorgte die Abschottung auch dafür, dass der Tisch im Schatten lag. Das diffuse Licht – die künstlichen Kerzen waren hierfür auf eine optimale Atmosphäre programmiert worden – konnte somit seine Wirkung voll entfalten.

    Diesen Tisch besetzte ein Raumpirat, der den Titel Stammgast längst hinter sich gelassen hatte, um ins Inventar überzugehen. Der Wirt schätzte diesen Gast, der auf den Namen Kain hörte. Zum einen zog er als exotische Persönlichkeit mit einer gehörigen Portion Charisma viel Aufmerksamkeit auf sich und lockte auf diese Weise Gäste an. Zum anderen sah der Raumfahrer diese Bar darüber hinaus als eine Art Zuhause an und sorgte dafür, dass es keinen unkontrollierten Ärger gab.¹ Eben solcher kündigte sich nun an, als die Eingangstür zur Seite fuhr und die Gestalt einer Frau offenbarte. Sie vermittelte definitiv nicht den Eindruck, hier nur einen Drink nehmen zu wollen. Als auffälligstes Merkmal an dieser Frau stach zweifelsohne ihr fast kahl rasierter Kopf ins Auge. Nur winzige Stoppeln zierten ihn noch. Sie war nicht geschminkt und trug keinen Schmuck. Dafür ließen sich die Tätowierungen auf ihren Armen und Schultern kaum übersehen. Die Motivwahl beschränkte sich weitgehend auf Ornamente und Schädel. Mehr gaben die schwarze Lederhose und das graue Tanktop nicht preis. Trotz ihres recht geringen Alters – sie mochte etwa Mitte zwanzig sein – lag keine Spur von Naivität oder Zurückhaltung in ihrem Blick. Um das einschüchternde Bild auf die Anwesenden wirken zu lassen und so dessen Effekt zu verstärken, blieb sie noch einen Moment in der offenen Türe stehen, bevor sie langsam, mit geräuschvollen Schritten auf die Theke zuging. Einen Meter davor blieb sie stehen und blickte den Wirt stumm an, der die Möglichkeit nutzte, sie ungeniert zu mustern.

    Über ihrer linken Schulter trug sie einen Rucksack. An ihrem Gürtel sah er ein langes Kampfmesser und einen Betäubungsblaster. Dies konnte nur bedeuten, dass sie eine Erlaubnis für diese Waffen besaß. Anderenfalls hätte, aufgrund der strengen Waffengesetze auf der Station, diese Bewaffnung nicht ausgereicht, sich durch den Sicherheitsdienst zu kämpfen. Zur Delta-City-Sicherheitsbehörde gehörte sie nicht, da sie keine entsprechende Uniform trug. Die letzte Möglichkeit, die Balthasar einfiel, bereitete ihm äußerstes Unbehagen, was die Bewaffnete ihm wohl auch ansah.

    »Kopfgeldjägerin.«

    Sie sagte es kühl und in ihrer Stimme schwang ganz subtil die Botschaft mit, dass sie eine Reihe Tugenden auszeichnete. Geduld gehörte nicht dazu.

    »Ist das die Bezeichnung, nach der du suchst? Wirt

    Das letzte Wort kleidete sie in eine wohldosierte Mischung aus Abscheu und Geringschätzung. Längst war die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf die Szene an der Theke gerichtet. Körperhaltung und Verhalten der Gäste signalisierten eindeutig, dass sie dem Geschehen nur einen unterhaltsamen Charakter beimaßen, jedoch nicht eingreifen wollten.

    Der Raumpirat zeigte weiterhin seine betont lässige, fast schon desinteressiert wirkende Haltung.

    Wut keimte in Balthasar. Ihr Auftrag konnte nicht ihm gelten, da er nicht in illegale Aktivitäten verwickelt war. Na ja, zumindest in keine, die den Einsatz einer Kopfgeldjägerin rechtfertigten. Er musste herausfinden, was die Frau in seine Bar führte.

    »Was gibt es … Kopfgeldjägerin?«

    »Sphinx!«, ertönte die Stimme des Raumpiraten von seiner Nische aus. »Sie nennt sich Sphinx!«

    »Kain«, entgegnete die Kopfgeldjägerin laut, ohne sich umzudrehen, »du elender Bastard hast mir gerade noch gefehlt!«

    Balthasar hob fragend die Brauen.

    »Sphinx? So wie dieses ägyptische Steinding?«

    »Nein, nicht wie dieses ägyptische Steinding, sondern so wie dieses griechische Mythologieding«, ätzte sie, eher von Arroganz als Wut beflügelt.

    »Ähm, wo ist der Unterschied?«, fragte der Wirt und hob mit gespielter Gelassenheit die Schultern.

    Sie schloss kurz die Augen und sog zischend die Luft zwischen ihren Zähnen durch, bevor sie sich übertrieben grimmig schauend zu einer Antwort herabließ:

    »Es geht um die Botschaft, klar?«

    Seinem weiterhin auf ihr ruhenden, fragenden Blick entsprechend, erklärte sie weiter: »Der Name soll nur eines vermitteln: Ich reagiere recht ungehalten darauf, wenn man mir nicht die Antwort gibt, die ich hören möchte.«

    Bevor er weiter auf das Gesagte eingehen konnte, nahm sie den Rucksack von der Schulter, öffnete ihn und zog einen fast unterarmlangen Stab, etwa zweimal so dick wie ihr Daumen, hervor. Ein Ende davon ließ sich aufgrund seiner Beschaffenheit – und angesichts der Tatsache, dass die Kopfgeldjägerin es genau so benutzte – als Griff definieren. Auf der anderen Seite endete der Stab in einer Kugel, die metallisch schimmerte. In diesem Moment erhob Kain sich von seinem Stuhl und schälte seine Gestalt aus den Schatten, die seine Ecke dominierten. Langsamen Schrittes näherte er sich der Szene an der Bar. Der Wirt zog skeptisch die Brauen zusammen, als er den ihm unbekannten Gegenstand in der Hand der Frau betrachtete.

    »Wa – «, setzte er an, bevor er von Sphinx unterbrochen wurde.

    »Ich werde dir jetzt eine Frage stellen. Wenn mir deine Antwort gefällt, ist alles gut und wir bleiben Freunde. Wenn nicht …«

    Sie ließ die drei Punkte am Ende ihres Satzes einen Moment wirken, ehe sie mit einem dämonischen Lächeln den Stab in ihrer Hand anhob, bis sich die Spitze davon direkt vor seinen Augen befand. Der Wirt wollte etwas erwidern, sie ließ sich dadurch aber nicht davon abhalten, weiterzusprechen: »Dieser Stab hier ist ein sehr modernes, technisches Instrument. Man könnte es wohl vereinfacht einen Thermoregulator nennen. Tatsächlich kann ich damit Flüssigkeiten im Bruchteil einer Sekunde zum Kochen bringen, oder auch zu Eis erstarren lassen.« Während sie die letzte Silbe über ihre Lippen rollen ließ, bewegte sie die Spitze des Stabes flink an die Seite seines Halses. Schlagartig wurde ihr Gesichtsausdruck wieder völlig kühl und sie teilte ihrem Gegenüber in geschäftsmäßigem Tonfall mit:

    »Hier befindet sich deine Halsschlagader. Kochen oder Eis – ich bin bereit auszuprobieren, ob es mit deinem Blut funktioniert.«

    Das Gesicht des Mannes wurde aschfahl und seine Unterlippe zitterte, als er entgegnete:

    »Nun frag schon! Ich werde antworten!« Sie nickte zufrieden und räusperte sich leise, bevor sie ihn beim Wort nahm.

    »Ich verfolge einen Kriecher und ich weiß aus sicherer Quelle, dass er gestern hier hineingegangen ist. Da niemand ihn herauskommen sah und er nicht hier ist, gibt es für mich nur eine logische Erklärung.«

    »Ich, aber ich …«, stammelte Balthasar, woraufhin Sphinx kurz den Druck gegen die Haut seines Halses erhöhte. Der verängstigte Besitzer der Bar begann zu wimmern. »Ja, ja natürlich … ich habe hinten im Lager eine Klappe. Die hat er genutzt. Ich wollte doch bloß keinen Ärger.« Die Frau entfernte den Stab ein wenig von seiner Haut, behielt den Griff jedoch in der Hand. Langsam, nahezu in Zeitlupe, drehte sie sich um und blickte dem Raumpiraten, der plötzlich nur noch ein kleines Stück von ihr entfernt stand, direkt in die Augen. Da er sie um eine Handbreit überragte, musste sie dafür den Kopf ein wenig in den Nacken legen. Sie sagte nichts, doch drängte sich allen Anwesenden, die den Vorgängen an der Theke noch immer ihre volle Aufmerksamkeit zukommen ließen, der Eindruck auf, dass auch ohne Worte genügend Botschaften zwischen den beiden in der Luft hingen.

    Kain war es schließlich, der das Schweigen brach: »Soso, Kleines. Ich habe dir also gefehlt, sagst du?«

    Sein Gesicht zeigte übergangslos ein Grinsen, das einen gewissen Mangel an Moral suggerierte. Sphinx verengte die Augen zu Schlitzen und ihr Brustkorb hob und senkte sich unter tiefen, starken Atemzügen. Das Zucken ihres rechten Nasenflügels und der Zeigefinger ihrer rechten Hand, der verspielt über den Griff ihres Kampfmessers strich, ließen nur erahnen, welche Emotionen und Phantasien sie wohl zu ihrer nächsten Aktion animieren würden. Niemand im Raum wagte, zu atmen. Man hätte in der Stille die berühmte Stecknadel fallen hören und aus dieser dichten Atmosphäre fast schon Stücke herausschneiden können. Doch Kain ließ sich offensichtlich nicht von den Drohgebärden der Kopfgeldjägerin einschüchtern. Das Grinsen wich nicht aus seinem Gesicht. Viel eher zog es sich in die Breite, wodurch die Mundwinkel noch näher an die Ohren rückten und die lange Narbe auf seiner linken Wange den Eindruck erweckte, als schlängle sie sich durch seinen Dreitagebart.

    »Du hast es so gewollt«, krächzte sie, als seien ihre Stimmbänder von Glassplittern bedeckt – und nun schien es, als bewegten sich ihre Hände von alleine.

    Sie hielt ihm den Thermoregulator an die linke Schläfe, packte ihn mit der freien Hand am Kragen und zog ihn dicht zu sich heran, sodass sie sich direkt in die Augen blickten.

    Ihre Mundwinkel zuckten leicht und sie schlang die Arme um seinen Hals. Ihre Stirn senkte sich auf seine Schulter und ihr entwich ein wohliges Brummen bei dieser herzlichen Umarmung. Kain erwiderte die freundschaftliche Geste, bis sie nach wenigen Sekunden wieder von ihm abließ und ihn anlächelte.

    »Ewig nicht mehr gesehen, du Hund!«, rief Sphinx voller Freude.

    Kain nickte. »Ja, ich dachte, ich sehe nicht recht, als du hereinkamst.« Er zwinkerte ihr zu. »Bist aber immer noch so lässig drauf wie bei unserem letzten Aufeinandertreffen.«

    »Danke, mein Bester«, entgegnete die Kopfgeldjägerin lachend und fragte gleich darauf: »Hast du Lust auf eine Kriecherjagd? Ich kann das Kopfgeld teilen.«

    »Lass mal! Ich würde dich eher aufhalten. Ist nicht mein Metier, das weißt du doch.«

    Am Spielertisch räusperte sich ein Bikhaner – eine humanoide Spezies mit stämmigem Körperbau, im Vergleich dazu jedoch mit recht schlanken Extremitäten – und sprach die Frau an der Theke mit nasaler Stimme an: »Verzeiht, Menschendame …«

    Als sie ihm ihr Gesicht zuwandte, fuhr er fort: »Ich bin nicht sicher. Was ist ein Kriecher?«

    Sphinx blickte nur kurz irritiert in das graue Gesicht des Spielers. Sie war zwar an den Anblick dieser fast gänzlich nasenlosen Wesen mit den Flechten in diversen Rot- bis hin zu Violetttönen auf dem Kopf gewöhnt, doch hatte dieser spezielle Bikhaner auch noch unglaubliche Glupschaugen, die für einen menschlichen Betrachter doch etwas zu grotesk wirkten, um es einfach zu übergehen. Als sie bemerkte, wie sie ihn anstarrte, lächelte sie freundlich, fast ein klein wenig verlegen, und antwortete: »Kriecher sind Fassadendurchquerer. Eben Leute, die sich in der Stadt hinter der Stadt verstecken.«

    »Sie meinen, sie leben in den Wartungsräumen und -schächten?«

    »Nein, dort herrscht zu viel Betrieb. Im Heizungssystem ist es zu heiß und von den chemischen Prozessen in der Abwasser- und Abfallbeseitigung brauche ich sicher nicht anzufangen ...«

    »Ja, aber wo sind sie dann?«

    Sie hob leicht schmunzelnd die Schultern an.

    »Überall sonst. Man braucht ausreichend Abstand, muss den Luxus dieser Lebenswelt von den ekligen und schädlichen Notwendigkeiten, die er mit sich bringt, trennen. Da gibt es aber zwischendrin noch jede Menge nutzbaren Raum. Dorthin flüchten Kriecher.«

    Der Bikhaner nickte verstehend und dankte ihr knapp für die Auskunft. Der Wirt, der sich langsam von seinem Schock zu erholen schien, fragte Sphinx: »Ist dieser Kriecher denn gefährlich?«

    Sie schüttelte leicht den Kopf und erklärte: »Irgendein Möchtegernaktivist, der erschrocken ist, als ihm plötzlich jemand zugehört hat. An seinem Gefasel muss etwas seltsam gewesen sein. Oder zumindest wahr genug, dass ich dazu beauftragt wurde, ihn lebend zu den Bürohengsten auf die Delta-Station zu bringen. Dort wird er dann in den zweifelhaften Genuss des gesamten Verwaltungs- und Justizapparates von Delta-City kommen.«

    »Hm«, Kain rieb sich nachdenklich das Kinn, »pass gut auf dich auf Sa-phinx.«

    Ihren mahnenden Blick, als er im Begriff war, sich zu versprechen, quittierte er mit einer beschwichtigenden Geste, woraufhin sie ein wenig den Kopf zur Seite neigte, kurz innehielt und lächelnd antwortete: »Aber klar mach ich das. Mach dir mal keine Sorgen! Mit dem werde ich allemal fertig.«

    Mit diesen Worten ging sie auch schon auf die Tür des Lagerraumes zu, die Balthasar gerade für sie öffnete. Die zweckmäßige Einrichtung des kleinen Raumes entsprach den Erwartungen, die man gemeinhin mit einer solchen Kammer verband. Wie üblich sah man die Klappe zu den Bereichen hinter der eigentlichen Stadt nicht. Das System folgte schließlich dem Kerngedanken, den Schein der sauberen, akribisch geplanten und von den Stadtdesignern makellos verwirklichten, interstellaren Stadt Delta-City zu wahren. Dieser Gedanke wurde so ernst genommen, dass sogar die Zugänge zu den anderen² Arealen der Raumstation unsichtbar sein mussten. Ein passender Vergleich wäre wohl der Körper eines Models. Auch da wurden seit jeher natürliche Körperfunktionen ausgeblendet, um das Gesamtwerk über die Optik zu definieren. Sobald man durch beispielsweise verbale Komponenten in Korrelation zu der Person hinter der Fassade tritt, funktioniert die Formel oft schon nicht mehr.

    Der Wirt öffnete bereitwillig den Zugang zum Innenleben der Stadt und Sphinx blickte in eine Dunkelheit von höchster Qualität. Hier schien Licht nicht nur zu fehlen, es schien regelrecht ausgestoßen. Die junge Frau stieg langsam und vorsichtig durch die Öffnung, immer noch den Stab in der Hand haltend. Mit einem leisen Klicken erstrahlte plötzlich die kleine Kugel, die am oberen Ende des nun als Taschenlampe enttarnten Stabes saß, in hellem, weichem Licht. Der Inhaber der Oase knurrte ungehalten, als er bemerkte, wie Sphinx ihn zum Narren gehalten hatte.

    »Du bist doch eine verdammte ...«

    »Vorsicht!«, mahnte ihn Kain, der am Eingang des Lagerraumes stand. »Sie ist auch ohne das Ding gefährlich und außerdem eine gute Freundin von mir.«

    »Schon gut, schon gut«, murmelte Balthasar zerknirscht und drängte sich an dem Raumpiraten vorbei in die Schankstube.

    Sphinx beleuchtete ihre Umgebung, während sie – die freie Hand ununterbrochen am Blaster – vorsichtig den Bereich vor ihr betrat. Den Heizungsrohren und den elektrischen Leitungen folgend, wäre sie sicher zu den entsprechenden Wartungsbereichen gelangt – oder eben direkt zu den Appartements, die durch die Leitungen versorgt wurden. An den Orten würde der Kriecher sich aber sicher nicht aufhalten. Die Techniker, die in den Wartungsbereichen bei Bedarf ihre Aufgaben wahrnahmen, hätten ihn entdeckt und gemeldet. Zu weit entfernt von den Heizungsrohren könnte es unangenehm kalt sein. Zwar wurden die meisten Innenräume Delta-Citys mit Infrarottechnik beheizt, doch eignete sich diese Technik nicht zur Temperierung aller Stadtbereiche, wie etwa öffentlicher Plätze. Dort hatte man – ihrer ursprünglichen Funktion nach völlig unnötige – Gullydeckel eingelassen, die Heizungsschächte verbargen, welche immer für optimale Temperaturen auf den Straßen der Stadt sorgten.

    Ein Kriecher konnte nicht von den Infrarotpaneelen in der Stadt profitieren. Demnach schien es sinnvoll, zunächst den Heizungsrohren zu folgen. Der Flüchtige würde die Kopfgeldjägerin bemerken, bevor sie ihn sehen konnte, doch rechnete sie so nah beim Eingang noch nicht mit ihm. Mit der Lampe fiel die Orientierung leichter, als mit ihrem Nachtsichtgerät. Sollte er sich also dennoch schon hier versteckt halten, musste sie einfach besser sein als er. Nach allem, was sie über ihn wusste – zum Beispiel, dass er höchstwahrscheinlich keine Waffen bei sich trug – sollte dies kein Problem darstellen. Da Sphinx durch das Licht sowieso auffiel, achtete sie nicht darauf, geräuschlos zu gehen. Das ersparte ihr angesichts ihrer leichten Kampfstiefel auch viel Konzentration. Sie folgte knapp fünf Minuten lang einem Gang und kam dabei dank der Rohre richtig ins Schwitzen. An einer Kreuzung musste sie sich entscheiden. Zu den Rohren, denen sie bisher folgte, gesellten sich andere aus verschiedenen Richtungen. Geradeaus wuchs die Zahl der Leitungen. Dort ging es mit Sicherheit zum Wartungszentrum dieses Stadtteils. Diesen Weg konnte sie sich also sparen. In die seitlichen Gänge führten vereinzelte Leitungen und Rohre.

    Aber war er nach rechts oder nach links abgebogen? Hier musste sie raten. Wenn sie sich halbwegs richtig orientierte, was hier drin schwerfiel, folgten auf der linken Seite bald wieder Ausgänge beziehungsweise Zugänge zur eigentlichen Stadt, da in diesem Bereich eine längere Einkaufs- und Vergnügungsstraße vom Raumhafen in Richtung Innenstadt führte.

    Die deutlich besseren Möglichkeiten, sich zu verstecken, gab es also auf der rechten Seite. Die Kopfgeldjägerin schaltete nun die Lampe aus, zog ein leichtes, professionelles Nachtsichtgerät aus dem Rucksack und setzte es auf. Das fehlende Restlicht glich das Gerät durch eine Kombination von Infrarot-Abtastung der Umgebung und Ultraschallwellen zur konkreten Orientierung aus. Um auch verräterische Schritte zu vermeiden, klemmte sie rutschsichere, schalldämmende Clip-Sohlen an ihre Stiefel. So darauf vorbereitet, weder optisch noch akustisch unerwünschte Aufmerksamkeit zu erregen, zog sie den Blaster und ging, so zügig es eine weitgehend lautlose Fortbewegung zuließ, in den rechten Gang.

    Die Umgebung veränderte sich über geraume Zeit nicht. Ob sie tatsächlich so eine lange Wegstrecke zurückgelegt hatte, wie es ihr schien, oder ob ihre Fortbewegungsweise ihr Zeitgefühl trog, konnte sie nicht sagen. Wie zu erwarten, kam sie nach einer Weile erneut an eine Kreuzung, diesmal nur mit einem Weg

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1