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S, M, L oder Mut ist der Anfang von Vielem: Roman
S, M, L oder Mut ist der Anfang von Vielem: Roman
S, M, L oder Mut ist der Anfang von Vielem: Roman
eBook276 Seiten3 Stunden

S, M, L oder Mut ist der Anfang von Vielem: Roman

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Über dieses E-Book

Mode ist Gretas große Leidenschaft. Schon als Kind nahm sie den Kleiderschrank der Eltern auseinander und veranstaltete Modenschauen mit ihren Freundinnen. Nun, endlich erwachsen, entwirft und näht Greta Outfits für Freunde, schreibt ihren eigenen Mode-Blog und träumt von einer großen Karriere in der Fashionwelt.
Doch die Realität sieht anders aus . . . Als Verkäuferin bei einem Modeunternehmen berät sie Kunden lediglich bei der Auswahl ihrer Kleidung. Oft stößt sie hierbei an ihre Grenzen, denn so verschieden die Menschen sind, so auch ihre Modegeschmäcker, und bei manchem ist erst gar keiner vorhanden ...
Carla, Gretas beste Freundin und in puncto Mode eher der praktische Typ, kann ihr Faible so gar nicht nachvollziehen, unterstützt sie aber dennoch nach Kräften. Und diese Hilfe wird sie brauchen, denn es steht ein Designwettbewerb an, der DIE große CHANCE für sie bedeutet! Hendrik, ein Freund und Kollege, will sie ebenfalls unterstützen, doch er spielt ein doppeltes Spiel . . . Wird sich Gretas Traum von der Karriere als Modedesignerin doch noch erfüllen?
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum16. Juli 2018
ISBN9783828034426
S, M, L oder Mut ist der Anfang von Vielem: Roman
Autor

Jana Rudolph

Jana Rudolph wurde 1967 in Dresden geboren und absolvierte eine Ausbildung zur Industriekauffrau und Wirtschaftsassistentin. Seit 1997 ist sie im Bereich Mode tätig. Schreiben wollte sie eigentlich schon immer, aber erst vor zwei Jahren war der richtige Zeitpunkt dafür gekommen. Um nicht einfach mal so loszuschreiben, absolvierte Jana Rudolph vorsorglich ein Fernstudium für kreatives Schreiben.

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    Buchvorschau

    S, M, L oder Mut ist der Anfang von Vielem - Jana Rudolph

    Inhaltsverzeichnis

    Eins

    Zwei

    Drei

    Vier

    Fünf

    Sechs

    Sieben

    Acht

    Neun

    Zehn

    Elf

    Zwölf

    Dreizehn

    Vierzehn

    Fünfzehn

    Sechzehn

    Siebzehn

    Achtzehn

    Neunzehn

    Zwanzig

    Einundzwanzig

    Zweiundzwanzig

    Dreiundzwanzig

    Vierundzwanzig

    Fünfundzwanzig

    Sechsundzwanzig

    Siebenundzwanzig

    Achtundzwanzig

    Neunundzwanzig

    Dreißig

    Einunddreißig

    EINS

    „Greta, Greetaa!" Leicht gedämpft hörte sie diesen Namen. Es kam ihr vor, als ob die Rufe von ganz weit her, wie durch Watte zu ihr drangen. Was war denn bloß los?

    „Hallo Greta, hörst du nicht?"

    Der Name kam ihr nicht unbekannt vor. Irgendwo hatte sie ihn schon einmal gehört. Aber wo? Ihr Kopf fühlte sich leer an. Nach einer Weile bekam sie eine vage Vorstellung. Greta, das war doch einer der beiden Vornamen, den ihre Eltern ihr vor neunundzwanzig Jahren gegeben hatten. Tatsächlich, ihr Taufname war Greta Marie. Aber warum schrie man so unkontrolliert nach ihr und vor allem wer?

    Soeben war sie doch noch in ein Gespräch mit der Chefredakteurin der „Vogue" vertieft gewesen. Es drehte sich um Gretas Entwürfe, bei deren Anblick die Frau absolute Begeisterung gezeigt hatte. Gleichzeitig forderte sie von ihr die Präsentation ihrer Modelle bei einer Fashion-Show. Anna Wintour höchstpersönlich hatte mit ihr, Greta Berg aus Berlin-Friedrichshain, gesprochen, einfach Wahnsinn.

    Doch nun verblasste das Bild, und es drang wieder dieses fürchterliche Geschrei in ihr Unterbewusstsein und gleichzeitig ein nervtötendes monotones Hämmern. Wobei sie nicht wusste, ob der Ursprung in ihrem Kopf lag oder ganz woanders. Es gelang ihr nicht, die Geräusche zu ordnen. Kurz blitzte die Erinnerung auf: Sie hatte gestern mit Tom noch eine weitere Flasche Wein geleert und dabei wie so oft über ihr momentan nicht vorhandenes Liebesleben philosophiert.

    Greta zog sich die Decke über den Kopf und kniff die Augen fest zusammen, aber es war nutzlos. Da war sie wieder, diese ihr nicht unbekannte Stimme. Wann und wo hatte sie sie bloß schon einmal gehört? Sie zermarterte sich das Hirn. Um den Tonfall zu analysieren, schob sie behutsam die Bettdecke vom linken Ohr. Dabei bewegte sie den Kopf und da war er wieder, dieser scharf ziehende Schmerz, der sich wie tausend Nadelstiche anfühlte. Mit einem gequälten Stöhnen sank sie auf ihr Kissen.

    Langsam kam die Erinnerung zurück. Die Stimme gehörte Tom, ihrem besten Freund. Er bewohnte das Appartement unter ihr. Aber warum um Himmels willen schrie er um diese nachtschlafende Zeit nach ihr?

    „Greta, nun stell endlich den verdammten Wecker aus, du holst ja das gesamte Haus aus den Betten, und nicht nur das!"

    Greta seufzte genervt. Sie blinzelte angestrengt. Na, genug von einer Karriere bei der „Vogue" geträumt. In der Realität zurück, sagte ihr ein Blick auf den Wecker, dass sie wieder einmal verschlafen hatte. Bei dem Gedanken nahm das Dröhnen im Kopf ruckartig an Fahrt auf. Sie kam sich vor, als ob sie auf einem Kahn schaukelte.

    Eigentlich hatte sie gestern Abend zwei Wecker stellen wollen, aber es nur bei einem wirklich getan. Den hatte sie dann wohl oder übel in der Diele vergessen, sodass Tom eher was von dem Klingeln mitbekommen hatte. Sein Schlafzimmer befand sich genau unter ihrem.

    Sie stellte sich Tom vor, wie er mit seiner auf die Stirn hochgeschobenen rosa Schlafbrille, welche die Form eines Hasengesichtes hatte, und den mit ebenfalls winzigen Häschen besetzten Boxershorts auf dem Stuhl stand und gegen ihre Decke hämmerte. Dieser Gedanke ließ sie leise kichern, verursachte allerdings ein erneutes Stechen hinter ihrer Stirn. Auf einmal drang auch noch ein sanftes Pfeifen an ihr Ohr. Was hatte das wieder zu bedeuten? Zögerlich drehte sie den Kopf. Neben sich sah sie, friedlich schlummernd, ihren zweijährigen Kater Beule liegen. Im Schlaf bewegten sich seine Barthaare leicht zitternd hoch und runter. Unvermittelt zuckte eine Pfote in ihre Richtung. Mit Sicherheit erlegte er im Traum soeben eine Maus. Bevor sie endgültig aufstand, strich sie ihm liebevoll über das getigerte Fell.

    Mühsam schleppte sich Greta aus dem Bett. Unter ihrer Schädeldecke pulsierte es heftig. Der Wecker lief mittlerweile auf Hochtouren. Der Ton begann sich bereits loopingartig zu überschlagen. Endlich erreichte sie die Lärmquelle und schaltete diese ab.

    Ihre verdammte Schusseligkeit, wieso konnte es nicht einmal klappen, dass sie rechtzeitig zur Arbeit kam? Dabei hatte sie sich das so fest vorgenommen, da ihre Chefin Annette Winter ihr deswegen ständig die Hölle heißmachte. Heute Morgen war sie zur Warenannahme eingeteilt. Ihr Kollege Gerd wäre nicht sonderlich erfreut darüber, wenn er diese Arbeit ohne sie würde erledigen müssen.

    Aber gut. Eines ging nur. Entweder pünktlich sein oder fantastisch aussehen. Da sie in einem Modeunternehmen arbeitete und dieses entsprechend repräsentieren sollte, fiel ihr die Entscheidung nicht allzu schwer. Dann würde Gerd sich der Schönheit zuliebe halt etwas in Geduld üben müssen. Wenn sie sich beeilte, schaffte sie es schon mal in einer Viertelstunde durchs Bad. Sie hielt ihren Kopf erst einmal unter Wasser. Danach konnte sie ein bisschen klarer denken.

    Jetzt noch schnell in die Maske, dachte Greta. Make-up gehörte bei ihr zum Pflichtprogramm. Ohne ging sie nicht einmal zum Mülleimer. Es wäre ja durchaus möglich, dass sie genau an diesem Tag am Müllplatz ihrem Traummann begegnen würde – und das dann ungeschminkt? Nein, auf gar keinen Fall! Der Typ würde denken, dass bereits wieder Halloween wäre.

    Tom zeigte in dieser Hinsicht vollstes Verständnis für sie. Auch bei ihm musste in Sachen Styling, sobald er das Haus verließ, alles perfekt sein. Besonderen Wert legte er auf seine Haare. Für ihn kein Ding, er verdiente sein Geld schließlich als Friseurmeister mit eigenem Salon, einem der hippsten Läden der Stadt. Er hatte Talent und wurde mit jedem noch so heiklen Wirrwarr von „Haar" fertig. Gott sei Dank auch mit ihrem. Greta bedauerte sehr, dass sie sich den Luxus nicht leisten konnte, täglich Toms Friseurdienst in Anspruch zu nehmen.

    Deshalb war sie damit in diesem Moment erst recht auf sich selbst gestellt. Mit ihrem fransigen Kurzhaarschnitt war sie nicht sonderlich glücklich. Ihre Haare standen jeden Tag wirr in eine andere Richtung ab. Auch heute blieb sie davon nicht verschont. Flink zerrte sie noch das Glätteisen durch das Durcheinander auf ihrem Kopf.

    Nachdem das Haar gerichtet war, stellte sich die Frage: Was anziehen? Dieses Problem galt es jeden Tag zu lösen. Ihre Freundin Carla schüttelte bei dem Anblick des Inhaltes von Gretas Kleiderschrank immer nur unverständlich den Kopf und sprach von Unmengen unnützen Zeuges.

    Greta fand, dass sich gar nicht so viele Sachen in ihrem Schrank tummelten, schon gar keine unnützen. Na gut, es fiel ihr nicht leicht, sich von einigen Teilen zu trennen. Es gab Kleidungsstücke, an denen hingen noch die Preisetiketten. Bei manchen konnte sie sich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern, wann und wo sie sie erworben hatte. Aber bestimmt hatte es dafür einen guten Grund gegeben. Einige Sachen hatte sie gekauft, um sich zu belohnen, dass sie es pünktlich zur Arbeit geschafft hatte, andere wiederum waren wohl auch Frustkäufe.

    Fast schon wissenschaftlich bewiesen ist die These, dass man Klamotten, die man eine Saison lang nicht ein einziges Mal getragen hat, nie wieder im Leben anziehen würde. Greta sah das allerdings anders. Aussortieren kam auf keinen Fall infrage, da die Möglichkeit bestand, die Kleidung noch für irgendeine Mottoparty verwenden zu können.

    In ihrem Kleiderschrank lagen nicht nur Gegenstände, die sie gekauft hatte, sondern auch Teile der Kollektion ihrer Hobby-Schneiderei. Sie konnte sich von keinem Stück trennen. Ihr Herz hing besonders an ihrem ersten selbst geschneiderten Abendkleid. Bis auf den schrägen Halsausschnitt (es handelte sich um ein trägerloses, schulterfreies Kleid) und den Saum, der Unterschiede in der Länge aufzeigte und sich unten wellenartig zusammenzog, war es wirklich ein Traum. Zumindest die Farben waren wunderschön. Obwohl das Muster sie beim Nähen ein bisschen verunsichert hatte und diese klitzekleinen Fehlerteufel sich deshalb einschleichen konnten. Aber sie liebte das Kleid. Offensichtlich waren allerdings einige Komponenten zusammengekommen, die sich nicht für das Nähen eines solchen langen Modelles eigneten.

    Jetzt musste sie sich aber sputen. Greta stolperte durch die Wohnung auf der Suche nach ihrem Handy. Dieses verflixte Ding. Es lag aber auch immer da, wo man es nicht vermutete. Oh mein Gott, schon so spät! In dreißig Minuten begann ihr Dienst. Die Winter hatte sie auf dem Kieker. Greta hatte sich nach der ersten Abmahnung, die sie für ihr Zuspätkommen erhalten hatte, fest vorgenommen, dass ihr das nie wieder passieren würde. Leider war es bei dem guten Vorsatz geblieben. Die aufkommenden Gewissensbisse verdrängte sie gern.

    Greta zerrte in Windeseile eine Jeans, ein weißes T-Shirt und einen dunkelblauen Blazer mit silberfarbenen Knöpfen aus dem Schrank. Anschließend stellte sich noch die Frage: High Heels oder Turnschuhe? Sie liebte hochhackige Schuhe in allen Varianten, ob als Stiefel oder Sandalette. Auch davon gab es eine enorme Auswahl bei ihr. Hohe Absätze streckten so vorteilhaft die Beine.

    Greta fühlte sich noch nicht absolut fit. Daher entschied sie sich heute für ihre Lieblingssneakers. Somit war ihr Look perfekt. Sie drehte sich vor dem Spiegel. Trotz der kurzen Nacht war sie zufrieden mit ihrem Aussehen. Sie hatte ein wenig Rouge verteilt und ihre grünen Augen mit Mascara betont. Ein bisschen roséfarbener Lipgloss aufgetragen und schon war sie fertig. Mit den auf ihrer Nase befindlichen Sommersprossen hatte sie nach wilden Schminkattacken und Bleichversuchen im Teeniealter mittlerweile Frieden geschlossen.

    Jetzt aber los. Obwohl. Ohne Kaffee kam sie nicht in die Gänge. Zum Selberkochen fand sich wirklich keine Zeit mehr. Außerdem: Wie sie sich kannte, war das Kaffeepulver aufgebraucht. Also blieb nur, flugs bei Tom vorbeizuschauen oder bei Freddy im Bistro gegenüber einen Kaffee zu ergattern. Nach diesem wäre sie hundertprozentig wach. Sie entschied sich für Freddys Laden. Tom würde sie nur nerven wegen des unüberhörbaren, klingelnden Weckers und ihr eine Standpauke halten. Denn für ihn kam Zuspätkommen überhaupt nicht infrage. Sie beneidete ihn darum: Sein Zeitmanagement stimmte einfach immer.

    Greta schnappte sich Handy, Schlüssel und ihre Handtasche. Anschließend rannte sie, zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe nach unten.

    Draußen empfing sie unangenehm sprühender Nieselregen, der sich sofort wie ein Gesichtsspray auf ihre Haut legte. Damit hatte sie keineswegs gerechnet. Heute passte auch wieder gar nichts und die Zeit saß ihr im Nacken. Das Haareglätten ist somit wohl für die Katz gewesen, dachte Greta. Sie hastete, ihre Tasche schützend über den Kopf haltend, auf die andere Straßenseite zu Freddys Bistro.

    Jedes Mal wenn sie das Lokal betrat, schreckte sie kurz zusammen, da genau hinter der Tür ein Totenkopf hing. Freddy war der Meinung, dass es sich bei diesem um seinen Ururonkel mütterlicherseits handelte. Das Aufhängen des Totenschädels in Geschäftsräumen sollte Glück und Reichtum bringen. Greta bezweifelte das und an den Anblick würde sie sich wohl nie gewöhnen.

    Das Bistro war nicht das gemütlichste, aber hier gab es den stärksten und leckersten Kaffee der Stadt, fand Greta. Deswegen ertrug sie regelmäßig den Anblick des Schädels. Außerdem mochte sie Freddy sehr. Einem Schwatz gegenüber war dieser auch nicht abgeneigt. Wenn er allerdings in seinen unbändigen Redefluss verfiel, fand er oft kein Ende.

    Besonders gern erzählte er davon, als er in der HO-Gaststätte am Alexanderplatz gearbeitet hatte, ein Glas Helles bis dato 51 Pfennig kostete und der Kellner noch als „der Vorgesetzte des Gastes galt, da der immer abwarten musste, bis er vom Ober „platziert wurde. Wenn Freddy von den alten Zeiten sprach, fingen seine Augen jedes Mal an zu leuchten. Die Erinnerungen daran ließen ihn nicht los. Aus diesem Grund hatte er auch einige Highlights der DDR-Gastronomie in sein jetziges Bistro übernommen.

    So standen auf der Speisekarte Karlsbader Schnitte, Halberstädter Würstchen, Spreewaldgurken, Letscho mit Sättigungsbeilage (das konnte alles sein, außer Gemüse und Fleisch) und sein berühmter Retro-Kaffee, eine Mischung aus Rondo, Muckefuck und Mocca Fix, den bekanntesten Kaffeesorten des ehemaligen Ostens. Auch bei den Getränken konnte sich Freddy nicht von einstigen Klischees trennen. So nannte er seine rote Fassbrause immer noch liebevoll Thälmannlimonade.

    „Greta, meene Kleene, na, allet in Butta? Du siehst aus, als ob du heute ’nen doppelten Freddy-Spezial-Wachmachkaffee vertragen könntest."

    Sie nickte einfach nur. „Dir auch einen guten Morgen, Freddy. Das war genau das, was ich jetzt hören wollte. Du kannst einen wahrhaftig aufbauen mit deinen unverwechselbaren, charmanten Äußerungen, da fühle ich mich doch gleich viel besser."

    „Nu stell dich nich so an. Wie lange kennen wir uns schon? Ick dachte, wir sind Freunde und mir war nich klar, dass du dich so pingelig anstellen kannst."

    „Tu ich doch gar nicht. Aber ich bin heute Morgen besonders sensibel. Auch Freunde vertragen nach so einer kurzen Nacht nicht immer die Wahrheit. Was war das überhaupt für ein grässliches Gesöff, das du Tom für unseren Singleabend angedreht hattest? Mein Kopf platzt gleich."

    „Wie, is dir kodderig? Det war ’ne Pulle lecker Rotwein aus meinem Altbestand. Wir haben früher fast ausschließlich halbtrockenen und am allerliebsten lieblichen Wein jetrunken. Allet andere schmeckte total sauer. Den vornehmen Ausdruck bruit gab es da noch jar nich."

    Freddy klang etwas verstimmt und machte sich eilfertig daran, Greta einen Kaffee einzuschenken.

    „Schon okay, wahrscheinlich hätte es ein Glas weniger auch getan. Ich muss los. Bin mal wieder spät dran, zu spät. Drück mir die Daumen, dass ich diesmal mit einem blauen Auge davonkomme."

    Freddy wollte eben etwas erwidern, als Greta ihren Bus um die Ecke biegen sah. Sie schnappte sich rasch den bereitgestellten Kaffeebecher, warf ihm zur Versöhnung eine Kusshand zu und rief: „Bis demnächst und danke für den Kaffee."

    Dann rannte sie los und war froh, dass sie sich für die Sneakers und nicht für die High Heels entschieden hatte.

    ZWEI

    Tom stieg missmutig vom Stuhl und legte den Minigolfschläger aus der Hand, mit dem er die Zimmerdecke malträtiert hatte. Greta trieb ihn in den Wahnsinn! Zum wiederholten Mal dieses unerträgliche Weckerklingeln! Da es ewig dauerte, bis sie reagierte, konnte er sich schon denken, dass es bei ihr mal wieder zeitlich knapp für einen pünktlichen Arbeitsbeginn war. Sie ist und bleibt eine Chaotin, dachte er. Aber eine echt liebenswerte.

    Er hatte Greta vor etwa drei Jahren auf einer Party kennengelernt. Tom war mit der Absicht nach Berlin gekommen, den Friseurladen seines Onkels zu übernehmen. Er hatte noch einige Probleme mit der meist schnodderigen und teilweise uncharmanten Art der Einheimischen. Oft beschlich ihn in einer Gruppe das Gefühl, er sei nicht erwünscht. Die Berliner blieben sehr gern unter sich und verhielten sich Fremden gegenüber nicht unbedingt aufgeschlossen. Das hatte er mittlerweile begriffen. Es dauerte eine Zeit lang, bis man das unumstrittene Zugehörigkeitsgefühl bekam. Dafür benötigte man oft die nötige Gelassenheit.

    Greta bemerkte an jenem Abend Toms Dilemma und nahm sich spontan seiner an. Er gefiel ihr mit der hochgewachsenen schlanken Figur und den stahlblauen Augen. Auch sein Kleidungsstil kam nach ihrem Geschmack. Sie verstanden sich auf Anhieb. Nachdem sie sich die halbe Nacht alles Mögliche aus ihrem Leben erzählt hatten, war Tom doch ein klein wenig in Greta verliebt. Der Umgang mit ihr war herrlich unkompliziert. Man konnte mit ihr lachen, aber ebenso über ernst zu nehmende Dinge diskutieren. Obwohl sie nur ein paar Stunden miteinander verbrachten, stimmte die Chemie zwischen ihnen beiden. Tom fühlte sich auf seine Art zu Greta hingezogen.

    Auch sie empfand ihre gegenseitige Vertrautheit als wohltuend, was sie ihm unmissverständlich sagte. Gott sei Dank, denn dadurch war gleich ihr Verhältnis zueinander geklärt, nicht zuletzt das mit der ‚Verliebtheit‘. Tom gestand Greta, auf Männer zu stehen. Eine Frau als Partnerin kam für ihn nicht infrage. Es fühlte sich gut an, dass sie sich ausgesprochen hatten. Beide genossen es, in dem anderen einen echten Freund gefunden zu haben.

    Zu dem Zeitpunkt stand eine Wohnung in Gretas Haus zur Vermietung. Er ergatterte diese mit ihrer Hilfe und sein Glück war somit vorerst perfekt.

    Es kostete zugegebenermaßen einige Mühe, an die neuen eigenen vier Wände zu gelangen. Greta meinte, dass sie Frau Steiner, die Vermieterin, mit Charme und einer Flasche selbst gemachtem Eierlikör gemeinsam um den Finger wickeln könnten. Klang erst mal recht einfach.

    Es wurde alles, nur nicht recht einfach.

    An besagtem Nachmittag klingelten sie bei Frau Steiner, sie wohnte ebenfalls in dem Haus, in dem die Wohnung zur Vermietung stand. Hinter der Wohnungstür hörten sie ein aufgeregtes Bellen mit anschließendem Dauerknurren. Tom sprang entsetzt zurück.

    „Greta, warum hast du mir nicht erzählt, dass die Alte so einen Kläffer besitzt? Du kennst doch meine Angst vor Hunden, empörte er sich. „Trotz alledem schleppst du mich ohne Vorwarnung hierher!

    „Ja, das war der Sinn der Sache, sonst würden wir jetzt nicht hier vor dieser Tür stehen."

    „Das ist unfair. Nein, das kann ich auf keinen Fall. Früher …"

    Greta unterbrach ihren Freund unwirsch, langsam verlor sie die Geduld.

    „Ich weiß, in deiner Kindheit hat dir in Onkel Hans’ Scheune ein Hund im Dunklen seinen Schwanz übers Gesicht gestrichen. Nachdem du der Meinung warst, es handle sich um eine haarige Spinne, hast du unkontrolliert um dich geschlagen und dabei die Schnauze des Tieres erwischt. Dafür hat er nach dir geschnappt. Seither hast du diese Abneigung gegen jede Art von Hunden. Sicherlich keine angenehme Erfahrung, lieber Tom, aber verdammt lange her. Außerdem willst du doch die Wohnung oder hast du es dir gerade anders überlegt?", fragte sie ihn provozierend.

    Tom nestelte an den Knöpfen seiner Jacke und drehte sich mit angedeutetem Schmollmund von ihr weg. Greta meinte: „Du, wir können auch wieder abhauen. Anschließend hocken wir uns auf die Straße, trinken den Eierlikör und versinken in abgrundtiefem Selbstmitleid."

    Tom zögerte, also setzte sie noch einen drauf.

    „Ja, meine Idee gefällt mir, klingt nach einem Plan. Komm, lass uns verschwinden."

    Greta machte eine Kehrtwende und gab vor, die Treppe hinunterzulaufen. In solchen Dingen konnte sie absolut überzeugend sein.

    Tom drehte sich zögernd um, er war hin- und hergerissen. Aber er brauchte die Wohnung. Sollte er wegen so einer Kindheitserinnerung – oder handelte es sich dabei etwa doch um ein ausgewachsenes Trauma? – darauf verzichten? Ach, das wirkte wohl etwas übertrieben. Vielleicht entpuppte sich der Hund ja als völlig harmlos und rannte bei seinem Anblick gleich davon. Tom redete sich die Umstände schön.

    Greta war mittlerweile einen Treppenabsatz nach unten gestiegen. Aber ohne sie wagte er sich auf keinen Fall in die Höhle des Löwen bzw. des Hundes.

    „Du hast ja recht. Komm bitte wieder hoch. Lass uns die Sache hinter uns bringen. Sonst überlege ich es mir womöglich doch noch."

    Greta grinste in sich hinein und kam gemächlich zurück. Sie legte Tom behutsam die Hand auf die Schulter. „Wir schaffen das schon, wirst sehen."

    Toms Kloß im Hals schwoll erheblich an. Er schluckte. Stumm nickte er seiner Begleiterin zu.

    Das Knurren verstärkte sich hörbar. Tom versuchte, sich hinter Greta zu verstecken.

    Die Tür sprang auf. Vor ihnen stand kampflustig ein mickriger, dicker, pechschwarzer Hund mit leicht nach außen gebogenen Beinen. Er sah aus wie eine Mischung aus Pudel und Mops. Die Augen schielend aufgerissen, bleckte er kleine, spitze Zähne. Er knurrte. Dabei zitterte seine Schnauze vor Aufregung. Dazu drehte er sich wie ein Kreisel um die eigene Achse. Bei diesem Anblick lachte Tom instinktiv auf.

    „Was ist so lustig, junger Mann?", hörten sie eine dunkle, rauchige Stimme nuscheln. Vor ihnen stand eine Frau in einem pinkfarbenen ärmellosen Baumwollkleid, das gerade mal bis zur Mitte ihrer – nicht mehr ganz faltenfreien – Oberschenkel reichte. Darunter zeichnete sich ein doch recht üppiger Busen ab. Die Füße kleideten ein paar Pantoffeln mit getigertem Plüschbesatz und Pfennigabsätzen. Ihre

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