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Ein Krabbencocktail für eine Leiche: Kriminalroman
Ein Krabbencocktail für eine Leiche: Kriminalroman
Ein Krabbencocktail für eine Leiche: Kriminalroman
eBook259 Seiten3 Stunden

Ein Krabbencocktail für eine Leiche: Kriminalroman

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Über dieses E-Book

Sylter Seeluft schnuppern - das ist für Greta Kaiser genau das Richtige. Die Ruhe am Meer wird ihr guttun. Doch statt eines Krabbencocktails am Strand wird ihr in ihrem Hotel eine Leiche serviert. Aber Greta ist keine Frau, die sich von einem solchen Ereignis einschüchtern lässt. Gemeinsam mit ihrer Urlaubsbekanntschaft Joost - einem pensionierten Sylter Polizisten - gräbt sie in einer alten Familiengeschichte und gerät so ins Visier des Mörders.
SpracheDeutsch
HerausgeberGMEINER
Erscheinungsdatum14. Feb. 2024
ISBN9783839278505
Ein Krabbencocktail für eine Leiche: Kriminalroman

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    Buchvorschau

    Ein Krabbencocktail für eine Leiche - Sylvia Bergman

    Zum Buch

    Meer. Möwen. Mord. Ein paar Tage Seeluft schnuppern – das ist für Greta Kaiser gerade genau das Richtige. In ihrer Hamburger Wohnung langweilt sie sich nur. So hat sie sich den Ruhestand nicht vorgestellt! Also bucht sie kurzerhand zwei Wochen Urlaub in Munkmarsch auf Sylt. Womit Greta nicht gerechnet hat: Ihr Hotel war Schauplatz eines Mordes. Auch jetzt liegen düstere Schatten auf dem Haus. Doch Greta ist keine Frau, die sich davon einschüchtern lässt. Sie wittert ein Geheimnis, das viele Jahre zurückreicht und mit einem Künstler zu tun hat, dessen Leiche vor einigen Wochen am Strand von Kampen angespült wurde. Gemeinsam mit Joost – einem pensionierten Sylter Polizisten – gräbt sie in einer alten Familiengeschichte und gerät so ins Visier des Mörders.

    Sylvia Bergman schreibt seit Jahren Thriller und Kriminalromane. Sie wurde in der Altmark geboren und studierte in Hamburg Betriebswirtschaftslehre. Mit ihrer ersten Kriminalromanserie weckte sie schnell die Aufmerksamkeit ihrer Leser. Sowohl ihre Krimis als auch ihre packenden Thriller sind geprägt von starken weiblichen Charakteren, die sich immer wieder neuen moralischen, seelischen und physischen Herausforderungen stellen müssen. Ihre Leser schätzen die unverhofften Wendungen in ihren Büchern und das überraschende Ende. Sylvia Bergman lebt mit ihrer Familie in der Lüneburger Heide.

    Impressum

    Die automatisierte Analyse des Werkes, um daraus Informationen

    insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen gemäß § 44b UrhG

    (»Text und Data Mining«) zu gewinnen, ist untersagt.

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    Telefon 0 75 75 / 20 95 - 0

    info@gmeiner-verlag.de

    Alle Rechte vorbehalten

    Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht

    Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

    unter Verwendung eines Fotos von: © Jenny Sturm / stock.adobe.com

    ISBN 978-3-8392-7850-5

    Haftungsausschluss

    Personen und Handlung sind frei erfunden.

    Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

    sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

    Kapitel 1

    Hamburg

    »Glauben Sie, mich damit einschüchtern zu können, junger Mann?«

    Am anderen Ende der Leitung wurden wüste Beschimpfungen ausgestoßen.

    »Ich habe sehr wohl Besseres zu tun, als den ganzen Tag aus dem Fenster zu schauen!«, blaffte Greta Kaiser empört in den Telefonhörer. Die zierliche, ältere Frau baute sich zur vollen Größe auf. »Doch selbst wenn es nicht so wäre, war ich nicht derjenige, der seine Freundin geschlagen hat, und lassen Sie sich eines gesagt sein: Ich behalte Sie ab sofort im Auge! Ihre Drohungen bestärken mich nur noch in der Annahme, dass Sie hinter Gitter gehören. Es ist mir schleierhaft, wieso Sie immer noch auf freiem Fuß sind.«

    Gretas Nachbar erschien im Haus gegenüber im dritten Stock am Fenster, das Handy in der Hand. Er machte eine obszöne Geste in ihre Richtung. Gemessen an ihren 65 Jahren war er ein Welpe. Niemand, von dem sie sich beeindrucken ließ.

    »Sie machen mir keine Angst, im Gegenteil. Ich brenne darauf, dass Sie den Fehler begehen, der Sie für immer ins Kittchen bringen wird«, brüllte sie ins Telefon.

    Er schrie zurück.

    »Ja, das wünsche ich Ihnen auch!« Mit leicht erhöhtem Puls legte sie auf. Am liebsten hätte sie die Vorhänge zugezogen, aber diese Genugtuung wollte sie dem Verbrecher auf der anderen Straßenseite nicht geben. Er hatte mit unterdrückter Nummer angerufen. Darauf war sie hereingefallen.

    Vor einigen Tagen war Greta Zeugin geworden, wie er eine junge Frau, sie mochte Anfang 20 sein, in seiner Wohnung mehrfach geschlagen hatte. Die Frau hatte sich am Ende auf dem Küchenfußboden zusammengerollt und versucht, sich mit beiden Armen gegen seine Attacken zu schützen. Greta hatte sofort die Polizei gerufen. Es war purer Zufall gewesen, dass sie gerade zu der Zeit aus dem Fenster gesehen hatte, um nach ihrer Nichte Ausschau zu halten, die einen Parkplatz gesucht hatte. Auf der anderen Straßenseite hatte das Fenster offen gestanden und das Licht gebrannt – ein Umstand, den ihr Nachbar leichtsinnigerweise übersehen hatte –, als das Geschrei losgegangen war.

    Leider hatte die junge Frau von einer Anzeige abgesehen, sodass der Schläger mit einem blauen Auge davongekommen war. Seitdem bemühte er sich, Greta zu terrorisieren. Ohne Erfolg. Seine regelmäßigen Anrufe auf ihrem Festnetztelefon, vorzugsweise in der Nacht, sollten sie mürbemachen. Greta hatte sich Ohropax besorgt. Sie schlief friedlich, wohl wissend, dass sie das Richtige getan hatte und dass das Schloss an ihrer Haustür eine vernünftige Qualität besaß. Ohnehin bezweifelte sie, dass der Mann den Mut hätte, bei ihr einzusteigen.

    Greta gab sich keinen Illusionen hin. Sie lebte in Hamburg. In der Großstadt passierten solche Dinge, die sie nicht beeinflussen konnte. Dennoch – seine Freundin zu schlagen, bedeutete nicht automatisch auch, einer Nachbarin aufzulauern, um sie zu überfallen. Vorsichtshalber dokumentierte sie alle verbalen Übergriffe auf sie genauestens und schickte sie regelmäßig der Polizei, was sie ihren Nachbarn auch wissen ließ. Der wiederum war deswegen am heutigen Morgen verwarnt worden. Greta fühlte sich somit bestens gegen Schlimmeres abgesichert.

    Der Gedanke, dass sie dieser Vorfall noch eine Weile beschäftigen würde, störte sie. So hatte sie sich ihren Ruhestand nicht vorgestellt.

    Sie schaute aus dem Fenster im dritten Stock ihrer Eigentumswohnung im Stadtteil Eimsbüttel. Ein Altbau mit knorrigen Holzfenstern, von denen die weiße Farbe abplatzte, drei Meter zwanzig hohen, schneeweißen Decken mit altem Stuck und Eichen-Dielenboden, der knarrte, wenn man durch den Raum schritt. Unter ihrem Fenster drehten verzweifelte Anwohner ihre Runden und suchten nach einem freien Parkplatz. Ihr eigener Wagen – ein Mercedes E-Klasse – stand sicher ein paar Meter weiter auf der rechten Seite und war seit Wochen nicht mehr bewegt worden. Für ihre Besorgungen in der Stadt nutzte sie die öffentlichen Verkehrsmittel oder ging zu Fuß. Sie hatte Zeit im Überfluss, sehr zu ihrem Missfallen. Doch heute bedeckte eine dicke graue Wolkenschicht schon seit dem Morgen den Winterhimmel und erstickte jede Motivation in ihr, einen Fuß vor die Haustür zu setzen. Den ganzen Tag hatte sie mit Regen gerechnet. Jetzt, da er sich dem Ende neigte, war sie enttäuscht, ihn mit Nichtstun in der Wohnung verschwendet zu haben.

    Schräg unter ihr sah sie Herrn Mauser mit einer Zigarette im Mund und mit seinem Bademantel bekleidet auf dem Balkon sitzen und qualmen. Sollte es einmal so weit kommen, dass sie sich nicht mehr darum scherte, wie ihre Umwelt sie wahrnahm, hoffte sie, die Willensstärke zu besitzen, sich über die Brüstung zu werfen. Missbilligend registrierte sie den Geruch, der ihr in die Nase stieg. Greta runzelte die Stirn, schloss das Fenster und ging ins Schlafzimmer. Seit ihrer Pensionierung vor einigen Wochen hatte sie Zeit gehabt, es nach ihren Wünschen einzurichten. Thomas’ Sachen hatte sie endlich entfernt, auch wenn es wehgetan hatte. Es gab nach wie vor zwei Nachttische, doch auf beiden lagen nun ihre Utensilien, und sie hatte damit aufgehört, Decken und Kissen auf der Seite ihres Mannes regelmäßig zu beziehen und neben ihre eigenen zu legen. Obwohl diese dadurch etwas verloren wirkten auf dem großen Doppelbett.

    Sie setzte sich auf die leere Hälfte und zog die Schublade von Thomas’ ehemaligem Nachttisch auf. Statt die Sachen von ihrem Mann zu beherbergen, erfüllte sie jetzt eine andere Aufgabe. Greta nannte sie insgeheim »die Truhe des Verbotenen«. Kleine Gegenstände, die in ihr viele gegensätzliche Gefühle weckten, befanden sich darin. Erinnerungen an Minuten des Nervenkitzels und der Nervosität, aber auch Scham und Reue. Sie bewahrte diejenigen auf, bei denen sie keine Gelegenheit gehabt hatte, sie zurückzugeben, oder diejenigen, die sie unbedingt behalten wollte. Doch das waren wenige.

    Greta schluckte. Eine Brille, etliche Kugelschreiber, eine kleine Kristallvase, ein Aschenbecher, ein Porzellanpinguin, ein Kristallbriefbeschwerer, eine Gabel mit dem Logo eines Nobelhotels – was sagten diese Dinge über ihren Charakter aus? War sie ein schlechter Mensch? Brauchte sie Hilfe? Sie hatte sich vorgenommen, selbst Antworten auf diese Fragen zu finden, bevor sie mit jemandem darüber sprach. Was würde Thomas sagen, wenn er von dieser Schublade wüsste? Oder ihre Nichte? Greta schämte sich einen winzigen Augenblick lang. Dann erinnerte sie sich daran, wie sie ihr Leben bisher geführt hatte – immer regelkonform, niemals aneckend, angepasst. Und was hatte es ihr gebracht? Sie saß den lieben langen Tag allein in ihrer Wohnung und grübelte, wie sie ihre restlichen Tage verbringen wollte. Ablenkung musste her. Sie konnte nicht ewig so weitermachen. Thomas war nicht mehr da, damit musste sie sich abfinden. Doch die Art, wie sie ihren Kummer auslebte, war möglicherweise eine Spur selbstzerstörerisch. Was, wenn sie eines Tages jemand dabei erwischte, wie sie etwas mitgehen ließ? Bei dem Gedanken stieg ihr die Schamesröte ins Gesicht. Das musste aufhören. Sie nahm sich fest vor, sich eine Beschäftigung zu suchen. Etwas, das sie ausfüllte.

    Vor vielen Jahren hatte sie damit angefangen, sich für den Aktienmarkt zu interessieren. Ein geschicktes Händchen und ein guter Riecher hatten ihr und Thomas, der bis zu seiner Rente als Rechtsanwalt gearbeitet hatte, ein üppiges Zusatzeinkommen beschert. Es war am Ende so viel gewesen, dass sie sich ein Ferienhaus in Südfrankreich leisten konnten. Greta vermisste die faulen Sommer, die sie dort viele Jahre gemeinsam verbracht hatten. Der Gedanke, dass diese Zeit abgelaufen war, machte sie traurig.

    Eine einsame Träne rollte ihr über die Wange. Sie wischte sie weg, schloss die Schublade und stand auf. Als Erstes würde sie Nele anrufen, ihre Nichte. Möglicherweise hatte sie Lust, mit ihr essen zu gehen. Greta blickte auf den Nachttisch herab. Sollte sie das ganze Zeug loswerden? Sie schüttelte den Kopf und ihre kurzen karamellfarbenen Haare fielen ihr dabei sanft in die Stirn. Sie strich sie zur Seite und hinter die Ohren. Doch da die einzelnen Strähnen dafür nicht lang genug waren, fielen sie immer wieder nach vorn.

    »Auf keinen Fall werde ich mich dafür schämen«, sagte sie zu sich und reckte das Kinn nach vorn. Solange es niemandem wirklich schadete, würde sie sich nicht für ihr Verhalten rechtfertigen. Es war etwas, das sie jetzt brauchte, das ihr half, mit dem Schmerz klarzukommen und ihre Gedanken auf Neues zu lenken, auch wenn es für einen Außenstehenden krank klingen musste. Sei es drum. Sie hatte es akzeptiert und das reichte ihr. Kein schlechtes Gewissen anderen Leuten gegenüber sollte sie leiten. Es handelte sich bei den entwendeten Sachen ausnahmslos um Dinge, die niemand vermissen würde.

    Im Internet hatte sie über ihr Verhalten recherchiert. Aus reiner Neugierde, um zu sehen, ob es neben ihr weitere Menschen gab, die diesen Weg beschritten. Sie hatte nur lange Abhandlungen über die Folgen einer tiefen Depression gefunden. Nun, das war es nicht. Möglicherweise fühlte sie sich manchmal niedergeschlagen, doch das war nicht der Grund für ihr Verhalten. Wie auch immer. Sie dachte vorerst nicht daran, etwas an ihrer neuen Gewohnheit zu verändern. Und ganz gewiss wollte sie sich von keinem Außenstehenden dazu Rat einholen.

    Sie hatte ihr Leben lang ihre eigenen Entscheidungen getroffen, und das würde sie nach den Ereignissen und Rückschlägen des letzten Jahres so beibehalten. Irgendwann würde sie wie der Phönix aus der Asche aus dieser Krise auferstehen.

    Es klingelte. Greta legte die wenigen Meter zu ihrer Haustür zurück, sah durch den Spion, schnaufte und öffnete. Vor ihr stand die Nachbarin aus dem ersten Stock. Gertrude. Sie und ihr Mann besaßen den einzigen kleinen Garten nach hinten zum Hof hinaus. Auf der einen Seite beneidete Greta sie für das grüne Fleckchen mitten in der Großstadt, auf der anderen belächelte sie sie für die penible Aufmerksamkeit, die sie jedem ihrer Rhein-Kieselsteine zuteilwerden ließen. Diese Menschen hatten eindeutig aufgegeben, mehr aus ihrem Rentnerdasein zu machen, und das war ein Verhalten, das für Greta nicht infrage kam.

    »Hallo, meine Liebe«, begrüßte sie ihre Nachbarin. »Insa und ich …«, sie sprach von der alleinstehenden Frau im zweiten Stock, »wir haben gedacht, dass du jetzt bestimmt ganz froh wärst, wenn wir dich ein wenig mehr in unsere Nachbarschaftsgruppe integrieren würden. Du weißt ja, dass wir immer viel unternehmen. In zwei Wochen gehts an die Nordsee und im Sommer mit dem Bus nach Prag. Es wäre schön, wenn du bei uns mitmachen würdest.«

    Greta war abgelenkt durch die grelle geblümte Kittelschürze, die ihre 70-jährige Nachbarin trug.

    »Heute Abend gehen wir kegeln. Vielleicht möchtest du mitkommen? Am Wochenende zeigen wir ein paar Fotos von unserem Urlaub mit dem Wohnwagen an der Côte d’Azur. Christian …«, sie redete von ihrem Enkel, »… hat für uns ein Fotoalbum davon gemacht.«

    Greta schluckte. Sie schaute auf die bequemen Filzschlappen ihrer Nachbarin und überlegte, dass so eine Schublade nicht das Schlimmste sein konnte, was sie in ihrer Zukunft als Rentnerin erwartete. In ihrem Kopf ging sie allerlei Ausreden durch, die sie Gertrude präsentieren konnte, ohne den Anschein zu erwecken, deren Bemühungen wären ihr egal – was sie in Wirklichkeit waren. Ein Maunzen ließ sie den Blick abwenden.

    Gertrude hatte ihre Katze dabei. Wenn Greta eines nicht ausstehen konnte, dann waren es Katzen. Sie haarten, hinterließen Biowaffen ähnliche Duftnoten an der Hauswand und konnten durch ihre Halter nicht kontrolliert werden. »Meine Katze hat Charakter. Sie lässt sich von niemandem etwas vorschreiben«, hörte sie stolze Katzenbesitzer sagen. Was für eine geniale Ausrede für schlechte Erziehung, dachte sie sich insgeheim.

    Während Gertrude sich über die Vorzüge ihrer Greisenfahrten ausließ, beobachtete Greta missbilligend Fräulein Pfote, wie diese kleine Vogelmörderin von der arglosen Nachbarin genannt wurde. Begleitet von fordernden Maunzlauten streifte sie um Gertrudes Hosenbeine und hinterließ dabei eine Spur weißer Haare.

    Greta kitzelte allein der Anblick in der Nase. Sie bemerkte, dass die Katze sie fixierte. Anscheinend war das Tier sich Gretas Antipathien genau bewusst. Greta bezweifelte jedoch, dass Fräulein Pfote das interessierte.

    »Es tut mir leid, das ist nichts für mich«, sagte Greta schließlich ohne Umschweife zu Gertrude. Sie hoffte, dieses Treffen schnell zum Ende bringen zu können. Dann blickte sie erschrocken nach unten. Ein Kitzeln an ihren eigenen Beinen signalisierte ihr, dass es dem Feind heute gelungen war, die feindlichen Linien zu übertreten. Dabei hatte sie die Katze nur einen Augenblick aus den Augen gelassen!

    »Ach, wie süß!«, rief eine verzückte Gertrude aus. »Sie möchte dein Heim erkunden. Ist das nicht goldig?«

    Greta bekam Gänsehaut bei dem Gedanken an die vielen Haare, die das Tier in jeder Sekunde wie eine Markierung seines Territoriums verlieren würde.

    »Bitte sei so gut und hol sie raus«, erwiderte Greta eisig und presste die Lippen aufeinander. Sie blieb in der Tür stehen, während Gertrude an ihr vorbei in die Wohnung wieselte und nach ihrer unverschämten Freundin Ausschau hielt. Greta hatte nicht vor, diesem Untier die Genugtuung zu geben, hinter ihm herzujagen.

    Einige Minuten später befand sich der weiße Tiger auf dem Arm ihrer Nachbarin und funkelte Greta empört an.

    »Sei mir nicht böse, Gerti. Die Einladung ist sehr lieb gemeint, aber ich werde die nächste Zeit nicht dazu kommen. Ich habe einiges zu tun, bevor ich in den Urlaub fahre.«

    »Du willst weg?«

    »Ja. Entschuldige, ich glaube, mein Telefon hat geklingelt.« Mit diesen Worten schloss sie die Tür vor ihrer Nachbarin. Etwas unhöflich, das war ihr bewusst, doch sie hätte ihr die nächste Frage gar nicht beantworten können. Wo es hingehen sollte. Sie wusste nur, sie musste mal weg – raus.

    Kapitel 2

    Sylt, am nächsten Morgen

    Feuchte Luft schlug ihm ins Gesicht, als Jasper die schwere Eichentür seiner Ferienwohnung in Kampen öffnete. Fritz schoss an ihm vorbei und hätte ihn beinahe zu Fall gebracht, noch bevor er einen Schritt nach draußen gesetzt hatte.

    »Warte, mein Freund. Nicht so eilig. Hierher!«, rief er seinen hechelnden Labrador zurück. Der duckte sich und trottete schwanzwedelnd auf ihn zu, um sich anleinen zu lassen.

    »Guter Junge.« Jasper tätschelte ihm den Kopf, zog den Reißverschluss seiner Jacke die letzten 20 Zentimeter hoch und lief los. Hinter der Düne hörte er die Brandung. Ein straffer Wind pfiff ihm um die Wangen und brachte sie zum Glühen. Fritz nutzte jeden Meter der Laufleine aus. Sobald sie am Strand waren, würde Jasper ihn frei laufen lassen.

    Es war sehr früh am Morgen. Eine Sturmflut hatte in der letzten Nacht die Insel in Schach gehalten. Jasper war gespannt, welches Bild sich ihm am Strand »Rotes Kliff« bieten würde. Der starke Wind zerrte an seiner Daunenjacke, als er vorbei an braunem Heidekraut den Weg entlang durch die Düne stapfte. Das Restaurant »Sturmhaube« zu seiner Linken würde bald öffnen.

    Je dichter er dem Meer kam, umso drängender hörte er die Wellen schlagen, die hellen Schreie der Silbermöwe und das Heulen des Windes. Er blies vom Wasser her und wirbelte den Sand auf, der wie winzige Speerspitzen Jaspers Gesichtshaut traf. Er kniff die Augen zusammen und tastete sich beinahe blind vorwärts.

    Nachdem er die »Sturmhaube« lange hinter sich gelassen hatte, wurde Fritz unruhig. Er zerrte an seiner Leine und sah sein Herrchen auffordernd an. Das Meer. Er wusste, dass er gleich freigelassen werden würde.

    Jasper stapfte in seinen dicken Stiefeln durch den Sand und blinzelte Richtung Horizont. Drei Meter hohe Wellen rollten unaufhörlich auf den Strand zu. Tosende Fluten schäumend vor Wut.

    Die Sonne ging gerade auf, kein Mensch weit und breit. Mit einem Klick befreite er seinen Kameraden und wickelte die Leine auf. Sofort sauste Fritz die Düne hinunter, vorbei an dem hölzernen Panoramaweg entlang des Kliffs und den Strandkörben, die man vor der Flut in Sicherheit gebracht hatte.

    Jasper kämpfte sich durch den Sturm den Weg hinunter. Er hielt abwechselnd einen Arm vors Gesicht, musste jedoch regelmäßig nachsehen, wo er sich befand, um nicht die Orientierung zu verlieren. Die Flut hatte drei Viertel des Strandes weggespült. Eineinhalb Meter brach der Sand nach unten weg. Jasper wäre beinahe abgestürzt, so blind, wie er durch die Gegend tapste. Inzwischen lief er neben der Wasserlinie, bemüht, mit Fritz mitzuhalten, der eine Möwe

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