Der Messias
Von Olaf Dietrich
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Buchvorschau
Der Messias - Olaf Dietrich
Dietrich
1
Kamerafahrt durch eine Schwingtüre hinein in eine Disco.
Musik, (Love, Sex, Intellegence, Donna Summer)
klare Luft, obwohl Einige rauchen, dunkle Beleuchtung
Das Publikum ist chic aber nicht Snob, ab 30.
Schwenk einmal v. links durch den ganzen Laden, endend auf einem
Mann, Ende 30, der gerade reingekommen ist, sich umsieht und
sichtbar zwischen zwei Tresen entscheidet, um sich dann, wenn
man reinkommt rechts, an den Tresen zu stellen.
Die Bardame ist jung und blond, bemerkt ihn und nickt ihn an.
Ohne Gesprächston wird eine Bestellung erledigt, Getränk kommt, der
Mann nippt, stellt ab und checkt erneut den Raum.
Von der Tanzfläche löst sich eine junge Frau, Anfang
30, braunes, langes Haar, lange Beine, höllisch knappe
Jeans, Spaghettiträgertop schwarz, kein Schmuck ausser einem
breitem goldenen Armreif links, halbhohe Pumps und gesellt sich
zu einer Freundin am Tresen gegenüber. Nippen, Zigarette, Witz
über irgendeinen Tänzer, man hört das helle Lachen der Beiden.
Zurück auf den Mann: Er, völlig durchschnittliche Erscheinung,
schwarze Buntfalte, weisses Hemd, keinen Schmuck. Sein Gesicht
wirkt auffallend wach, aber ganz entspannt, als er den Raum
scannt. Er reagiert auf das sichtbar helle Lachen der zwei
Freundinnen am Tresen gegenüber, beobachtet die beiden kurz aber
intensiv. Wir sehen in einem Umschnitt seine hellwachen Augen
in einer Totalen, wie sie sich nach gegenüber einloggen und fast
lächeln.
Die Musik wechselt. Prince: Kiss
Aus leicht erhöhter Sicht erkennt man den Kerl, wie er sich vom
Tresen löst, auf die Tanzfläche geht und anfängt, äusserst sexy
und begabt zu tanzen.
Wir zoomen in Richtung der Bar wo u. a. die zwei Freundinnen
stehen und man erkennt so gerade, wie sie verstummen, beider Blick
über die Tanzfläche schweift und dann stehenbleibt.
Wir gucken mit, es beginnt gerade ein neues Stück. Genuwine: "The
Pony". Er legt noch einen drauf, es wirkt ganz leicht, wie er
tanzt, und nach zwei weiteren Nummern schlendert er zurück zu
seinem Glas.
Schnitt auf die Brünette: Augen
Schnitt auf ihn: Augen
Sie gucken sich an ohne es zu bemerken.
Es passiert, während beide noch fest in ihrer Welt verankert
scheinen. Er in der Musik und sie bei den Worten der Freundin.
Wie ferngesteuert geht er einfach hin, stellt sich neben die
Freundin, guckt die Auserkorene einfach tief an und lächelt.
Sie kann den Blick nicht abwenden, ist verunsichert bis
hypnotisiert und achtet auch nicht mehr auf die Ansprachen ihrer Freundin.
Die es jetzt auch bemerkt. Steht einer neben Ihr, und nichts ist
wie es war. Dann macht der Typ noch zwei Schritte an ihr vorbei
und beginnt, ohne ein Wort zu sprechen, an der Brünetten zu
schnüffeln, genauer gesagt, an ihrem Haaransatz. Ein-, Zweimal
schnuppern, dann Rückzug und gucken, dann wieder schnüffeln.
Und die Brünette wehrt sich nicht. Im Gegenteil.
Die Freundin ist fassungslos, als die Beiden ein Spiel für Nasen,
Augen und dann irgendwann auch Hände beginnen.
Wie Hunde.
Und dann schiebt er ihr irgendwann den Finger in die
Achselhöhle, zieht ihn wieder raus und hält ihn sich lächelnd
unter die Nase. Woraufhin sie, da sie etwas kleiner ist, gleich
mit der ganzen Nase in Richtung der Seinen steuert, noch mal
schüchtern zu ihm hochguckt, dann die Arme um ihn legt und ihre
Gesicht unterhalb seiner Schultern eingräbt.
Die Freundin steht daneben wie ´ne Ampel und kurz vor einem
hysterischen Anfall dreht sie sich einfach um und geht.
Die zwei Frischverliebten haben immer noch kein Wort gewechselt.
Die Umarmungen werden nach und nach intensiver und die Pausen
erotischer, weil sie sich eben einfach immer nur ansehen und
lächeln.
Dann wechselt die Musik. Hot in here
. Er greift ihre Hand
und sie hoppelt hinter ihm her wie eine Zehnjährige, die laut
Au Ja!!!
ruft.
Jetzt treiben sie ihr Spiel auf der Tanzfläche. Es sieht aus
wie geübt. Ein Reigen. Ein Pas de Deux.
Und je länger das geht, um so mehr gleicht Dirty Dancing
einem
Krippenspiel. Mittlerweile machen andere Tänzer Platz und einige
verlassen, völlig genervt, den Innenraum der Dische.
Am Ende des dritten Stückes ist sie an ihm hochgeklettert,
versucht scheinbar ihn mit ihrem Bauchnabel zu ersticken und
lässt sich dann, Zentimeter für Zentimeter, an ihm runterrutschen.
Kaum auf den Füssen küsst sie Ihn das erste Mal, nur kurz, mit
spitzem Mund, greift dann seine Hand und zerrt ihn zum Ausgang.
2
Gut zehn Jahre davor:
Beim Italiener: Wir reisen mit dem Auge durch´s Restaurant.
Arno, so heisst unser Held, sitzt mit Sabine zu Tisch. Man
bemerkt, dass der Dialog freundlich aber distanziert ist, er macht
ein paar Gesten der Unterwürfigkeit. Sie ist das, noch nicht
pummelige, häusliche Modell, das sich nach der zweiten
Schwangerschaft ein hübsches Doppelkinn wachsen lassen
wird. M&M-Täschchen und Accessoires unterstreichen den
Eindruck, dass Sie sich wahrscheinlich ständig wäscht und nachts
lauter schnarcht als er. Auffallend ist, dass er einige Male zu
einer bildhübschen Tante am Nachbartisch ´rüberschielt, immer,
wenn er denkt, dass seine Sabine nicht guckt.
Dann verlassen die Beiden das Lokal und biegen nach links auf
den Bürgersteig ab.
Die Zwei laufen, Richtung Auto, U-Bahn, was weiss ich. . . .
Er versucht charmant zu sein:
-Und, hab´ ich Dich satt bekommen?
-Jaaa.
-Und wie kann ich Sie jetzt noch verwöhnen,
meine Teuerste ??
-In dem du einmal aufhörst nach anderen
Frauen zu gaffen.
-Hab ich doch gar nicht!
Sie bleibt stehen
-Das gibt´s doch gar nicht! Da erzählst du
mir den ganzen Abend belangloses Zeug,
schielst dir die Augen aus dem Gesicht nach dieser Tussi da
hinten und und bist auch noch so dreist zu glauben, ich hätte
das nicht bemerkt.
-Ich hab´ ein, zwei mal. . .
Sie IST sauer.
-Ach halt doch das Maul! Wie lange sind wir
zusammen, hä ?? ´Ne Woche ?? ? Glaubst du, ich
bemerke nicht, dass du ständig nach anderen
Weibern guckst ? Ich bin´s leid. Glaubst du, mir tut das nicht weh ??
-Aber Schatz. . .
Eigentlich will er sich versöhnen, aber ihm fehlt die Kraft, oder
die Einsicht, oder der Wille. . . .
-Du willst mich gar nicht.
Sie wird langsam hysterisch, beginnt dafür wieder langsam
loszulaufen. . .
ER leicht genervt hinterher.
-Sabine, das ist doch nicht wahr. Mann, ey, ich
schwör´ Dir, das ist mir gar nicht bewusst. Ein
Reflex halt, aber das hat doch mit Dir. . . .
-Ein Reflex!!! Du bist doch. . . . . .
Jetzt rastet sie ganz aus.
-Ich werd´ dir zeigen was ein Reflex ist!
Sie schlägt mit der Handtasche nach ihm, trifft seine Schulter.
-Das ist so gemein, zu Hause hängst du nur
vor der Glotze und wenn wir ausgehen gaffst
du jedem Arsch hinterher!
Er täuscht endlich Reue vor.
-Aber Mausbärchen. . . .
Sie rastet endgültig aus. . . . .
-Scheisse, Mausbärchen, Du bist so ein
verlogener, verdammter Schleimscheisser. Lass
mich bloss in Ruhe! Du und Deine Sprüche!
Liebe, für immer, ich, die schönste, Pah, Du brauchst doch nur eine
die stillhält, einen verdammten Arsch ohne Gesicht brauchst du, an
dem du Dich jucken kannst. Ach, hau´ doch ab, du . . . Wichser!!
Ich will Dich nicht mehr sehen!!!
Sie dreht sich um, geht mit gesenktem Kopf Richtung andere
Strassenseite los. Auf dem Mittelstreifen dreht sie sich halb
um und ruft mit verheulter Stimme:
-Und ich hab´ Dir geglaubt. . . . .
Er schaut ihr nach. Als sie schon weiter auf dem anderen
Bürgersteig ist, hört er noch
-Nie wieder!!!
Er schaut immer noch. Ohne jede andere Geste holt er einen
Tabaksbeutel aus der Tasche, entnimmt eine Selbstgedrehte,
macht sie an und geht langsam weiter, die ursprüngliche
Richtung. . .
3
Eine Kneipe von aussen. Marke Rock ´n Roller-Treff. Ein paar
Fahrräder und Bikes auf dem Bürgersteig. Von schräg gegenüber
beobachten wir Arno, der am Horizont erscheint, rauchend, dann
den Spliff wegwirft und mit hochgezogenen Schultern die Kneipe
betritt.
In der Kneipe geht Arno direkt zum Tresen und ordert.
-Zwei Grosse.
Neben Ihm steht u. a. ein pseudo-cooler, Bomber-Filzjacke mit
Lederärmeln und Heavy-Metal-Bestickung, und mustert Arno.
Man nickt sich zu.
Zoom in den Rücken der Beiden.
Die Biere kommen. Arno setzt an und trinkt 0, 5 in einem Zug.
Macht sich ´ne Zigarette und zündet sie an. Noch gibt´s kein Rauchverbot.
Trinkt das Nächste halb aus. Der Coole hat sonst nix zu tun, mustert unseren Arno
erneut.
-He, Arno, durstig, was ??
Arno knurrt
-Yepp!
der Andere ist auf ein Gespräch aus.
-Ärger ?? ?
Arno lässt sich drauf ein. Mit einer fast schon schüchtern sich
entschuldigenden Bewegung. . .
-Weiber!
-Die Blonde ?
-Der Horror. Franz noch Zwei! . . . Du auch ??
mit Geste
-He Franz, mach´ drei!!
Schweigen bis die Biere kommen, anstossen....
Weiterschweigen. Arno grübelt. Der Profi will weiterlabern.
-Ey, ist doch kein Grund sich hängenzulassen.
Arno hat sich scheinbar zu einem Entschluss durchgerungen.
-Hast du was da?
-Ah, wer sagt´s denn. ´N Halbes?
-Zwei, morgen is Charlie im Crown
-Mit Bone
??
-Mmh.
-Au weia.
-Du sagst es. . . .
-Und mal wieder Paadi, was ??
-Ey, ist ´n alter Kumpel, das mach ich gern.
-Der kriegt´s doch für lau.
-Und ich steh da wie ´n armer Arsch.
-Du bist ´n armer Arsch!
Unterm Tresen wird derweil gejodelt. Arno holt zwei Hunderter
aus so einem Asi-Klapp-Portemonnaie.
-Ja, Ja, und du redest und redest. . Danke.
-Vielleicht sollte ich da morgen mal
aufschlagen ??
-Kann nicht schaden. . .
Steckt´s vorne in die Jeans, trinkt das dritte Halbe aus, quält
sich vom Hocker, verschwindet. Der Coole macht sich ´ne WEST-LiTE
an, Zeitschnitt, Arno kommt wieder.
-Und ??
-Ist Ok.
-Macht nicht so wach. . . .
Arno klaut Ihm eine
-Besser isses.
zündet sie an, zieht voll, zweimal ohne auszuatmen. Trinkt
das letzte Glas halbleer, raucht weiter. Dann:
-Ich hau´ ab!
drückt die Kippe aus, trinkt aus, kommt erstaunlich schnell vom
Stuhl und klopft dem Pseudo auf die Schulter.
-Bis morgen und Danke!
-Hey, nix zu danken, man sieht sich. . .
Dreht sich um und verschwindet im Halbdunkel.
Draussen aus der Vogelperspektive sehen wir Arno den Laden
verlassen und auf einen Kiosk zusteuern, der ein Stück die Strasse
runter ist.
Schwenk vom Kiosk aus über die Nacht. Musik setzt ein. Prince:
Joy in Repetition
. Der Schwenk endet mit einem Blick in das
Fenster von Arno´s Wohnung, ein Zimmer mit grosser Küche, und
man sieht auf seinen Rücken, wie er auf einem Sofa sitzt, vor
ihm auf dem Tisch das ganze Arsenal, einen Porno guckt und wichst.
4
Der nächste Morgen.
An einer Kreuzung mit Uhr hält um 20 nach 7 ein 12-Tonnen-
Getränkelaster der Firma Schnubendubel. Wartet.
5 vor Halb kommt Arno angerannt und springt in die Fahrerkabine.
Schnitt in die Kabine. Am Lenkrad sitzt Frank, 45, superschlax.
Supergenervt.
-Mojn.
-Hi!
Frank sagt nix, setzt den Truck in Bewegung, guckt auf die Strasse.
Arno
-Ey, das waren nur 5 Minuten!
Frank
-Is ja gut. . .
-Und sonst?
-Die Kleine hat die ganze Nacht geheult.
Zähne! .
-Verstehe!
Sie fahren weiter.
Irgendwann stehen sie wieder und liefern aus. Wir sehen eine
Strasse hinunter. Links steht der Truck, die Beiden werden gerade
tätig. Rechts am Ende der stark befahrenen Strasse befindet sich
eine Metzgerei. Schwenk auf den Bürgersteig. Arno quält sich
sichtbar ab, der Andere nicht so. Schnitt.
Dann sind die Beiden fertig. Das Fallkissen für die Fässer wird
noch auf die Ladefläche geworfen, die Klappe zu, die Handschuhe
aus. . .
Arno hat Hunger
-Frank, ich geh mal zum Pfeiffer, willste
auch?
-Nee, mir is schon schlecht.
-Oh, keee. . . .
Arno rennt ums Führerhaus ´rum, auf die Strasse, direkt vor einen
Müllwagen. Beide bremsen. Zu spät.
Alles wird schwarz.
5
Ein Krankenhausflur. Am Ende eine Tür, die sich öffnet und es
erscheinen Doktor Weber und Arno´s Eltern, die Leanders.
Dr. Weber sieht erfahren aus aber sonst eben nur weiss. Die
Leanders sind ein bürgerliches, älteres Paar, dezent und teuer
gekleidet, dementsprechend distinguiert im Verhalten und bewegen
sich sichtbar auf fremdem Terrain.
Der Arzt berichtet.
-Also er liegt noch im Koma. Und wenn er
wieder aufwacht, werden wir ihn sobald wie
möglich wieder in ein Koma versetzen. Andernfalls würde er
die Schmerzen nicht ertragen können. (Sie gehen langsam den Flur
hinunter und biegen dann irgendwie rechts oder links ab)
-Ja, Ja. . .
-Ihr Sohn hat Glück gehabt. Der Riss in der
Leber war relativ leicht zu beheben. Und
dadurch, dass der Notarzt sehr schnell am Unfallort eingetroffen
ist, war das Gehirn nach dem Herzstillstand nicht zu lange ohne
Sauerstoff. Man kann noch nicht genau sagen, ob es bleibende
Schäden geben wird, aber aus Erfahrung bin ich sehr
optimistisch. Sie werden verstehen, dass zum jetzigen Zeitpunkt
(er zögert) , na ja, sagen wir es hängt auch sehr von ihm ab.
Die Mutter ist Ende Fünfzig und eigentlich gut in Schuss, wenn
da nicht die nackte Angst um ihren Sohn wäre.
-Was meinen sie?
-Na ja, sehen sie, was auch immer während
so eines Komas passiert, ist relativ
unerforscht. Wir kennen, ehrlich gesagt, nicht die Grenze an der
Schlaf endet und Koma beginnt und auch nicht die Grenze, an der
Koma endet. (Er rudert um Verständnis)
Klar ist aber, dass er für sein Alter in einem ziemlich, ahem, schlechten Zustand ist.
Vater Gerhard Leander ist schon älter und schneeweiss.
-Was soll das heissen?
-Nun, wir haben eine nicht geringe Menge
Drogen in seinem Blut gefunden, darunter
hauptsächlich Cannabis und Kokain, aber auch Spuren von
Aufputschmitteln und LSD.
Mama hatte keine Ahnung. . . .
-WAS ?? ?
Papa hat schon Schlimmeres gesehen. . .
-Ruhig Charlotte!
-Ich will Sie nicht beunruhigen. Das heisst
nicht unbedingt dass er depressiv war. Fakt
ist aber, dass nicht nur die Drogen einen Menschen
beeinflussen, sondern vor allem auch die Gründe, sie zu nehmen.
Na ja, (Er wiegelt ab) darüber zu spekulieren wäre aber
jetzt müssig. Das wird sich zeigen wenn er aufwacht und dann in die Rehabilitation
kommt.
Der Vater:
-Gibt es denn auch irgendwelche guten
Nachrichten ??
-Nun, er wird sich einige Monate lang
besonders über einen intakten rechten Arm freuen.
Die Eltern wissen nicht wie sie auf den Spruch reagieren sollen.
Schnitt. . .
Ein paar Tage später:
Intensivstation. Ein Bett, tausend Geräte. Wir gucken aus einer Ecke
des Raumes über das Fußende des Bettes hinweg auf ein Fenster
zum Flur.
Eine Schwester ist zu sehen, zierlich, schwarze Haare unter einer
Op - Haube. Sie betreut gerade die Infusion. (was sonst ?? )
Im Fenster erscheint das Trio von eben. Pantomimisch erkennen
wir die Frage der Mutter ob man hineinkönne und das abwehrende
Verhalten des Arztes. Daraufhin nimmt der Vater seine Frau in
den Arm und führt sie weg. Dr. Weber nickt kurz der Schwester
zu, die, wie wir, Richtung Fenster gespäht hat und geht dann
ebenfalls. Wir müssen Geduld haben.
In diesem Fall noch zwei weitere Wochen.
Dann zieht es uns wieder auf die Intensivstation. Um´s Bett
herum steht die ganze Blase, unter anderem ein grossgewachsener Glatzkopf, wohl der Chef vom Ganzen, nur ein Stift im Kittel, dann Dr. Weber und die kleine
Schwester, Petra.
Schnitt auf´s Bett, Arno´s Oberkörper im Mittelpunkt des
Interesses. Er ist massiv eingegipst, Beine und linker Arm, ausserdem
am Kopf rasiert und bandagiert. Sie haben den künstlichen Schlaf
beendet und warten dass er aufwacht. Was er dann auch tut. Er
blinzelt, hat von nichts ´ne Ahnung und bringt dann auch den
Klassiker:
-Wo bin ich ??
Das Wort ergreift ein typisch aussehender Professor.
-Das ist die Intensivstation der Polyklinik,
Herr Leander, willkommen im Leben.
Arno staunt, Dr. Weber spricht:
-Sie haben sich ziemlich massiv mit einem
Müllwagen angelegt und wir hatten die Ehre
Sie zusammenzuflicken. Was zugegebenermassen nicht einfach
war, aber ich denke wir waren ganz gut.
Arno versucht sich zu bewegen, ganz vorsichtig, merkt aber, dass
das nicht ohne Schmerzen gehen würde.
Der Prof:
-Vorsicht, junger Mann. Sie verdanken es einer
grossen Portion Glück, dass sie überhaupt noch unter uns weilen.
A propos. . . (er zwickt in Arno´s Füsse) spüren Sie das ??
Arno nickt. Er beginnt zu begreifen. . . . .
Ein dritter Doc hat die Liste:
-Um es klar auszudrücken, Sie hatten einen
akuten Herzstillstand, verursacht durch den
Aufprall, ebenso einen Riss in der Leber und diverse kleinere
innere Blutungen. Sie haben immer noch sechs gebrochene
Rippen, einen multiplen Bruch des linken Oberarmes und des
Schulterblattes, glatte Brüche beider Unterschenkel, einen
Kreuzbandriss im linken Knie und eine bereits abheilende
Fleischwunde am Kopf.
Arno lässt Luft ab.
Der Prof tröstet ihn, schon fast väterlich. . .
-Nur die Ruhe mein Freund, das wird schon
wieder. Wenn alles glattgeht, stehen Sie in
3-4 Wochen so langsam auf und dann geht´s schon ab in die Reha.
Wir haben Ihnen alle möglichen Schrauben und Platten eingebaut, das wird die Sache entsprechend erleichtern.
Arno blickt hilfesuchend in die Runde. Sein Blick landet bei
Schwester Petra, die ihm mit einem Lächeln Mut macht.
-War mal jemand hier?
Dr. Weber:
-Ja, Ihre Eltern und einmal eine junge
Frau, das ist wohl die Freundin ??
Arno murmelt
-Die Ex.
-Wir konnten feststellen das Sie aufregende
Zeiten hinter sich hatten.
Arno schämt sich.
-Stimmt. . .
Dr. Weber:
-Na ja, das ist jetzt nicht so wichtig. Wir
werden Ihre Eltern benachrichtigen, dass
Sie aufgewacht sind. Und nach ein Paar kleinen Tests lassen wir
Sie auch gleich wieder schlafen. Und zwar ohne Medikation. (er
lächelt) Und wenn Ihnen etwas fehlt, klingeln Sie einfach den
Room-Service.
Schwester Petra lächelt extramüde zurück und die ganze Blase
schickt sich an den Raum zu verlassen.
Arno senkt den Kopf noch tiefer:
-Danke
Der Prof. :
-Gern geschehen, Herr Leander, gern
geschehen. . .
Sie gehen alle bis auf Schwester Petra und Dr. Weber, die sich
einem Tisch voller Tests zuwenden. Arno lässt den Kopf ins Kissen
fallen und seufzt. (Musik setzt ein. wieder: Joy in Repetition)
Wir verlassen den Raum auch, aber durch die Wand. . .
6
Der Flur vor Arno´s Zimmer. Die Zimmertüre öffnet sich und
Arno´s Eltern verlassen das Zimmer. Sie geht leicht gebeugt, er
nimmt sie in den Arm. Sie schliessen die Türe und wenden uns
den Rücken zu. Aus der Richtung unseres Blickes kommt Schwester
Petra den Gang hinunter und betritt Arno´s Zimmer. Sie schliesst
die Tür, dreht sich um, geht zum Tischchen.
Und murmelt
-Und, war´s schlimm.
Arno ist überrascht.
-Was?
-Na mit Ihren Eltern. Das war ja wohl die
Beichte.
-Sie ha ´m wohl Erfahrung mit schwarzen
Schafen?
-Da reicht Intuition.
-Wie man´s nennt. . .
-Und?
-Was und?
-Na, das Ergebnis!
Arno wird nachdenklich:
-Ach wissen Sie. . . .
-Soll ´n wir uns nicht duzen, ich meine, Sie
werden ja noch ´ne Weile hier sein und ich
auch. . . .
Er guckt sie an, freut sich:
-Klar. Ich bin Arno.
Sie verbeugt sich:
-Petra.
Er, ehrlich. . .
-Du bist nett!!
-Lenk nicht ab. Also, das Ergebnis.
Er sucht Worte
-Ey, das ist nicht leicht, weisste, (Pause)
Ich mein´ das mit den Drogen. Das war jahrelang kein Problem,
also, ich mein´ , isses auch jetzt nicht. äääh..... Also nicht wirklich.
Aber in letzter Zeit war wirklich alles Scheisse, egal, was ich gemacht
hab. (Er denkt nach. . . ) Nur irgendwann denkste dir einfach, was
soll´s und schenkst dir ein. Vielleicht DAMIT mal was
passiert, womit Du nicht rechnest. Hätte ja auch mal was Gutes
sein können. . . .
-Isses auch.
-Was meinste ??
-Ist nicht wichtig. Ja und deine Eltern ??
-Ach die sind total lieb. Inzwischen. Früher
war ich echt der Arsch in der Familie. Aber
sie haben sich damit abgefunden, dass ihr Baby nichts Grosses
geworden ist. Früher gab´s nur Stress, weil ich dieses ganze
Getue, von wegen, unser Sohn soll´s mal besser haben, einfach zum
Kotzen fand. Wir hatten´s schon gut. Aber da war irgendwie keine Liebe. Nur diese glatte Oberfläche und für die hiess es sich gefälligst zu opfern.(Pause)
Na, ich hab´ ihnen eben einfach verklickert dass ich´s jetzt im Griff hab. Is ja auch nicht schwer nach so ´ner Kur.
Petra grinst.
-Tja, Not macht ehrlich.
Sie wendet sich ihm zu, tritt zum Bett.
-Sonst alles klar? Was macht der Rücken ??
-´s gibt schlimmeres.
-Was?
Er lächelt verlogen.
-Ach nichts, hab´ ich nur so gesagt. ´s ist
nur dass ich es einfach gemein finde. Wenn
sowieso schon alles Scheisse ist, kommt´s gleich noch dicker.
Und jetzt häng´ ich hier. Und kann nichts machen.
-Ist vielleicht ganz gut so, oder ??
Kannste wenigstens keinen Mist mehr bauen.
Er nickt genervt.
-Haste wohl recht. (und seufzt)
Sie sammelt noch was ein, bemerkt auf dem Nachttisch bei den
Blumen ein Buch.
-Von Deinen Eltern?
-Ja. Ich hab´ ja noch einen Arm zum umblättern
-Darf ich?
Sie guckt es sich an.
-Irgendsone Schote. Über Südafrika.
-Lieste gern?
-Kommt drauf an. Eigentlich schon. Ist nur
schwer, was Vernünftiges zu finden.
-Und was ist vernünftig?
-Na Thriller, Spion und Spion, Sex and Crime,
so ´n Zeug.
-Also eher NICHT sowas hier.
Sie legt es weg
Arno lacht
-Nee, eher nicht.
Petra packt zusammen. . .
-Ich guck´ mal ob ich was habe.
-Mach dir keinen Stress deshalb.
-Nee.
Sie dreht sich zur Türe.
-Bis später. . .
-Ciao.
Er schliesst die Augen. Rückt sich zurecht, stöhnt leicht.
Und schläft sicher bald.
7
Arno´s Zimmer, immer noch Intensiv. 10 Uhr morgens, Arno hört Musik
über Kopfhörer. Schwenk auf die Tür, die sich öffnet und Schwester
Petra erscheint. In der Hand drei Taschenbücher. Ihr Outfit ist
wie immer, aber sie hat heute Kajal aufgetragen. Er bemerkt sie
und nimmt den Kopfhörer ab.
-Hi!
Sie ist beschäftigt, legt die Bücher ab und wuppt ihre Routine.
-Morgen. Wie isses uns heute?
Er ist ganz gut gelaunt.
-Reif für die Tanzstunde.
-Was hörste?
-Prince, also The Artist oder auch Symbol
genannt.
-Aha.
Er schwärmt, sie klopft das Kissen auf.
-Ey, der Typ ist genial. Nur eben nicht auf
den Ersten Blick.
-Och ´n paar Sachen find´ ich auch gut.
À propos. . . .
Sie gibt ihm die Bücher.
-Hier.
-Was ist das?
-Illuminatus!
-Aha.
Er guckt sich eins an.
-Und worum geht´s?
-Tja, schwer zu sagen. Auf ´n ersten Blick
isses ´ne ziemlich verworrene Story, also bis Seite 100, 150 musste
echt Geduld haben. Auf den zweiten Blick isses ´n Krimi, aber
auch nur zum Spass. Dann isses die Story von verschiedensten
abgedrehten Typen, die alle irgendwie miteinander zu tun haben.
Wirste schon sehen. Aber eigentlich geht es um weisse Magie.
-Wie meinste das?
-Na ja, Magie, also die echte, weisse Magie,
ist die Lehre der Selbstgestaltung eigenen Persönlichkeit
und wie man so dasteht, also. . . . , du nimmst ja nur Dich selbst
wahr, also durch dich selbst, klar?
Arno zuckt mit den Achseln.
-Äh, klar!
-Und weisse Magie ist so quasi angewandtes
positives Denken. Weiss wegen Positiv. Du
entdeckst Dich selbst, erkennst Deine Prägungen und lernst nach
und nach, sie zu verändern. Zu verändern welche schlechte Angewohnheit Dich krank macht, zum Beispiel. Du übernimmst praktisch Deine Erziehung
selbst, noch mal neu, mit allen Erfahrungen die Du gemacht hast, aber auch mit
aller Verantwortung für Dich selbst und Andere.
-Klingt gefährlich. . . .
Sie zeigt auf die Bücher.
-Ich find´s superlustig. Versuch´s mal.
-Wenn Du meinst.
Sie guckt ihn an, dass uns allen ein bisschen warm wird. Sie kennt ihn schon
auswendig.
-Ja, tu ich. Du musst es nur mit Humor nehmen.
Er schlägt mit der flachen Hand auf den Stapel.
-Gut! Ich versuch´s.
Sie bricht auf.
-Super. Bis später dann.
-Ciao.
Sie geht zur Türe raus, er setzt sich einhändig den Kopfhörer
auf, fummelt am iPod rum, beugt sich dann langsamst ´rüber, um zu trinken und lehnt sich genauso langsam mit Hilfe des Galgens zurück und schlägt von den Büchern, die noch auf seiner Decke liegen, das Erste auf.
Vorne drin zuerst ihr Stempel. Petra Schlüter, Strasse, etc.
Er blättert weiter bis es richtig losgeht: "Der erste Trip,
oder Kether". Musik setzt ein, die erste Strophe von Anastacia:
Not that kind
.
Umblättern. . .
8
Schwester Petra, auf dem Flur, nachdem sie gerade das Zimmer
verlassen hat. Sie strahlt, sie hat sichtbar einen Sieg errungen.
Beschwingt läuft sie den Flur hinunter, auf uns zu, und macht
noch so ´ne Art Becker-Säge, sehr weiblich. Sie geht an uns vorbei
und wir sehen eine Kollegin, Rosie, ebenfalls den Flur betreten.
Die Zwei kennen sich.
-Und?
-Was, und?
-Was gibt´s neues vom Helden?
-Ach sooo. . . . Der macht sich!
-Was heisst das?
Petra schmunzelt.
-Er nimmt Nahrung an.
Rosie winkt ab.
-Du und deine Mission.
Petra