Ob's Unrecht ist, was ich empfinde: Erzählung
Von Jens Korbus
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Über dieses E-Book
Jens Korbus
Jens Korbus, 1943 in Ostpreußen geboren. Studierte Germanistik und Philosophie und unterrichtete, nach einem Zwischenspiel als Assistent an der Düsseldorfer Uni, an einem Koblenzer Gymnasium. 1988 erhielt er aus der Hand des rheinland-pfälzischen Kultusministers den Fachinger Kulturpreis für seinen Brief an Goethe. Er veröffentliche bis heute 17 Bücher.
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Buchvorschau
Ob's Unrecht ist, was ich empfinde - Jens Korbus
Die Geschichte der Charlotte von Stein
Inhaltsverzeichnis
MARIA MAUCH
LIEBE
FREUDE, LEID
ENTWICKLUNG
GEHEIMNISSE
BILLETS
WEIMAR
VERBORGENES
BEISAMMEN
GLAUBEN, LEBEN
KLOSTERALLTAG
BEZIEHUNGEN
WOLKEN
HEIMSTATT
Nachwort
MARIA MAUCH
Wenn man vom Blockhaus-Restaurant über den Campingplatz vom Mauchsee-Ufer in der Eifel zurück zum Parkplatz am Kloster geht, sieht man das Klostergebäude wie ein Schlösschen in der Ferne des Nachmittagslichtes liegen. Erst verschwindet es noch hinter Wiesen, Bäumen, Knüppelzäunen und grasenden braun-weiß-gefleckten Kühen, dann sieht man weit hinten die Türme über die Baumgipfel ragen. Ich weiß nie so recht, welches der Nordturm ist. Spaziergänger gehen in langen Reihen Hand in Hand oder mit Rucksäcken diesen meditativen Weg, und wenn es nicht zu viele sind, ist es, zumindestens im Frühjahr oder Sommer, ein Erlebnis. Bald sieht man rechts das Seehotel – für seine Forellen berühmt – und auf den abgetrennten Arealen, wo die Kühe schon gegrast haben, wirkt das Gras dunkler. – Das Kloster ist fast tausend Jahre alt, und manchmal mache ich mir das Vergnügen, den Weg am See entlang zum Blockhaus-Restaurant und zurück in meiner Mönchskutte zu wandern. Nicht um dem Klosterleben zu entkommen, sondern um etwas von der Ruhe und Heiterkeit der Spaziergänger mitzunehmen. Denn sonst lebe ich nach der Benediktiner-Regel „ora et labora". Die Benediktiner-Abtei Maria Mauch wurde im Jahr 1093 gegründet. Sie blühte in der Salier-Zeit unter den Äbten Gilbert, Albert und Gregor auf. 1802 wurde sie von den Franzosen nach der Französischen Revolution aufgelöst, säkularisiert, wie man damals sagte. Napoleon wollte keine Klöster. Schon Danton und Robespierre waren der Adel und der geistliche Stand fremd gewesen. Das Inventar wurde von den französischen Kommissaren peinlich genau aufgelistet und enteignet. Die beweglichen Dinge wurden danach in meine Heimatstadt Koblenz, der Hauptstadt des Rhein-Mosel-Departements versteigert und brachten hohe Gewinne. Erst 1892 konnte der Prior Willibrod nach einer Audienz bei Wilhelm II. das Kloster wieder in Besitz nehmen. Insgesamt leiteten es einundvierzig Äbte. Wir haben eine große Gärtnerei, eine Buchhandlung, einen Kunst-Verlag, einen Bootsverleih, Fischfang, Obstbau, Biobauernhof sowie verschiedene Handwerkerbetriebe. Auch ein großes Hotel ist da, wenn man die Ruhe und Abgeschiedenheit am Maar genießen will. Das Klostergebäude wird von der Klausurmauer umschlossen. Aber ausbüchsen will keiner. Wohin auch, wozu auch? Alle Räume des Klosters sind um den Kreuzgang angeordnet. Die wichtigsten Gemeinschaftsräume liegen im Erdgeschoss. Auf der Südseite liegt das Refektorium, der Speisesaal. Bei den Lesungen während der Mahlzeit stehen meistens die Leiden der Märtyrer an. Ich gehe gerne in den Kreuzgarten hinter dem Klostergebäude, meditiere über die schönen romanischen Rundbögen. Gebet und Arbeit prägen meinen Tagesablauf. Die hohe, offene Bibliothek mit den haushohen Holzregalen und der gusseisernen Wendeltreppe stammt schon aus dem 19. Jahrhundert. Durch die Säkularisation gingen die meisten der alten Bände und Handschriften verloren. Die Bibliothek zählt heute circa zweihundertsechzigtausend Bände. Hier sitze ich an meinem Schreibpult und forsche und arbeite. Ich stamme aus dem ärmsten Stadtteil von Koblenz, Koblenz-Lützel. Und nach dem Hauptschulabschluss sah meine sechsköpfige Familie keine andere Möglichkeit, als mich ins Kloster zu geben. Ich wollte es damals auch, denn etwas in meinem Inneren hatte mich schon immer zur Spiritualität hingezogen. Während meiner Forschungen über eine neue, strengere Auslegung des Neuen Testaments habe ich die Schriften Goethes im Regal gefunden und mich in sie vertieft. Ja, ich wurde geradezu fortgerissen. Goethe fing an, mich zu beschäftigen.