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Ostseeschleife: Ein zeitloser Segelsommer
Ostseeschleife: Ein zeitloser Segelsommer
Ostseeschleife: Ein zeitloser Segelsommer
eBook203 Seiten2 Stunden

Ostseeschleife: Ein zeitloser Segelsommer

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Über dieses E-Book

Nach seinem Ausscheiden als Chefredakteur des "Hamburger Abendblatts" hat Menso Heyl zusammen mit seiner Frau und dem Bordhund einige Wochen lang die Ostsee im Segelboot umrundet – bis zu den Åland-Inseln, dann durch den Götakanal quer durch Schweden nach Göteborg und wieder zurück nach Deutschland. Seine Beobachtungen sind nicht nur Reisebericht, sondern auch Reflexionen eines aus dem Berufsleben getretenen Menschen, der zunächst einmal die neu gewonnene Ruhe und Zeit genießen lernen muss – fern von Konferenzen, Terminen und Vorgaben ..
SpracheDeutsch
HerausgeberDelius Klasing
Erscheinungsdatum29. Nov. 2013
ISBN9783768883221
Ostseeschleife: Ein zeitloser Segelsommer

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    Buchvorschau

    Ostseeschleife - Menso Heyl

    UmschlagVerlagslogo

    Menso & MaryAnn Heyl

    OSTSEESCHLEIFE

    Ein zeitloser

    Segelsommer

    Delius Klasing Verlag

    1. Auflage

    © by Delius, Klasing & Co KG, Bielefeld

    Folgende Ausgaben dieses Werkes sind verfügbar:

    ISBN 978-3-7688-3255-7 (Print)

    ISBN 978-3-7688-8121-0 (pdf-eBook)

    ISBN 978-3-7688-8322-1 (EPUB-eBook)

    Lektorat: Birgit Radebold

    Fotos: Alle Fotos von Menso Heyl, bis auf die Bilder 5, 11, 17, 28 und 29: Herbert Biller, Bilder 4 und 33: Uwe Heldewig

    Umschlaggestaltung: Buchholz/Hinsch/Hensinger, Hamburg

    eBook-Erstellung: CPI – Clausen & Bosse, Leck

    Alle Rechte vorbehalten! Ohne ausdrückliche Erlaubnis

    des Verlages darf das Werk, auch Teile daraus,

    nicht vervielfältigt oder an Dritte weitergegeben werden.

    www.delius-klasing.de

    Für unsere Söhne Marcus

    und Christopher

    Inhalt

    1 Der erste Schritt ist der wichtigste

    2 Zwischen gestern und morgen liegt der Augenblick

    3 Der Wind sagt, was zu tun oder zu lassen ist

    4 Eine Gemeinschaft von Seenomaden

    5 Vom Gefühl, vor Anker zu liegen

    6 Auch wer die Leinen loswirft, ist nicht unbedingt weg

    7 Das Licht des Sommers im Norden

    8 Wenn ein Stück vom Panzer der Gewohnheit platzt

    9 Nicht nur das Wetter wandelt sich

    10 Die unverzichtbaren Momente des Für-sich-Seins

    11 Sehnsucht nach dem offenen Meer

    12 Nichtstun ist aller Freuden Anfang

    13 Angekommen, aber nicht am Ziel

    14 Keinen Hund mehr! Keinen Mann mehr! Höchstens einen Goldfisch

    1

    Der erste Schritt ist der wichtigste

    55°07,52´N

    012°02,60´E

    Præstø, Seeland

    Ein Lichtfleck wandert über mein Gesicht. Von links nach rechts, wieder nach links. Ganz langsam. Er weckt mich auf. Es ist der erste Sonnenstrahl, der d'urch das unverdunkelte Decksluk fällt. Der Schein wandert mit dem Boot, das sich vor Anker hin und her bewegt.

    Beine aus der Koje. Sechs, sieben Schritte, dann die Stufen ins Cockpit hoch. Maimorgen. Der Himmel ist von frühlingshafter Helligkeit, aber noch nicht blendend. Über dem glatten Wasser der Bucht liegt Dunst, wie ein Schleier, wie eine leuchtende, fast durchsichtige Glocke. Das Holzdeck macht die nackten Sohlen nass, es ist durchtränkt von der Feuchte der Nacht. Niemand anders ankert hier, wir sind allein. Wiesen und Bäume an Land, die Tropfen an den Relingsdrähten, frisch sieht das alles aus, als wäre es gerade geschaffen. Für uns.

    Wir sind später aufgebrochen, als wir dachten. Immer ist noch etwas zu tun. Die vier Winschen am Cockpit, die Extra-Winsch für die Wickelleine des Großsegels, die beiden Winschen am Mast zum Durchsetzen von Groß-, Vorsegel- und Spinnakerfall, sieben Stück, auseinandernehmen, reinigen, fetten und wieder zusammensetzen. Die Kanten der Cockpit-Grätings brauchen frischen Klarlack, die hölzerne Einfassung des Niedergangsluks braucht ihn auch – wie sieht das sonst aus? Hinter der Verschalung über dem Navi-Tisch muss ein Kabel für den Bordcomputer verlegt werden. Die neuen Vorhänge für die sechs Seitenluken im Salon, die aufstellbaren Luken in Pantry, WC und der Achterkajüte bekommen neue Vorhänge. An das Bücherbord in der Achterkajüte wird eine Schlingerleiste gesetzt, damit die Bücher nicht im Seegang herabstürzen. Reparaturen und kleine Einbauten ziehen und ziehen sich hin.

    Referenzpunkt

    Abbildung 1

    Raus aus dem Winterlager, endlich sind wir im Wasser. Doch dann ist der Wind gegen uns. Tag um Tag kommt er aus Nordost, die Richtung, in die wir wollen. Die Langsamkeit des Aufbruchs liegt jedoch nicht nur am Wind: Wir finden immer wieder eine Sache, die noch zu erledigen ist und erledigt werden soll. Das Segeln ist eben ein Abbild des Lebens: Die Leinen loswerfen, das Vertraute fahren lassen und sich auf Neues einlassen – das ist schwer. Du schiebst es also etwas hinaus, findest immer genug, das noch zur Vorbereitung gehört.

    Als wir dann ablegen, steht im Hafen von Burgstaaken auf Fehmarn, wo wir außer den Handwerkern kaum jemand kennen, niemand an Land und winkt. Doch mit dem Augenblick des Ablegens beginnt unsere neue Zeit. Zu zweit drei, vier Monate auf einem Boot. Wie fühlt sich das an? Wird es kostbar sein oder eine Last?

    Das Meer wird besungen, beschrieben, gezeichnet und gemalt. Wenige aber wissen, dass die See sowohl trennen als auch vereinen kann. Freundschaften, Liebe und Ehen scheitern an der Enge des Lebens an Bord. Sich so nah sein, das können nur wenige. Aus Tagen wird Endlosigkeit. Jede Falte des anderen, jede kleine Verwerfung des Charakters, jede dumme Angewohnheit vergrößert sich unter der Lupe der Nähe ins Unerträgliche. Und ein Ausweichen gibt es nicht. Für manche jedenfalls.

    Aber es gibt auch die anderen, die Glücklichen. Für sie ist das Schiff ihre Schale. Es trägt sie. Es umhüllt sie. Es beschützt sie. Sie genießen die Nähe zueinander. Von Tag zu Tag bezieht sich ihr Leben mehr auf das, was ihnen wichtig ist. Tage füllen sich mit Sein. Aus Unterschieden wird Gemeinsamkeit.

    Es wird sich zeigen, was ist.

    An den Kreidefelsen der Insel Møn sind wir entlanggesegelt. In der Bucht bei Præstø, umhüllt von Wald und Seelands Hügeln, fällt der Anker. Nur 100 Seemeilen bis hier. Wir sind nicht am Ziel, aber auf dem Weg. Auch wenn das Ziel kein Ort sein wird, sondern ein Zustand, so wissen wir doch schon jetzt, dass dieser Zustand mit der Intensität des Lebens zu tun haben wird.

    Die ersten 100 Meilen sind nur ein Schritt. Aber der erste Schritt ist der wichtigste. Du musst ablegen, wenn du ankommen willst. Hol den Anker auf, setz Segel, leg ab. Fühl den Wind im Rücken oder – wie meistens – mitten im Gesicht. Richte die Augen auf den Horizont. Oder bleibe an Land. Aber wähle.

    Unser Boot heißt NAJADE, wie manche Wassergöttinnen bei den alten Griechen. NAJADE ist 10,34 Meter lang und an ihrer dicksten Stelle 3,33 Meter breit. An diesem Morgen wiegt sie mit all unseren Vorräten gut acht Tonnen. Das ist unsere neue Welt. Für die nächsten Monate haben wir gewählt.

    Alles wird langsamer und eindringlicher werden. Die Zeit fühlt sich anders an. Sie verrinnt nicht, sie trägt uns. NAJADE ist nicht sehr schnell, kein Rennboot, aber man kommt gut mit ihr voran. Sie ist verlässlich, und dass wir uns auf ihr sicher fühlen können, hat sie uns oft bewiesen. 26 Jahre ist sie alt, in dem Alter haben Boote schon viel Erfahrung. MaryAnn und ich finden auch, dass sie eine Schönheit ist, nicht nur wegen der neuen himmelblauen Gardinen.

    Unsere Welt unter Deck ist nicht riesig, doch Platz haben wir genug. Ganz vorn gibt es eine Kajüte mit zwei Kojen, dort, wo ich gerade aufgewacht bin. Durch eine Holztür geht es in den größten Raum, wir nennen ihn den Salon. An seinem anderen Ende ist auf der einen Seite das Bad (na ja, ein viel zu großspuriger Begriff). In der Mitte geht es vier Stufen hoch, durch das Niedergangsluk ins Cockpit. Auf der anderen Seite der Treppe ist die Küche, die wir Pantry oder Galley nennen. Und daran vorbei führt unter Deck ein kleiner Gang nach hinten in die Achterkajüte. Sie hat eine ganze Menge Schapps – das sind Aufbewahrungskästchen – und Schränkchen und das größte Bett, eine Doppelkoje. Nachmessen allerdings würde beweisen: Es ist nur eine Anderthalb-Koje.

    Oben an Deck nehme ich einen tiefen Atemzug. Die Luft, die allmählich von der See her über die Landzunge hinweg zu uns streicht, trägt einen gerade spürbaren Hauch von Jod und Salz. Sie zieht weiter über die Bucht, fährt durch das Astwerk der Bäume am Ufer wie durch ein Sieb und vermischt sich über Feldern und Wiesen, die sich nach weit landeinwärts erstrecken, mit dem Duft des frischen Grüns, das überall zu sehen ist. Über die Hügel streicht der Wind, als würde er das Gras bürsten. Die Welt einsaugen an diesem Morgen. Welch ein Glück, das zu dürfen.

    Wer sonst ist nicht im Käfig der Gewohnheiten eingesperrt? Im Käfig wie jener Bär, von dem man schon gelesen hat. Der Bär ging in seinem Käfig immer hin und her. Als die Gitterstäbe nach Jahren entfernt wurden, ging der Bär weiter seine sechs Meter hin und her. So als ob der Käfig noch da wäre. Die Macht der Gewohnheit. Machen wir es anders als der arme Bär? Vielleicht selten, aber doch manchmal im Leben, taucht eine gute Gelegenheit dafür auf. Wenn eine alte Aufgabe erledigt ist, wenn dein Zug von den Schienen genommen wird, oder du selbst die Weichen neu stellst.

    Vor 20 Jahren hätte ich laut gelacht, wenn mir einer gesagt hätte, du liegst irgendwann einmal in einer Bucht vor Anker und schreibst Gedanken auf ein Stück Papier über den ersten Schritt zu einem langen Törn. Vorwärtskommen hat sich damals anders definiert. Aber heute? An Schwedens Südküste vorbei, nordwärts durch die Schären und – auch Ziele, die weit abseits der Südsee liegen, können exotisch klingen – zu den Åland-Inseln. Wohin auch immer. Wir haben Zeit, bis der Sommer zu Ende geht.

    Zehn grüne Oktavheftchen sind an Bord, mit jungfräulich-weißen linierten Seiten. Darauf wollen wir Eindrücke und Gedanken festhalten für die Kolumne, die ich einmal die Woche von unterwegs für die »Welt« schreibe. Am Morgen unseres zweiten Hafentages in Præstø sehe ich, dass MaryAnn in der Achterkajüte schon eine Weile wach gewesen ist. Sie hat eins der grünen Heftchen auf dem Schoß und einen Bleistift in der Hand. Sie hat sich Notizen gemacht, die ersten Seiten gefüllt. Es sind mehr als Notizen, sehe ich, als sie mir das Heft herüberreicht. Es sind ihre Gedanken über das, was wir vorhaben. Es ist die Sicht einer Frau, meiner Frau, auf unser Abenteuer:

    Bevor wir aufbrachen, schreibt sie, habe ich mich gefragt: Was könnte größer sein – die Freude, meiner Sehnsucht nachzugeben und zu bleiben oder später das Bedauern, dass ich nicht gegangen bin? Und weiter: Die Gefühlswelten hinter diesen Gedanken hängen für mich eng zusammen. Sie sind Elemente meines Abenteuers, die in unserer Reise fest verankert sind.

    Das Wichtigste ist, mir selbst zu beweisen, dass ich die Ausdauer habe, viele, viele Wochen, einige Monate sogar, auf See zu sein. Weg von allem, was mein und unser Leben sonst ausmacht. Und wenn wir zuvor auch immer wieder über unsere lange Fahrt gesprochen haben und unsere Köpfe darauf vorbereitet haben, als es wirklich losgeht, habe ich nur den Eindruck, dass wir in Urlaub fahren. In mir ist dieses Drei-Wochen-Gefühl. Vielleicht ist es nur ein Schutz, den die Seele aufbaut, um das Unbekannte bekannter erscheinen zu lassen. Gewiss, mir hat das den Anfang leichter gemacht. Und die Hürde der mir so lang erscheinenden Zeit kann später kommen.

    Lange, lange Zeit eng zusammen? Jeder neue Schuh scheuert an einer anderen Stelle. Da wird kein Schuhmacher was dran ändern, das ist eben so. Aber wenn Männer auf die Nerven gehen, dann immer genau da,

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