Sekunde: "Weite Wege Wirst Du Gehen"
Von Sven Wiegand
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Über dieses E-Book
Es nimmt jeden mit auf seinen eigenen Weg und zeigt die Sekunden des Lebens auf. Es führt den Leser in eine Tiefe, in der er die Wahrheiten des Lebens erkennen und für sich selbst, in jeder Sekunde, nutzen und leben darf.
Sven Wiegand erzählt in "Sekunde- weite Wege wirst du gehen" von diesen Sekunden, die manchmal nutzlos verstreichen, oder unser Leben verändern, wenn wir sie, so wie sie sich bieten erkennen, und uns ihrem Fluss hingeben.
Wie oft haben wir uns im Leben schon gefragt, ob die Entscheidung innerhalb einer Sekunde die Wandlung einer Situation, oder gar ein Happy End gebracht hätte?
Wie viele Sekunden in unserem Leben verbrachten wir mit solchen Gedanken, ohne einen Schritt voran zu kommen?
Letztendlich ist doch immer das, was gerade zählt und existiert genau diese Sekunde, die uns geschenkt wurde.
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Buchvorschau
Sekunde - Sven Wiegand
Weite Wege
Weite Wege
Weite Wege bin ich gegangen.
Weite Wege werde ich noch gehen.
Weite Wege bist du gegangen
Weite Wege wirst du noch gehen.
Auf einem weiten Weg haben wir uns gefunden.
Werden wir uns auf einem weiten Weg wieder verlieren?
Welch ein Glück dich gefunden zu haben,
oder hast du mich gefunden?
Weite Wege werden wir gemeinsam gehen.
Weite Wege wird jeder alleine gehen.
Auf einem weiten Weg werden wir uns wiederfinden.
Auf einem weiten Weg werden wir gemeinsam gehen.
Weit werden wir alleine gehen.
Weiter können wir gemeinsam gehen.
Sven Wiegand
Prolog – Die Knorr
Die „Knorr" gleitet sanft durch das ruhige, tief schwarze Wasser. Nach dem starken Sturm der vergangenen Tage hat sich die See diesmal schneller als üblich, fast gänzlich geglättet. Die Wellenhöhe beträgt vielleicht noch zwei Ellen. Der Himmel zeigt immer wieder einzelne Wolkenlücken auf, durch die der Mond einen Hauch von Licht auf das Meer und die sich recht voraus abzeichnende Küstenlinie wirft. Die Ruderer haben ihre Riemen eingezogen und gegen Schwerter, Sachs und Steinschleuder eingetauscht. Das Segel ist aufgegeit und die Rah mit ihrer Steuerbord Nock auf das Deck niedergezurrt. Die Fahrt durchs Wasser reicht auch dieses Mal wieder aus, um die vor ihnen liegende Küste zu erreichen. Der Steuermann hat wieder ganze Arbeit geleistet. Noch lehnen die Männer mit entspannten Muskeln rücklings, an dem sich in den Nachthimmel streckenden Schandeck. Könnte jemand einen Blick auf das Schiff werfen, so sähe er das elegante, stolze Schiff mit zielstrebigem Kurs auf das Gestade. Nur ein Narr denkt bei diesem Anblick an ein friedliches Bild. Wer dieses Schiff einmal erblicken durfte und es überlebt hat, weiß, es bringt den Tod. Und nicht viele haben es überlebt.
Es werden abends an den Feuerstellen Geschichten erzählt. Wenn die Kinder in den Langhäusern verschwunden sind und im Schutze der Nacht, unter ihren Fellen, einen vermeintlich sicheren Schlaf suchen, sprechen die Alten über dieses Schiff.
Auch sie sind Seemänner und ihr Reichtum rührt größtenteils nicht vom Handel, sondern von Raubzügen und kleinen Scharmützeln gegen andere Völker. Doch kämpfen sie nur am Tag und sind froh, wieder in den Schoß ihrer Weiber zu fallen, wenn sie von einer Reise zurückkehren.
Nicht so die Männer des stolzen Schiffes. Auch sie haben Frauen und Kinder, eine Siedlung von Langhäusern und einen Bauplatz unten im Fjord, auf dem Arbeiten an ihrem Schiff durchgeführt werden. Niemand außer den Mitgliedern des Clans kennt den Platz.
Sie gehen nicht auf Beutezug nur des Überlebens wegen und sicher nicht, um andere Gebiete zu erobern.
Niemals würden sie sich mit einem anderen Clan verbünden. Es ist ihr Instinkt, der sie antreibt, Seefahrt, Navigation und Kampf in Einheit zu perfektionieren. Überall an der größtenteils zerklüfteten Küste des Nordlands finden sie ihre Opfer. Meist achten sie darauf, dass die Beute schon einmal mit Blut bezahlt wurde.
Ihr Anführer und Kapitän ist seiner Zeit weit voraus. Er kennt die Risiken von Ebbe und Flut. Er weiß die Sterne zu deuten und spürt Wetterveränderungen. Niemand weiß, woher er seine Erfahrung hat, am wenigsten er selbst. Gefürchtet wird er nicht, denn wer sich ihm anschließt, ist sich seiner Zukunft sicher. Ein üppiges Leben steht ihm bevor. Spürt doch jeder seiner Crew nach geraumer Zeit, wofür sie auf Beutezug gehen: „Freiheit, sie sind frei!"
Nicht so andere Ruderer oder Handwerker der Clans im Norden. Sie sind Leibeigene ihrer Anführer.
Jeder Mann bekommt seinen Anteil der Beute gerecht ausgezahlt. Und so er denn will, wird ein weiteres Langhaus oberhalb des Fjords errichtet.
Hier befindet sich auch das Haus des Anführers, etwas abseits der anderen. Es liegt in einer kleinen Senke, geschützt vor dem erbarmungslosen Wind, der hier tosen kann. Umgeben von einer fünf Ellen hohen Steinmauer ist es seiner Frau und den beiden Mädchen möglich, auch während eines Sturms, sicher vor ihr Heim zu treten. Schon manches Weib oder Kind ist hier oben im Norden bei schwerem Wetter vor die Tür gegangen und nicht wiedergekehrt. Dies darf seiner Frau und den Kindern nicht geschehen, denn sie geben ihm die Kraft und Energie, immer wieder auf See zu fahren und navigatorische Meisterleistungen zu vollbringen. Er fährt hinaus, wann er es für richtig hält und kehrt, meist nach erfolgreichen Raubzügen, zurück. Nie weiß seine Frau, wann er wieder unten im Fjord festmacht. Aber sie ist sich seiner Kraft auf See gewiss und sorgt sich nicht.
Niemals hat sie ihn aufgehalten, wenn er sich von seinen Mädchen und ihr verabschiedet, um wieder zu einem erbarmungslosen Raubzug auszulaufen. Oft verlässt er in den Abendstunden ihr gemeinsames Langhaus und kehrt erst nach Wochen zurück.
Seit drei Tagen hält ein fürchterlicher Sturm an. Am dritten Morgen beginnt er langsam abzuflauen. Gegen Mittag sieht man, wie die Sturmsee abläuft und die Wogen beginnen, sich allmählich zu glätten. Der Wind fängt an, sich zu drehen. Der Kapitän lässt das stolze Schiff klarmachen zum Auslaufen. Die Männer sind schon unten am Anleger, Proviant ist ausreichend gebunkert, ein Ersatzsegel vorn im Bug verzurrt und der Zimmermann hat zusätzliche Wasserfässer an Bord vertäut. Mehr Waffen als sonst werden verstaut. Das Schiff ist klar zum Auslaufen. Sie warten nur noch auf ihren Anführer. Nie zuvor kam er als Letzter an Bord. Nach dem Befehl zum Auslaufen ist er immer einer der Ersten am Anleger und überwacht das Klarmachen.
Doch heute nicht. Hat er doch eine Auseinandersetzung mit seiner Frau. Nie wagt sie es, sich zwischen ihn und sein Schiff zu stellen. Sie ist angesehen bei den Männern und Frauen des kleinen Clans und haben die Weiber Probleme, kommen sie zu ihr. Gibt es während der Abwesenheit der Crew Reibereien oder Verletzungen, sie ist immer der rechte Ansprechpartner für alle. Ihre Stellung im Clan ist ebenso hoch, wie die ihres Mannes. Nur über das Schiff und seine Besatzung kann und will sie keine Entscheidungen treffen.
Heute ist ihre Eingebung so klar und deutlich, dass es ihr unmöglich ist, ihn ohne Warnung gehen zu lassen.
Alle Weiber haben ihre Stellung in diesem harten Bruchteil der geschichtlichen Sekunde mehr oder weniger selbst erwählen können. Unten, ganz weit unten im Südwesten, an der bretonischen Küste, erzählen manche Rückkehrende, gibt es sogar Anführerinnen.
Viele Weiber im Norden begannen schon seit Längerem, sich diesem Zimmermannsohn hinzugeben und ihn anzubeten. Es begann mit einzelnen, blassen, schmächtigen, Jünglingen, die für ihren Glauben alles auf sich nahmen, um das Wort ihres Gottes auch im hohen Norden zu verbreiten. Die Ersten, die sich der Lager näherten, wurden von den Wachen geköpft, weil es ihnen sehr unheimlich erschien, dass ein einzelner, schmächtiger Mann, durch die Kälte allein auf einen fremden Clan zu läuft. Solche Vorkommnisse wurden noch nicht einmal gemeldet. Es war unwichtig und es hätte auch niemanden interessiert.
Die Frau des Anführers weiß um die Geheimnisse der Götterwelt und kann, wie kein Anderer, Runen legen und deuten. Zur Verwunderung Vieler ist sie auch in der Lage, die seltsamen Runen in einem Buch
, welches die Anhänger des Zimmermannsohnes benutzen, um ihrem Gott näher zu sein, zu deuten und zu verstehen. Mit diesem umfangreichen Wissen ist sie allen voraus und kann, wann immer sie es für ratsam hält, in Welten eintreten, die ihr Antworten auf Fragen des täglichen Lebens geben.
So hat sie es auch an diesem Tag getan, wie vor jeder Abfahrt ihres Mannes. Sie ist so sehr erschrocken, dass es ihr unmöglich war, ihn nicht vor dem Auslaufen des stolzen Schiffes zu warnen, ja sogar sich ihm entgegen zu stellen und versuchen, ihn aufzuhalten. Sah sie doch das Ende des stolzen Schiffes und den Tod aller.
Ihr ist bewusst, wenn ihr Mann nicht zurückkehrt, würde dies das Ende des Clans, der Tod ihrer Kinder und ihrer selbst bedeuten.
Kurze Zeit später sieht man noch einmal das stolze Schiff, mit aufgeblähtem Segel, dem Horizont entgegen fahren.
Vor dem Weg
Es ist Montag der 07.05.2012. Meine Freundin Tanja bringt mich nach Basel an den Flughafen. Ich bin früh dran, denn sie muss rechtzeitig zurück in die Schule, an der sie unterrichtet. Wir steigen aus dem Auto und es fließen Tränen. Sie hat Angst, dass ich sie vergesse. Ich gehe für einige Wochen auf den Jakobsweg, aber warum sollte ich sie vergessen? Schließlich haben wir ein ziemlich aufgeräumtes Leben.
Im Flughafen treffe ich Alex aus der Schweiz, ein cooler Typ. Er fliegt nach Bordeaux, um seinem Freund beim Ausbau einer Pension zu helfen. Der Flug geht schnell vorbei, wir haben uns einiges zu erzählen. Nach der Landung verabschieden wir uns. Er will gleich nach seinem Kumpel sehen.
Ich muss am Gepäcklaufband warten. Noch einmal kurz inne halten, bevor ich den Rucksack vom Band nehme und einen Weg beschreite, den seit tausend Jahren schon so Viele vor mir beschritten haben. Es heißt er sei hart, aber er befreit und es verändert einen Menschen. Ich habe schon einige Veränderungen in meinem Leben gehabt, ich brauche keine großen Veränderungen mehr. Aber es wird mich bestimmt freier denken lassen, wenn ich fast tausend Kilometer nur mit Rucksack und einmal Wäsche zum Wechseln unterwegs bin. Vielleicht lerne ich ein paar interessante Leute kennen, aber man ist auch oft allein. Letztendlich habe ich so viele Vorstellungen, wie der Weg ablaufen wird und weiß doch nichts. Was macht die Arthrose in meiner Hüfte und vor allem mein Rücken? Ist es nicht ein bisschen übertrieben, mit verschraubter Wirbelsäule auf eine 952 km lange Wanderung zu gehen?
Endlich - da kommt mein Rucksack. Jetzt nichts wie raus,