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Ein Kind der Natur: Roman
Ein Kind der Natur: Roman
Ein Kind der Natur: Roman
eBook450 Seiten6 Stunden

Ein Kind der Natur: Roman

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Über dieses E-Book

Der Roman spielt in Schottland des 19. Jahrhundert. Die junge Frau Mina, das Kind der Natur, wird bis zu ihrer Hochzeit begleitet. Die Handlung ist in die Lebensweise und Sitten der Highländer dieser Zeit eingebunden.
SpracheDeutsch
HerausgeberTWENTYSIX
Erscheinungsdatum21. Apr. 2020
ISBN9783740740092
Ein Kind der Natur: Roman
Autor

Robert Wiliams Buchanan

Robert Wiliams Buchanan, geb. 1841, ist ein schottischer Dichter Romanautor und Dramatiker. Der Roman 'A child of nature' erschien 1879. Buchanan starb 1901.

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    Buchvorschau

    Ein Kind der Natur - Robert Wiliams Buchanan

    ein Roman

    von

    Robert Williams Buchanan

    Originaltitel: A Child of Nature

    aus dem Englischen

    von

    Peter M. Richter

    Nach

    Chatto & Windus, Piccadilly, London

    1896

    für meine Frau Antje

    Inhalt

    Kap. I Ein weißes Segel in einer grauen Einöde

    II Der hübsche Lotse

    III Ein alter Brief

    IV Musik, Mondschein und ein Bittgebet

    V Ein Interieur in holländischem Stil

    VI Doktor für die Seele und Doktor für den Körper

    VII Angus mit den Hunden

    VIII Verirrte und herrenlose Hunde

    IX Der Wanderer findet ruhige Quartiere

    X Eine Jagdepisode und ihr Ende

    XI Im Pfarrhaus

    XII Minas Fragen

    XIII Schloß Coreveolan

    XIV Grahams Heimkehr

    XV Am häuslichen Herd

    XVI Koll

    XVII Jahrmarkt in Storport

    XVIII Kleider machen Leute

    XIX Galgenpeter

    XX Schließlich Lord Arranmore

    XXI Die Maske fällt

    XXII Arranmore kommt heim

    XXIII Eine rätselhafte Botschaft

    XXIV Minas Verabredung

    XXV Das Heidehäuschen – Glenheather Lodge

    XXVI Graham wird bezaubert

    XXVII Kolls Zauberkraft

    XXVIII Der Verwalter und der Lord

    XXIX Ein Liebessturm

    XXX Ein Treffen und eine Trennung

    XXXI Schatten im Pfarrhaus

    XXXII Koll ist auf der Hut

    XXXIII Die Teufelsbrücke

    XXXIV Graham kommt zu Hilfe

    XXXV Kolls Axt

    XXXVI Der Traum zerrinnt

    XXXVII Mina ist genesen

    XXXVIII Graham und Arranmore

    XXXIX Durchkreuzte Absichten

    XL Sonnenschein und Sturm

    XLI Kolls Tribut

    XLII Eine Hochlandkirmes

    XLIII Ethel und Mina

    XLIV Ein wenig Sonnenschein

    XLV Ein Vorschlag

    XLVI Coreveolan ist verlassen

    XLVII Ethel spricht den Epilog

    Kapitel I

    Ein weißes Segel in einer grauen Einöde

    Am Nachmittag eines Sommertages erscheint eine kleine Zweimasteryacht mit gerefften Segel in der langen Mündung von Loch Uribol, einem Fjord im entlegenen Norden von Schottland. Während die Yacht auf der offenen See zwischen den südlichen Böen der benachbarten Berge hin und her geworfen wird, hißt man die rote flatternde Flagge am Fockmast, als Zeichen, daß die Insassen an Bord Hilfe benötigen.

    Es ist ein dunkler, trockener Tag. Der Wind bläst ständig frisch und stark aus Südost. Die Yacht, ein winziges Ding von fünfzehn oder sechzehn Tonnen und einer kleinen Kommandobrücke, hatte am frühen Morgen Kap Wrath umschifft, kreuzte das aufgewühlte Wasser, welches die dunklen zerklüfteten Berge Schottlands von der entfernten Küste Norwegens trennt. Leicht wie ein Vogel springt sie über die großen Wogen der See, wird von vorn bis hinten mit Schaum bespritzt, aber selten kommt ein Tropfen des grünen Wassers an Bord. Der Wind bläst meist von vorn, so daß ihr Fortkommen wirklich sehr langsam ist.

    Die Zeit verstreicht. Die düsteren Klippen des wilden Nordkaps können bald nicht unterschieden werden. Die Ufer der Nordküste, welche zuerst am Horizont schwach zu unterscheiden waren, verschwimmen allmählich. Die Yacht nimmt eine einsame Richtung, an den hohen Bergen des Ben Derg, an den Mietskasernen von Roan vorüber, welche die dunklen und steinigen Landzungen der Kliffs säumen.

    Nicht einmal an diesem langen Tag kommt die Sonne hervor. In der Atmosphäre ist ein gleißendes Silberlicht und der Himmel scheint dicht über der Erde zu sein. Die Wellen der See, die nicht gebrochen und zu weißem Schaum wurden, sehen ungewöhnlich schwarz und unheimlich aus. Es ist sicher ein passender Tag zum Segeln. Der farblose Ton aller Dinge – der See, das entfernte Land und der Himmel – sind nicht ohne Charme für Leute, die die neutrale Färbung der Melancholie der Nordküste lieben.

    Aber als sich der Abend nähert, die Sonne aus einer Schlucht der abgelegenen Berge ein gespenstisches Licht über die tanzende See verbreitet und die weißen Segel der kleinen Yacht rosafarben erleuchtet, ist sie nur wenige Meilen vor der gefährlichen Küste entfernt.

    Gerade zu dieser Zeit richtet der wetterfeste Hochländer, der das Schiff steuert, seinen Blick zum Sonnenuntergang und überläßt das Ruder einem jungen Mann, der neben ihm auf der Brücke sitzt und sagt ruhig:

    „Sie geht unter, um die Winde im Osten zu entfesseln, denn Loch Uribol ist ein schrecklicher Ort für Stoßwinde. Wir werden das Focksegel ganz und gar einziehen und sie mit Großsegel und Klüver segeln lassen."

    Kaum hatte der Sprecher mit Hilfe eines anderen Mannes, der träge im Vorderteil des Schiffes gelegen hatte, die Vorsichtsmaßnahme ausgeführt und das Focksegel eingezogen, als der erste Stoßwind weißen Schaum über die Brücke des Schiffes legt. Bö auf Bö folgt, während das Licht des Sonnenuntergangs zu hell leuchtendem Rot wächst. Der Wind weht und türmt riesige Wolken über die unermeßlichen Berge im Südosten auf. Die Yacht ist zu leicht mit Leinenstoff beladen und mehr als einmal ergreift der Wind das Schiff so brutal, als droht er es völlig zu versenken. Das Wasser ergießt sich auf der dem Wind abgekehrten Seite des Decks in grünen, reißenden Strömen und durchnäßt den Steuermann bis auf die Haut.

    Jetzt ist die See verhältnismäßig ruhig, dank der Deckung durch die Berge. Aus den dunklen Schluchten und nebligen Abgründen aber schießen die Windstöße mit aller Kraft der Verzweiflung hervor. Nur jemand, der an dieser Küste ein kleines Schiff navigieren kann, ist in der Lage das Schiff hier sicher zu führen. Mit der Wut des Hasses und der Verzweiflung sozusagen, greift ein Windstoß nach dem anderen den Schoner wie ein wildes Tier an, das sich bemüht, es wütend in Stücke zu reißen. Laut lachend streicht sich der Steuermann die nassen Haare aus dem Gesicht und blickt angespannt in Richtung Land.

    „Wo ist nun das Uribol-Land? ruft er dem alten Kelten, der zuerst sprach, zu: „Kannst du die Einfahrt zur Bucht ausmachen?

    Der alte Mann schüttelt den Kopf.

    „Ich denke sie liegt irgendwo dort drüben, sagt er, „aber ich habe niemals die Einfahrt passiert. Näher an den Wind, Sir, näher an den Wind! Wir werden direkt darauf zu steuern – dort ist ein gefährliches Wasser voraus!

    Der junge Mann am Steuer stößt einen Ausruf der Ungeduld aus.

    „Hier Calum, nimm das Steuer und laß mich einen Blick auf die Seekarte werfen."

    Während er das sagt, übergibt er das Ruder dem alten Mann und taucht in die Treppe zu den Kajüten, kehrt aber mit der Seekarte in seiner Hand schon bald zurück. Er breitet sie aus und folgt mit dem Finger der Küstenlinie und studiert sie aufmerksam. Hin und wieder wirft er flüchtig einen Blick zum Land, während die Yacht sich seitlich legt und durch jeden Windstoß näher und näher an die Küste kommt.

    Er ist ein Mann von acht- oder neunundzwanzig Jahren mit einem ziemlich hübschen Gesicht, breiten hohen Augenbrauen, einer griechischen Nase und einem stolzen, sarkastischen Mund. Seine Haut ist dunkel und gegerbt, als ob er lange Zeit in der Sonne wärmeren Klimas gelebt hat. Er ist sauber rasiert, ausgenommen die Oberlippe, wo er einen dicken eleganten Schnurrbart trägt, seine Augen sind blau und sehr groß, obgleich er die Gewohnheit hat, sie zusammen zu kneifen, wenn er irgendeine Person ansieht. Seine ganze Person und in jeder seiner Gesten strahlt er ein besonderes Flair aus, welches die Geburt des Gentlemans verrät. Sein Ausdruck letztendlich ist von Keckheit und Hochmut geprägt und sein Lachen hat nicht die klingende Klarheit der Jugend, sondern klingt zuweilen hohl, eine Art krampfhafter Fröhlichkeit, die sein Gesichtsausdruck nicht teilt.

    „Warum, zum Teufel, bin ich hierher ohne einen Lotsen gekommen? ruft er, „sieh her, Calum. Die Einfahrt der Bucht ist voller versunkener Felsen in jeder Richtung. Weiter weg, rechter Hand, ist Bo Scarbh, ein bekanntes Riff, bei Flut drei Fuß unter Wasser. Sieh, dort dicht dabei ist ein anderes, dort ist ein halbes Dutzend Felsen. Die Krone des Ganzen ist, das Wasser ist dort an der tiefsten Stelle der Durchfahrt nur sechs Fuß tief. Und, beim heiligen Georg, der Durchfahrkanal selbst ist an der engsten Stelle ungefähr nur zwei Kabel breit. Ohne Lotsen werden wir wohl sicher ein Schiffswrack sein, wenn wir da durchfahren. Was können wir tun?

    Calums Antwort auf diese Frage war, die Empfehlung weiter Signale zur Küste zu geben, daß man einen Lotsen braucht.

    So wird die kleine Yacht weiter vom Wind hin und her geworfen und Richtung Küste getrieben. Auf diese Weise kommt sie dichter unter die Berge. Sie konnten gerade noch etwa eine Meile voraus etwas unterscheiden. Nur wenige Yards gegenüber sehen sie den silbernen Schimmer der Einfahrt zur Bucht, die aus der Entfernung tatsächlich sehr schmal aussieht. Sie wissen, daß in der Bucht ein geschütztes Becken liegt, nahe der gegenüberliegenden Seite des ‚Dorfes‘.

    Eine Stunde geht in großer Aufregung vorüber und es gibt von der Küste keine Antwort auf ihr Signal. Jeden Augenblick werden die Windböen schrecklicher, bis es scheint, das kleine Schiff sei wirklich verloren. Das Schlimmste von allem ist, daß die Nacht nah ist, denn die Berge sind bereits in der Dämmerung.

    „Es ist eine furchtbare Küste,sagt Calum, als das Boot von einer gefährlichen Bö durchgeschüttelt wird, „ich denke eins der Hundert-Tonnen-Fischerboote ist gerade hier gesunken. Und es war nicht in irgendeiner See. Sie fuhr in den Süden mit Hering und hatte zwei oder drei leere Fässer an Deck, von den Bergen drüben kam der Wind auf und es sank wie ein Löffel in eine Schüssel mit Milch. Ich würde nicht für einen Haufen Geld mit einem offenen Boot segeln.

    „Nicht einer scheint von uns Notiz zu nehmen, sagt der junge Mann, „was ist zu tun? Das Boot wird nicht standhalten.

    „Das Boot ist ein gutes Boot, sagt Calum, „aber die Nacht wird schlecht sein und keine Yacht dieser Größe kann überleben, wenn sie in einen Sturm kommt. Wenn kein Mann von der Küste kommt werden wir zum Loch Uish fahren, gerade die Küste runter. Es ist nicht ungefährlich in der Dunkelheit, dort ist der Mackenzie-Felsen und das Riff, wo Sandie Gow die Wellen bricht und dort vorbei sind die Black Rocks, aber wir werden unser Bestes tun.

    „Wird gemacht! Denn es ist die einzige Chance, heil aus diesem verdammten Schlamassel zu kommen."

    „Oh ja, nur eine Chance, sagt Calum trocken und in einem unbewegten phlegmatischen Ton, „die Leute werden beim Fischen sein, aber es ist eine schlechte Nacht für ein Boot wie dieses in der offenen See.

    Dies erregte die Aufmerksamkeit des Anderen. Der junge Mann starrt ihn einige Zeit, halb heiter, halb höhnisch verwundert an. Er schaut in ein grimmiges, wettergestähltes, völlig unbewegtes Gesicht. Er muß laut lachen.

    „Du nimmst es um jeden Preis gelassen genug", sagt er.

    „Und warum sollte ich es nicht gelassen nehmen? Ich bin nur ein gemeiner Mann und muß die Winde nehmen wie sie kommen und mein Brot verdienen."

    „Kannst Du schwimmen?"

    „Keinen Zug", antwortet Calum und vergräbt sein Gesicht, in seinen Händen seine kurze, schwarze Pfeife. Der Mann im Vorderschiff, der gegen die Taue lehnt, summt in tiefen Tönen das traurige schöne Lied ‚Ghillie Callum‘.

    Insgeheim amüsieren sich seine Kameraden in ihrer Dummheit, der junge Mann lacht wieder und geht noch einmal in die Kajüte. Er kehrt mit einer Schrotflinte zurück und feuert zwei Schüsse in die Luft. Kaum hatte er es getan, als ein enorm großer Hund aufspringt, zur Reling rennt und begierig auf das Wasser starrt.

    „Runter, Nero, runter! schreit der junge Mann, „er denkt, ich habe etwas geschossen. Die Schüsse haben ihn zur Wachsamkeit animiert. Schaut da drüben!

    Auf einer kleinen Anhöhe, die die Einfahrt zur Bucht überragt sind zwei oder drei Gestalten undeutlich zu sehen, aber es ist schon zu dunkel, um sie auszumachen oder zu erkennen wer sie sind. Das Zwielicht ist zu ende und der Wind ist mit Wut wieder aufgekommen.

    „Wartet noch zehn Minuten, wenn niemand kommt, müssen wir es riskieren an der Küste entlang zurück zu fahren."

    Der Steuermann nickt. Das Schiff ‚umlegen‘ und wieder durch den Wind fahren. Man konnte sehen wie die Windböen windwärts die See weiß färben, wenn sie das Wasser ergriffen. Aber jeder konnte schon das Land ausmachen. Zehn Minuten gingen vorüber und der Befehl ist bereits gegeben, das Schiff mit einem freien Segel zu wenden, als Calum leewärts die Asche aus seiner Pfeife klopft und ruhig sagt:

    „Wartet noch eine Minute! Ich höre Rudergeräusche zwischen uns und der Küste."

    Kapitel II

    Der hübsche Lotse

    Alle horchen intensiv und hören das Platschen der Ruder näher und näher kommen. Unverzüglich darauf schießt aus dem Schatten der Felsen ein kleiner Kahn, gerudert von einer einzelnen Person. Es scheint ein einfaches flaches Fischerboot zu sein, ganz der Barmherzigkeit des Windes ausgesetzt, aber sehr gewandt geführt wird. Während Calum das Boot in den Windschatten bringt, lehnt sich der junge Mann über die Reling des Schiffes und gibt gespannt auf das kleine Boot acht. Jetzt stößt er einen Fluch aus und wendet sich zu Calum um:

    „Sieh her! Beschämende Idioten! Sie haben nur eine Frau gesandt."

    Calum, der ganz erstaunt ist, zeigt mehr Selbstkontrolle, er ist nicht sauer.

    Das Boot wird wirklich von einer Frau gerudert, eine junge energische Erscheinung, ihr Kopf mit einer dunklen Kapuze bedeckt, so daß sie nicht das Gesicht sehen können. Calum begrüßt die Fremde auf Gälisch. Sie antwortet in hellem Ton in der selben Sprache. Und bevor er noch ein weiteres Wort sagen kann, ist das Fischerboot längsseits am Schiff. Eine leichte und mädchenhafte Gestalt springt mit unglaublicher Schnelligkeit und perfekter Behändigkeit an Bord. Es ist zu dunkel, um ihre Gesichtszüge zu unterscheiden, aber sie scheint gut auszusehen und sehr jung zu sein. Ihre Kapuze streift sie ab und ihr Gesicht und Haar sind feucht von der Gischt. In totalem, höchsten Erstaunen über die ungewöhnliche Erscheinung, steht der junge Mann mit offenem Mund starrend da, während die Fremde und Calum miteinander gälisch reden.

    „Was sagt das Mädchen? erkundigt er sich letztlich ungeduldig, „kommt jemand, um uns in diese Einsiedelei zu lotsen?

    Calum wiederholt was er für wichtig hält:

    „Das Mädchen sagt, daß kein Mann im Dorf ist in dieser Nacht, um ein Ruder zu führen oder ein Netz auszuwerfen. Das ganze Dorf ist auf Heringsfang im Loch Uish. Es ist niemand da, außer Ehefrauen, Kinder und alte bettlägerige Männer."

    Ein wütender Windstoß ergreift das Schiff, während Calum spricht und beinahe wird es umgeworfen und hätte fast den Weg verloren. Wieder in Gälisch an Calum gewandt sagt das Mädchen etwas, schiebt ihn beiseite und nimmt das Ruder.

    „Hallo! Was machen Sie? ruft der junge Mann, „Sie glauben doch nicht, daß das Boot einem Mädchen wie Ihnen anvertraut wird?

    Das Mädchen scheint entweder zu verstehen, was gesagt wurde oder vermutet die Bedeutung, weil sie lacht. Nun gleitet das Schiff wieder schnell durch das Wasser, gesteuert von der Fremden.

    „Das Mädchen sagt, bemerkt Calum phlegmatisch, „es gibt keinen besseren Lotsen hier als sie selbst. Und wenn wir ihr erlauben das Boot zu führen, wird sie uns wohl geborgen führen. Die Gezeiten führen Wasser, sagt sie, und wir haben Glück mit dem Wasser in den Engen.

    „Aber es ist nahezu stockfinster und dies ist nichts als ein Kind."

    „Haben Sie keine Angst, Sir. Sehen Sie! Sie weiß wie ein Schiff gesteuert wird und ich gebe mein Wort dafür, sie wird uns sicher leiten. Ich habe schlechtere Lotsen als sie gehabt. Sie ist ein kühnes Mädchen und eine Könnerin und besser als irgend ein Mann."

    Ein lauter Ruf des Mädchens unterbricht ihn. Sie scheint Befehl in ihrer Sprache zu geben. In dem Moment stürzt er vor und legt mit den anderen Hand an das Topsegel, während das Mädchen das Ruder herumreißt, gerade noch wenige Fuß von einem großen schwarzen Felsen, der aus der See ragt.

    „Das ist Maßarbeit, sagt der Gentleman nervös, „ich war erschrocken, daß uns etwas passiert.

    Das Mädchen spricht wieder mit Calum und er übersetzt:

    „Das ist Dhu Squr, sagt sie. Aber dort sind drei Faden Wasser über der scharfen Kante des Riffs. Wir kommen an die Engpässe heran und wir benötigen jeden Zentimeter.

    Ein weiterer Ruf des Mädchens und das Steuer wird wieder herumgerissen, um zu lavieren. Sie sind nun ganz im Schatten der Berge. Alles scheint in Dunkelheit und Verwirrung, besonders die ungewöhnlichen Gefühle des jungen Mannes. Für ihn scheint das Land auf allen Seiten verschlossen. Über ihnen türmen sich die Berge, der Wind kommt aus allen Richtungen. Ein wildes Brüllen liegt in der Luft und das Wasser scheint unter ihnen mit beängstigender Lautstärke zu wirbeln und zu kochen.

    „Wir sind nun in den Engen, sagt Calum, „das ist das Kochen der Flut.

    Der Wind ist außerhalb der Einfahrt zur Bucht heftig aufgefrischt und wieder und wieder wird das Ruder von dem Mädchen herumgerissen, so schnell, daß sie kaum etwas um sich wahrnimmt. Aus diesem Grund verweigert sie dem Steuermann in dieser Situation des Durchkommens zu antworten. Es scheint, als driften sie rechts neben den Felsen des Kanals. Im Moment richtet Calum auf Befehl des Mädchens das Stagsegel mit einem Brüller windwärts aus und das Steuer komplettiert die Steuerbewegung. Alles scheint im Schatten der Berge, dunkler zu werden, aber bald sieht der junge Mann, daß sie mehr und mehr in das offene Wasser geraten und verschiedene Lichter des Dorfes am Ufer schimmern aus der Dunkelheit. Aber der Wind schreit noch laut.

    „Alles ist nun sicher, Sir, sagt Calum, „wir sind nun dicht bei der Einsiedelei, außer Gefahr.

    Er rennt vor und hilft seinen Seemannskameraden die Ketten an Deck zu holen, daß sie frei fahren können und den Anker am Bug hochziehen. Eine Minute später wird das Ruder in Windrichtung gebracht und das Schiff gleitet sicher etwa hundert Yards durch das ruhige Wasser, als das Mädchen den Mann her ruft und das Ruder übergibt. Die Yacht ist angehalten. Der Anker ist mit solch lieblichen Geräusch geworfen, das nur erschöpfte Segler kennen und lieben. Für einige Minuten herrscht Verwirrung in der Dunkelheit. Der junge Mann geht nach vorn, um zu sehen, daß alles wohl geborgen ist und um einen Blick in die nähere Umgebung zu tun. Soviel er in der Dunkelheit ausmachen kann, sind sie in einem schönen Naturhafen, auf jeder Seite von Bergen umgeben und nahezu vor dem Wind geschützt.

    „Fünf Faden Wasser", sagt Calum, die Meßleine einholend, „und ein feiner weißer Schlick unterm Kiel. Wir können nicht passender vor Anker liegen. Der junge Mann, der in tiefe Überlegungen eingetaucht ist, berührt ihn an der Schulter.

    „Komm achtern mit mir, um mit dem Mädchen zu sprechen. Aller Wahrscheinlichkeit nach hat sie unser Leben gerettet."

    Aber als sie ankommen, war sie bereits verschwunden und der alte Fischerkahn, den sie gerudert hatte, um zu helfen, war ebenfalls nicht mehr da. In der sie umgebenden Dunkelheit strengen sie ihre Augen an und lauschen auf Rudergeräusche, aber alles ist still und sie können nichts von dem fremden Mädchen entdecken.

    Kapitel III

    Ein alter Brief

    ‚Mein lieber Freund,

    Du wirst an der Überschrift und dem Poststempel merken, daß ich letztlich in Thule angekommen bin. Ich kaufte eine kleine Segelyacht, brandneu, für dreihundertfünfzig Pfund, stattete sie in Clyde ausreichend aus und begann meine Reise mit einer Mannschaft von zwei Mann, einer davon ist ein alter Fischer, der diese Küste kennt, wie die Falten im Gesicht seiner Mutter. Unser Weg begann in Iona. Bei gutem Wind ging es bis zum Essen in Loch Scavaik, Skye. Dann segelten wir von dort um Cap Wrath, dann erreichten wir Uribol in der fünften Stunde am Nachmittag. Die ganze Reise war ein großes Vergnügen, aber ich vermißte den Komfort einer Dinnertafel. Was ich zu essen hatte, mußte ich mir selbst kochen. Ich konnte den Männern nicht zumuten für mich zu kochen. So begnügte ich mich mit gekochten Eiern, harten Biskuits, gelegentlich etwas Fisch. Tee und Kaffee machte ich über der Spirituslampe. Und ich rauchte einige Zigarren. Ich nahm einige Dutzend Flaschen Rotwein in Clyde an Bord, aber sie verschwanden im Nu und seitdem bin ich beim ‚Nationallikör‘ stecken geblieben und er gefällt mir wirklich überaus. Der modus vivendi ist: den Kopf nach hinten zu werfen und einfach ein Glas Whisky auf einen Zug herunter zu schütten und dann mit tränenden Augen und brennendem Hals findet es in einem unbeschreiblichen Weg Beifall, durch das Heften der Zunge an den Gaumen.

    Das Klima ist abscheulich, es stellt meine Stimmung auf die Probe. Seit ich an dieser Küste zu segeln begann, habe ich meine alte Freundin, die Sonne, kaum gesehen. Alles ist grau, melancholisch und dunkel. Von dem heftigen Regen abgesehen, bleibt der schottische Nebel ewig, das heißt ein heimtückischer, fallender Tau, der unsere Kleidung in eine nasse Pferdedecke verwandelt hat. So nimmt es kaum Wunder, daß so wenig Leute hier sind, wenn man die Trostlosigkeit aller Dinge berücksichtigt.

    Für meinen Teil kann ich nicht verstehen wie Menschen für ein ganzes Leben in so kalten Temperaturen existieren können. Obgleich ich ein Schotte von Geburt bin, fließt mein Blut in südlicheren Breitengraden freier als hier. Wenn ich hier länger bleibe, würde ich phlegmatisch werden und, wie die Eingeborenen, abergläubisch sein.

    Und nun, trotz allem, denke nicht, daß ich den Eindruck erwecken will, daß ich enttäuscht bin. Dieses Schicksal, Graue Einöde und einsame See, berührt mich mehr als Du Dir vorstellen kannst. Gerade wie manche alte Eingravierung mit ihrem einzigartigen Ausdruck, suchen mich eben die Vorstellungen mehr heim, als jedwedes schöne Bild. Ich habe Tuschzeichnungen in zwei oder drei Skizzen gemacht – eine von Loch Scaviag, eine andere von den Gipfeln von Sutherland usw. und sie scheinen sonderbar diese Landschaft wiederzugeben, ohne einen Schimmer von Farbe. Wenn Du schweigend intensiv in die Färbung der Berge, Seen und dem Meer schaust, dann ist da Farbe in der feinsten Art. Ich wußte noch nie, wie viele verschiedene Grau es hier gibt, bis ich diese Reise machte. Ihre Kombinationen sind außerordentlich und im künstlerischen Sinne sehr pathetisch.

    Ich reiste weit, wie Du weißt, aber niemals, weder in der amerikanischen Prärie oder in den kanadischen Urwäldern, auf dem alten Kontinent, oder dem neuen, fand ich perfektere Schönheit als in der Umgegend hier. Wenige Schiffe kreuzen in der See, die Einwohner des Nordens sind wenig und weit verstreut und die ganze Landschaft scheint Jahrhunderte zurück geblieben zu sein. Ein Brief aus der entlegensten Hauptstadt in Europa würde Dich schneller erreichen, als von hier aus. Denke ich nur an die fünfhundert Meilen weit, die die Krähe fliegt, und das über Wasser, wie gefährlich bei der zerbrechlichen Kraft, welche sie über den Pazifik führt, was sind dagegen die großen Postdampfer. In der Tat, Livingstone in Afrika ist nicht viel weiter von der Zivilisation entfernt, als ich es im Moment bin! Ja, ich wandere wirklich wie ein einsamer Reisender. Mein Ziel kennst Du, ich brauche hier nicht darauf anzuspielen. Alles um mich herum ist fremd – die Landschaft, Sitten und Gebräuche und die Sprache. Mein alter Lotse ist der einzige Mann, der ein Wort auf englisch spricht.

    Ich bilde mir ein, ich sehe Dich voller Mitleid mit den Schultern zucken, wenn Du an meinen einsamen Zustand denkst und beeilst Dich am Nachmittag in rosigen Entzücken zu Fuß zu einer gewiß dunkelhaarigen und elegant gekleideten jungen Lady mit prächtigen Augen fortzukommen.

    ‚Armer Teufel!‘ höre ich Dich rufen, ‚nicht einmal eine schöne Frau spricht mit Dir.‘

    Nicht so eilig, wie auch immer, sprich mir nicht von Deinen langweiligen Salonschönheiten, Deinen gezierten Träumern über das letzte neue Poem, Deine üblichen Puppen, die in der Sonne des Lebens schmelzen wie Wachs und nur im Gaslicht lächeln. Eher gib mir die mäßige Schönheit der amerikanischen Prärie, verehrungswürdig, nichts zurückweisend, nichts fordernd; oder die antilopenähnlichen Mädchen in den südlicheren Breiten. Eher gib mir eine der anspruchslosen Fischermädchen, hell, frisch, natürlich, anmutig wie ein Rehkitz und blühend wie eine Rose!

    Hier scheine ich Dein zynisches Lächeln zu bemerken.

    ‚Ja, sagst Du, ‚die konventionellen Geschöpfe drittklassiger Gedichte und Novellen und ich, der sich gut mit der niederen Gesellschaft auskennt, ist niemals über die sylphenartigen(1) gestolpert. Fischermädchen, eben aus Newhaven, wo sie am besten blühen, haben häßliche Füße, harte Hände, wohlgestaltete Körper, ein gewöhnliches Gesicht und eine unsaubere Sprache.‘

    Und, allgemein gesprochen, glaube ich, Du hast recht. Schönheit verbessert sich nicht durch raue Arbeit oder mit gänzlicher Untätigkeit, noch durch Geisteserleuchtung mit dem üblichen konventionellen Einhämmern auf den Gymnasien.

    Schönheit, Bescheidenheit und Anmut sind spärlich im kärglichen Leben – irgendwie spärlich, weißt Du, so etwas wie Tugend existieren noch in manchen Lebenslagen des besseren Lebens. Hier wie dort in meiner kurzen Pilgerfahrt kreuzten irgendwelche Blumen von erstaunlicher Lieblichkeit, irgendwelche perfekte Exemplare der unkultivierten Natur von der unteren Schicht und anscheinend uninteressanter Boden, in welchen sie wuchsen. Ich weiß Deine Ohren schmerzen nun. Du hast recht. Ich habe einen Phönix aufgedeckt, oder so etwas Ähnliches. Es begann auf dem romantischsten Weg, wie Du hören wirst.

    Am Nachmittag des 5., wie ich oben erwähnte, erreichten wir diese Küste – Wind, sehr steif - Windböen, schrecklich - die Nacht kam schnell über uns und die See um uns lag voller versunkener Felsen. Die Einfahrt von Loch Uribol ist sehr gefährlich. Ich vertraute der Hilfe eines Lotsen von der Küste, um uns in den Hafen zu bringen. Wir signalisierten wieder und wieder, inmitten eines gepfefferten Windes, aber nicht eine Seele kam uns zu Hilfe. Es wurde dunkel und wir wollten gerade weiterfahren, als eine Vorsehung eintrat und uns einen Erlöser in Gestalt einer jungen Eingeborenen schickte. Du errätst mein Erstaunen, als ein Mädchen im Teenager Alter an die Seite des Schiffes ruderte, an Bord springt, ohne zu fragen das Kommando über das Schiff nahm. Vor meiner Nase, gab sie ihre Kommandos in einer fremden Sprache und meine aufrührerische Mannschaft gehorchte, als ob sie ein Geist von einem anderen Stern wäre. Ich war einfach wie versteinert, meinen Blick auf der Erscheinung gerichtet. Es würde vergebens sein, das Folgende zu erklären, außer Du hättest eine Seekarte von Loch Uribol vor Dir und -kenntest all die Gefahren dieser Passage.

    Es genügt zu sagen, daß das junge Mädchen, von dem ich spreche, mit einer nautischen Geschicklichkeit, die in mir die wärmste Bewunderung hervorrief, führte, und uns mit Sicherheit durch jede Gefahr brachte und platzierte das ganze Schiff, Fracht und Mannschaft korrekt im Hafen der Bucht.

    So weit, so gut, ich kenne die Frage, die Dir auf der Zunge liegt, es ist eine alte Frage: ‚Sah das Mädchen gut aus?‘ und sollte ich negativ antworten? Sehe ich all Dein Interesse, an der sich in Rauch auflösenden Geschichte, verschwinden. So oberflächlich sind die Männer, so leichtgläubig ist der Eindruck, der nur oberflächlich ist. Wie auch immer, laß mich zu Deiner Befriedigung erzählen, daß diese junge Gestalt nicht nur gut auszusehen schien, sondern positiv anziehend und nicht nur mutig wie ein Adler, sondern anmutig wie ein wilder Schwan. Ich spreche bloß vom ersten Eindruck und möglicherweise zeigt sie sich ganz anders im Alltag. In der Dunkelheit der Berge in dieser Nacht schien sie von nahezu außerirdischer Liebenswürdigkeit.

    Stell Dir die Situation vor! Eine stürmische Nacht – ein Schiff in Notlage – Gefahr auf jeder Seite – und das Auftreten eines Geistes, welcher in alten Zeiten zu Ulysses kam, als es noch Geister im Meer gab. Die ganze Begebenheit schien unreal – ein Bild, daß an Byron, oder an einen der deutschen Romanschriftsteller des ‚Sturm und Drang‘ erinnert. Alles was ich tun konnte war wie im Rauch – war wie ein heller Schein, ich stand auf der Brücke, starrte wie eine große Gans auf unseren dienstbaren Engel.

    Natürlich, wenn es mir möglich gewesen wäre gälisch zu sprechen, hätte ich ein Gespräch angefangen. Niemals in meinem Leben bedauerte ich so meine Unkenntnis. Ich bildete mir ein, sie verstand mein Englisch zu einem bestimmten Grad, weil sie zu meinen Bemerkungen zu dem Lotsen lachte. Alles in Allem schien sie mich als eine Person von wenig Wichtigkeit anzusehen, sie wandte sich gänzlich an den alten Calum, nahm das Kommando meines Schiffes ohne mich zu beachten.

    Ich denke, ich male ein Bild der ganzen Angelegenheit, wenn ich mehr Kenntnis der Farben habe.

    Der Wind blies in ihr Gesicht und löste, von ihr unbeachtet, ihr Haar. Ihr Nacken war nach vorn gewölbt wie ein Schwan, dessen Kopf ungeduldig auf einen Punkt gerichtet ist, während ihre Blicke vorwärts in die Dunkelheit spähten. Sie stand auf der Brücke, umklammerte das Ruder mit einer Hand und drückt es mit ihrem Körper. Der ganze Blick und ihre Gestik waren prächtig. Ich konnte mich aber nicht darüber freuen, ich erwartete, daß wir jeden Moment zu Bruch gingen. Dann ihr schneller vogelähnlicher Befehlsruf zu dem Mann, ließ die Luft klingen! Ich dachte die gälische Sprache wäre sehr häßlich, bevor ich dieses Mädchen sprechen hörte. Sie sprach sehr weich und sehr deutlich, ohne anstößige Kehllaute der gewöhnlichen Eingeborenen.

    In einem Moment schoß es mir durch den Kopf, daß irgend ein schöner Seevogel sich uns zuwendet und seinen eigenartigen Schrei ausstößt. Im nächsten Moment, als sie gerade das Ruder herumreißt und das Schiff um eine gefährliche Kurve steuert, wirkte die Gestalt steinhart, so fest und unbewegt war die ganze Gestalt bis die Gefahr vorüber war. Manchmal, besonders wenn sie irgendeine Erklärung an Calum richtete, ähnelte sie einer der früheren Seenymphen, funkelnd und zittern in der Gischt.

    Das war, sage ich, mein Eindruck. Gegen die romantische Beschreibung hast Du die besonderen Fakten bekommen, meine Einbildungskraft wurde größtenteils durch die einsame Küste und der besonderen Gefahr hervorgerufen. Es war nicht leicht alles kritisch zu beurteilen. In Details bin ich mir so ungewiß, daß ich nicht schwören könnte, welche Farbe ihr Haar oder ihre Augen hatte, noch ihre Kleidung. Soweit ich mich erinnere trug sie zu ihrer dunklen Kapuze, eilig aufgesetzt, nur ein Kleid in blauer Seide oder Wolle und ein kurzes weißes Jackett, das bis zur Hüfte reichte, solches wie Du auf Bildern von schottischen Milchmädchen gesehen hast.

    Du wirst Dich wundern, daß ich keine Vorsicht beim Erscheinen der hübschen Gestalt walten ließ, um alle Zweifel auszuräumen.

    Nun gut, Fakt ist, mein Abenteuer endete so mysteriös wie es begann. Kaum hatten wir den Hafen sicher erreicht, hatten wir auch schon die Fremde vermißt. Sie nutzte den Vorteil der Dunkelheit und der Verwirrung und ruderte davon, bevor ich ihr für unsere Rettung danken konnte, oder ihr Belohnung oder Lohn anzubieten, denn das Mädchen war offensichtlich arm und ich fühlte mich dazu verpflichtet. Das Ungewöhnliche an der ganzen Angelegenheit verdiente Hochachtung. In diesem Land leistet sonst keiner einen speziellen Dienst, ohne dafür eine Bezahlung zu erwarten.

    Gib zu, daß das ganze Abenteuer einzigartig war. Mit wirbelnden Kopf kehrte ich in meine Kajüte zurück, rauchte eine Zigarette nach der anderen und sah das Gesicht des Mädchens vor mir im Rauch. Während der Wind hin und wieder in die Takelage blies, erinnerte er mich in welcher Gefahr wir uns befanden. Zuletzt, erschöpft und ermattet, fiel ich in Schlaf und hatte wilde Träume in denen meine Befreierin vorkam. Zusammen mit ihr bestand ich unzählige Gefahren. Manchmal war sie eine Indianerin, nackt bis zur Hüfte und paddelt zu meiner Rettung, als ich kenterte in irgend einem amerikanischen See. Ein andermal saß sie vor mir auf einem fliehenden Pferd und wir galoppierten vor einer mörderischen Bande fort. Ich vermischte sie mit allen möglichen Szenen aus meinem vergangenen Leben und all den Nonsens, den ich in der Vergangenheit gelesen hatte. Natürlich war ich in meinen Träumen leidenschaftlich in sie verliebt, ohne praktische Bedeutung, hatte aber das Vergnügen meiner eigenen Leidenschaft.

    Als ich am Morgen an Deck kam, schien es, gänzlich in einem Märchenland zu sein. Es war ein völlig ruhiger Sommermorgen und jeder Umriß der Berge spiegelte sich im stillen Wasser. Unsere Yacht war in einer schmalen Bucht und hatte die Segel zum trocknen gehißt. Das Land erstreckte sich auf jeder Seite sehr grün und wellig, von den Klippen aufsteigend mit aschgrauen Steinen und purpurner Heide und weit darüber der turmähnliche Ben Ival, eine wilde, gezackte Spitze, über welchen ein Adler aus der Entfernung ruft. Ein paar hundert Yards von unserem Ankerplatz war ein schöner Strand aus weißem Sand und genau darüber, weiträumig verstreut, das ‚Dorf‘, wenn ich es so hochtrabend betiteln will.

    Stell Dir eine große Anzahl von gigantischen Felsbrocken vor, hohe Heide und hier

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