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Die Einhornchroniken 3 - Die Schlacht am Weltenbaum
Die Einhornchroniken 3 - Die Schlacht am Weltenbaum
Die Einhornchroniken 3 - Die Schlacht am Weltenbaum
eBook325 Seiten4 Stunden

Die Einhornchroniken 3 - Die Schlacht am Weltenbaum

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Über dieses E-Book

Die hasserfüllte Beloved ist mit ihren Jägern in das wundersame Land Kirin eingedrungen. Jetzt hat sie die Chance, die Einhörner ein für alle Mal auszulöschen! Kirins magische Bewohner schweben damit in größter Gefahr: Die Jäger haben bei ihrem rücksichtslosen Einfall ins Land der Einhörner den Weltenbaum schwer verletzt! Und mit ihm liegt auch Kirin im Sterben …

Nur erbitterter Widerstand gegen Beloved und die Heilung des Weltenbaums können Kirin retten. Während die Einhörner sich auf die alles entscheidende Schlacht vorbereiten, erbittet Cara Hilfe vonseiten der Drachen. Mehr und mehr Bewohner Kirins verbünden sich, um ihre Welt zu retten – doch die Zeit verrinnt schnell ...

"Die Schlacht am Weltenbaum" ist der dritte Band der Einhornchroniken.

Die Fantasy-Reihe von Bruce Coville entführt Leserinnen ab 10 Jahren in eine märchenhafte Welt voller Magie und zauberhafter Fabelwesen.
SpracheDeutsch
HerausgeberLoewe Verlag
Erscheinungsdatum12. Dez. 2016
ISBN9783732007738
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    Buchvorschau

    Die Einhornchroniken 3 - Die Schlacht am Weltenbaum - Bruce Coville

    Titelseite

    Für Adam und Charlotte

    karte

    Die Legende der Großen Jagd

    Zum letzten Mal greife ich, Grimwald, Hüter der Einhornchroniken, zum Stift, um niederzuschreiben, wie die Große Jagd ihren Anfang nahm. Nach alter Tradition geschieht dies alle zehn Jahre einmal, seit dem Tag, als die Einhörner Kirin betraten. Diese Geschichte birgt das Geheimnis hinter allem, was den Einhörnern seit jeher widerfahren ist. Und sie zu erzählen, ist unsere Art, die Erinnerung daran lebendig zu erhalten.

    Woher die Einhörner kamen, weiß niemand. Doch es besteht kein Zweifel daran, dass ihr Erscheinen aus der alten Erde einen reicheren und süßeren Ort machte. Zu dieser Zeit lebten Menschen und Einhörner größtenteils getrennt voneinander. Und dennoch waren sie nicht verfeindet.

    Nun verhält es sich so: Obschon Einhörner sehr lange leben, sind sie nicht unsterblich. Und schließlich kam der Tag, an dem das erste verstarb. Leider wurde sein Horn – denn nichts sonst war von ihm übrig geblieben, da sein Körper sich aufgelöst hatte, wie es bei den Einhörnern nun einmal so ist – von einem Mann gefunden, der bald darauf entdeckte, dass darin noch immer ein mächtiger Heilzauber ruhte. Damit hätte er sich zufriedengeben können. Aber er wollte tapfer und wagemutig erscheinen und so prahlte er damit, dass das Einhorn – das lange tot gewesen war, bevor der Mann das Horn überhaupt fand – eine grässliche Bedrohung gewesen sei. Und er habe mit ihm bis zum Tode gerungen.

    Wie Lügen es an sich haben, verbreitete sich die Geschichte vom blutrünstigen Einhorn wie ein Lauffeuer – ebenso wie die Wahrheit über die heilenden Kräfte des Horns.

    Zu dieser Zeit begab es sich, dass die Tochter eines Mannes – ein Jäger durch und durch – lebensbedrohlich erkrankte. Der Vater beschloss, sich auf die Suche nach solch einem magischen Horn zu machen, um sie zu retten, und bereitete sich auf den Kampf mit einer grauenhaften Bestie vor. Da seine Frau bereits tot war, nahm er seine Tochter (die er Beloved getauft hatte) mit sich.

    Eines verhängnisvollen Tages ließ der Jäger Beloved auf einer Lichtung im Wald zurück, wo sie sich ausruhen sollte. An jenem Nachmittag erfasste ein unglücklicher Windstoß den Geruch des Kindes und seiner Krankheit und trug ihn zu einem Einhorn namens Weißling. Weißling kam auf die Lichtung, um zu helfen. Behutsam und zärtlich näherte er sich, kniete sich zu Beloved und presste die Spitze seines Horns in ihre Brust, um sie zu heilen.

    In diesem Moment kehrte der Jäger zurück und schrie entsetzt auf, da er dachte, er müsse mit ansehen, wie ein Einhorn seine Tochter tötet. Flink feuerte er einen Pfeil ab. Dieser bohrte sich dem Einhorn ins Herz, im selben Augenblick, da auch das Horn ins Herz des Not leidenden Mädchens drang.

    Vor Schreck und Schmerz riss Weißling den Kopf in die Höhe – so plötzlich, dass die Spitze des Horns abbrach und in Beloveds Herzen stecken blieb.

    Der Jäger stürzte sich auf Weißling und vor den Augen des verängstigten Mädchens kämpften Mann und Einhorn einen Kampf bis auf den Tod. Sie sah mit an, wie beide ihr Leben ließen, und die Worte ihres Vaters über die Bösartigkeit der Einhörner brannten sich in Beloveds Herz ein, das an diesem Tag zum ungewöhnlichsten Herzen der ganzen Welt geworden war. Denn immerfort, in jedem Augenblick, wird es von dem Splitter darin verwundet und gleichzeitig vom mächtigen Zauber des Horns wieder geheilt.

    Angetrieben von Schmerz und Wut und am Leben gehalten von dieser seltsamen Magie, wurde Beloved zum erbitterten, ewigen Feind der Einhörner. Fortan strebte sie danach, die magischen Wesen zu vernichten, um Rache für ihren Vater zu üben und ebenso um ihnen die nie endenden Qualen ihres Herzens zu vergelten.

    Dies war der Anbeginn der langen Jagd, die schon jahrhundertelang dauert, da die unsterbliche Beloved noch immer nichts sehnlicher erstrebt als die Ausrottung derer, denen sie die Schuld an ihrem Unglück gibt.

    Nun, zuletzt jedoch, ist es vorbei. Ich nehme meinen Stift, um hier, zwischen dem, was von meinen Höhlen übrig geblieben ist, von der Freude und dem Leid, dem Triumph und der Tragödie zu berichten, die die letzten Tage der Jagd erfüllten …

    Grimwald

    Vierter Hüter der Einhornchroniken

    Königlicher Hain, Kirin

    Prolog

    Er betrachtete das Samenkorn. Sanft leuchtend lag es in seiner riesigen Hand.

    Dass er den Samen stehlen musste, um seinen Plan durchführen zu können, hatte ihn bekümmert. Aber nur ein wenig. Samen sollten wachsen und nicht irgendwo gehortet und versteckt werden.

    Nichtsdestotrotz wusste er, dass die Bestrafung fürchterlich sein würde, wenn man ihn dabei ertappte.

    In seiner anderen Hand hielt er die Reste einer Sternschnuppe. Dies war ebenfalls verboten, denn die Kraft des Sterns war auch nach dem Fall gewaltig und durfte nicht von jemandem seines Standes benutzt werden.

    Doch auch dies störte ihn kaum.

    Was ihn in Wahrheit bedrückte, war das Blut. Denn Blut zu vergießen – selbst wenn es wie geplant sein eigenes war –, war die schwerste aller Sünden. Aber ohne die Leben spendende Flüssigkeit war alles andere nutzlos.

    Er presste den Samen in den noch immer glühenden Stern, nahm ein Messer aus seinem Gürtel und schnitt sich damit in die Handfläche.

    Blut sickerte aus der Wunde. Es war glänzend rot und warm.

    Einige Tropfen fielen auf das Samenkorn. Als es mit dem Blut in Berührung kam, fing es an zu wachsen.

    Er lächelte.

    Es hatte begonnen.

    Die Nacht des Blutmonds

    »Der Ansturm der erfolgreichen Streitkräfte ist wie ein Wasserfall, der in eine tausend Faden tiefe Schlucht stürzt.«

    Sunzi: Die Kunst des Krieges

    Der Mond geht auf

    Cara Diana Hunter rückte dichter an ihre Großmutter Amalia Flickerfoot – die Königin der Einhörner – heran. Weder sie noch die Königin konnten die Augen vom Himmel abwenden, an dem der rubinrote Kreis des aufgehenden Blutmondes höher und höher stieg.

    Rechts von Cara stand ihr Freund Medafil, der sie nach ihrer Reise zum Tal der Zentauren wieder zurück nach Autumngrove geflogen hatte. Medafil war ein Greif, mit dem Kopf und den Flügeln eines Adlers – wenn auch sehr viel größer – und dem Unterleib eines gewaltigen gelbbraunen Löwen. Gerade öffnete und schloss er immer wieder seinen Schnabel. Cara wusste, dass er vor sich hin murmelte – was er immer dann tat, wenn er nervös war. Hin und wieder zuckten seine buschigen Ohren, die das Einzige an seinem Kopf waren, was nicht einem Adler glich. Sein langer dünner Schwanz peitschte ebenfalls unruhig von einer Seite zur anderen und ähnelte – bis auf das Fellbüschel am Ende – einer Schlange im Mondlicht.

    Um den Greif, das Mädchen und die Königin standen bis in den Wald hinein unzählige Einhörner. Wahrscheinlich war es die größte Zusammenkunft aller Zeiten, denn es hatte sich herumgesprochen, dass Kirin in Gefahr war. So war beinahe jedes Einhorn des Landes nach Autumngrove gekommen. Alle hatten die schreckliche Nachricht vernommen, dass Beloved im Besitz eines der mächtigen königlichen Amulette war, mit denen man jederzeit zwischen der Erde und Kirin hin und her pendeln konnte. Normalerweise beförderten die Amulette nur ein oder zwei Menschen – oder Einhörner. Niemand zweifelte jedoch daran, dass Beloved das Amulett dazu verwenden würde, ein Tor zu schaffen, um dann eine ganze Armee an Jägern hindurchzuschleusen. Alle wussten, dass sie die Einhörner ausrotten wollte.

    Ein weiteres Gerücht ging um, dass die Delfer einen machtvollen Gegenstand von M’Gama, der Geomantikerin, gestohlen hatten – einen Gegenstand, mit dem Beloved frei wählen konnte, wo in Kirin sie ihren Angriff starten wollte.

    Welche Stelle das sein würde, konnte niemand sagen, denn es war nicht sicher, ob Beloved sich überhaupt in Kirin auskannte. Die Königin hatte M’Gama gebeten, mit ihren magischen Kräften Licht in diese Angelegenheit zu bringen. Die Geomantikerin hatte eingewilligt, doch dann seltsamerweise nichts mehr von sich hören lassen. Da dies eigentlich nicht ihre Art war, machte sich die Königin große Sorgen – M’Gama war schließlich ihre engste und mächtigste Verbündete.

    Bevor der Kontakt zu M’Gama abgebrochen war, hatte sie der Einhornkönigin jedoch noch eine wertvolle Information gegeben, nämlich wann der Überfall erfolgen werde: Noch in dieser Nacht, der Nacht des Blutmondes, am Jahrestag des Kampfs zwischen Weißling und Beloveds Vater!

    Cara schauderte, während sie beobachtete, wie der purpurrote Kreis über ihnen langsam höher stieg. Sie hatte nicht nur Angst um die Einhörner, sondern fürchtete auch um Kirin. Sie hatte diese Welt so sehr lieben gelernt, dass ihr ganz schlecht wurde, wenn sie daran dachte, dass nun alles zerstört werden sollte.

    Und was das Ganze noch schlimmer machte: Cara wusste, dass Beloved speziell nach ihr suchte, auch wenn sie keine Ahnung hatte, warum. Gerade wollte sie sich an ihre Großmutter lehnen, als die Königin schmerzerfüllt aufschrie.

    »Was ist los?«, fragte Moonheart beunruhigt, der nicht weit entfernt stand. »Was ist passiert, Schwester?«

    Die Königin schüttelte den Kopf, sodass ihre Mähne in silbernen Wellen über ihre Schultern floss. »Ich weiß es nicht, Bruder. Es war, als ob mir irgendetwas einen Schlag versetzt hätte. Ein Gefühl wie …«

    Doch noch bevor sie weiterreden konnte, fing der Boden unter ihnen an zu vibrieren.

    Die versammelten Einhörner wieherten panisch, stiegen auf die Hinterbeine und schlugen mit den Vorderhufen in die Luft.

    »Fürchtet euch nicht!«, schrie die Königin. »Habt keine Furcht!« Ihre Stimme verlor sich im Durcheinander. Doch das Beben dauerte nur einen Augenblick, und als das Schlimmste vorbei war, beruhigten sich die Einhörner wieder.

    »Fürchtet euch nicht!«, rief Amalia abermals. »Erinnert euch daran, dass dies in der alten Welt auch hin und wieder geschah. Man nennt das ein Erdbeben.«

    »Aber es ist noch niemals hier in Kirin passiert!«, sagte Moonheart. »Was hat das zu bedeuten?«

    Amalia Flickerfoot blickte ihren Bruder besorgt an, bevor sie antwortete: »Es heißt wohl, dass Beloved ihr Tor geöffnet hat.« Sie hielt inne und sagte dann wie zu sich selbst: »Aber ein neues Tor sollte nicht solch eine Erschütterung verursachen. Was hat sie nur getan?«

    Auch wenn die Königin versuchte, es zu verbergen, war die Angst in ihrer Stimme so deutlich, dass es Cara kalt den Rücken hinunterlief.

    Der verwundete Baum

    Während Cara und ihre Großmutter den aufgehenden Mond betrachteten, stand auch Lightfoot zitternd im blutroten Licht und konnte kaum glauben, was er sah.

    Keine zwanzig Fuß vor ihm ragte Axis Mundi auf, der Mittelpunkt von Kirin, ein Baum, so gewaltig, dass er beinahe das komplette Blickfeld des Einhornprinzen einnahm. Zwischen Lightfoot und dem Baum war ein Steinhaufen aufgeschichtet, fast so hoch wie der Prinz selbst, und darauf lag ein Ball aus Draht. Lightfoot hatte beobachtet, wie ihn sein Freund, der Dumbeltum, wenige Augenblicke zuvor dort hingelegt hatte. Es war der »Anker«, der es Beloved ermöglichte, an einer bestimmten Stelle Kirin zu betreten.

    Die Explosion, die erfolgte, nachdem der Dumbeltum die Kugel platziert hatte, warf den Prinzen um und machte ihn vorübergehend blind. Als er wieder auf den Beinen war und seine Sicht sich klärte, bemerkte er zwei Dinge, die ihn zutiefst beunruhigten: Der Dumbeltum war verschwunden und das Drahtgeflecht glühte.

    Sofort galoppierte Lightfoot auf den Steinhaufen zu, um den leuchtenden Ball auf den Boden zu werfen und zu zertrampeln. Aber obwohl er es dreimal versuchte, schaffte er es nicht heranzukommen. Irgendein magischer Schutzwall hielt ihn davon ab.

    Mit Grauen beobachtete er nun, wie sich die Drahtkugel wie von unsichtbarer Hand in die Luft erhob. Als sie etwa einen Fuß über den Steinen schwebte, begann sie, sich zu drehen. Außerdem versprühte sie rote und gelbe Funken, die auf den mit silberblauen Blättern bedeckten Waldboden fielen. Einen Moment lang fürchtete Lightfoot, dass das Laub Feuer fangen würde. Als dies nicht geschah, richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf die herumwirbelnde Kugel.

    Langsam und ohne einen einzigen Laut bewegte sich der Drahtball auf den großen Baum zu. Lightfoots Herz begann wie wild zu pochen und mit aller Kraft warf er sich gegen die magische Barriere.

    Doch es nützte nichts, der Schutzwall hielt stand.

    Die glühende Kugel prallte gegen den Stamm und der Prinz musste die Augen abwenden, als eine helle, gewaltige Druckwelle über ihn hinwegfegte. Die Erde bebte und durch die ungeheure Kraft wurde er erneut zu Boden geworfen.

    Als sich Lightfoot wieder dem Baum zuwandte, schrie er erschrocken auf. Im Stamm klaffte ein riesiges Loch. Es erstreckte sich vom Boden bis etwa auf Schulterhöhe des Prinzen und war so breit, dass fünf Männer nebeneinander hindurchgehen konnten.

    Weit, weit über sich hörte Lightfoot ein Klagen und Ächzen, als ob die Zweige den Schmerz des Baumes hinausschreien wollten.

    In der Öffnung schimmerte ein Schleier aus lichtem Nebel. Hinter diesem dünnen Vorhang konnte Lightfoot undeutlich eine andere Welt erkennen – eine Welt, die von steinernen Mauern umgeben war.

    Der Prinz benötigte ein paar Augenblicke, bis er begriff: Er blickte auf eine Festung – von der Art, wie sie in den alten Geschichten und Liedern beschrieben wurden, die die Einhörner von der Erde nach Kirin mitgebracht hatten.

    Es war jedoch nicht das Schloss, das Lightfoot mit Schrecken erfüllte. Es war das, was hinter dem Nebelschleier in Erscheinung trat: Reihe um Reihe grimmig aussehender, wütend dreinblickender Männer.

    Der Prinz erschrak. Das waren nicht nur »Männer«.

    Es waren Jäger.

    Und das Schlimmste daran war, dass sie von jemandem angeführt wurden, den Lightfoot nur zu gut von ihrem letzten Zusammentreffen kannte: Beloved, die ewige Feindin der Einhörner.

    Dem Prinzen wurde ganz mulmig zumute, als Beloved dem schimmernden Vorhang immer näher kam. Ihre roten Augen loderten und ihr silberweißes Haar wogte auf und ab, als ob es ein Eigenleben führte.

    Lightfoot rappelte sich hoch. Sein erster Impuls war, über die Weide, die den Baum umgab, zu fliehen. Aber das würde sicherlich die Aufmerksamkeit der Eindringlinge erregen. Und es würde den Einhörnern auch nichts nutzen. Besser – wenn auch weitaus beängstigender – wäre es, den Feind auszuspionieren. Mit diesem Gedanken trabte der Prinz eilig um den Baum herum, dessen Stamm so breit war, dass er sich gut dahinter verstecken konnte.

    Zwar konnte er nichts sehen, aber er lauschte angestrengt den verblüfften Rufen der Männer, die aus dem Durchgang traten. Es war offensichtlich, dass sie entgegen aller Vorbereitung völlig überrascht waren, sich auf einmal in einer anderen Welt wiederzufinden.

    Zu seinem Erstaunen hatte Lightfoot das plötzliche Bedürfnis, zu ihnen zu gehen – ein Gefühl, so kraftvoll und überwältigend, dass es ihm schwerfiel zu widerstehen. Er konnte es sich nicht erklären, bis er den Grund dafür vernahm: Zusammen mit den Männern war eine Gruppe junger Frauen angekommen.

    Lightfoot fröstelte. Seit der Zeit, als Weißling ermordet wurde, verspürten die Einhörner den Drang, Jungfrauen zu Hilfe zu eilen. Mit Grausen wurde dem Prinzen bewusst, dass Beloved diese Mädchen mit nach Kirin gebracht hatte, um sie als Köder zu benutzen. Sie wollte die nichts ahnenden Einhörner in den Tod locken!

    Die Wut, die in Lightfoot aufflammte, spülte seine Furcht fort. Er wollte nichts lieber, als die Jäger mit seinen Hufen zu zertrampeln, sie mit seinem Horn aufzuspießen und so viele wie nur möglich zu verletzen und zu töten. So lange, bis sie ihn mit ihren Schwertern und Spießen zu Fall bringen würden. Doch dann schüttelte er den Kopf, weil er einsah, dass es nicht sehr klug wäre. Die Königin musste unbedingt von all dem erfahren und er war der Einzige, der ihr davon berichten konnte. Er durfte weder sterben noch als Gefangener enden. Mit einem Mal fiel jegliche Angst, die der Prinz um sich selbst hatte, ab und wurde von einer viel größeren ersetzt: der Angst um das Schicksal aller Einhörner. Seit Jahrhunderten schon versuchte Beloved die magischen Wesen auszulöschen. Sollte es ihr letztendlich gelingen?

    Lightfoot spähte vorsichtig um den Stamm, um die Jäger zu zählen. Aber es half ihm wenig. Einhörner haben wenig Sinn für Zahlen und Lightfoot hatte noch nie solche Massen an Männern gesehen, wie sie jetzt an ihm vorbeiströmten. Waren es mehr, als es Einhörner gab? Wie viele Einhörner lebten überhaupt in Kirin? Wieso nur hatte er solchen Dingen nie mehr Aufmerksamkeit geschenkt?

    Es kamen immer mehr Menschen. Sie füllten beinahe schon den ganz Platz vor dem Baum aus. Bereits kurze Zeit später standen sie bis zu der Stelle, an der Lightfoot vorhin gegen die magische Barriere geprallt war. Er fragte sich, ob der Schutzwall inzwischen außer Kraft gesetzt war oder ob man grundsätzlich nur von einer Seite hindurchkam.

    Genug!, befahl er sich. Ich kann später noch darüber nachdenken. Jetzt muss ich mich darauf konzentrieren, nicht gesehen zu werden. Und das bedeutet … das bedeutet …

    Lightfoot verlor den Faden, weil er von den Jungfrauen abgelenkt wurde, die gerade an seinem Versteck vorbeigingen.

    Wie seltsam, dachte er. Auch wenn ich weiß, warum sie hier sind, zieht es mein Herz trotzdem zu ihnen. Ich frage mich, ob sie wissen, was für einen Verrat sie begehen sollen – ob ihnen bewusst ist, was zerstört wird, wenn sie Erfolg haben?

    Er zwang sich, die Mädchen nicht weiter zu beachten, und wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Prozession der Jäger zu.

    Plötzlich kamen die Männer zum Stehen. Lightfoot bemerkte, dass auch Beloved angehalten hatte. Die Männer und Frauen versammelten sich und Beloved drehte sich zu ihnen. Sie erhob die Arme und rief: »Meine Kinder!«

    Ihre Stimme war klar, kraftvoll und verführerisch – selbst für Lightfoot, der sie fürchtete und hasste.

    Dann fing sie an, sich in Rage zu reden. Ein wenig konnte der Prinz davon verstehen. Sein Vater, Tanzendes Herz, hatte immer behauptet, dass Lightfoot eine außergewöhnliche Begabung für Sprachen besaß. Deshalb konnte der Prinz auch mit so fremden Wesen wie den Delfern und dem Dumbeltum sprechen. Und durch seine Freundschaft mit Cara hatte er einige Wörter und Ausdrücke der Menschen gelernt. So begriff Lightfoot auch, dass Beloved die Männer dazu aufforderte, loszumarschieren, um so schnell so viele Einhörner zu töten wie nur möglich. Immer wieder schnappte er die Wörter »Blut« und »böse« auf. Und auch wenn er leider nicht alles verstand, fühlte er sich durch ihren Hass beschmutzt. Er hatte das Bedürfnis, sich an einem klaren Bach von all dem Dreck aus Beloveds Mund reinzuwaschen.

    Dann hörte er etwas Unmissverständliches, das ihn mit neuer Furcht erfüllte: »Und vor allem will ich das Mädchen – Cara Diana Hunter. Bringt sie mir!«

    Damit beendete Beloved ihre Rede. Sie ließ die Hände sinken und murmelte: »Hier ist es Herbst – eine passende Zeit für den Tod.«

    Fröstelnd rieb sie sich die Arme und fragte nach einem Mantel.

    Einer der Jäger trat nach vorn und schien ihr etwas anzubieten. Ohne eine Antwort abzuwarten, machte er sich auf den Weg zurück zu dem Tunnel im Baum.

    Beloved rief ihm einen scharfen Befehl zu und er hielt mitten in seiner Bewegung inne.

    Lightfoot versuchte krampfhaft, hinter die Bedeutung von Beloveds Worten zu kommen. Offenbar hatte es irgendwas damit zu tun, dass es gefährlich war, schon jetzt durch die Passage zu gehen. Sie sagte etwas von gegensätzlichen magischen Kräften, die einander bekämpfen würden. Laut Beloved musste der Jäger erst einige Stunden warten, bis er wieder zur Erde konnte.

    Lightfoot wusste von Cara, dass »Stunde« eine Zeitangabe war, aber er hatte keine Ahnung, wie lange so etwas dauerte. Und er hatte auch nicht verstanden, wie viele Stunden man warten musste.

    Der Jäger blickte betreten zu Boden, nickte und trat vom Baum zurück. Da griff sich Beloved plötzlich an die Brust. »Los!«, schrie sie mit schriller Stimme. »Geht jetzt!«

    Nach einigen weiteren Worten, die für Lightfoot ein Rätsel waren, brüllte Beloved etwas, das nur allzu deutlich war: »Geht und tötet die Einhörner! Tötet sie! Tötet sie alle!«

    Die Jäger brachen in begeisterte Jubelrufe aus. Dann teilten sie sich ohne ein weiteres Wort in Dreier- und Vierergruppen auf. Zu einigen gesellte sich auch eine der Jungfrauen. Allerdings bemerkte Lightfoot, dass die meisten Gruppen ohne eins der Mädchen auskommen mussten.

    »Geht!«, kreischte Beloved erneut.

    Lightfoot erstarrte und versuchte, sich so still wie möglich zu verhalten. Er hoffte, dass keiner der Jäger ihm zu nahe kommen würde. Eine der Gruppen lief dicht an ihm vorbei – zu dicht, wie er fand, aber zu seiner Erleichterung blieb er unentdeckt. Innerhalb weniger Augenblicke waren die Jäger und die Jungfrauen im Wald verschwunden und Beloved stand allein da.

    Zumindest dachte Lightfoot das. So war er überrascht, als sie sich zu ihrer Rechten wandte und wie auf eine Frage antwortete: »Ja, es ist tatsächlich alles wie versprochen.«

    Redet sie mit jemandem?, fragte sich Lightfoot. Er ging etwas näher und spitzte die Ohren.

    Er erhaschte die Andeutung eines Flüsterns, das jedoch so leise war, dass der Prinz keine Einzelheiten wahrnahm.

    Lächelnd sagte Beloved: »Ich werde nicht vergessen, was ich Euch schulde.«

    Lightfoot lauschte so angestrengt der geheimnisvollen Stimme, dass er nicht mehr auf die anderen Geräusche um sich herum achtete. So hörte er auch nicht die leisen Schritte, die sich ihm von hinten näherten. Erst als ein Speer seine Flanke streifte, erkannte er, dass er sich in größter Gefahr befand. Lightfoot wirbelte herum und machte sich zum Kampf bereit. Zwei Männer sprangen mit gezückten Schwertern auf ihn zu. In ihren Augen loderte Blutgier. Ein weiterer Jäger erhob seinen Speer und schleuderte ihn in Richtung des Einhornprinzen. Die Waffe schoss durch die Luft und bohrte sich in Lightfoots Schulter. Er wieherte vor Schmerz. Die Angreifer hatten ihn nun fast erreicht, doch auf einmal wusste er, was zu tun war. Er drehte sich von den Jägern weg, ignorierte die furchtbaren Schmerzen in seiner Schulter und galoppierte auf Beloved zu. Inständig hoffte er, dass der Schutzwall inzwischen außer

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