Tannenduft und Kerzenschein
Von Evelin Monschein
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Evelin Monschein
Evelin Monschein, geboren 1951, lebt in der Steiermark und ist seit vielen Jahren in der Erwachsenenbildung tätig. Sie schreibt Kurzgeschichten und Sachbücher.
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Buchvorschau
Tannenduft und Kerzenschein - Evelin Monschein
INHALT
DIE CHRISTBAUMKUGEL
SANDRO
FRIEDEN IM HERZEN
TOROSA
ZAHRA
CAMILLO
DIE CHRISTBAUMKUGEL
Laurenzo lehnte seine Stirn an die Fensterscheibe und starrte in das Schneetreiben. Wann in den letzten Jahren hatte es jemals so geschneit? Der Garten lag bereits unter einer dicken Schneedecke und der Weg jenseits des Gartenzauns war kaum noch zu erkennen. Es dämmerte bereits, eigentlich hätten Alica und die Kinder schon zurück sein müssen. Die pure Unvernunft, heute mit dem Auto zu fahren. Sie hatten jedoch nur geheimnisvoll gelächelt und irgendetwas von Weihnachtsgeschenken gemurmelt, als er sie gefragt hatte, ob sie tatsächlich bei diesem Wetter in die Stadt wollten. Laurenzo seufzte und wandte sich vom Fenster ab. Er hatte seine Weihnachtsgeschenke natürlich längst besorgt.
Weihnachten! Morgen war der Heilige Abend. Kaum zu glauben, dass schon wieder ein Jahr vergangen war. Die Zeit verging so schnell. Die Kinder waren fast zwölf Jahre alt, gar nicht davon zu reden, wie lange er mit Alica nun bereits verheiratet war. Vierzehn Jahre? Oder waren es gar schon fünfzehn? Nachdenklich ging er in den Abstellraum, um die Schachtel mit dem Schmuck für den Weihnachtsbaum zu holen. Natürlich stand sie im obersten Regal. Nun, Laurenzo war groß, und eine kleine Trittleiter stand auch da. Diese Aufgabe schien also lösbar. Schwieriger wurde es schon, wenn er den Weihnachtsbaum und den altgedienten, etwas antiquarisch aussehenden Christbaumständer davon überzeugen musste, bis zum Heiligen-Drei-Königs-Tag fest zusammenzuhalten.
Seufzend stieg er in den Keller und machte sich an die Arbeit. Kaum eine Stunde später hatte er es geschafft. Der Baum stand. Und das auch noch aufrecht wie ein Zinnsoldat. „Ziel erreicht", murmelte er zufrieden und schleppte den Baum mitsamt Gestell ins Wohnzimmer. Vor dem Kamin schien ihm der richtige Platz zu sein, und dort stellte er ihn ab. Die Schachtel mit dem Schmuck stand ungeöffnet auf dem Wohnzimmertisch. Laurenzo ließ sich aufs Sofa fallen und zog die Schachtel zu sich heran. Vorsichtig nahm er den Deckel ab. Welch eine Pracht und Herrlichkeit lag da vor seinen Augen! Glänzende Kugeln, Silbergirlanden und glitzernde Sterne, Engel und Rentiere. Seit er ein Kind war, versetzte ihn dieser Anblick in freudige Erregung.
Er blickte auf die Uhr. Wo Alica und die Kinder nur blieben? Nun, Alica war eine gute und sichere Autofahrerin. Bei diesem Wetter würde sie langsam fahren müssen. Er brauchte sich keine Sorgen zu machen. Er würde die Zeit nützen, um den Weihnachtsbaum zu schmücken.
Sorgfältig begann er, eine Kugel nach der anderen auf den Baum zu hängen. Bis nur mehr eine einzige Kugel in der Schachtel lag. Diese eine ganz besondere Kugel. Bezüglich Schönheit konnte sie sich mit den anderen nicht messen. „Willst du diese Kugel nicht endlich wegwerfen? hörte er Alica in seinen Kopf fragen. „Papa, diese Kugel passt doch gar nicht zu den anderen
, hörte er die Kinder. Nein, diese Kugel würde er nicht wegwerfen. Fast zärtlich nahm er sie aus der Schachtel und betrachtete sie nachdenklich. In der Tat, sie passte wirklich nicht zu den anderen. Sie war im Laufe der Jahre matt und glanzlos geworden. Außerdem hatte sie einen braunen Brandfleck, da sei einmal zu nahe an einer brennenden Kerze gehangen hatte. Und leider war sie auch das, was Alica und die Kinder als „fürchterlich kitschig" bezeichneten. Silbern mit grünen Streifen. Auch Laurenzo fand sie nicht schön. Jedoch zierte diese Kugel seit seiner Kindheit jeden Weihnachtsbaum, an den er sich erinnern konnte. Nichts und niemand würden ihn dazu bringen, sie wegzuwerfen.
Bilder tauchten vor seinem inneren Auge auf. Ein riesengroßer Weihnachtsbaum. So prächtig, wie er nie einen gesehen hatte. Die brennenden Kerzen. Zwei kleine Jungen mit großen, leuchtenden Augen – er und sein jüngerer Bruder. Sein Vater, der auf dem Klavier „Stille Nacht spielte. Seine Mutter mit dem Baby im Arm - seiner kleinen Schwester, deren Geburt sie fast das Leben gekostet hatte. Erst am Vortag hatte sie das Krankenhaus verlassen können. Und dass sie nun hier mit ihnen stand, grenzte an ein Wunder. Er selbst musste damals vier Jahre alt gewesen sein. „Dies ist ein besonderer Tag heute
, hörte er seinen Vater murmeln. „Ein ganz besonderer Weihnachtsabend." Und sein Blick ruhte mit großer Zärtlichkeit auf ihnen allen.
Laurenzo sah die Kugel in seiner Hand an. „Erinnerst du dich daran?" flüsterte er.
„Ja, ich erinnere mich. Laurenzo spürte die Antwort der Kugel in seiner Hand, in seinem Bauch, ja in seinem ganzen Körper. „Ich erinnere mich auch an das Weihnachtsfest einige Jahre später. Dein Großvater – der Vater deiner Mutter – war zu Besuch gekommen, und du hast ihn damals zum ersten Mal gesehen. An diesem Tag überwand er endlich den Groll, den er gegen deine Mutter hegte, seit sie deinen Vater – einen mittellosen Künstler , wie er es nannte – geheiratet hatte. „Ein besonderer Tag
, sagte deine Mutter mit Tränen in den Augen. „Ein ganz besonderes Weihnachtsfest." Ihr größter Wunsch – Frieden zu schließen mit ihrem Vater - war in Erfüllung gegangen.
Laurenzo schwieg lange und dachte an seinen Großvater, den er in den folgenden Jahren als einen ganz besonderen Menschen erlebt hatte und der ein unverzichtbarer Bestandteil seiner Kindheit geworden war. Wie lange war das nun her? Sein Großvater war gestorben, ehe er Alica kennengelernt hatte.
Dann das Weihnachtsfest, als sein Vater sein Engagement verloren hatte und sie kein Geld hatten. „In diesem Jahr wird es keine Weihnachtsgeschenke geben", hatte seine Mutter traurig gesagt. Sein Bruder und seine Schwester