Rio in Raten: Im Karneval der Liebe BsB_Roman
Von Rudolf Braunburg
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Über dieses E-Book
Wäre Martina Orb, Stewardess bei der INTERAIR nicht auf die Idee gekommen, an ihrem dienstfreien Tag kurz in das Flughafenbüro zu schauen, so hätte sie ihre Party nicht absagen und sich auch nicht – ausgerechnet im tiefsten Winter – einen Bikini kaufen müssen. Martina soll nun eine erkrankte Kollegin vertreten.
Die Aussicht, vier Wochen zwischen Dakar und Rio hin- und herzupendeln, findet Martina schließlich eher reizvoll, denn in Rio beginnt in diesen Tagen der Karneval.
Noch ahnt sie vor dem Take-off allerdings nicht, dass sie einen ‚hearttrouble‘ riskiert. Bis zum Happy End ist die Seelenturbine allzu oft ‚short on fuel‘. Fliegersprachenslang.
Eine Turbo-Romanze.
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Buchvorschau
Rio in Raten - Rudolf Braunburg
immer
Der Autor
Mit 16 Jahren schrieb Rudolf Braunburg, Jahrgang 1924, seinen ersten Roman, der bei einem Bombenangriff vernichtet und deshalb nie veröffentlicht wurde. Im Zweiten Weltkrieg war er Jagdflieger. Nach dem Krieg studierte er Pädagogik und Philosophie. Um sein Studium zu finanzieren, arbeitete er als Jazztrompeter und Ghostwriter.
Mit abgeschlossenem Studium wurde er Lehrer in Hamburg. 1955 ging er zur Deutschen Lufthansa und war bis 1979 Flugkapitän.
Nach Anfängen als Navigator und Copilot auf der Lockheed Super Constellation und der Douglas DC-3 wurde Braunburg Flugkapitän, zuerst auf der DC-3, dann auf der Convair CV 440 Metropolitan, später wieder auf der Super Constellation und, nach Beginn des Jet-Zeitalters auf der Boeing 727, der Boeing 707 und schließlich auf der McDonnell Douglas DC-10.
In seiner aktiven Zeit als Flugkapitän war Braunburg auch Vorsitzender der Vereinigung Cockpit.
Braunburg schrieb über 70 Romane, Sach- und Jugendbücher. Außerdem veröffentlichte er zahlreiche Artikel über Umweltschutz und Jazz. Er war engagiert in Fragen der Luftfahrt und der Flugsicherheit und galt lange Zeit als bekanntester deutscher Experte.
Rudolf Braunburg lebte zuletzt in Waldbröl.
Der Roman
Stewardessen, Piloten und der Karneval in Rio.
Wäre Stewardess Martina Orb nicht auf die Idee gekommen, an ihrem dienstfreien Tag kurz in das Flughafenbüro zu schauen, so hätte sie ihre Party nicht absagen und sich auch nicht – ausgerechnet im tiefsten Winter – einen Bikini kaufen müssen. Martina soll eine erkrankte Kollegin vertreten.
Die Aussicht, vier Wochen zwischen Dakar und Rio hin- und herzupendeln, findet Martina schließlich eher reizvoll, denn in Rio beginnt in diesen Tagen der Karneval.
Noch ahnt sie vor dem Take-off allerdings nicht, dass sie einen ‚Heart Trouble‘ riskiert. Bis zum Happy End ist die Seelenturbine allzu oft ‚short on fuel‘. Fliegersprachenslang.
Eine Turbo-Romanze.
1
Ich war nur rasch auf einen Sprung zum Flughafen hinübergehuscht, um mein Postfach zu leeren: Gehaltsstreifen, Einsatzplan, eine Änderungsanweisung der Boeing-Kabinenausrüstung. Aber natürlich – man soll sich nicht in die Hände der >Interair< begeben, wenn man für den Abend eine Party plant!
Ich hatte gerade alle Papiere in meiner Handtasche verstaut, enttäuscht, dass kein Brief von Martin darunter war, da öffnete sich die Tür zum Einsatzraum, und eine bekannte Stimme sagte:
»Ach, Fräulein Orb, würden Sie bitte einen Augenblick hereinkommen?«
Zunächst einmal: Orb – das bin ich. Brust 92, Taille 62, Hüfte 91: da haben Sie meine komplette Topographie. Nun ist mir zwar aus den Lehrgangsstunden noch gegenwärtig, dass eine Dame derartigen Aufforderungen, die aus obskuren Korridortüren an sie ergehen, nicht unbedingt Folge leistet; aber die Herren der >Interair< stehen gewissermaßen jenseits Kniggescher Gepflogenheiten. Ich trat also ein und sagte:
»Betrachten Sie mich bitte als nicht anwesend. Ich habe heute meinen freien Tag, und ich fliege erst morgen Abend wieder. Nach Paris. Hier, sehen Sie nur: mein Einsatzplan!«
»Ich brauche ihn nicht zu sehen«, sagte Behrendt, mein Einsatzleiter. »Ich habe ihn selber gemacht. Aber wir leben in einer Zeit rascher Veränderungen, und der Luftverkehr ist ein schneller Verkehr.«
»Aber ich habe den Plan doch eben erst aus meinem Fach geholt!« protestierte ich. »Und ich bin einfach gar nicht da. Ich bin schon wieder auf dem Weg nach Hause, und heute Abend will ich. . .«
Und ich wollte die Flucht ergreifen.
Aber er erwiderte mit jener bestechenden Logik, die Männer so liebenswert macht:
»Aber ich sehe Sie doch, Fräulein Orb! Sie tragen ein hinreißendes kognakbraunes Cocktailkleid, und folglich sind Sie auch da. Nun gehen Sie man hinüber zu Zander, der braucht Sie dringend.
Das hinreißende kognakbraune Cocktailkleid warf mich natürlich um; und ich ging hinüber zu Zander.
»Hören Sie, Zander«, sagte ich. »Wenn ich nicht zufällig mein Postfach geleert hätte, wären Sie nie auf mich gekommen. Vergessen Sie also, dass ich hier war. Ich habe nämlich heute Abend eine Party!«
Aber Zander hörte gar nicht, und auch Fräulein Ocker hörte gar nicht; denn ein Einsatzraum der >Interair< – das ist wie eine Vorstufe zum Irrenhaus. Sämtliche Fernschreiber hämmerten hier gleichzeitig, Fernsprecher klingelten sich gegenseitig aus, und Fräulein Ocker schrie nach einem Kaffee ohne Milch. Scheiben klirrten unter dem Aufheulen eines startenden Düsentransporters, Aktenschrankrollos knallten auf, Schiebetüren zu, während der auf die Kontrollturmfrequenz eingestellte Radioapparat stereotyp wiederholte: »Sie dürfen landen, ich sage noch einmal, Sie dürfen landen.«
Zander, der mich dringend brauchte, hockte vor der Batterie rasselnder Telefone. Auf seinem Tisch lagen die Witzblattseite eines Magazins, eine geleerte Flasche und die Überreste eines Dutzends Zigaretten. Er sagte zu dem Telefonhörer in seiner Hand:
»Also, nun hören Sie mal zu, mein Bester! Wohin kämen wir denn! Und dann die Spesen! Klar? Erledigt. Basta. Ebbe. Hungersnot. Cheerio!«
Zander warf den Hörer auf die Gabel und wandte sich nicht mir reizendem kognakbraunen Cocktailkleid zu, sondern dem nächsten, um Gehör klingelnden Apparat:
»>Interair<, Zander, guten Tag!«
Unverständliches Stimmengeknister.
»Nee, haben wir nicht. Oder warten Sie mal!«
Zu Fräulein Ocker:
»Wo steckt eigentlich Captain Harms?«
»Liegt in Neapel mit der >Albatros< fest. Hydraulikschaden.«
»Also, hallo!« rief Zander in den Hörer. »Harms hängt mit ... Wie bitte? Wieso? Was? Fräulein Ocker, nehmen Sie doch mal den nächsten Apparat, der klingelt sich ja zu Tode ...! Wie bitte? Nee, war nicht für Sie ... Ach so. Ja, dann nehmen wir Kürsten, der ist vorhanden ... Wie bitte? Ja, den Rest der Besatzung zimmern wir auch noch zusammen bis dahin. Also Bereitstellung um siebzehn Uhr. Okay!«
Jetzt schien Zander mich zu entdecken, aber er stierte mich an, als sei ich eine Reporterin der >Nachmittagspost<. Seine Aufmerksamkeit richtete sich auf Fräulein Ocker, die, auf der Schreibtischkante sitzend und mit übereinandergeschlagenen Beinen wippend, sachlich und sehr kühl zu ihrem Hörer sagte:
»Also, so nicht bei mir ... Unhöflich? Wenn Sie madig sind, werde ich's auch ... Haben Sie das gehört, Zander?«
»Anspitzen!« riet er. »Immer anspitzen, die Brüder!«
»Also«, sagte Fräulein Ocker spitz in den Hörer hinein, »wir sind hier keine Versorgungsanstalt, nicht wahr?«
»Wer war das?« fragte Zander, als sie aufgelegt hatte.
»Kopilot Esch. Beschwert sich, dass er übermorgen schon wieder nach Tahiti muss. Behauptet, er hätte in diesem Monat schon vierzig Stunden über sein Soll geflogen.«
»Liegen zu Hause faul auf der Couch und wissen nicht, was hier gespielt wird!« schimpfte er. »Das bisschen Fliegen kann jeder, aber hier: das Organisieren ist die große Kunst! Passen Sie auf, Fräulein Ocker, wir nehmen den Esch für heute Abend nach Dakar. Dann hat er wenigstens Grund, sich zu beschweren, wie?«
»Fein machen wir das!« sagte Fräulein Ocker.
»Die Herren Flieger glauben, sie brauchen sich mit ihrem fetten Hintern nur in die Mühle zu setzen, und ab geht's! Aber die allmächtigste Lizenz nützt den Herren nichts, wenn der Flug nicht von uns organisiert und aktenmäßig geregelt wird. Und so sind wir hier die eigentlichen Stützen und Triebkräfte der Gesellschaft.«
Jetzt aber hatte Zander mich zur Kenntnis genommen, denn ich hatte mich einfach hingesetzt und meine Beine übereinandergeschlagen. Er blickte sie zerstreut an und sagte:
»Ah, Fräulein Orb, Sie hier! Kann ich etwas für Sie tun? Haben Sie Kummer?«
»O nein, keinesfalls!« beteuerte ich, leichtherzig lächelnd.
»Mir geht's ausgezeichnet. Ich habe heute meinen freien Tag!«
»Da war doch noch etwas!« sagte er gedankenverloren zu meinen Beinen.
»Wenn ich nur wüsste, was da noch war.«
»Es war sicher nichts von Belang!« sagte ich strahlend. »Ich habe nämlich heute meinen freien Tag, und ich gebe heute Abend eine kleine Party!«
»Ah, eine Party!« sagte er. »Das ist (ein, dass Sie heute eine Party geben! Das braucht der Mensch ab und zu, nicht wahr?«
»Genau!« sagte ich heiter.
»Fein, fein!« sagte Zander. »Nehmen Sie mich dagegen: Kummer wieder einmal. Uns fehlt eine Besatzung für die Dakar-Maschine heute Abend. Nein, nein – die Stewardessen haben wir schon zusammen, keine Sorge! Warten Sie, ich muss mal eben den Peters anrufen; diese Bordingenieure sind immer heikel*«
Ich wartete also wieder. Er nahm den Hörer, wählte und begann ein Gespräch mit meinen Beinen.
»>Interair<, Zander ... Frau Thomdorff? Ja, guten Tag. Ist Herr Peters zufällig zu Hause ...? Im Keller? Bastelt ein Regal? Sagen Sie ihm, sein nächster Einsatz wäre heute Nachmittag, fünfzehn Uhr dreißig am Flughafen. Wie bitte ...? Wollte morgen zu einer Geburtstagsfeier nach Unterhausen? Tut mir leid, Frau Thomdorff ... Nein, nach Afrika. Über Madrid und Casablanca. Etwas weiter, ja ... Vielen Dank, Frau Thomdorff!«
Zander schien sich allmählich auch für meine übrigen Körperteile zu interessieren.
»Sagen Sie, Fräulein Orb: Haben Sie viele Leute eingeladen?«
»Ein rundes Dutzend. Es gibt einen ausgezeichneten Wein.«
»Auch Sekt?«
»Sekt auch.«
»Fein, fein.«
»Wir freuen und riesig!«
»Fein. Dann wünsche ich Ihnen eine erfreuliche Party!«
»Danke. Kann ich jetzt gehen?«
Inzwischen hatte Zander sogar mein Gesicht entdeckt. Er sah mich strahlend an:
»Ah so! Beinah vergessen. Ist auch unwichtig. Warten Sie – ich muss rasch Fräulein Vahrendorf anrufen, Ihre Kollegin, die heute Abend mit Fräulein Ohde die Dakar-Tour fliegen soll.«
Er hatte schon wieder gewählt:
»>Interair<, Zander ... Ja, guten Tag, Fräulein Vahrendorf. Schön, Sie anzutreffen. Wie geht es Ihnen ...? Na, na, wer wird denn gleich. Passen Sie auf, ich habe da einen Sondereinsatz ... Sie wollen nicht? Nun hören Sie doch erst mal zu ...! Vorige Woche erst außer der Reihe ...? Sie wissen, an wirklich zuverlässigen Leuten ist immer Mangel. Gibt wieder schöne Überstunden für Sie ... Wie ... ? Nein, aber ich habe den schönsten Flug für Sie ausgesucht. Dakar ... Wie bitte? ... Scheißnest? Dachte, ich spreche mit einer Dame ... Aber, ich bitte Sie! Denken Sie an die Überstunden. Ist denn Ihr Porsche schon abbezahlt ...? Na also, daran dachte ich, mir liegt nur Ihr Wohl am Herzen ... Ja, fünfzehn dreißig bitte.«
Zander interessierte sich noch immer für meine Party:
»Sagen Sie mal, Fräulein Orb, gibt es auf Ihrer Party auch Tanz?«
»Natürlich!«
»Fein. Könnten Sie Ihre Party nicht ein wenig vorverlegen?«
»Vorverlegen? Die Leute sind zu zwanzig Uhr eingeladen!«
»Natürlich, es geht nicht. Ich dachte da an den Nachmittag?«
»Nachmittag?«
»Sagen Sie mal, das beste wäre natürlich, Sie würden Ihre Party jetzt gleich geben.«
Ich hätte es wissen müssen! Man begibt sich an freien Tagen nicht in die Klauen seines Brötchengebers. Meine liebenswerte Firma hatte einen Sondereinsatz für mich, übermittelt durch Zander, alter Fuchs, tötet seine Opfer durch zärtliche, behutsame Genickbisse.
»Nämlich: Ich habe da einen kleinen Flug für Sie; und ich weiß nicht, ob Sie pünktlich zum Beginn der Party zurück sind.«
Pünktlich zum Beginn der Party? Das klang noch nicht unbedingt nach Hiob; man könnte das Ganze auf einundzwanzig Uhr verschieben und ein wenig »Warten auf Godot< spielen.
Aber Zander schüttelte den Kopf:
»Dann lieber gleich, und bitte nur Sprudel servieren. Das heißt, die anderen können natürlich, nur Sie selber ...«
»Sind Sie wahnsinnig? Dann kann ich die ganze Party besser ausfallen lassen!«
Jetzt freute sich Zander aufrichtig.
»Das ist eine gute Idee; das finde ich eigentlich auch. Und wenn Sie sowieso nicht feiern, dann kommen Sie am besten so gegen fünfzehn dreißig mal vorbei, mit etwas Wäsche zum Wechseln, wenn's recht ist.«
»Aber sagten Sie nicht, die Dakar-Tour sei gedeckt?«
»Sie sollen auch nicht nach Dakar. Sie sollen nach Rio.«
»Rio! Was, in Gottes Namen, soll ich in Rio?«
»Das heißt: Nach Dakar sollen Sie auch. Aber nur als Passagier. Mit der Abendmaschine, die Besatzung kennen Sie schon.«
Und während der ganzen Zeit saß Fräulein Ocker, die alles natürlich längst wusste, intensiv über die Reparatur ihrer Fingernägel gebeugt und freute sich, dass jemand beinahe in Tränen ausbrach, weil er nach Rio musste.
»Es liegt daran, dass Ihre Kollegin Brubeck in Dakar erkrankt ist und ersetzt werden muss«, erläuterte Zander nach dem Todesbiss.
»Das bedeutet, dass ich, wer weiß wie lange, zwischen Dakar und Rio hin- und herpendeln soll?« rief ich aus.
»Nicht wer weiß wie lange, sondern genau vier Wochen!«
»Aber ich habe nicht einmal einen Badeanzug!« protestierte ich. »Wo soll ich jetzt im Winter einen Badeanzug herbekommen?«
In meinen Gehimbahnen brach ein Chaos aus. Also gut, ich sollte Cornelia ablösen. Wahrscheinlich lag sie mit jener besonders intensiven Art von Durchfall im Bett, die wir, in Anbetracht früherer Fälle, als >Brubecksche Gastritis< zu bezeichnen pflegten. Man soll seinen Whisky auch nicht mit zweifelhaftem Wasser verdünnen. Ich würde also wöchentlich zwischen Afrika und Südamerika pendeln: drei Tage Dakar, sechsunddreißig Stunden Rio – und dazwischen würde ich über dem Südatlantik fortsetzen oder beginnen, was eine andere Besatzung auf der Strecke von Europa bis Dakar bereits begonnen hatte oder fortsetzen würde: die Betreuung von Passagieren, die nicht das Glück hatten, die Strecke Europa-Südamerika durch einen Stop in Dakar unterbrechen zu können.
»Noch immer nicht vor Glückseligkeit in Ohnmacht gefallen?« hörte ich die Stimme Zanders. »Das darf in dieser lausigen Jahreszeit nach Rio und ...« Draußen trieb nasser Schnee. Der Januarhimmel war grau und feucht.
»Meine hübsche kleine Party!« seufzte ich.
Aber in Gedanken war ich schon unterwegs: die Badebucht vor dem Hotel, interessante Passagiere, aufregende Besatzungsmitglieder, der Copacabana-Strand, die Bar im Hotel »Commodore<. Und wenn meine Rechnung stimmte, würde ich noch den Karneval in Rio erleben. »Also, wenn Sie nun gar niemand anderen finden können«, sagte ich mit einer großzügigen Gebärde. »Ich will versuchen, mir einen Badeanzug zu besorgen.«
2
Also: Nachdem ich meinen vierzehn Partygästen abgesagt hatte, machte ich mich ans Packen. Nichts leichter als das! Ich zerrte meinen Durchschnitts-Stewardessenkoffer für mittlere Weltraumflüge unter dem Bett hervor, wechselte hier einen Jumper, dort ein Höschen um, verdoppelte den Vorrat an Handtüchern und Strümpfen und warf alles hinaus, was vorsorglich für einen längeren Aufenthalt in der Arktis gedacht war. Denn: Werde nur Stewaüdess bei der >Interair<, und du lernst begreifen, was die moderne Psychologie unter >Überraschungseffekt< versteht! Du hast dein Gepäck für zehn Tage Monsunhitze in Bangkok gepackt – und >Interair< schickt dich nach Bern oder Nürnberg. Und wenn du nachts um drei Uhr zwanzig durch ein wahnsinniges Telefon aus dem Bett gerissen wirst: natürlich >Interair<. Und wenn du ihnen klarzumachen versuchst, dass du erst am nächsten Nachmittag nach Zürich zu fliegen gedenkst, erfährst du, dass du in anderthalb Stunden mit einem Charter nach Tai-Po-Queng zu starten hast – wo immer das liegen mag. Und du suchst auf dem Atlas nach, wo um alles in der Welt Tai-Po-Queng liegen könne, aber es geht natürlich mit dem Teufel zu, das Inhaltsverzeichnis von Tab bis Tak hat ausgerechnet der Hund gefressen, und jetzt weißt du nicht einmal: sollst du nun Wollwäsche mitnehmen oder Nylon.
Wie dem auch sei – als der Koffer fertig war, fiel mir der Badeanzug ein. Ich besaß wirklich nichts Brauchbares mehr. Also, hinein in Wintermantel, Handschuhe und Pelzmütze und hinaus in Schneesturm und Straßenmatsch! Ich erinnerte mich der zündenden Badeanzugreklame von Wirtz & Jakobs vom letzten Sommer: Der Dior der Strandmode, und: Miamibewährt— Rivierabegehrt, und: Vom Gewagtesten das Tragbarste. Also, hinein zu Wirtz & Jakobs, den Schnee von der Nase gewischt und nach dem Neuesten auf dem Gebiet der Strandmode gefragt.
Die Verkäuferin, blaulippig hinter einem Stapel modischer Wollschals:
»Was, bitte, hätten Sie gern?«
Ich, arglos:
»Einen einteiligen Badeanzug.«
»Sie meinen, so einen richtigen – zum Baden?«
»Wozu denn sonst? Ich brauche ihn noch heute.«
»Sie meinen, Sie wollen heute ... bei dem Wetter?«
So etwa. Das arme Mädchen blickt mich hilflos an, niest und entschuldigt sich. Während ich in Gedanken meine Vorräte an Sonnenöl überschlage, erscheint der hohe Chef persönlich. »Ah, Sie sind es, gnädiges Fräulein!« sagt er erfreut, als erkläre das alles.
»Ja«, erläutere ich. »Aber es eilt. Ich muss noch vor Mitternacht in Afrika sein!«
Jetzt verläuft alles glatt. Ich bin ihm noch in guter Erinnerung, weil ich einmal in einer sommerlichen Hitzeperiode eine gefütterte Überjacke verlangt habe, als ich vierzehn Tage in Labrador verbringen musste.
Als ich fertig war, um in meinen Wagen zu steigen, rief ich Martin an. Das heißt: Ich wälzte eine Reihe von Dienst- und Flugplänen, um herauszufinden, wo, zum Teufel, sich Martin gerade befand. Ich fand heraus, dass er vor fünfzig Minuten in München gelandet sein musste und eben im Hotel angekommen sein dürfte. Ich ließ mir das >Metropol< geben und erwischte Martin, als er just ins Bad steigen wollte.
»Hallo, Martin!« sagte ich. »Ich fliege heute nach Dakar!«
»Fein!« sagte er. »Bleibst du lange?«
»Vier Wochen!« sagte ich.
»Fein!« sagte er; wir haben wirklich ein sehr intimes Verhältnis miteinander, wie Sie sehen.
»Würdest du bitte meinen Wagen nach Hause fahren?« fragte ich. »Er steht sonst vier Wochen am Flughafen.«
»Natürlich!« sagte er. »Bleib ein braves Mädchen!«
»Der Schlüssel liegt wie üblich beim Einsatz«, sagte ich.
»Gut. Bleib brav solange!«
»Also, bis später!« sagte ich und hängte ein.
Ich gebe zu, dass sich aus einem derartigen Dialog kaum eine Liebesszene wie zwischen Tristan und Isolde entwickeln lässt; aber es ist schon viel wert, wenn einem irgendein Kopilot gelegentlich den Wagen zurück in die Garage fährt.
Dabei hatte sich zunächst alles so gut angelassen. Martin war geradezu von Leidenschaft