Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Napoleons Tod: Ein Hügelfeld-Krimi
Napoleons Tod: Ein Hügelfeld-Krimi
Napoleons Tod: Ein Hügelfeld-Krimi
eBook393 Seiten5 Stunden

Napoleons Tod: Ein Hügelfeld-Krimi

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Was geschah mit dem Bänker Michael Bexhorn, der eines Tages am Gerüst des Rheinauenblocks hing? Frank Hellinger, der auf dieser Baustelle an der Fassadensanierung mitarbeitet, erlebt den Polizeiauflauf und den eigenwilligen Kommissar Hungerbühler, der jeden Arbeiter auf der Baustelle verdächtigt. Das geht soweit, dass Frank zusammen mit seinem Kollegen Debus selbst anfängt, zu ermitteln. Wochen später, auf einer Rundreise durch Indien, öffnet Frank sich der Reiseleiterin Elli mit den Erlebnissen vom Rheinauenblock. Doch auch Elli hat etwas zu verbergen.
SpracheDeutsch
HerausgeberTWENTYSIX
Erscheinungsdatum20. Dez. 2017
ISBN9783740756444
Napoleons Tod: Ein Hügelfeld-Krimi
Autor

M.J. Weidmann

Markus Weidmann, 1966 in Ludwigshafen geboren, arbeitet als selbstständiger Unternehmer. Bereits während des Studiums zum Betriebswirt begann die Leidenschaft zur Literatur und zum Schreiben. Er lebt mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen im Rhein-Pfalz-Kreis. 2017 erschien der Krimi "Napoleons Tod".

Ähnliche Autoren

Ähnlich wie Napoleons Tod

Ähnliche E-Books

Mystery für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Napoleons Tod

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Napoleons Tod - M.J. Weidmann

    können…

    (1) 08. & 09. September: Delhi

    Eines dürfen sie mich nicht fragen, und wenn, ich würde ihnen keine Antwort geben, weil ich es immer noch nicht weiß: wie ich diesen Koffer voller Geld durch den Zoll geschleust habe. Selbst nach 9/11, Gaddafi oder Isis gibt es weiterhin Möglichkeiten, etwas unsichtbar über die Grenzen zu schleusen, glauben sie mir! Zumindest, wenn ich Corinna glaube – und ich hatte ihr geglaubt! „Man muss sich nur vorher schlau machen, denn „Vorbereitung ist alles waren ihre Worte, um mich und Debus zu besänftigen: „glaubt mir, es wird schon alles gut gehen". Wenn ich ehrlich bin – ich weiß bis heute nicht, wie so etwas geht.

    Insbesondere, wenn der Koffer mit 3,4 Millionen Euro gefüllt ist - und nur wir drei wissen es. In meinem Fall aber ist der gut gefüllte Koffer die Grundlage zum Vergessen.

    Zum Vergessen einer Sache, die knapp drei Monate zurück liegt und doch ist sie in vielen Nächten so nah, als ob es gestern erst gewesen wäre. Dieser Kerl, der eines Morgens am Gerüst hing. Der zuerst Selbstmord beging, unter sein klägliches Dasein einen Schlussstrich setzte (so hieß es zumindest am Anfang). Wie ein dunkler Schatten der sich aus dem weißen Nebel herausschält, immer wieder.

    Und das Gesicht! Keine schmerzverzerrte Fratze mit heraus hängender Zunge, die vergeblich nach dem letzten Quäntchen Luft schnappte. Geschlossene Augen, fast ein Lächeln. Friedlich dahingeschieden, aus freien Stücken heraus. Der Kerl wollte anscheinend wirklich sterben!

    Meine Wenigkeit, das bisschen Stück Seele in mir, wendet sich eindeutig gegen solche Suizidabsichten. Mein Name ist Frank Hellinger. 27 Jahre jung, (…dynamisch, …) – ledig und auf der Suche – wenn wir schon dabei sind!

    Ich möchte Ihnen ein wenig darüber berichten, wie das Leben manches Mal so spielt. Dass das, was kommt, meistens nicht planbar, geschweige denn vorhersehbar ist. `S´ küt´ wie´s kütt´, würden manche am Niederrhein sagen. Der Alte laberte immer nur `S´is´wie´s is´.

    Mein Psychoklemptner Herr Poskara war der Meinung, ich solle endlich darüber schreiben (natürlich über den Aufgeknöpften – und nicht über das für mich dürftige Thema Damenwelt). An die Öffentlichkeit sollte ich gehen, in dem ich mich irgendwohin zurück ziehe, eine Ecke, ein Land, das mich – (hatte ich das schon erwähnt?) – vergessen lässt, oder besser gesagt: das die Erlebnisse auf ein überschaubares Niveau zurecht rückt. Natürlich unter Zuhilfenahme eines Tricks: bau dir Schubladen im Kopf in die du alles hineinsteckst. In die oberste, was du magst, was dir gefällt, darunter, was du täglich brauchst, zusätzlich noch ein paar Survivalstrategien für unvorhergesehene Fragen einfühlsamer Mitmenschen, den übrigen Müll unter den Tisch, Ablage P, die du nicht mehr öffnest, so einfach geht das. Herr Poskara war der Meinung, das seine Schubladen-Methode jedem helfen kann, auch dem armen Schlucker, der mir dieses Aufräum-Chaos und diese was-du-nicht-mehr-brauchst-steck-es-in-die-unterste-Schublade- und-schließ-ab-Tour einbrockte, einschließlich Schlüssel wegwerfen.

    Ein wenig kreativer war er darin, mir einen passenden Reisevorschlag zu unterbreiten. Am besten Brainfood, Sightseeing mit Lernfaktor. Mit meinen Ideen konnte – oder wollte er nichts anfangen: Kanaren, Malle, Kreta, Dom Rep oder so. Zu laut, zu viel Rumsauferei, zu viel Müßiggang in den Tag hinein und Sonnenbrand bis zum Abwinken inklusive.

    Wir diskutierten eine ganze Weile und das Ergebnis war eine richtige Bildungsreise für mich: mit festgelegten Abläufen, Continental Breakfast, jede Menge Besichtigungen und begrenzter Zeit-zur-freien-Verfügung. Die musste natürlich auch sein, um alles aufzuschreiben, doch wie gesagt: am besten nur vor dem Dinner, sagen wir mal ein- bis zwei Stunden am Tag.

    „Das sollte reichen für ein paar Notizen, waren Poskaras abschließende Worte, „machen sie sich nicht zu viele Gedanken, ergänzte er, „gehen sie nicht allzu sehr in die Tiefe". Das warum ließ er offen.

    Und dann präsentierte er mir seine Entscheidung: Indien! Viva la Hossa oder Namasdé, wie er da drauf kam? Ich war schon immer der Meinung, dass ein Trip rüber zu den Franzosen Kulturschock – Verzeihung: Kulturtrip – genug ist, doch der schickt mich glatt über den kompletten nahen Osten. Das erste, das mir dazu einfiel: `Monsun´. Vom Regen in die Traufe, sozusagen. Wann war eigentlich Monsun in Indien?

    „Und noch was: Sie zahlen, das blecht keine Kasse! Und mailen sie mir ab und zu. Schreiben sie über ihre Erlebnisse. Ich will wissen, wie es ihnen geht".

    Und so fand ich mich – wieder mit Corinnas tatkräftiger Hilfe (auch finanziell) und ihrer Einweisung darüber, wie der Koffer zu verwenden war – zwei Wochen später im Flieger der Air India auf dem Weg nach Neu Dehli – mitten in der Nacht und einer Zeitverschiebung von viereinhalb Stunden in petto (oder waren es etwa 5?).

    Die Stewardessen servierten zwei Mahlzeiten: einmal Lamm, um den Hindus und Moslems nicht auf die Füße zu treten und einmal vegetarisch, den das essen alle - auch die Europäer, ausnahmsweise.

    Bordunterhaltung auf Kanal 3: Richard Attenboroughs Monumentalschinken über Indiens größte Persönlichkeit: Gandhi. Als Anwalt in Südafrika (in jungen Jahren), als Freiheitskämpfer, der sich von den Briten freiwillig vermöbeln lässt, als anspruchsloser Diplomat, der die Freiheit Indiens erringt. Schon beeindruckend, wie Ben Kingsley (so heißt doch dieser Schauspieler?) die Überfigur Gandhi darstellt. Auf nackten Füßen, wie er durch die viktorianischen Gänge der britischen Imperialarchitektur schlendert. Anscheinend braucht der Mensch nicht viel, um glücklich zu sein.

    Erfrischung gefällig? Die Stewardess lächelt viel zu freundlich, als dass ich ihr diese Bitte abschlagen kann: ein Tomatensaft vielleicht. Sie reicht ihn mir zusammen mit dem Prospekt `Zollfrei einkaufen´: Champagner, Parfuemes, Hochprozentiges. Ich lehne ab: „Vielleicht auf dem Rückflug, danke".

    Der Flug lief ansonsten glatt, keine Luftlöcher die versteckte Panik schüren, keine Nahtod-Erfahrungen mit anderen Fliegern - hey, da kannst du den anderen da drüben mal zuwinken - und keine grauen Starfighter, die uns auf beiden Seiten mit 20 Zentimeter Abstand zu den Flügeln begleiten und das rote `Bitte folgen`-Schild hinter sich her schleppen. In denen irgendein Mullah sitzt und nur darauf wartet, den roten Knopf zu drücken, weil wir (1) unerlaubt hoheitliches Sperrgebiet des Sultanats XY-Allemalache überfliegen und weil wir (2) nicht einsehen wollen, dass Monate langes eingesperrt sein bei Wasser und trocken Brot die bessere Wahl ist.

    Delhi empfängt mich mitten in der Nacht mit 10 Grad Wärme und undurchdringlicher Dunkelheit, denn an Orientierung war auf der Fahrt zum Hotel `Taj Palace´ nicht zu denken. Schon beim Einsteigen in das Taxi vergesse ich eine der wesentlichen Tatsachen Indiens. Der Fahrer lädt mein Gepäck in den Kofferraum und steht dann mit den knorrigen Worten „I drive" vor mir. Klar: in Ländern mit Linksverkehr sitzt der Fahrer rechts. Ich wollte – ganz deutsches Gewohnheitstier – auf der falschen Seite einsteigen.

    Das Hotelzimmer im `Taj Palace´ macht auf den ersten Blick einen guten Eindruck: wie es halt so ist, wenn die Inselaffen ihre Zelte in fremden Ländern aufgestellt haben. Tausendfach die Steppdecken über der Matratze und noch eine Decke und noch eine – da wird jeder Furz auf Ewigkeit versiegelt, das können sie mir glauben!

    Hatte ich erwähnt, dass sie uns am Flughafen mit Tagetes empfangen haben? Mit Blumenketten a la´ Hawaii, die meine Mutter immer Studentenblumen nannte. Fast hätte ich den Duft der Blumen mit dem unter den Steppdecken verglichen ... die Kette wanderte schließlich in den Mülleimer des Hotelzimmers, noch bevor ich den Koffer ausgepackt hatte.

    Wohin hatte ich den Wecker verstaut? Heute Morgen, Ortszeit 9.00 Uhr sollen wir geweckt werden und jetzt ist es – 4.30? – 5.30? Zuhause also ungefähr Mitternacht. Bedeutet: hier aufstehen, dann schlummert Herr Poskara immer noch unter seiner Decke (mit was weiß ich wie vielen Düften), verdammt früh ist das! Frühstück gibt’s um 10, halb Elf erstes Meeting mit der Reisegruppe.

    Entsprechend kurz war die Nachtruhe, ohne dass ich mich unter hundert Steppdecken verkrochen habe – sondern nur unter einer. Ich kann nicht mehr sagen, ob in meinem Traum weiße Nebel aufgezogen sind, aus denen sich sein friedliches Gesicht herausschälte.

    Um halb Neun bin ich wieder aus dem Bett gestiegen, schob den Vorhang auf und war geblendet von einer vollen Ladung Sonnenstrahlen, die mich wie ein Knüppelschlag umhauten: hey, endlich schiebt mal einer diesen muffigen Bettvorleger beiseite, der jede Art von Feuchtigkeit bis in die Ewigkeit speichert! Ein Paradies für Krankheitserreger und Schimmelsporen jeglicher Art, in Deutschland hätten sie solche schweren Vorhänge längst abgehängt und öffentlich verbrannt. Oder sie hängen im Adlon und gehen als `luxuriöse Zimmerausstattung´ durch.

    Die Dusche sorgte jedenfalls dafür, das sich trotz Jetlag einige Lebensgeister in mir regten, die man im allgemeinen `Hunger´ nennt. Bezogen auf Deutschland und die Zeitverschiebung kann ich mich nicht erinnern, jemals so früh gefrühstückt zu haben.

    Im `Taj Palace´ - Hotel nahm man das Frühstück in der Kaffeebar zu sich. Buffet, der Einfachheit halber: Eier, Würstchen, Toasts, Wurst. Die Herren hinter dem Buffet sehnten bereits ihren Feierabend herbei und ihre freundlichen Minen trugen nicht dazu bei, dass das Essen in den Cavendishs auch nur einen Deut wärmer wurde. Kaltes Rührei, schon mal gegessen? Sehen sie! Vielleicht hätte auch Hand auflegen genügt – bei diesen Naturreligionen weiß man ja nie.

    Schließlich war dann doch noch einer vom Personal bereit, meine Bestellung aufzunehmen: `Poached Egg´, doch gebracht hat er es nicht mehr und seine Kollegen lächelten nach wie vor hinter dem Buffet still vor sich hin.

    Die ‚Informations‘ unserer Reiseleiterin bestanden in der Hauptsache darin, aus dem Reiseführer vorzulesen. Außer Souvenirs einkaufen: Kaschmirwolle und Pullover hier in Delhi, Einlegearbeiten in Agra, Edelsteine in Jaipur. Was gab es in Udaipur und Aurangabad? Verges… - James Bond war in Udaipur – wie hieß noch gleich der Thriller? Octo… – Octopussy, genau – und in Aurangabad – das habe ich wirklich vergessen. Und das alles beim Begrüßungstrunk, serviert vom Kellner, der mir meine `Poached Eggs´ vorenthalten hatte: `Fruit-Punch´, ungefähr wie Früchtezauber aller Art mit einer leichten Greapfruit-Note, zur Belebung von Geist und Sinne. Oder um den restlichen Jetlag aus den Nervenenden zu treiben. Und natürlich sollte sich jeder vorstellen: Hallo, ich bin der, komme aus, von Beruf bin ich, nach Indien reise ich, weil, und so weiter. Also: Reiseleiterin Elisabeth Backenroth, wir dürfen sie Elli nennen: „…habe in Mannheim Soziologie und Geschichte studiert ... ich mache das schon seit Jahren! ...weil Indien ein Land wie kein anderes auf der Welt ist!" Bis jeder durch war, hatte ich die ersten wer´s und wo´s und warum´s schon wieder im Speicher `freier Durchgang´ (entspricht Ablage `P´) abgeheftet. Wie immer musste ich im Bus nachfragen, wer da gerade neben mir sitzt.

    Bis es nun weiterging, sprich, erster Teil der Stadtrundfahrt, hatte ich am Pool ein Bier gezischt Marke `King Fisher´. Extra große Portion mit 650 Milliliter in der Flasche, aber nur wenig Alk intus, soweit, so gut. Gibt es in Delhis Innenstadt eigentlich öffentliche Toiletten? Muslime verrichten in Indiens Hauptstadt ihre Notdurft in den Moscheen, wann immer sie eine Moschee betreten, um zu beten – mindestens fünf Mal am Tag, immer Richtung Osten. Ungläubige wie wir sind da echt aufgeschmissen. Auf alle Fälle war es kein Fehler, dieses Bier in der Schublade gefällt-mir-brauch-ich-noch-mehr-davon abzulegen!

    Am frühen Nachmittag ging es auf Tour: Stadtrundfahrt Delhi, Teil 1 – Freitagsmoschee, Rotes Fort und Alt-Delhi. In welcher Schublade hatte ich Neugier verstaut? Klar, ganz oben!

    Mit den Rückständen vom `King Fisher´ in Kopf und Magen fällt es doch nicht so schwer, sich an indische, teils recht unterirdische Straßenverhältnisse zu gewöhnen. Linksverkehr (hatte ich das schon erwähnt?), ausschließlich Kreisverkehr im Uhrzeigersinn, waghalsige Motorradfahrer, natürlich ohne Helm, die wie Hollywoods bester Stuntman Evil-Knievel-like über den ramponierten Asphalt fliegen und dabei keine Scheu vor Bussen und LKWs zeigen. Was, du bist stärker? Ätsch, ich bin schneller, da guckst du nur! Dazwischen langsame Tuk-Tuks, ausschließlich privat genutzt, Busse, aus denen die Fahrgäste zu jedem offenen oder zersprungenen Fenster herausquellen, Fahrräder, Fußgänger, Rikschas, Ochsenkarren und das alles auf einer – auf EINER Spur. Sowas ist ganz bestimmt nichts für schwache Nerven und man tut Gut daran, im Rundreisebus nicht in der ersten Reihe zu sitzen, damit man nicht so viel vom Chaos mitbekommt. Allerdings hatte sich unsere Reisegruppe beim Meeting am Morgen darauf geeinigt, den Platz in der ersten Reihe immer wieder zu tauschen, das heißt, zwei mal am Tag – nach dem Frühstück und nach dem Mittagessen – rückte die `hintere Sitzbank´ auf der rechten Seite des Busses eine Bank nach vorne, während die, die auf der linken Seite sitzen, eine Bank nach hinten rücken. Kreisverkehr im Bus, sozusagen.

    Vielleicht gibt es ja irgendeinen Hindugott für Straßen und Verkehr, der unsichtbar und mit aller Gnade die todbringenden Verkehrströme zu ihrem Besten lenkt. Schließlich hat ja keiner dem anderen was getan. Sie wollen nur mit durch den Verkehr, von A nach B, mit göttlicher Hilfe, wenn es nicht anders geht. Man weiß ja nie, bei diesen Naturreligionen!

    Übrigens: Für die busfahrenden Analphabeten hat man die Fahrzeuge mit verschiedenen Farben angemalt, damit die Jungs erkennen können, in welchen Distrikt der Bus fährt. Lilablassblau fährt nach Neu-Delhi, der schwarze fährt zum Parlamentsviertel. Wie eine Schublade, such dir das passende aus und schon funktionierts!

    So. Zum ersten Anlaufpunkt: die Jama-Mashid-Moschee, oder auch Freitagsmoschee genannt, mitten im Getümmel des Kiwari-Bazar und des Lajpat-Rai-Market. Das Gebäude ist die größte Moschee Indiens, erzählt Elli, im 17. Jahrhundert von Mogul Aurangzeb erbaut. Es führen drei Treppenaufgänge zur Moschee und deren Innenhof hinauf.

    Mit der Architektur ist es wie bei christlichen Kirchen, die alle denselben Grundriss vorweisen (Hauptschiff, Seitenschiffe, Joche, Querschiff, Ost-West-Ausrichtung). Alle Moscheen von Casablanca in Marokko bis Jayapura auf Papua-Neuguinea basieren ebenfalls auf der gleichen Grundrissidee: der Brunnen in der Mitte, drum herum das Becken für die rituellen Waschungen und direkt gegenüber die Gebetshalle, ein rechteckiger Bau mit breitem Spitzbogentor und einer zwiebelähnlichen Kuppel. Links und rechst davon türmen sich die 46 Meter hohen Minarette auf.

    „Von den Arkadenzeilen um den Innenhof herum hat man einen schönen Blick auf die Altstadt und das Rote Fort, dass sich etwa einen Kilometer von hier entfernt befindet", Tipp von Elli. Und schon ging es im klimatisierten Reisebus zum Roten Fort. Wie eine Buchhalterin seziert sie mit dem Rücken zur Windschutzscheibe gerichtet die Fakten: Delhi, Hauptstadt und Megastadt mit über 16 Millionenen Einwohnern, eher trockenes Klima, außer im Monsun von Juli bis September, da können schon mal über 200 Millimeter Nass auf den Meter runterkommen (Die Sintflut war nix dagegen und jetzt weiß ich, dass wir während der Rundreise diesen Monsun nicht fürchten müssen). Sprachen: Hindi, Urdu, Panjabi und natürlich Englisch. Weiß ich das heute Abend noch? Lässt sich wohl nicht vermeiden, dass sowas in der Ablage P landet!

    Einen Großteil des Roten Forts haben die Engländer in ihrem Blutrausch bereits zerstört. Doch Gott sei Dank nicht alles: die Diwan i Am, die öffentliche Audienzhalle, die sich uns erschließt, nachdem wir den davor liegenden Garten durchschritten hatten. In seiner Architektur schon fast `Barock´, mit symmetrischer Anordnung der Pflanzen. Hinter der Halle, weiter zum Fluss Yamuna-River befindet sich die Moti-Moschee, auch `Perlenmoschee´ genannt. Mit drei zwiebelförmigen Kuppeln, von denen die mittlere die anderen beiden überragt - eine typische Bauform von Mogul Aurangzeb. Lotusblüten und lanzengleiche Metallspitzen schließen die Kuppeln ab.

    Meiner bescheidenen Meinung nach das schönste Gebäude der Anlage: die `Diwan-i Khas´, die private Audienzhalle des Kaisers. Über dem Thron findet sich folgende Inschrift: „Wenn es ein Paradies auf Erden gibt, so ist es hier!" Den Thron haben allerdings die Perser irgendwann einmal mitgehen lassen. Elli weiß es genau: Pfauenthron, entwendet von Nadir Schah. Seit er das letzte Mal darauf gefurzt hatte, gilt der Thron als verschollen.

    Vor den Mauern des Forts treibt sich so allerhand Gesindel herum und jeder will den Touristen das Geld aus der Tasche locken. Da wird alles Mögliche verkauft und angepriesen, was das Zeug hält. Vom Autoreifen über Werkzeuge, Souvenirs, Gemüse bis zu lebenden Enten und Hühnern. Und ganz dem Klischee folgend gab es Schlangenbeschwörer, die mit Korb und Flöte ihren Hokuspokus veranstalteten. Hüpf´ raus, du elendige Schlange, lass dich betören von den sanften Klängen meiner einlullenden Flöte – obwohl so eine Schlange ja bekanntlich taub ist!

    Ein anderer legte sich unter eine staubige, verschmutzte Decke, streckte seinen Kopf auf einer Seite heraus und schwebte auf einmal eineinhalb Meter über dem Boden. Hier hat sich wohl David Copperfield den Trick mit dem Orient-Express abgeguckt! Ob der mich beeindrucken konnte? Keine Ahnung, das kann ich nicht so spontan sagen. Eigentlich nur ein kleiner Rattenfänger auf Raubzug, wenn man es genau nimmt.

    Oder nicht? Er schlägt sich durch?

    Vielleicht ja, aber: Elli sprach am Morgen davon, dass man den Menschen in die Gesichter schauen soll. Haben sie dicke Backen, geht es ihnen gut. Der Kerl hatte dicke Backen.

    Und überhaupt, die Lautstärke auf dem Platz: jeder übertönt den anderen, da knattern sämtliche Zweitakter auf zwei und mehr Rädern im Chor. Es hallt von den dicken Mauern des Forts zurück, die Schallwellen greifen mein Trommelfell von allen Seiten an.

    Und die Schlangen folgen den Tönen auf ihrem Weg nach oben – eigentlich nur eine Drohgebärde der Tiere, eine Reaktion auf den Trubel drum herum: von allen Seiten lauern die Feinde, um auf den einen Moment zu warten… und wenn es nur der Touri aus unserem Bus, Reihe ganz hinten links ist, der irgendwelche Klimpermünzen dem Turbanträger zu der Schlange in den Korb wirft.

    Der Trubel weckt Neugier, nur der Lärm… Weiterer Besichtigungspunkt am Nachmittag: die Verbrennungsstätten von Mahatma Gandhi, Nehru, Indira Gandhi und ihrer beiden Söhne Rajiv und…? Die Hindus verbrennen ja traditionell ihre Toten. Wer es sich leisten kann, lässt Sandelholz knistern, damit es während der Zeremonie nicht nach verbranntem Fleisch stinkt.

    Die landestypischen Tänze lernte unsere Reisegruppe am Abend kennen (...und lieben – das steht allerdings auf einem anderen Blatt). Ort: `Pursi Anjuman Hall´. Und es geht mit Zungenbrechern weiter: Manpuri, Bharatnatyam, Kathok, Bhawai, Kathakali: Schwamm drüber, das gilt auch für die Vorstellung! So schwer wie die Namen der Tänze auszusprechen waren, so sehr konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass ein normaler Mensch diese Tanzbewegungen mit Freude ausführen kann, ohne hinterher am Stock zu gehen!

    Abendessen im `Taj Palace´ und noch ein Zungenbrecher: `Hyderabadi Birya´, hört sich an wie ein Duftöl aus den Dschungelwäldern Südindiens. Lammfleisch, viel Reis und Rohkostsalat, dazu ein undefinierbares Sößchen, lecker! Lecker? Natürlich war das gut, aber meine Kenntnisse über exotische Gewürze, die ich mit Indien in Verbindung bringe, fangen bei Curry an und hören bei Curry auf.

    Später auf meinem Zimmer: die dicken Steppdecken auf meinem Bett habe ich komplett zurückgezogen, nur noch ein dünnes Tuch aus weißen Leinen zum überziehen, das sollte für die Nacht genügen. Licht aus, und doch dreht sich alles im Kopf. Bilder, Jetlag, weiße Nebelschwaden, die alles bis zur nächsten Erscheinung verhüllen. Vielleicht ist es doch nur die Zeitverschiebung – viereinhalb – fünfeinhalb Stunden – ich kann es immer noch nicht genau sagen, werde mich morgen früh bei Elli erkundigen. Lotusblüten, Blätterranken, in wild verschlungenen Formen greifen sie ineinander, undurchdringliches Dickicht aus Ästen und Bambus(?)wäldern, und schon wieder die Dunstschwaden, die jeden Schweißtropfen auf die Stirn holen, Blumenbänder aus Stuck in der `Diwan-i Khas´ mäandern vor meinen Augen bis unter die Decke, wachsen mit atemberaubender Geschwindigkeit in alle Richtungen gleichzeitig, während im rhythmischen Schwingen zu sonderbarer Musik ein Ast zu leben beginnt – doch der Ast wächst nicht von oben, sondern von unten – Schlangen, die gierig nach den tiefroten Früchten schnappen, die zwischen dem undurchdringlichen Blätterwerk wie Sterne hervorleuchten, jetzt höre ich den Muezzin rufen, durch die dunkle Nacht, wie er seine Brüder zum ersten Gebet des Tages ruft, ich kann nur nicht erkennen, von wo er ruft – mittlerweile ist die ganze Decke zugewuchert, Horden von lebendigem, die zwischen den Ästen hin und her kriechen, verschwimmen vor den geschlossenen Augen. Ein glänzender, grüner Leib kriecht von oben herab, kerzengerade, die Augen auf mich gerichtet. Ein Leib, eine Schlange, kerzengerade, unnatürlich, wie ein – wie ein – wie ein Seil. Das Seil. Das ihm die Kehle zudrückte, friedlich, wie er es haben wollte. Wirklich? Keine verzerrte Grimasse. Genau das ist es. Seine entspannte Miene. Gelassenheit, egal was kommt - und dann – dann – dann – dann wache ich auf.

    Schweißnass am Körper zitternd, geht es durch den eigenen Kopf: WAS war das?

    Genau: was war das, denn schon kann ich mich nicht mehr an das Geträumte erinnern, suche nach Details, nach den Haltepunkten, die dem Traum eine Struktur gaben, doch je mehr ich suche, um so schneller sind die Bilder verschwunden. Die Gedanken explodieren und sie schießen wie eine Polizeistreife mit Blaulicht im Kopf hin und her, die von einem Ende der Stadt zum anderen Ende hastet, aber die Bösewichte sind schon längst untergetaucht. Spurlos verschwunden, keine Chance, sie zu finden, solange sie nicht selber den Weg aus dem Versteck suchen. Es dauert eine ganze Weile, bis man realisiert, dass man seine Träume nicht mehr findet. Die Knochen fühlen sich an wie Blei, man bleibt reglos liegen und weiß nur noch, das man nichts mehr weiß: nur noch Fetzen, einzelne Bilder, die es bis nach oben zur Erinnerung schaffen, nur einen kurzen Augenblick, hallo Polente, hier bin ich, der Böse, Bilder, die jeden glücklich machen oder Bilder, bei denen es jeden eiskalt erschaudern lässt. Dazwischen gibt es nichts. Keine Banalität, kein Alltag, kein vor-sich-hin-dämmern, keine heile-Welt-Romantik. Und wenn man dann noch gegen die bleischweren Knochen ankämpft, aufsteht, in das Bad geht, vor dem Zahnputzbecher steht, dann sind alle Bilder weg.

    Das einzige, das vom Traum übrig bleibt, ist der Schweiß. Obwohl ich nur eine dünne Decke übrig gelassen habe. Irgendwie schaffe ich es trotzdem ins Bad. Draußen ist es noch dunkel und der Muezzin ruft seine Glaubensbrüder zum ersten Gebet des Tages.

    (2) Crime Village

    Unsere Bürgermeisterin Birgit Felleisen hat diesen Ort mit dem eher kantigen Namen `Hügelfeld´ treffend charakterisiert. Erst auf dem letzten Neujahrsempfang im Gemeindezentrum war sie sich nicht zu schade, folgenden Satz loszulassen: „In diesem Ort gibt es nur Häuptlinge".

    Ich bin mir nicht sicher, ob sie solche Statements ernst meint, den schließlich muss sie sich alle paar Jahre von den vielen männlichen und weiblichen Häuptlingen neu wählen lassen, wenn sie weiterhin die erste weibliche Bürgermeisterin von Hügelfeld bleiben will (gibt es einen treffenden Begriff für einen weiblichen Häuptling? Aus meiner Kinderzeit weiß ich natürlich, dass ein Häuptling stets als Mann daherkam).

    Und natürlich hat sie recht, das ein gewisses Klientel mit etwas Geld im Rücken gerne zu uns zieht. Da wäre zum Einen der allgegenwärtige Chemieriese RMCF (Rheinische Medizin & Chemie Fabrik) zu nennen, der mit dem Bau der `Alten Siedlung´ vor über hundert Jahren den Ort aus seinem Dornröschenschlaf gehoben hat. Ein Neubaugebiet nach dem anderen kam hinzu, die ehrwürdige Gerberei mit ihren markanten Schornsteinen an der Rheinischen Straße musste neuen Flachdachbungalows weichen und die neueste Baulanderschließung nennt sich einfach nur `Ost´.

    Mindestends genauso viele Neuzugänge im Ort arbeiten beim zweiten großen Arbeitgeber der Region. Mit richtig cleverem Logo, wie ich finde, bezeichnet es doch nur, was man erwarten kann: Produkte, Elektronik, Anwendungen. Was letztendlich dahinter steckt, kann nach allen Richtungen gefächert sein. Und das Beste daran ist, dass das im englischen genauso gut funktioniert: Products, Electronics, Applications. Da muss man erst einmal drauf kommen!

    Wir haben ein schickes Gemeindezentrum, erbaut im letzten Jahrhundert von einem Baulöwen, den es danach bis in die Hauptstadt und dann in die Pleite gezogen hat.

    Neben der Gemeindeverwaltung und vielen privaten Eigentümern gibt es ein Ärztehaus mit Internisten, Orthopäden und Chirurgen, außerdem genug andere Ärzte, verteilt über den ganzen Ort. Wir haben sogar einen Tierarzt und einen Facharzt für Anästhesie – glaube ich zumindest.

    Wir haben ein Denkmalgeschütztes Kino aus den 30´ern, in dem immer noch Filme laufen. Selbst das Sitzmöbel in der Vorhalle ist noch original.

    Wir haben ein Schloss, das alle liebevoll `Schlösschen´ nennen, erbaut von einer Gräfin Habenstein, mit einem großen Park dahinter und ein Turm, ein sogenanntes Himmeltürmchen, dessen hohle Ruine vor zwanzig Jahren komplett renoviert und wieder hergestellt wurde (sogar neue Geschosse hat man eingezogen). Im historischen Observatorium auf dem Dächlein des Turms steht sogar wieder ein Teleskop, mit dem man wie einst die Gräfin nach den Sternen greifen kann.

    Wir haben eine grüne Gemeinde, und das meine ich nicht als politisches Statement! Überall stehen die Bäume, ob in der Neckarstraße, der Mainstraße, der Schlagader Hauptstraße oder der Rheinstraße. Im Sommer ist es angenehm, bei Gluthitze auf besagter Hauptstraße zwischen den grünen, schattenspendenden Bäumen seine Geschäfte zu erledigen. Obwohl vor den Banken, die wohl neben den Bäckereien am meisten frequentiert werden, keine Bäume stehen. Selbst drüben in `Ost´ hat man Bäume gepflanzt, die derzeit zwar noch ein wenig mickrig wirken, aber die Zeit wird es schon richten, dass daraus große, ebenfalls schattenspendende Gewächse werden.

    Wir haben zwei Schulen: eine Grundschule und das weiterführende Ensemble Namens Rheinauen-Hügelfeld-Schule, in dem die Ortsjugend ihren Sekundarabschluss II erreichen kann, bevor sie für höhere Aufgaben in die weite Welt ziehen muss.

    Ich bin in den 70´ern auf die Grundschule gegangen und heute beherbergt das Gebäude die Bibliothek, auch französisch angehaucht `Mediathek´ genannt. An meinem früheren Sitzplatz findet man heute Fachliteratur über Biologie, Chemie und Physik.

    Ich gehöre zu denen, die beim alten Kirch die Schulbank gedrückt hatten. Immer wieder fiel der Mann durch seine ungewöhnlichen Methoden auf, Kindern den Lehrstoff näher zu bringen. Besonders einprägsam: `Der Körperbau des Menschen´. Zunächst entrollte er eine große Tafel an der Wand, die das komplette Innere zeigte: der männliche Vertreter präsentierte im Schnitt seine Bizeps, Rippenmuskeln, Fingersehnen, Schenkelmuskeln, Beugemuskeln, Kniebänder und Kreuzbänder (außerdem hatte dieser athletische Musterkörper einen Fußball in der Hand). Beim weiblichen Plakat ging es ans Eingemachte: Nasenhöhlen, Kieferhöhlen, Arterien oder Schlagadern, Venen oder Blutadern, Lungenflügel und Bläschen, Herzkammern, Zwerchfell, Leber, Gallengänge, Nieren, Dickdarm oder absteigender Ast: „wer besonders auf die Kacke haut, dem rumort es danach heftig im absteigenden Ast". Solche Sprachbilder fanden bei den Eltern keinen Zuspruch, doch Kirch scherte sich einen Dreck darum. Dünndarm, Mastdarm, Blinddarm, Darmbein, Wurmfortsatz - dieses kleine, unnütze Stück Fliegenschiss, das so höllisch Schmerzen machen konnte – Harnleiter und die Blase, in der sämtliche Flüssigkeiten landeten (auch alkfreies Bier, wenn es nicht anders ging – das es aber zu Kirchs Zeiten noch nicht gab). Doch der alte Kirch beließ es nicht nur bei bunten Bildern. Tags darauf zauberte er aus einer bunten Plastiktüte ein totes Ferkel, das ihm Bernadeta mitgebracht hatte – sie wuchs auf einem der wenigen Bauernhöfe in Hügelfeld – genauer gesagt, dem Hückenhof – auf.

    Sie war es gewöhnt: „da wird jeden Tag irgendein Ferkel todgedrückt. Nachdem die Klasse sich um Kirchs Pulttisch versammelte, zückte er sein Schweizer Taschenmesser und begann, das Ferkel vom Kinn ab über den kompletten Oberkörper hinab bis zum Hinterlauf aufzuschneiden. Die Kinder beäugten neugierig die glibrigen, schleimigen Inhalte, die nach allen Richtungen aus dem Leib des Tieres hervorquollen. Es war absolut still im Klassenraum, alle waren fasziniert - oder geschockt, so genau hatte ich das nicht im Überblick – während der alte Kirch damit anfing, die einzelnen Organe auf der Zeitungsunterlage zu verteilen. Was sollte das sein? Arterien, Galle, Nieren, Dickdarm? Dieses lange Dings da? Der Lehrer nahm alles einzeln in die Hand und fand ein paar Worte dazu, während die Augen meiner Klassenkameraden nicht mehr größer werden konnten (meine auch, da will ich nicht drum herum reden). „Wenn das alles in mir drin ist, warum tut es dann nicht weh?, war die Frage aller Fragen, an die ich mich erinnern kann. Und ich weiß noch genau die Antwort des alten Kirch: „Weil sich alles von selbst da drinnen abspielt. Das Bewusstsein kümmert sich keinen Deutz um das, was im Darm oder in der Leber passiert. Das macht alles das Stammhirn, ungefähr hier". Er deutete mit den vom Ferkelblut befleckten Fingern in sein Genick. War das Hirn denn nicht irgendwo im Kopf? Aber Kirch war der Lehrer und er musste es ja wissen!

    „Das Gehirn steuert eure Sinne. Riechen, hören, sehen, fühlen, Schmerzen, das kommt alles aus euren Gedanken. Und hier unten, er deutete weiterhin mit seinem Finger auf das Genick, „sitzt das Stammhirn, das alles in eurem Körper steuert, das nicht vom Bewusstsein gesteuert wird: Herzschlag, Atmung, Verdauung, Leber, Nierenfunktionen und noch vieles mehr. Der alte Kirch schob seinen rechten Zeigefinger an seine Schläfe. „Das hier müsst ihr im Griff haben, Kinder. Das da oben steuert alles: wenn ihr was nicht sehen wollt, wenn etwas eklig ist - zum Beispiel dieses tote Ferkel - verdrängt es dieses Bild. Wenn euch etwas gefällt, erinnert es euch immer wieder daran. Von hier oben geht alles aus". Ich habe den Satz des alten

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1