Leseproben Herbstprogramm 2016 Matthes & Seitz Berlin
Von Anna Weidenholzer, Olga Slawnikowa, Céline Minard und
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Über dieses E-Book
Mit Leseproben aus folgenden Büchern:
Anna Weidenholzer: Weshalb die Herren Seesterne tragen
Olga Slawnikowa: 2017
Céline Minard: So long, Luise
César Aira: Eine Episode im Leben des Reisemalers
Iain Sinclair: Der Rand des Orizonts
Pavel Salzman: Die Welpen
Alexander Goldstein: Denk an Famagusta
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Buchvorschau
Leseproben Herbstprogramm 2016 Matthes & Seitz Berlin - Anna Weidenholzer
Leseproben
aus dem Herbstprogramm 2016
bei Matthes & Seitz Berlin
Inhalt
Anna Weidenholzer: Weshalb die Herren Seesterne tragen. Roman
Olga Slawnikowa: 2017. Roman
Céline Minard: So long, Luise. Roman
César Aira: Eine Episode im Leben des Reisemalers
Iain Sinclair: Der Rand des Orizonts
Pawel Salzmann: Die Welpen. Roman
Alexander Goldstein: Denk an Famagusta. Roman
Impressum
Anna Weidenholzer
Weshalb die Herren Seesterne tragen
190 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
Erscheint voraussichtlich am 29. August 2016
ISBN: 978-3-95757-323-0
Preis: 20,00 €
Karl, ein pensionierter Lehrer, macht sich eines Tages auf, herauszufinden, was das Glück sei. Einen nur leicht veränderten Fragebogen im Gepäck, mithilfe dessen seit 1979 das ›Bruttonationalglück‹ in Bhutan ermittelt wird, lässt sich der Glücksforscher in einem schneelosen Skiort nieder, dessen Bewohner er nun in unbekanntem Auftrag nach ihrer Lebenszufriedenheit befragen will. Das Hotel Post, in dem Karl als einziger Gast unterkommt, wird bewirtschaftet von einer namenlosen Frau und ihrer Hündin Annemarie. Von hier aus beginnt er seine Forschungen, unterbrochen von konfliktgeladenen Telefongesprächen mit seiner Frau Margit. Bald erhält seine Reise Züge einer Flucht, und der Fragende wird unmerklich zum Objekt der Befragung anderer.
Über die Autorin:
Anna Weidenholzer, geboren 1984 in Linz, lebt in Wien. Mit ihrem ersten Buch, Der Platz des Hundes (2010), war sie 2011 für das Europäische Festival des Debutromans in Kiel nominiert. Ihr zweiter Roman Der Winter tut den Fischen gut war für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert. 2013 wurde sie mit dem Reinhard-Priessnitz-Preis ausgezeichnet.
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Vierhundertneunundsechzig Kilometer
Und alle Fenster finster und hier draußen ich. Bei Hirsch brennt kein Licht, die Wirtin ist ohnehin nicht zu Hause.
Karl sieht hoch zu seinem Zimmer, das Fenster ist gekippt, man bemerkt es kaum. Auf Wiedersehen, flüstert er, und die Lichter des Autos blinken, als er auf den Schlüssel drückt.
Auf Wiedersehen, Hotel Post, es war sehr schön mit dir.
Bis zur Autobahn wird es eine Stunde sein, Karl fährt vorbei am Altstoffsammelzentrum, am Gasthaus Rust, dem Supermarkt, an der Tankstelle, die keine mehr ist und die jetzt Imbiss heißt, er sieht sie sitzen, sie bemerken ihn nicht.
Er beschleunigt und lässt das Ortsgebiet hinter sich. Achtzig Stundenkilometer sind genug, Karl bremst ab, es ist Wildwechselzeit. An der ersten Raststation, bei den Lastkraftfahrern werde ich schlafen, im Autobahnhotel, sie haben bestimmt ein Zimmer frei. Ich werde morgen zeitig aufbrechen, ich werde Blumen kaufen. Eine Orchidee, Margit kann nicht gut mit Zimmerpflanzen. Und niemals Schnittblumen, auch wenn sie sich freuen würde, aber ich weiß, was nach ein paar Tagen kommt: Karl, würde sie sagen, es riecht wie in einer Aufbahrungshalle, schaff die Blumen weg. Ich wechsle das Wasser, würde ich sagen, es ist nur das Wasser, die Blumen können nichts dafür, siehst du, sie welken noch nicht, nicht eine einzige Blüte, die hängt. Ich würde das Wasser ins Waschbecken leeren und durch frisches ersetzen, lauwarmes, bei kaltem erschrecken sie. Vielleicht wären sie ein wenig müder als am ersten Tag, aber manche würden gerade erst jetzt ihre Knospen öffnen, worauf ich Margit allerdings nicht hinweisen würde. Am besten, man vermeidet es, in solch einer Situation über die Blumen zu sprechen, es würde die Aufmerksamkeit nur in die falsche Richtung lenken. Andererseits, mit Schnittblumen im Haus käme es so oder so zu einem Konflikt. Friedhofsgeruch, würde sie jedes Mal sagen, wenn sie an dem Strauß vorbeigeht, wie hältst du das nur aus? Ich rieche nichts. Es ist unmöglich, diesen Geruch nicht wahrzunehmen, Karl, ich mache mir Sorgen, deine Nebenhöhlen, ständig sind sie entzündet, und jetzt riechst du auch die Blumen nicht.
Trotz Sperrlinie überholen. Karl schüttelt den Kopf und betätigt die Lichthupe, er fährt noch eine Weile mit Fernlicht, dann blendet er ab. Ich möchte ihr eine Freude bereiten, ich möchte meine Margit glücklich machen. Ich werde ihr eine Orchidee mitbringen, ohne Übertopf, wir haben noch genug im Keller, von den Vorgängerpflanzen, die ihre Pflege nicht überlebten. Zu viel Wasser ist nicht gut, ich sage es immer wieder, wieder und wieder. Sie meint es gut mit ihnen. Eine Orchidee ist anspruchslos, am Sonntag für ein paar Minuten ein Wasserbad, nicht zu kalt, nicht zu warm.
Was früher der Kaktus war, ist heute die Orchidee. Karl, verlier dich nicht, würde Margit jetzt sagen. Ich werde sie in die Arme nehmen, ich werde flüstern: Margit, mein Mädchen, ich bin zurück. Schön, wird sie sagen, vielleicht auch: Ich habe mich auf dich gefreut. Ich werde nach Hause kommen, mit einer Orchidee unter dem Arm, einer weißen, eingeschlagen in buntes Papier von Blumen Haberkuk. Wie sagte Margit? Fürchte dich nicht, wie du an eine Sache herangehst, so tritt sie ein.
Was Margit sagte: An Regentagen mag ich das Spazierengehen nicht und dir klebt Blaukraut am Bart. Sie sagte: Karl, du bist verschwunden, ohne Bescheid zu geben. Ich rufe doch an. Du bist einfach weggewesen. Ich werde bald wieder bei dir sein, wie bitte, Margit, der Empfang ist schlecht, es muss an den Bergen liegen, sie halten die Strahlen ab.
Karl stand in seinem Zimmer vor dem Heizkörper, er legte die Hände darauf und klemmte das Telefon zwischen Schulter und Kopf. Draußen ging eine Frau vorbei, sie winkte, als ein Auto vorüberfuhr. Karl zog die Hände zurück und wischte über die Fensterbank. Ja, das mache, ja, das werde ich, ich weiß, dass du dir in solch einer Situation Sorgen machst. Margit war nicht mehr zu hören, er ließ das Telefon noch eine Weile eingeklemmt.
Eine Sperrlinie ist eine Sperrlinie, flucht Karl und bremst ab, als ihn ein weiteres Auto überholt. Rechts von ihm fließt ein Fluss die Straße entlang. Ich werde sicher nach Hause kommen, bald wird die Autobahn ausgeschildert sein, bald werde ich auf der Raststation, morgen wird mein Aufbruch eine Ankunft sein. Hör, wie der Regen fällt. Margit, werde ich sagen, weißt du, wir sind dieses Jahr noch kein einziges Mal über Schnee gegangen, und ich dachte bei meiner Abreise schon, dass der Winter kommt.
Kennwort O1
Regen und Sturm, es wird ein früher Winter werden. Karl lässt den Zettel auf dem Wohnzimmertisch liegen, den Satz hat er mit schwarzem Filzstift umrandet, er geht hinüber in die Küche und trinkt ein Glas Wasser. So, flüstert er, und deshalb. Er sieht aus dem Fenster, in der Garageneinfahrt des Nachbarhauses steht ein ausgehöhlter Kürbis auf der Mülltonne. Karl, das kannst du nicht schon wieder machen, weißt du noch, als das Hochwasser war, als du aufgebrochen bist, um zu helfen. Du warst schnell wieder zurück.
Karl schüttelt den Kopf. Ich werde Margit einen Brief hinterlassen, ich werde ihr sagen, dass es keinen Aufschub geben soll. Meine liebe Margit, schreibt er und zerknüllt den