Obstraritäten: im naturnahen Garten
Von Gregor Dietrich
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Rezensionen für Obstraritäten
1 Bewertung1 Rezension
- Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Ein Buch aus der Natur im Garten Reihe, ein Buch 'vom Dietrich'. Mehr ist eigentlich nicht zu sagen. Wie immer bei Gregor wird wohl unglaublich viel Info in den vorhandenen Platz gepackt sein. Und die botanischen Namen auf dem aktuellsten Stand.
Buchvorschau
Obstraritäten - Gregor Dietrich
Dietrich
Alte und neue Obstarten
©shutterstock/successo images
Unsere Ess- und Konsumgewohnheiten sind einem beständigen Wandel unterzogen. Auch die Anforderungen, die an Obst gestellt werden, ändern sich. Verfügbarkeit, Essgewohnheiten, Markterfordernisse und Anbau im Hausgarten stehen in Wechselwirkung zueinander.
Geschichte der Obstvielfalt
Obst wird als Wildobst seit Beginn der Menschheit geerntet. Gezielt kultiviert wird es als Beikost nicht so lange wie Getreide (Hauptnahrungsmittel). Die Domestizierung von Obst passierte in mehreren Wellen. Frühgeschichtlich waren es Äpfel, Birnen, Rundpflaumen, Wein, Feigen, Granatäpfel und andere, die vorwiegend im Orient domestiziert wurden und nichts mit heimischen Verwandten zu tun haben.
Die ältesten kultivierten Obstarten in Mitteleuropa sind Apfel, Birne und Myrobalane (Kirschpflaume) in der Jungsteinzeit. Der Kulturapfel stammt nicht vom heimischen wilden Holzapfel ab, sondern aus Zentralasien, die Kulturbirne nicht von der heimischen Wildbirne, sondern aus Südwestasien. Die Myrobalane kommt vom Kaukasus bis zur Balkanhalbinsel wild vor. Ob sie dort überall ureinheimisch war, ist nicht mehr zu ermitteln.
In der Bronzezeit folgten Maroni (Kastanie) und Kriecherl. Erstere kam aus Südosteuropa zu uns. Kriecherl oder Kriech(en)pflaume entstand als erste heimische Kulturart in Mitteleuropa aus Kreuzungen der eingeführten Myrobalane und der heimischen Schlehe. Wie bei den Elternarten ist die Frucht kugelförmig und der Kern breit.
Die Römer brachten dann etliche neue Obstarten über die Alpen, wie etwa die ersten Zuchtformen der Kirsche, die wild auch hier heimisch ist und war. Lucius Licinius Lucullus (* 117 v. Chr.; † 56 v. Chr.) importierte aus der pontischen Stadt Giresun die ersten Kulturkirschen nach Rom, die dann innerhalb von 120 Jahren bis Britannien verbreitet wurden. Mispel, Speierling, Marille, Walnuss, Mandel, Zwetschke, Pfirsich und natürlich Wein waren weitere Einführungen der Römer nördlich der Alpen. Die Zwetschke hat angeblich dieselben Vorfahren wie das Kriecherl, entstand aber in Kleinasien und zeichnet sich durch eine neue Eigenschaft, die längliche Fruchtform mit schmalem Kern aus. Dort entstand auch die Kulturart Mandel aus ihrem wilden Vorfahren (Prunus webbii), Mispel und Walnuss kommen aus Bereichen zwischen der Balkanhalbinsel und Zentralasien, Speierling aus dem Mittelmeerraum. Marille und Pfirsich kamen aus China.
Im Mittelalter waren heimische Himbeeren das erste kultivierte Beerenobst. Auch die heimische Kornelkirsche und die südwestasiatische Quitte gesellten sich noch im Frühmittelalter dazu. Im Spätmittelalter begann man auch alle drei heimischen Erdbeerarten zu kultivieren.
Die Schlehe ist eine bekannte heimische Wildobstart.
©shutterstock/ Christian Jung
Mit der Neuzeit gelangte auch Beerenobst aus Übersee zu uns, doch zunächst waren es ausschließlich Erdbeeren, von denen man auch exotische Arten kultivierte. Die Renaissance brachte mit verschiedenen Erdbeerkreuzungen, von denen nur die Ananas-Erdbeere erhalten blieb, die ersten Kulturarten (also in Kultur entstandene, nicht wild vorkommende Arten) beim Beerenobst. Rote Ribiseln wurden vermutlich erst im 15. Jahrhundert in Kultur genommen, im 17. Jahrhundert kam die Stachelbeere auch in Mitteleuropa dazu, nachdem sie in England schon länger Ansehen genoss. Im 19. Jahrhundert begann der rege Austausch von Schadorganismen zwischen Europa und Nordamerika. Darauf folgte der Beginn der gezielten Kreuzung amerikanischer und europäischer Arten zur Resistenzzüchtung und der Entstehung von neuen Kulturarten (moderne Stachelbeeren, Kulturhimbeeren, Jochelbeere, Loganbeere …) und die Suche nach neuen Kulturobstarten. Zum Beispiel wurden Brombeeren erst im 19. Jahrhundert in Kultur genommen. Den größten Zuwachs an (bei uns) neuen Obstarten und -hybriden brachte bisher das 20. Jahrhundert.
Altes und neues Obst – was ist das?
Wenn man sich mit seltenerem Obst beschäftigt, so stößt man bald auf zwei wesentliche Begriffe: „Alte Sorten und „Wildobst
. Der letzte der beiden Begriffe wird sehr beliebig, also üblicherweise falsch verwendet, nämlich durchaus auch für Zuchtsorten, die der Früchte wegen kultiviert werden. Um zu verdeutlichen, was die Begriffe bedeuten, wollen wir den Werdegang von Obst nachvollziehen.
Zuerst wird Obst von wild wachsenden Pflanzen geerntet. Dann spricht man völlig korrekt von Wildobst. Wird dieses Obst geschätzt und ist nicht in der Lebensumgebung verfügbar, wird es in Kultur genommen, zunächst ohne Sortenzüchtung. Landläufig spricht man noch von „Wildobst im Garten. Auch (exotische) Ziergehölze im Garten können Obst liefern. Hier von Wildobst zu sprechen ist tatsächlich verfehlt. „Gelegenheitsobst
wäre eine passende Alternative. Spätestens dann, wenn eigene Fruchtsorten ausgelesen oder aktiv gezüchtet werden, kann man nicht mehr von Wildobst sprechen. „Neues Obst ist ein adäquater Begriff, der als Obst neu kultivierte Arten und auch neu importierte, schon züchterisch veränderte Obstarten bezeichnet. Schließlich schaffen es viele Obstarten, sich zu etablieren und marktfähig zu werden. So wird Obst zu Standard- oder Marktobst. Üblicherweise ist damit die Entstehung einer großen Sortenvielfalt verbunden, oft allerdings mit Verzögerung. Anfänglich genügen einige marktfähige Sorten. Markterfordernisse, Kulturführung und Geschmacksgewohnheiten können zu starker Einschränkung der Sortenvielfalt führen. Bei den ausgeschlossenen Sorten wie vergessenen Obstarten spricht man dann von „Altem Obst
. Aus all diesen Gruppen gibt es Obstarten, die bei uns rar in Kultur sind. Es gibt mehr davon, als ein Buch dieses Umfanges fassen kann. Die Auswahl der behandelten Arten ist daher subjektiv.
Moderne Anforderungen an Obst
Transportfähigkeit
Für den Werdegang sind ganz unterschiedliche Faktoren maßgeblich. In der heutigen Zeit ist für den Erfolg von Obstarten und -sorten zuallererst der Handel wichtig. Was aus dem Handel verschwindet, verschwindet auch aus der Küche und in der Folge aus den Gärten. Was im Handel erfolgreich wird, wird, klimatische Möglichkeiten vorausgesetzt, bald in den Gärten auftauchen. Doch was macht Erfolg oder Misserfolg im Handel aus?
Geschmack ist eine nicht so wesentliche Eigenschaft, wie man annehmen sollte. Zuallererst ist die Logistik wichtig: Früchte müssen transport- und lagerfähig sein. Aus diesem Grund gibt es etwa keine Herzkirschen im Handel. Knorpelkirschen haben sich durchgesetzt. Der sinkende Bekanntheitsgrad der Herzkirschen hat zu sinkender Bekanntheit, damit zu rückläufigen Verkaufszahlen in den Baumschulen und zum Verschwinden aus neu bepflanzten Gärten geführt. Und das, obwohl Herzkirschen für den Hausgarten weitaus besser geeignet sind, werden sie doch kaum von der Kirschfruchtfliege befallen und benötigen somit keine teuren, zeitaufwendigen und mitunter gesundheitsgefährdenden Pflanzenschutzmaßnahmen. Herzkirschen können heutzutage schon als Obstrarität gelten.
Diese weißfleischige Pfirsichmutation mit flacher Fruchtform wird im Handel oft als „Weingartenpfirsich" angeboten.
©shutterstock/Jana Behr
Ähnlich erging es den Pfirsichen: Aufgrund des festeren Fruchtfleisches wurden für den Handel ausschließlich gelbfleischige Sorten produziert. Die weißfleischigen Sorten sind allerdings eindeutig aromatischer. Eine Trendwende im Konsumentenverhalten Mitte der 1990er hin zu mehr Geschmack hat Weingartenpfirsiche gärtnerisch wieder modern werden lassen. Der Handel reagierte mit einem Jahrzehnt Verspätung: Eine flachfruchtige Mutation bei Pfirsichen führte zur Möglichkeit, sich den aufwendigeren Transport vom Kunden vergüten zu lassen. Somit gelangen auch wieder weißfleischige Sorten – oft fachlich falsch als Weingartenpfirsiche oder unter der erfundenen Bezeichnung Weinbergpfirsiche – in den Handel.
Zuletzt sei das Beispiel Marille genannt, wo traditionelle Sorten zur Reife umfärben. Dann sind die Früchte nicht mehr gut transportfähig. Unreif geerntete Marillen haben die unangenehme Eigenschaft, ungleichmäßig nachzureifen. Moderne Sorten färben hingegen schon zwei Wochen vor der Reife in ein kräftiges Goldorange um. Nachgereift bringen Marillen nie ihr volles Aroma. Die modernen Sorten können reif geerntet durchaus mit einigen alten Sorten mithalten, verlieren aber oft ihr Aroma bei der Verarbeitung.
Beispiele dieser Art betreffen die meisten Obstarten, auch Beerenobst wie Erdbeeren oder Himbeeren, wobei aber bei Erdbeeren die ganz neuen Sorten im Geschmack der berühmten ‘Mieze Schindler’ keineswegs nachstehen. Die Anforderungen an Hausgartenobst sind durchaus andere als an Obst für den Handel. Dennoch prägt uns der Handel: Was wir aus dem Supermarkt kennen, setzen wir in den Garten.
Geschmack
Doch welche Rolle spielt der Geschmack? Fehlender Geschmack ist also kein Handelshindernis. Oft ist die Geschmackserwartung kaufentscheidend, schlechte Erfahrungen führen aber nicht zum Kaufboykott. Wie schaut es mit neuartigem, unerwartetem Geschmack aus?
Über Geschmack kann man bekanntlich (nicht) streiten. Und tatsächlich scheint er mehr Gewohnheitssache als ausschlaggebend für den Erfolg einer