Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Höllentrieb: Die Chroniken der Akkadier 3
Höllentrieb: Die Chroniken der Akkadier 3
Höllentrieb: Die Chroniken der Akkadier 3
eBook707 Seiten8 Stunden

Höllentrieb: Die Chroniken der Akkadier 3

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Sie jagte die Schatten. Er wählte die Liebe. Und der Himmel versank im Chaos.

Nach 4000 Jahren entsagt Halbgöttin Jolina von Abenteuerlust getrieben allen Regeln und Pflichten, die ihr der Dienst als Ahne der Akkadier auferlegte. Auf den Spuren ihres einst verbannten Bruders in der Hölle des Götterreiches Enûma ist der zwielichtige Krieger Daman ihr einziger Verbündeter. Doch selbst er versucht, sie mit allen Mitteln zu verführen und zu der Seinen zu machen. Zwischen Bissen und Küssen beginnt eine Hetzjagd, die Jolina und Daman an ihre Grenzen treibt.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum14. Dez. 2015
ISBN9783738634952
Höllentrieb: Die Chroniken der Akkadier 3
Autor

Jordan Bay

Jordan Bay, Jahrgang 1984, fühlte sich schon als Kind von fantastischen Welten angezogen und malte, ehe sie mit dem Schreiben begann. 2011 erschien ihr Debütroman SEELENGOLD im Rahmen der Romance Fantasy-Reihe "Die Chroniken der Akkadier", gefolgt vom zweiten Band LICHTPFADE im Jahr darauf und HÖLLENTRIEB in 2015. Mit Kurzgeschichten zum Horrorserial HL Weens Schockstarre entdeckte die Autorin eine Vorliebe für blutige Gemetzel. Heute lebt Jordan Bay zusammen mit ihrem Mann, dem 2012 zur Welt gekommenen Sohn und zwei Nacktkatzen im altmärkischen Stendal und widmet sich neben dem Schreiben gern der Fotografie. HOMEPAGE www.jordanbay.de

Mehr von Jordan Bay lesen

Ähnlich wie Höllentrieb

Titel in dieser Serie (2)

Mehr anzeigen

Ähnliche E-Books

Fantasy für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Höllentrieb

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Höllentrieb - Jordan Bay

    Inhaltsverzeichnis

    Titelseite

    Gewidmet

    Glossar der Eigennamen

    Prolog

    1

    2

    3

    4

    5

    6

    7

    8

    9

    10

    11

    12

    13

    14

    15

    16

    17

    18

    19

    20

    21

    22

    23

    24

    25

    ENÛMA ELÎSCH

    26

    27

    28

    29

    30

    31

    32

    33

    34

    35

    36

    37

    38

    39

    40

    41

    42

    43

    44

    45

    46

    47

    48

    49

    50

    51

    52

    53

    Letztes Kapitel

    Danksagung

    Bilder

    Leseprobe

    Blut, Schokolade und Tränen ...

    Über die Autorin

    Impressum

    Höllentrieb

    Die Chroniken der Akkadier 3

    von Jordan Bay

    Gewidmet

    Jedem einzelnen meiner Leser …

    Ihr musstet viel zu lange warten!

    Ich danke euch für die unglaubliche Unterstützung.

    Glossar der Eigennamen

    Ahnen – die Kinder der babylonischen Göttin Ishtar: Jolina, Elias und Noah; erbten die akkadische Bestie ihrer Mutter und begleiten die menschlichen Hirten der Akkadier durch den Tod und die anschließende Verwandlung

    Akkadier/Akkadia – Nachkommen der babylonischen Liebes- und Kriegsgöttin Ishtar, tragen unsterbliche Bestien (gehörnte Löwen) als zweite Seele in sich und können als solche Gestalt annehmen, ernähren sich von Blut

    Alimbû mythische, aufrecht gehende Rinderart, Nachkommen des Himmelsstieres

    Annelha – „Muttergöttin", die Kriegs- und Liebesgöttin Ishtar, Mutter aller Akkadier

    Anzu „Löwengreif", Löwe mit Raubvogelkopf und Flügeln

    Baskhardan Enûmas Tor zur Kehrseite

    Dalan „Bruder", Respektsbezeichnung unter Akkadiern

    Enûma das Götterreich

    Faihren elfenähnliches Volk, Bewohner des Götterreiches (Schattenseite)

    Ishtar – babylonische Göttin des Krieges und der Liebe

    Leviathan riesiges Seeungeheuer, Mischung aus Krokodil und Wal, wurde einst vom Göttervater Marduk bezwungen und auf die Schattenseite verbannt

    Lilitu Dämonin, die sich von der Lebensenergie schlafender Menschen ernährt

    ma Kashi „meine Sonne", Kosewort

    Moali „Lichtbringer", fleischfressende Kreaturen

    Naham die Bestie im Inneren jedes Akkadiers

    Nihren blauhäutige Bewohner des Götterreiches mit ausgeprägten sexuellen Bedürfnissen

    Noéri die Hüter von Baskhardan

    Nral Fähigkeit der Taryk, ihre menschlichen Opfer zu täuschen

    Parwaz Noé „Zeit der Ordnung", gute und böse Wesen des Götterreiches wurden auf Licht- oder Schattenseite sortiert

    Satoren / Praesatoren das Feuervolk, Bewohner des Götterreiches, denen teuflische Wesenszüge nachgesagt werden, können als Einzige Durchlass zur Kehrseite erbeten

    Solan & Marasch die Gefährten, zwei vom Schicksal füreinander bestimmte Akkadier

    Tammuz – babylonischer Vegetationsgott

    Taryk – Nachkommen des babylonischen Gottes der Unterwelt Nergal, bestehen aus schwarzer Aura und ernähren sich von menschlichen Seelen

    Ziz riesiger Urvogel

    Prolog

    Götterreich Enûma, zur Blütezeit Mesopotamiens

    „Jolina! Elias lachte hinter ihr. „Jolina. Ich krieg’ dich! Er knurrte jungenhaft und jagte ihr nach, während sie durch den Säulenwald der großen Halle rannte. Vorbei an Fresken, Mosaiken und Statuen im Tempel der Ishtar, versuchte sie Elias zu entkommen. Ihre hüftlangen Locken wehten wie ein Umhang hinter ihr her. Sie spielten wie jeden Tag Fangen. Tollten durch die marmornen Weiten ihres Zuhauses und richteten Chaos an. Blumenkübel fielen scheppernd zu Boden. Jolina erbeutete im Vorbeilaufen eine Dattel vom Obstteller und warf ihn dabei runter. Die musizierenden Nihren unterbrachen ihr Harfenspiel erschrocken, als Elias über ihre Köpfe sprang, und begannen wieder am Anfang der Götterhymne.

    Jolina sprintete lachend die Stufen zur dritten Etage hinauf, hopste über den Springbrunnen, mitten durch die Wasserfontäne, und fiel Noah in die Arme. Der fing sie auf und ging mit ihr zu Boden. Sie verschluckte sich an der Dattel und hustete. Kreischte, als Elias sie erreichte und an der Schulter antippte.

    „Das war unfair!", rief sie empört, während er im Gang geradeaus verschwand und sich einen Vorsprung erarbeitete. Da erst bemerkte Jolina, dass Noah sich verspannt hatte. Sie war auf seiner Brust gelandet, schaute in das schneeweiße Gesicht und musterte die silbernen Augen, hinter denen etwas arbeitete. Die schmalen Wangenknochen des elfjährigen Halbgottes wirkten hart. Seine Hände lagen auf ihren blanken Oberschenkeln – ihr cremefarbenes Gewand war beim Sturz nach oben gerutscht. Und obwohl die drei Geschwister gleich alt waren, schien Noah schneller erwachsen zu werden. Seit ein paar Monden spielte er kaum noch, hielt sich in seinen Gemächern auf und leistete der Familie nur zum Mahl Gesellschaft.

    „Noah? Was ist?"

    Er schüttelte hastig den Kopf, stieß Jolina von sich und kam ungelenk auf die Beine. Erschrocken raffte sie die Robe und bedeckte ihre Schenkel.

    „Nichts!", presste er hervor und hielt seine Toga in Hüfthöhe nach vorn. Sein Gesicht wirkte schmerzverzerrt und begann golden zu glühen, als wäre es zu stark durchblutet. Noahs Blick schweifte kurz zu ihrem vom Springbrunnen durchnässten Gewand, bis er die Augen angewidert zusammenkniff.

    „Du hast Schmerzen!" Sie kroch auf ihn zu und streckte eine Hand aus. Doch ihr Bruder taumelte rückwärts, machte kehrt und stürzte in gebückter Haltung davon.

    Jolina sah ihm nach. Wusste nicht, was passiert war. Vielleicht hatte er sich beim Zusammenprall wehgetan. Vielleicht war es etwas anderes. Denn seitdem Noah sie beim Spielen einmal verletzt hatte, wies er Jolina zurück. Obwohl sie ihm dieses Versehen nie vorwerfen würde.

    Als die drei Sonnen Enûmas abends untergingen, erschien Noah nicht zum Mahl. Die Muttergöttin ermahnte Jolina und Elias, sich aufs Essen zu konzentrieren und nicht nach ihrem Bruder zu fragen. Doch Jolina war überzeugt davon, dass Noah wegen eines Tadels auf seinem Zimmer bleiben musste.

    Den Morgen darauf erwachte sie in ihrem weichen Wolkenbett und dachte sofort an ihren geliebten Bruder. Jolina hopste durch die weißen Vorhänge vom Bett und lief barfuß in den Flur. Einer imaginären Linie folgend, setzte sie einen Fuß vor den anderen, um nach siebzehn Schritten vor der weißen Tür zum Schlafgemach ihres Bruders anzukommen. Sie zupfte die Träger ihres Nachtgewandes zurecht und klopfte leise an.

    „Noah?", flüsterte sie und hoffte, dass er sein Gemach heute wieder verlassen durfte. Doch es blieb still.

    Jolina klopfte erneut, diesmal lauter, vielleicht hatte er sie nicht gehört. Sie drückte ihr Ohr gegen die Tür und lauschte. Wenn er noch schlief, wollte sie ihn nicht wecken. Aber er war sicher längst auf. Jolina drehte den Knauf, öffnete die Tür einen Spalt und schaute hinein. Sonnenlicht flutete den Raum und ergoss sich über Noahs Schlafstatt. Die Zypresse vor dem Fenster warf kleine runde Schatten darauf, die sich im Rhythmus der Baumkrone hin und her bewegten. Jolina ließ den Knauf los, die Tür glitt weiter auf. Das einst weiße Zimmer hatte eine farbenfrohe Neugestaltung erhalten. Als hätte jemand einen Bottich roten Beerensaft genommen und schwungvoll über Wände, Decke und Fußboden verteilt. Selbst Bettlaken und Vorhänge besaßen ein fröhliches rotes Muster. Nur Noah war nicht da. Womöglich holte er mehr Farbe für die andere Zimmerseite.

    Erst jetzt entdeckte Jolina seine Zofe Emiliana. Das Gesicht zur Tür gewandt, lag die blauhäutige Nihr bäuchlings in seinem Bett, obwohl das den Dienerinnen nicht gestattet war. Mit roter Farbe hatte sie sicher auch nicht bekleckert werden wollen. Was aber war das auf ihrem Rücken? Fast sah es so aus, als ragte die Wirbelsäule aus der blauen Haut. Auf ihren einzelnen Gliedern glänzte der Beerensaft rötlich im Sonnenlicht. Jolina registrierte, dass Emiliana nicht atmete. Ihre offen stehenden Augen sich nicht bewegten. Ihr Herz nicht schlug. Doch erst als die hinzugekommene Zofe hinter ihr einen fürchterlichen Schrei ausstieß, wurde dem Mädchen bewusst, auf welche Szenerie es blickte.

    Was tatsächlich geschehen war, hatte die Halbgöttin erst Jahre später verstanden. Nachdem Noah zur Bestrafung seiner blutigen Schandtat ins Exil geschickt worden war und es für Elias und Jolina weder Datteln noch weiche Wolkenbetten mehr gab. Nachdem die Muttergöttin alles daran gesetzt hatte, die akkadischen Bestien im Inneren ihrer Kinder so tief wie möglich zu vergraben, indem sie ihnen alles untersagte, was einer Befriedigung jeglicher Bedürfnisse gleichkam. Nachdem das Leben, wie Jolina es als Kind gekannt hatte, nicht mehr existierte.

    1

    Schattenseite Enûmas, Gegenwart

    Jolinas Locken blieben an einem Ast hängen. Sie rannte weiter, ohne den Schmerz zu beachten, hetzte durch die Dunkelheit des Waldes und riss sich Kleidung und Haut auf. Ihr Atem rasselte durch die Lungen, ihre Beine protestierten. Hinter ihr näherten sich die Lichter. Moali – so hatte Daman sie einst genannt. Mit einer dieser Kreaturen hatte Jolina bereits auf der Lichtseite des Götterreiches Bekanntschaft gemacht. Diese Fleischfresser projizierten Trugbilder bei ihren Opfern und machten sie damit gefügig, um sich genüsslich zu sättigen. Die Halbgöttin wusste, wie friedlich sich dieses Gefressen werden anfühlen konnte. Mit welcher Selbstverständlichkeit man die eingeflößten Bilder auf sich wirken ließ und alles um sich herum vergaß. Doch dieses Mal gab es keine besänftigenden Erinnerungen, die ihr in den Kopf gepflanzt wurden. Diesmal gab es eine Hetzjagd.

    Jolina rannte durch den Wald, sprang über Baumstämme, duckte sich unter Ästen und verfluchte Bogen und Köcher, die bei jedem Schritt gegen ihren Rücken schlugen. Damit hatte sie keine Chance gegen die Meute. Helfen würde jetzt ein wutschnaubender Sator . Zum Beispiel jener, der sie auf die Kehrseite gebracht hatte. Doch Jolina war allein in dieser Finsternis angekommen. Von Daman und seinem Freund Goran, dem stierähnlichen Alimbû, fehlte jede Spur.

    Das hatte sie nun davon. Abenteuer, eine Herausforderung hatte sie gesucht. Etwas vollkommen anderes, als die stupide Ahnentätigkeit als Tochter einer Kriegsgöttin, die seit zigtausend Jahren ihr Leben bestimmte. Ob das undankbar war? Natürlich war es das. Jolina hatte ihrer Mutter und den Brüdern, selbst ihren Akkadiern auf der Erde mit Durchschreiten des Tores Baskhardan den Rücken zugekehrt. Hatte sie alle im Stich gelassen. War freiwillig ins Exil gegangen. Wer zu solcher Dummheit fähig war, gehörte wohl hierher.

    Dann war da noch die Sache mit dem Sator, besser gesagt dem König der Satoren, der sie nicht grundlos begleitet hatte. Denn nur ein Mann des Feuervolkes konnte die blauen Flammen zur Kehrseite überstehen und Jolina den Durchlass ermöglichen. Daman hatte fürchterliche Verbrennungen davongetragen, und Jolina sorgte sich ungeachtet ihrer eigenen Situation um ihn.

    Sie stieß mit der Schulter gegen einen Baum und kam ins Straucheln. Ihre rechte Sandale verfing sich an einer Wurzel. Jolina stürzte und schlug mit dem Kopf gegen harte Rinde, versuchte sich wieder aufzurappeln und konnte in der Dunkelheit doch kaum etwas erkennen. Das röhrende Grunzen der Moali wurde lauter. Ihre Lichter kamen näher. Die Halbgöttin stolperte vorwärts, stützte sich an den Bäumen ab. Etwas Scharfes erwischte ihr linkes Bein. Jolina schrie auf, konnte aber entkommen.

    Wo zum Teufel steckten Axt schwingende Alimbû und gehörnte Satoren, wenn man sie brauchte?!

    Die Halbgöttin rannte so schnell, wie sie konnte. Doch plötzlich gab die Erde unter ihren Füßen nach. Die Bäume beugten sich nach außen und wurden eins mit dem Boden. Der Wald verformte sich, verschwand und wurde zu einer weitläufigen Ebene. Daman hatte es angekündigt – die Landschaft der Kehrseite besaß ein Eigenleben. Ob das von Vorteil war, würde sich noch zeigen.

    Jolina tauchte von einem auf den anderen Moment in eiskaltes Wasser, das ihre Kleidung sofort durchdrang. Ein reißender Strom zerrte sie flussabwärts. Panisch versuchte sie, an der Oberfläche zu bleiben. Hatte nie zuvor schwimmen müssen. Ob sie unter Wasser atmen konnte, wusste sie nicht.

    Jolina wurde um ihre eigene Achse gewirbelt. Die Moali hetzten auf allen vieren am Ufer entlang. Es mussten an die zwanzig sein. Lange krallenbesetzte Gliedmaßen saßen an einem knochigen, von schwarzer Lederhaut umspannten Körper. Die Köpfe glichen nackten Raubtierschädeln mit fangartigen Zähnen, und über leeren Augenhöhlen prangte das verführerische Licht. Doch bevor Jolina in dessen Bann gezogen wurde, zerrte sie der Fluss um eine Kurve und ließ sie untertauchen. Wasser flutete ihren zum Schrei geöffneten Mund, drang kalt in ihre Lungen und versetzte ihren Körper in Todesangst. Sie riss die Augen auf und sah nichts als Finsternis. Kämpfte sich hustend wieder hoch. Jolinas Kopf stieß gegen einen Stein, und das Wasser trieb die Luft aus ihren Lungen. Ihre Knie schrammten über den scharfkantigen Wassergrund. Ein letztes Mal noch sah sie die weißen Lichter. Dann stürzte der Fluss in die Tiefe.

    Jolina fiel rückwärts ins Bodenlose. Kalter Wind peitschte über ihre nasse Haut. Sie sah die Wassermassen über sich, spürte ihre tonnenschwere Last. Und schlug mit dem Rücken auf Beton, so fühlte es sich an. Ein schriller Schmerz trieb ihren Adrenalinpegel an die Grenzen zur Bewusstlosigkeit. Dann verschwand das ohrenbetäubende Rauschen wie unter einer Glocke. Wasser schloss sich über ihr und drückte sie nach unten. Die Zeit kam zum Stillstand. Schwärze verschluckte sie. Sie hörte nichts. Atmete nicht. Verlor jegliche Kraft.

    Jemand zerrte an ihrem Körper, zog sie aus dem Wasser auf kalten Sand. Als Jolina zu sich kam, lag sie am Ufer und hörte den Fluss tosen. Ihre Lungen verlangten panisch nach Luft und stießen das eingeatmete Wasser aus. Jolina beugte sich zur Seite. Spuckte und hustete. Ihr Rachen kratzte. Ihr Brustkorb schmerzte. Aber sie schien in Sicherheit zu sein.

    Etwas schnaufte.

    Jolina zuckte zusammen und hielt inne. Öffnete die Augen und sah zwei riesige Pfoten, deren dunkle Klauen sich langsam in den Boden gruben.

    Es schnaufte erneut.

    Den Pfoten folgten muskulöse Vorderläufe, die in einen breiten Brustkorb übergingen. Den Hals stolz gereckt, schaute eine Kreatur auf sie herunter, von der sie bislang nur gehört hatte. Das dunkle Fell verdichtete sich am Kopf zu Federn. Und über einen massigen Schnabel hinweg blickten sie zwei aufgeweckte Vogelaugen an.

    Der Löwengreif schnaufte warme Luft in ihr Gesicht, drehte den Kopf in einem unnatürlichen Winkel und blinzelte mehrmals. Über sich hörte Jolina die Moali grölen. Sie hockten geifernd an der Klippe und schienen nur darauf zu warten, dass der Fluss wieder verschwand. Dann gäbe es einen Kampf ums Futter – Anzu gegen Moali. Wer durfte die Halbgöttin zum Frühstück verspeisen?

    Jolina versuchte sich zu teleportieren. Wohin, war egal. Doch etwas hinderte sie. Natürlich, die Kehrseite stellte ein Vakuum im Raum dar. Man konnte weder davonfliegen noch sich zur Lichtseite durchgraben und schon gar nicht fort teleportieren.

    Prima.

    Der Anzu kam einen neugierigen Schritt auf sie zu, sodass sein Schnabel fast ihre Wange berührte. Sie spürte seinen Atem auf der Haut. Das Herz schlug ihr in der Kehle. Reichten ihre Kräfte, um den Greif auf Abstand zu halten oder würde sie die Lage damit nur verschlimmern?

    Plötzlich fuhr das Tier herum, als hätte es ein Geräusch gehört. Baute sich in Angriffsstellung vor ihr auf und breitete seine Flügel zur vollen Spannweite aus. Der Schwanz schlug hin und her, sodass Jolina ihm ausweichen musste. An dem muskelbepackten Körper vorbei warf sie einen Blick auf den angrenzenden Wald. Womöglich stellte der Anzu keine schlechte Alternative zu dem dar, was dort kommen mochte.

    Der Greif gab ein Fauchen von sich und bauschte das Fell. Er schüttelte die Flügel und kreischte so laut, dass es Jolina durch Mark und Bein fuhr. Als Antwort bekam er das Brüllen eines Kolosses. Eine riesige Gestalt sprang aus dem Unterholz und landete donnernd vor ihnen. Schwarz und unheilvoll stellte sich der Mann dem Ungetüm wie eine Wand entgegen, starrte es aus silbrigen Augen an und richtete die hellen Hörner gen Himmel.

    Da war er, ihr Sator.

    Daman hatte sich noch nicht oft einem jungen Löwengreif in den Weg gestellt. Aber seine kleine Göttin hatte sich nach ihrer Ankunft auf der Kehrseite direkt ins Unheil gestürzt. Gehörte zu ihren Talenten. Das hatte er auf ihrer gemeinsamen Reise schon bemerkt. Zum Glück befand sich zwischen ihnen und den Moali ein Fluss.

    Vollkommen durchnässt saß Jolina hinter dem schönen Anzu und wusste vermutlich nicht, dass ihre schwarze Bluse dank der Nässe Brüste und Nippel schamlos zu Schau stellte. Auch so ein Talent – dem Sator den Kopf verdrehen. Sie blickte ihn hoffnungsvoll an. Ihre bernsteinfarbenen Augen leuchteten wie Sonnenlicht und betonten die langen, dunkelroten Wimpern. Ihre Wangen glühten vor Anstrengung, die Unterlippe zitterte. Und ihre Brust hob und senkte sich gehetzt, sodass Damans Blick unwillkürlich tiefer rutschte.

    „Weißt du eigentlich, mit wem du dich da angelegt hast?", rief er über das Rauschen des Wasserfalls hinweg.

    Sie schaute zwischen ihm und dem Anzu hin und her, wirkte vollkommen verunsichert.

    Daman ignorierte den Schmerz seiner Verbrennungen und ging langsam auf das Tier zu. Es schüttelte seine Flügel und neigte den Kopf, blinzelte neugierig. Der Sator streckte eine Hand aus und berührte den Greif vorsichtig unterhalb des Schnabels. Das misstrauische Fauchen wich einem Gurren. Vertrauensvoll streckte der junge Anzu seinen Hals und ließ sich kraulen.

    „Was tust du denn?", fragte Jolina aufgebracht.

    „Ich belohne ihn dafür, dass er dir das Leben gerettet hat. Er beugte sich zur Seite, um sie anzusehen. „Komm schon hoch. Er tut dir nichts.

    Die Halbgöttin stand vorsichtig auf und ordnete Kleidung, Bogen und Köcher, ohne den Greif aus den Augen zu lassen. Die Risse in ihrer Bluse und der dunkelroten Seidenhose zeugten von einer turbulenten Jagd. Daman streckte Jolina die Hand entgegen. Sie kam humpelnd auf ihn zu und nahm sie – schlank und viel zu klein für eine Göttin, verschwand sie in seiner schwarzen Pranke. Jolina war verängstigt, und das setzte ihm zu. Jemandem Schutz zu gewähren, versprach er nicht leichthin. Dass sie nach dem Durchqueren des Tores nicht bei ihm und Goran gelandet war, hatte dem Sator eine Heidenangst eingejagt. Sie in den Weiten dieser unfreundlichen Landschaft so schnell wiederzufinden, war verdammtes Glück gewesen.

    Daman begegnete ihrem dankbaren Blick. Ihre Lippen zitterten unentwegt – diese weichen, vollen Lippen, die er bislang nur ein einziges Mal hatte küssen dürfen. Hätte er eine Jacke dabei, würde er Jolina darin einwickeln. Und wenn es nicht anders ging, müsste er sie notgedrungen mit seinem Körper wärmen.

    „Was ist mit deinem Bein?", fragte er, um sich abzulenken.

    Sie schaute kurz nach unten. „Ist nur ein Kratzer." Der Anzu schnurrte, was Jolinas Angst zu besänftigen schien. „Ich dachte, er würde mich fressen."

    „In diesem Alter sind sie noch nicht so gefährlich. Ihr Jagdtrieb bildet sich erst später aus."

    „Das heißt, sie werden noch größer?"

    „Aber ja doch, lachte er. „Wie sollte man sonst auf ihnen reiten können?

    Oberhalb des Wasserfalls ertönte fürchterlicher Krach. Gesteinsbrocken stürzten in den Flusslauf. Das Wasser verschwand.

    „Scheiße." Daman gab dem Anzu einen Klaps auf den Hinterlauf. „Los! Verschwinde!"

    Der junge Greif zuckte und stieß einen Schrei aus, während die Landschaft um sie herum in einem Erdbeben versank. Er beschleunigte das Flussufer entlang und hob nach zwei Flügelschlägen ab, um im Dunkel der Nacht zu verschwinden.

    „Wir müssen hier weg!", stellte Jolina überflüssigerweise fest.

    „Was du nicht sagst!" Er packte sie an den Hüften und warf sich ihren göttlichen Körper über seine linke Schulter. Dort waren die Verbrennungen nicht so stark.

    Jolina schrie auf. Und Daman rannte in den Wald. Das Wasserrauschen verstummte. Und dem Donnern der Erde folgten die Rufe der Moali, die saftiges Fleisch witterten. Schön knusprig gebraten, musste Daman gerade köstlich riechen. Er beschleunigte, soweit es das Dickicht zuließ. Und die erwarteten Schimpftiraden Jolinas angesichts dieser ungebührlichen Behandlung blieben tatsächlich aus. Braves Mädchen.

    Der Sator verließ den Wald und folgte einem Bergpass hinauf. Wenn sie Glück hatten, würden die Lichtbringer ihr Gebiet nicht verlassen. Der bevorstehende Sonnenaufgang ließ Daman hoffen. Auf halber Höhe angekommen, blieb er stehen und drehte sich um. Beobachtete die Finsternis im Inneren des Waldes und wartete ab.

    „Warum hältst du an?", flüsterte Jolina panisch.

    „Sei still!"

    „Sprich nicht so mit mir!"

    Er gab ihrem runden Hintern einen Klaps, um sie zur Ordnung zu rufen. Vielleicht auch nur, weil er Lust drauf hatte. Sie antwortete nicht, hatte ihren hübschen Mund vermutlich empört aufgerissen und bekam vor Wut kein Wort heraus.

    Im Wald bewegte sich nichts mehr. Daman blieb noch ein paar Sekunden stehen, während links am Horizont die drei Sonnen Enûmas aufgingen. Weit entfernt leuchteten die Schneeberge in rötlichem Morgenschein, Wald und Flussläufe bewegten sich ruhelos. Aber der Berg würde noch eine Weile hier stehen. Je massiver und größer ein Gebiet war, desto länger blieb es an einem Ort.

    Der Sator schaute in den Himmel und lächelte. Allein für diese Aussicht würde er immer wieder auf die Schattenseite des Götterreiches zurückkehren.

    „Die Gefahr ist anscheinend gebannt. Würdest du jetzt die Freundlichkeit besitzen, mich herunterzulassen?"

    Daman setzte sie ab und streichelte ihren Hintern wie beiläufig. Jolina schlug seine Hände mit einem tadelnden Blick fort. Dieses hinreißende Funkeln in den Augen ließ ihn jedes Mal heiß laufen. Sie drehte sich um und schaute zum Wald, während sein Blick an ihrem Rücken entlang hinunterglitt. Der Seidenstoff klebte an ihren Hinterbacken, und die Risse brachten die goldene Haut ihrer Schenkel zum Vorschein. Erst vor drei Tagen hatte Jolina nackt in seinen Armen gelegen, sich an seinem Ständer gerieben und um Erlösung geschrien, während er es ihr mit zwei Fingern besorgt hatte. Der Beerensaft, den sie zuvor getrunken hatte, war ihr zu Kopf gestiegen und hatte ein drängendes Fieber ausgelöst. Und Daman hatte nur zu gern seine Hilfe angeboten. Auch wenn es ihn fast um den Verstand gebracht hatte, sie nicht auf seine Art und Weise zu nehmen.

    „Sind wir in Sicherheit?"

    „Ich schon", antwortete er und grinste. Hing der Erinnerung an Jolinas Orgasmus nach, der in einer Sternenexplosion geendet hatte. Daman hätte sie längst zu seiner Königin gemacht, gäbe es nicht dieses winzige Detail, von dem er sie in Kenntnis setzen wollte, bevor sie zur Sache kamen. Diese kleine Eigenart, die einen Satorenkönig davor bewahrte, mit jeder Dahergelaufenen Nachkommen zu zeugen. Außerdem hatte er bislang noch nie mit einer Göttin zu tun gehabt und konnte nicht einschätzen, wie viel Kraft in ihr schlummerte. Gut möglich, dass sie ihn im Eifer des Gefechts in Stücke riss. Aber hey, es gab schlimmere Arten zu sterben.

    Jolina sah ihn an und reckte das Kinn. „Dir scheint es ja wieder gut zu gehen."

    Daman erinnerte sich gut an das Entsetzen in ihrem Gesicht, als er nach dem Feuer zusammengebrochen war. Jolina hatte ihn auf ihren Schoß gebettet und mit tränennassen Augen betrachtet. Ob er in diesem Moment auf ernsthafte Sorge geblickt hatte oder ob es lediglich Gewissensbisse gewesen waren, wusste er nicht. „Und du bist sichtlich erleichtert deswegen."

    Jolinas Angriffslust verschwand. Ihre Augen suchten die Verletzungen an seinem Körper ab. Er trug nur seine Lederhose. Die Waffen und der Rest der Kleidung lagen bei Goran.

    „Ich wollte dir etwas zeigen", lenkte er ein und deutete mit dem Kopf Richtung Himmel.

    Sie folgte seinem Blick und hielt den Atem an. Genau, was er hatte sehen wollen – Erstaunen und Ehrfurcht und dieser kindliche Glanz in ihren Augen, wenn sie wieder einmal merkte, wie wenig sie von den Welten wusste.

    Die Kehrseite Enûmas befand sich spiegelverkehrt unter der Lichtseite und damit im direkten Angesicht zur Erde. Über ihnen erstreckte sich der blaue Planet wie ein zweiter Himmel. Zum Greifen nahe. Daman sah die Meere, Gebirge und funkelnden Städte. Die Schattenseite des Götterreiches aber lag unter einer Glocke verborgen. Wäre ja noch schöner, wenn die Sterblichen wüssten, wer tatsächlich über sie wachte. Beziehungsweise, welche Monster über ihre Köpfe hinwegtanzten.

    Immer wenn der Sator nach langer Abwesenheit hierher zurückkehrte, wurde sein altes Herz schwer vor Wehmut. Eine Schande, dass die Lichtgötter solche Schönheit Exil schimpften.

    „Meine Güte", murmelte Jolina und konnte sich nicht sattsehen.

    So ähnlich erging es Daman, wenn er sie betrachtete. „Hab ich dir zu viel versprochen?"

    Die Halbgöttin schüttelte den Kopf und lächelte, offen und herzlich, wie sie es selten tat. „Ich … Ihre Augen glitzerten. „Das ist … Sie atmete durch und sah ihn an. „Unbeschreiblich!"

    „Allein dafür hat sich die Reise schon gelohnt."

    „Ja, das hat sie."

    Er lachte. „Na dann können wir ja wieder nach Hause!"

    „Was? Kommt gar nicht in Frage!", protestierte sie.

    Daman zwinkerte. „Was macht dein Bein?"

    „Es heilt langsam."

    „Mhm. Gut möglich, dass deine Kräfte hier nicht so funktionieren wie üblich."

    Sie runzelte die Stirn. „Ist das bei dir auch so?"

    „Nein."

    „Sondern?"

    „Meine werden stärker." Er grinste.

    „Ach. Die Schattenseite stärkt dich also – was das wohl über deinen Charakter aussagt? Jolina musterte ihn. „Vielleicht hast du dann ja endlich eine Chance gegen mich.

    „Legst du es drauf an?" Daman kniff die Augen zusammen.

    Doch sie hielt seinem Blick stand. „Noch nicht."

    Er lachte. „Von mir kriegst du alle Zeit der Welt!"

    Sie reckte das Kinn. „Alle Zeit der Welt?, fragte sie herablassend. „Für alles, was mir auferlegt wird?

    Der Sator hörte seine Zähne knirschen. Jolina sprach von seinem Wunsch, sie zur Königin zu nehmen. Ein Wunsch, den sie ihm zu Beginn ihrer Reise als Gegenleistung zugestanden hatte, ohne zu wissen, was er vorhatte. Leider hatte Daman im Trauma seiner Verbrennungen vergessen, eine Frist einzubauen.

    „Ja", knurrte er widerwillig. Hasste es, ihr diese Zeit einzuräumen. Was ihn tröstete, war die Sicherheit, sie in seiner Nähe zu haben. Er hatte Jolina damit aufs Kreuz gelegt. Das wusste er. Aber wie zum Teufel hätte er die Tochter der Liebesgöttin sonst dazu bekommen, sich ihm zu versprechen? Einem Sator. Einer, in ihren Augen, niederen Kreatur, die nach Meinung der hohen Götter ins Exil gehörte – König hin oder her. Er war ihrer so unwürdig wie der Teufel einem Engel.

    2

    Für ein Wesen wie mich gibt es keinen Platz in dieser Welt. Keinen Ort, an den ich gehöre. Kein Versteck, keinen Unterschlupf, kein Zuhause – was immer das ist. Ich habe keine Aufgabe zu erfüllen, weder Befehl noch Berufung. Mein Dasein stellt keinen Nutzen dar. Im Gegenteil. Seit Neustem scheine ich für mein Umfeld eine Belastung zu sein.

    In meinem bisherigen Leben habe ich Gut und Böse kennengelernt. Doch ich weiß nicht, zu welcher Seite ich gehöre. Wo man mich einordnet. Oder ob ich sogar wählen darf.

    Ich weiß nicht einmal, was ich bin.

    Meine Erscheinung gleicht keinem Krieger, dem ich begegnet bin. Die Hülle, die meine Muskeln überzieht, ist hell und durchschimmernd wie Pergament. Das innere Gerüst meines Körpers besteht aus Gold und hält Schlag und Schwerthieb stand. Die Flüssigkeit war einst schwarz. Aber seit dem Zusammenstoß mit den anderen hat sich viel verändert.

    Es gab zwei Frauen in meinem Leben. Beide haben mich ‚Sohn‘ genannt. Und beide sind verschwunden. Die Königin hat immense Stärke besessen und meinem Leben durch Aufträge einen Sinn verliehen. Die andere … ist schwach gewesen, ihr Körper ausgemergelt. Sie hat in mir keinen Nutzen gesehen. Aber ihr goldfarbenes Blut hat meinen Hunger als einziges gestillt.

    Ich sehe mein Gesicht im Spiegelbild der Wasseroberfläche und fahre die Konturen nach. Mein Haupt ist kahl, genauso wie der Rest meines Körpers. Die Iris in meinen Augen leuchtet rot. Und in meinem Mund wachsen Fänge. Ich habe Blut von niederen Lebewesen genommen, ihre Seele aufgesaugt. Ein körperliches Begehren ist der Auslöser gewesen. Jetzt aber scheint dieser Drang verschwunden.

    Alles an mir eignet sich dazu, jemandes Leben zu beenden. Logisch betrachtet, kann nur das der Grund meiner Existenz sein. Mein Verstand ist vollgepackt mit Bildern und Erinnerungen, die keinen Sinn ergeben. Ich bin unfähig, dieses Wissen zu ordnen. Gedankenfetzen geistern durch meinen Kopf. Verwirren mich. Vermischen sich mit meinen Erinnerungen und erschweren mir die Konzentration auf das Hier und Jetzt. Auf eine Lösung. Auf einen Ausweg aus diesem Gefängnis.

    Das Halbblut sprang auf und hetzte auf allen vieren ins Wasser. Tauchte in den Fluten unter. Der einstige Taryk schwamm, als würde es sein Überleben bedeuten. Als könnte es ihn befreien. In wilden Bewegungen kämpfte er sich auf die untergehende Sonne zu. Kämpfte gegen die Strömung, die seine Muskeln zum Ermüden brachte. Doch er schwamm weiter. Musste hier raus. Musste zurück in die reale Welt, brauchte Blut, brauchte Seelen. Dieser Hunger brannte in seinem Körper, ließ seine Eingeweide vertrocknen und fraß ihn innerlich auf.

    Der Tempel der Nihren lag abseits der Götterstadt auf einer separaten Insel und war wohl das einzige zugelassene Freudenhaus diesseits. Elias, Ahn der Akkadier und Nachkomme Ishtars, lehnte sich in der Chaiselongue zurück und beobachtete, wie die zwei Nihren sich gegenseitig entkleideten. Aber er hatte Mühe, sich zu konzentrieren.

    Der Halbgott konnte nicht nachvollziehen, warum seine kleine Schwester das getan hatte. Jolina hatte ihr Leben lang immer pflichtbewusst gehandelt. Keine Fehler zugelassen, stets das Richtige getan. Und war im Inneren das Mädchen geblieben, das sich nach Umarmungen und Küssen sehnte. Sie hatte sich ihre Herzlichkeit bewahrt. Etwas, das in Enûma an ein Wunder grenzte. Und jetzt … befand sie sich im Exil.

    Es war nicht der richtige Zeitpunkt, Probleme mit Sex zu verdrängen. Aber Elias musste abschalten, hielt das Schlachtfeld zu Hause kaum noch aus. Er war vor seiner Mutter geflüchtet. Vor ihrer Wut, ihrer Trauer. Und den Momenten, in denen sie sich völlig abschottete und zu einer Statue wurde.

    Die Insel der Nihren war in den letzten Jahrzehnten wie ein zweites Zuhause für ihn geworden. Nicht nur wegen der ausschweifenden Partys, die man eventuell als Orgien bezeichnen mochte. Er hatte hier tatsächlich Freunde gefunden. Hübsche Freunde. Freunde mit Brüsten. So wie Anahita und Didem.

    „Komm her, du Göttlicher!", schnurrte Hita.

    Elias wurde von den blauhäutigen Schönheiten hochgezogen und verdrängte seine Gedanken, beobachtete ihre Münder, die sich leidenschaftlich aufeinanderpressten. Ihre blauen Zungen tanzten vor seinen Augen und holten seine Konzentration in die Gegenwart. Der Halbgott fuhr mit der rechten Hand in Hitas feuerrotes Haar, packte sie am Nacken und zog den weichen Mund an seine Lippen. Sie verstand es, Sorgen fort zu küssen.

    Es gab nicht viele Frauen, die den Sex mit ihm ertrugen. Als Sohn einer Liebesgöttin entwickelte er beim Akt starke Kräfte und konnte eine Partnerin schon mal in Ohnmacht vögeln. Nihren waren besonders empfänglich dafür, aber das lag in ihrer Natur. Auf Erden hätte man sie als Professionelle bezeichnet. Der Unterschied bestand nur darin, dass sie alles freiwillig taten und genossen, weil die körperliche Liebe einer Droge für sie gleichkam.

    Anahita und Didem gehörten zu den Wenigen, die ihm gewachsen waren. Und egal, wie gut der Tempel der Nihren besucht war, für ihn hatten sie immer Zeit.

    Elias verlor sich in einem Gewirr aus Leibern, stillte den Durst der akkadischen Bestie, die tief in seinem Inneren schlummerte, und den des Halbgottes. Er vergnügte sich mit den beiden Nihren und weiteren, die später hinzustießen. Und als die Nacht schon zur Hälfte verstrichen war, wühlte er sich aus den schlafenden Körpern und verließ das Gemach in Richtung Wasserbecken.

    Überall in der Tempelanlage hörte man das Stöhnen der vielen Besucher, das sich zu einem hypnotischen Summen vereinte. Elias folgte dem dunklen Gang. Kannte die Räume wie sein Zuhause und brauchte kein Licht, um sich zurechtzufinden. Nach einer langen Rechtskurve vernahm er leises Plätschern. Der Halbgott durchschritt den roten Stoffvorhang und betrat die Badehalle. Im Becken tummelten sich mehrere Paare, denen er keine Beachtung schenkte. Sein Bedarf für heute war gestillt.

    In einer der schneckenförmigen Duschen wusch sich Elias Schweiß und Dreck der letzten Stunden ab. Mehr Erholung gönnte er sich nicht. Zu viele Aufgaben warteten auf ihn. Er teleportierte sich zurück in sein Privatgemach im Tempel der Ishtar, nahm tropfnass Gestalt an. Durchquerte das weiße Zimmer und nahm ein weißes Handtuch aus dem ebenfalls weißen Schrank. Seine Mutter hatte einst gehofft, mit dieser Farbe jegliche andere aus seinem Leben zu verbannen. Weit gefehlt.

    Sie duldete seine Ausschweifungen, aber von Akzeptanz konnte nicht die Rede sein. Und da auch Jolina den Weg auf die dunkle Seite der Macht gewählt hatte, waren offiziell alle drei Gören der Muttergöttin missraten, wie Göttervater Marduk es nennen würde.

    Erst Noah, der schon mit elf Jahren den Trieben seiner Bestie erlegen war. Später Elias, der körperliche Zuwendungen als Ausgleich für seine inneren Aggressionen suchte. Und nun die kleine Jolina. Die – warum auch immer – mit einem Sator in die Unterwelt gereist war.

    Elias warf sich ein Gewand über und ging zur Tür. Er schaute kurz in den Nebenraum, wo sein Gast ruhte. Doch um ihn würde er sich später kümmern. Der Halbgott trat in den Flur hinaus und fand sich im Angesicht eines Sturms wieder. Durch den gesamten Tempel fegten verwelkte Blüten, Sand und Staub, verursacht durch Ishtars miese Laune. Ein Blitz schlug wenige Meter vor ihm ein und malte schwarze Brandspuren auf den Marmor. Wenigstens ließ die Göttin ihre Wut nur hier aus. Der Rest Enûmas und die Welt der Sterblichen blieben verschont. Noch.

    3

    Jolina fischte einen trockenen Ast aus ihren Locken und blieb mit dem Hosenbein zum hundertsten Mal an einem Strauch hängen, während der Sator mühelos durch die Ödnis lief. Seit dem Überqueren des Berges waren sie in einer aus Weideland entstandenen Wüste unterwegs. Neben Unmengen von Sand bot sie nur eins mehr: Sträucher und Kakteen. Wie eine Armee der Toten wuchs das lästige Zeug in Jolinas Weg hinein und hielt sie an Haaren, Bluse oder Hose fest. Aber wenn nicht ihre Kleidung zerriss, dann wäre es ihre Haut, also ertrug die Halbgöttin ihr Schicksal und kämpfte sich nörgelnd vorwärts.

    Die Hitze brachte den Horizont zum Flirren und tauchte Damans schwarzen Körper in flimmernde Konturen. Schweißperlen liefen in Zeitlupe an Jolinas Gesicht hinunter und tropften vom Kinn zwischen ihre Brüste. Sie wischte die kitzelnden Spuren fort, verteilte ungewollt Sand auf ihrer Haut und wurde zunehmend genervt. Von wegen Schattenseite! Momentan gab es keinen einzigen Schatten. Bis auf den hinterhältigen Satorenkönig, der elegant den nächsten Hügel hinaufstieg.

    Sie verachtete ihn. Für den Trick, mit dem er sich ihr Versprechen erschlichen hatte. Für seinen Hochmut, der ihn daran glauben ließ, dass sie seinem Wunsch nachkommen würde. Und dafür, dass sie ihm trotz seiner arglistigen Täuschung nie lange böse sein konnte.

    Oben angekommen, drehte sich Daman um und hielt ihr seine Hand mit einem selbstgefälligen Lächeln hin. Mistkerl! Jolina verschmähte die angebotene Hilfe, schaffte es allein nach oben und stolzierte an ihm vorbei.

    „Was hast du jetzt schon wieder?", fragte er.

    „Nichts!"

    Vorsichtig rutschte sie die Düne hinunter, als genau vor ihr ein Kaktus aus dem Boden schoss. Jolina hob erschrocken die Arme und drehte den Kopf weg. Da spannte sich ihre Bluse ruckartig um die Brust. Daman hatte den Stoff gepackt und hielt sie daran fest. Jolina blieb Millimeter vor den Stacheln stehen. Ein Knopf ihrer Bluse sprang mit einem Plopp ab. Gefolgt von einem zweiten. Einem dritten. Und schon waren ihre Brüste entblößt.

    „War es grad das, was ich denke?", fragte Daman mit belegter Stimme.

    „Als ob du denken kannst!" Jolina versuchte, auf dem abschüssigen Sand Halt zu finden, rutschte aber immer wieder ab.

    „Hör auf, dich zu bewegen! Sonst rei…"

    Die Bluse riss. Der Kaktus verschwand im Boden, und Jolina kullerte schreiend die Düne hinunter. Holte sich etliche Schrammen und kam schimpfend unten an.

    Daman brach in schallendes Gelächter aus und brachte ihre Wut zum Überkochen. Sie spuckte den Sand aus und stand auf, ohne ihrer Nacktheit Beachtung zu schenken. Schickte eine Druckwelle die Düne hoch und holte den schadenfrohen Sator von den Füßen. Er fiel die Düne rückwärts runter und rutschte laut fluchend zwischen Kakteen und Sträuchern hindurch. Schmunzelnd fuhr Jolina sich mit den Händen über Gesicht und Oberkörper, versuchte den Sand abzustreifen. Doch er klebte auf ihrer schweißbedeckten Haut. Als sie aufstand, tauchte Daman sichtlich erbost am Hügel auf.

    „Du kannst dir nicht vorstellen, wie viel Spaß es macht, mit verbrannter Haut durch ein Kaktusmeer zu schlittern!", schnauzte er und zog sich einen Stachel aus dem Oberarm.

    Jolina ignorierte es. „Meine Bluse, wenn ich bitten darf."

    Er schaute auf den Stofffetzen in seinen schwarzen Pranken und grunzte. „Oh ja! Du darfst bitten! In aller Ausführlichkeit und mit körperlicher Unterstützung." Sein Grinsen glich einem Zähnefletschen.

    „Du erwartest, dass ich, eine Göttin, zu Kreuze krieche? Vor dir?!"

    Halbgöttin!, knurrte er. „Und die Knie würden vollkommen genügen, mein Mädchen.

    „Davon träumst du!"

    Sein Grinsen wurde breiter. „Du willst nicht wissen, wovon ich träume. Was ich mit dir vorhabe und irgendwann in die Tat umsetzen werde …"

    Jolina begegnete den silbernen Augen und musste wegsehen. Vorbei an seinem breiten Hals, folgte ihr Blick den Linien seiner Brust bis zum schwarzen Bauch. Selbst mit Sand bedeckt zeichneten sich die einzelnen Muskelstränge deutlich ab.

    „Du kannst es leugnen, solange du willst … Daman kam die Düne herunter. „Deine Augen verraten dich, kleine Göttin. Als er vor ihr stand, hielt er Jolina die Reste ihrer schwarzen Bluse vor die Nase. „Und ich werde dich genau dorthin kriegen, wo ich dich haben will."

    Sie schnappte sich den Stoff, schlüpfte in die Reste der Ärmel und knotete die Bluse notdürftig unter ihren Brüsten zusammen. Daman vermied es, seinen Blick zu senken. Er besaß mehr Selbstbeherrschung, als sie ihm zutraute.

    „Ich verstehe deine Überzeugung, sagte sie ungerührt. „Aber die Zeiten, in denen ein König immer alles bekam, was er wollte, sind lang vorüber.

    Jolina sammelte Tasche, Köcher und Bogen auf, drehte sich um und wurde von einem harten Windstoß erfasst. Am Horizont baute sich eine undurchsichtige Wand auf.

    „W-was …"

    „Ein Sandsturm! Daman ergriff ihr Handgelenk und zog sie mit sich zu Boden. Schirmte ihren Körper mit seinem ab. „Mach deine Augen zu!, rief er über den Wind hinweg.

    „Es ist doch nur Sand!"

    „Nicht auf der Kehrseite! Also hör auf zu diskutieren!"

    Die Halbgöttin presste die Lider zusammen, drückte sich so eng wie möglich an ihn und hielt ihr Hab und Gut fest.

    Als der Sturm auf sie hereinbrach, stöhnte der Sator gequält und zog sie noch dichter an sich. Jolina spürte die Sandkörner wie Peitschenhiebe im Gesicht. Dabei bekam sie nur einen Bruchteil von dem ab, was auf Damans Rücken niederschoss. Die Naturgewalt wirbelte um sie herum und drückte sie nieder. Jolina bekam kaum noch Luft. Der Sand schlug über ihre Arme, bis sie vor Schmerz brannten. Jolina drängte sich panisch gegen Daman, dessen Haut immer heißer wurde.

    „Halte durch!", schrie er.

    Es schien eine Ewigkeit zu dauern. Zeit, in der sie keinen Gedanken daran verschwendete, wie nahe sie ihm gerade kam. Sie vertraute ihm ihr Leben ganz selbstverständlich an. Und er beschützte sie. Die Halbgöttin war überzeugt davon, dass er diesen Schwur niemals brechen würde. Müsste sie sich zwischen den Tempelwachen ihres Heims und dem König der Satoren entscheiden – sie würde Daman wählen, würde ihr Leben jeden Tag aufs Neue in seine Hände legen. Und obwohl er seins für sie riskierte, sein Volk auf der Lichtseite ihretwegen zurückgelassen hatte und ab und zu sogar charmant sein konnte, wollte sie nicht glauben, dass er ehrbare Absichten verfolgte.

    Als der Orkan abflachte, versuchte Jolina aufzustehen. Doch etwas drückte sie nach unten. Sie waren zugeschüttet worden und steckten bis zu den Schultern in einer Sandwehe.

    „Lass die Augen zu!" Daman stand auf und zog sie mit nach oben. Mehrere Kilo Sand fielen von seinem Rücken. Er hob Jolina aus der Düne und stellte sie daneben. Ihr Gesicht fühlte sich taub an. Sandkörner kratzten in ihren Augen. Sie schüttelte sich, um den Sand loszuwerden. Doch er war in jede Ritze gekrochen. Jolina fuhr mit den Händen über ihre Arme und zuckte vor Schmerz zurück. Ihre Haut glühte, als wäre sie mit Schmirgelpapier bearbeitet worden.

    Daman stapfte aus der Düne, bog seinen Rücken durch und grunzte. „Langsam hab ich die Schnauze voll. Ich bin verbrannt, zerstochen und jetzt auch noch sandgestrahlt worden. Ich wär’ mal für ’ne Pause!"

    Er blickte sie an, runzelte die Stirn und begutachtete ihre Arme.

    „Lass mich raten", begann sie. „Da hilft auch kein Satorenurin." Den hatte er ihr vor drei Tagen auf den Moalibiss geschüttet, um ihr Ableben zu verhindern.

    Daman lachte nicht, fühlte sich wahrscheinlich verantwortlich für ihre Verletzungen.

    Jolina entzog ihm ihre Handgelenke. „Ist halb so schlimm. Lass uns weitergehen, bevor der nächste kommt."

    Die Halbgöttin lief voraus, und er folgte ihr.

    „Urin nicht, sagte er wenig später. „Aber Samen. Er lachte, und Jolina musste schmunzeln.

    Während sie die Wüste verließen, bekam Daman das Bild nicht mehr aus dem Kopf: Jolinas nackter Körper, der sich unter ihm wand, während er sie mit seinem Samen kennzeichnete.

    Ihr runder Hintern tänzelte vor ihm her und wurde von der durchlöcherten Hose nur noch spärlich bedeckt. Daman konnte es kaum erwarten, ihr den warmen Wasserfall zu zeigen, der sich unterhalb ihres Nachtlagers befand.

    Der Sator schluckte. Seine rechte Hand griff an seinen Ständer und packte zu, verschaffte ihm einen kurzen Moment der Entspannung. Wenn er sich nicht bald erleichtern könnte, würde er noch blau anlaufen. Die ständige Gegenwart einer Liebesgöttin stellte eine ungewöhnliche Herausforderung für ihn dar. Und er bezweifelte, dass sich seine dämonische Erscheinung selbst nach Genesung aller Wunden normalisieren würde. Ein Blick von ihr genügte, um ihn daran zu erinnern, wie sehr er sich eine Königin wünschte. Und allein deswegen würde der Sator in ihm sichtbar und allzeit bereit bleiben.

    Während die Nachmittagssonnen warmes Licht durch das Blattwerk des herbstlich gefärbten Waldes warfen, langte Jolinas grazile Hand unter ihre linke Pobacke und zupfte an dem Stoff, der unverzüglich zurück an seinen Platz sprang.

    „Brauchst du Hilfe?"

    Ihr Kopf ruckte herum, wobei die goldenen Locken, selbst vom Sand verklebt, schwungvoll über ihren Rücken wippten und in ihm den Wunsch weckten, sie daran festzuhalten.

    „Wenn deine Angebote doch nicht immer auf ein und dasselbe hinauslaufen würden."

    „Dann würdest du sie annehmen?", hakte er nach.

    Daman schloss zu ihr auf und ging neben ihr her, verschränkte die Hände sicherheitshalber am Rücken, damit sie nicht unaufgefordert Dinge berührten, die nicht berührt werden wollten.

    Jolina versuchte derweil Sandreste von ihren Armen zu pusten und scheiterte.

    „Ich könnte dir helfen, deinen Rücken zu waschen. Denn, Göttin hin oder her, da kommst selbst du nicht heran."

    Ihr Blick begegnete seinem. Sie öffnete ihre vom Sand verkrusteten Lippen, um etwas Giftiges zu erwidern. Doch er kam ihr zuvor.

    „Und, setzte er lauter an, „ich verspreche dir, nichts zu tun, was du nicht möchtest.

    Sie schüttelte ihren hübschen kleinen Kopf und sah stur geradeaus. Keine Antwort. Das spornte ihn an.

    „Jolina, ich gebe dir mein Wort."

    „Daman. Sie blieb stehen, schaute ihn aber nicht an. Auf ihr Gesicht fielen orangefarbene Lichtpunkte. „Es bist nicht du, dem ich nicht traue.

    Die Halbgöttin ließ ihn stehen, und er überlegte krampfhaft, was er antworten könnte.

    Daman holte auf. „Betrachte es als einen Freundschaftsdienst."

    „Nein!"

    „Jolina ..."

    Sie lachte auf. „Seit wann sind wir Freunde?"

    „Was?! Du brichst mir das Herz! Er langte mit der Hand theatralisch an seine Brust. „Nein, jetzt mal im Ernst. Du weißt, dass ich mich beherrschen kann. Das habe ich dir mehr als einmal bewiesen. Ist ja nicht so, dass du dich mir noch nie an den Hals geworfen hast. Mit Wehmut dachte er an die Nacht des Beerensaftes zurück. „Außerdem hält ein Sator im Wasser die Fische davon ab, an deinen Nippeln zu knabbern." Er grinste.

    Jolina machte große Augen, fing sich aber gleich wieder. „Es ist also dein Wunsch, mit mir ein Bad zu nehmen?"

    Er runzelte die Stirn. Sie versuchte tatsächlich, ihn auszutricksen. „Es ist mir ein Bedürfnis, kleine Göttin, antwortete er. „Und egal, wie sehr du bettelst, ich werde nicht über dich herfallen.

    Jolina sagte nichts mehr, und der Waldweg führte bergauf. Sie folgten dem Pfad um den Berg herum, kamen höher und konnten das Plätschern von Wasser hören. Bäume säumten ihren Weg und schirmten sie ab. Auf halber Höhe zur Bergspitze erreichten sie ein Plateau und damit ihr Lager für die kommende Nacht.

    Damans alter Freund Goran hatte bereits Feuer gemacht, saß daneben und schärfte seine kolossale Axt mit einem Schleifstein, wobei der silberne Ring in seiner stiergleichen Schnauze bei jedem Zug mitwippte. Er hatte den metallenen Schuppenpanzer abgelegt, sodass sein Oberkörper nur von hellbraunem Fell bedeckt wurde. Ein Kettenschutz umspannte seine gewaltigen Oberschenkel. Die Hinterläufe steckten in schweren Stiefeln. Selbst ohne Rüstung jagte einem der zweieinhalb Meter hohe Alimbû, die er schon ohne Hörner maß, eine Heidenangst ein. Daman war froh, ihn zu seinen Freunden zu zählen.

    Als Goran bemerkte, dass er nicht mehr allein war, hielt er inne und schaute auf. Das Fell über den rehbraunen Augen kräuselte sich. „Was zur Hölle ist euch denn passiert?", fragte er im warmen Bass seiner Stimme.

    „Jolina wollte unbedingt im Sandkasten spielen",

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1