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James Bond 21: Das Spiel ist aus
James Bond 21: Das Spiel ist aus
James Bond 21: Das Spiel ist aus
eBook336 Seiten4 Stunden

James Bond 21: Das Spiel ist aus

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Über dieses E-Book

Bei einer geheimen U-Boot-Mission an der ostdeutschen Küste holen James Bond und zwei Marinesoldaten zwei junge Frauen ab, die eingesetzt wurden, um kommunistische Agenten zu verführen. Nun wurden sie entdeckt und müssen fliehen. Doch Bond weiß nicht, dass das nur der Anfang eines nervenzerreißenden Spiels voller Täuschungen ist, dass sein eigener Vorgesetzter M gegen die ostdeutsche HVA und die Eliteeinheit des KGBs spielt, die sich aus Bonds altem Feind SMERSCH gebildet hat ...
SpracheDeutsch
HerausgeberCross Cult
Erscheinungsdatum30. Nov. 2015
ISBN9783864254680
James Bond 21: Das Spiel ist aus
Autor

John Gardner

John Gardner (1933–1982) was born in Batavia, New York. His critically acclaimed books include the novels Grendel, The Sunlight Dialogues, and October Light, for which he received the National Book Critics Circle Award, as well as several works of nonfiction and criticism such as On Becoming a Novelist. He was also a professor of medieval literature and a pioneering creative writing teacher whose students included Raymond Carver and Charles Johnson.

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    Buchvorschau

    James Bond 21 - John Gardner

    Take-away

    1

    SEAHAWK

    Der Navigationsoffizier trug wie so viele seiner Kollegen bei der Königlichen Marine den liebevollen Spitznamen Vasco. Im roten Glühen des Kontrollraums des U-Boots lehnte er sich vor und berührte den Arm des Captains.

    »Wir nähern uns dem Treffpunkt, Sir.«

    Lieutenant Commander Alec Stewart nickte. »Alle Maschinen Stopp. Tiefenruder mittschiffs.«

    »Alle Maschinen gestoppt«, kam die Bestätigung des wachhabenden Offiziers.

    »Tiefenruder mittschiffs«, meldete der ranghöhere der beiden für die Tiefenruder verantwortlichen Männer, die vor den Steuerknüppeln saßen, mit denen man die Tiefenruder bediente und die Tauchtiefe des U-Boots kontrollierte.

    »Sonar?«, fragte der Captain leise.

    »Entfernte Aktivität um Bornholm herum, das übliche heftige Zeug vor Rostock, zwei Ziele, etwa dreiundvierzig Seemeilen die Küste rauf, die wie kleine, weit entfernte Patrouillenboote klingen, Peilung null zwei null. Keine U-Boot-Signaturen.«

    Lieutenant Commander Alec Stewart zog eine Augenbraue hoch. Er war unzufrieden. Zum einen gefiel es ihm nicht, mit seinem Atom-U-Boot der Trafalgar-Klasse durch verbotene Gewässer zu fahren. Zum anderen mochte er keine Schnüffler.

    Er wusste nur deswegen, dass man sie »Schnüffler« nannte, weil er den Ausdruck in einem Roman gelesen hatte. Er selbst hätte sie als Agenten bezeichnet, oder vielleicht einfach als Spione. Was auch immer sie waren, es gefiel ihm nicht, sie an Bord zu haben, auch wenn ihr Anführer einen Marinerang hatte. Während der Kriegsübungen hatte Stewart originalgetreue verdeckte Operationen durchgeführt, aber in Friedenszeiten blieben ihm echte derartige Unternehmungen im Halse stecken.

    Als die Schnüffler an Bord gekommen waren, hatte er gedacht, dass der Marinerang lediglich eine Tarnung wäre, doch innerhalb weniger Stunden wurde ihm klar, dass Seahawk, wie sich der Anführer nannte, sehr gut über das Meer Bescheid wusste – ebenso wie seine beiden Begleiter.

    Dennoch erinnerte ihn diese ganze Sache für seinen Geschmack zu sehr an einen billigen Kriminalschmöker. Außerdem würde es für ihn alles andere als leicht sein. Die Befehle unter dem Decknamen Operation Seahawk waren knapp, aber deutlich gewesen:

    Seahawk und seinen Gefährten jegliche Unterstützung zukommen lassen. Lautlos und unter Wasser operieren und so schnell wie möglich zu folgendem Treffpunkt fahren.

    Dann folgten Koordinaten, die nach einem schnellen Blick auf die Karten Stewarts schlimmste Befürchtungen bestätigten. Es war eine Stelle, etwa vier Seemeilen vor und dreiundvierzig Seemeilen den kleinen ostdeutschen Küstenabschnitt hinauf, der zwischen Westdeutschland und Polen lag.

    Warten Sie unter Wasser. Sie unterstehen Seahawks direkten Befehlen. Gegenüber anderen Schiffen unter keinen Umständen Ihre Anwesenheit offenbaren, besonders nicht den Marineeinheiten der DDR oder Russlands, die vor den nahe gelegenen Häfen im Einsatz sind. Wenn Sie den Treffpunkt erreichen, wird Seahawk das Boot zusammen mit den beiden Offizieren, die ihn begleiten, wahrscheinlich verlassen wollen. Sie werden dafür das mitgebrachte Schlauchboot verwenden. Nach ihrem Aufbruch werden Sie auf Periskoptiefe abtauchen und auf ihre Rückkehr warten. Sollten sie nach drei Stunden nicht zurückgekehrt sein, werden Sie lautlos unter Wasser zur Basis zurückkehren. Wenn Seahawks Mission erfolgreich ist, wird er vermutlich mit zwei zusätzlichen Leuten zurückkehren. Gewähren Sie ihnen jede nur erdenkliche Annehmlichkeit und kehren Sie wie oben beschrieben zur Basis zurück. Achtung: Diese Operation findet unter dem Official Secrets Act statt. Machen Sie allen Mitgliedern Ihrer Besatzung klar, dass sie nicht über die Operation reden dürfen – weder untereinander noch mit anderen. Ein Team der Admiralität wird Sie nach Ihrer Rückkehr persönlich befragen.

    Zum Teufel mit Seahawk!, dachte Stewart. Und zum Teufel mit der Operation. Das Ziel des U-Boots war nicht gerade ein Ort, den man ohne Weiteres unentdeckt erreichen konnte: durch die Nordsee, den Skagerrak hoch und den Kattegat wieder hinunter, um die dänischen und schwedischen Küsten herum, durch schmale Meerengen – was immer eine heikle Navigationsübung war – und schließlich in die Ostsee hinaus. Die letzten gut dreiundvierzig Seemeilen würden sie direkt in ostdeutsche Gewässer führen, die voller Ostblockschiffe sein würden, ganz zu schweigen von russischen U-Booten von den Basen in Rostock und Stralsund.

    »Periskoptiefe«, murmelte Stewart und beobachtete die gedämpfte Atmosphäre des lautlos arbeitenden Schiffs.

    Die Tiefenruderoffiziere brachten das U-Boot langsam aus knapp achtzig Metern Tiefe nach oben.

    »Periskoptiefe erreicht, Sir.«

    »Periskop ausfahren.«

    Das massive Metallrohr glitt nach oben, und Stewart klappte ruckartig die Haltegriffe aus. Er schaltete die Nachtsichtfunktion ein und verschaffte sich einen kompletten Rundumblick. Er konnte geradeso die düstere und flache Küste ausmachen. Sonst nichts. Keine Lichter oder Schiffe. Nicht einmal ein Fischerboot.

    »Periskop einfahren.«

    Er klappte die Griffe hoch, machte zwei Schritte, um zur Funkkonsole zu gelangen, und nahm das interne Übertragungsmikrofon. Er schaltete es mit dem Daumen an und sprach mit derselben leisen Stimme: »Seahawk bitte in den Kontrollraum.«

    Im vorderen Bereich des U-Boots lagen Seahawk und seine beiden Gefährten umgeben von rot markierter Sicherheitsausrüstung und direkt hinter einem Satz Torpedorohre an der einzigen freien Stelle auf behelfsmäßigen Betten gut einen Meter oberhalb des Decks. Sie trugen bereits schwarze Gummitaucheranzüge mit wasserdichten Holstern an den Gürteln. Das sperrige Schlauchboot war hervorgeholt worden und lag in Reichweite.

    Als er den Befehl des Captains vernahm, schwang Seahawk die Füße auf das metallene Deck und ging ohne Eile nach achtern in Richtung Kontrollraum.

    Nur diejenigen, die zum kleinen Kreis der Eingeweihten der globalen Geheimdienste gehörten, hätten Seahawk als Commander James Bond erkannt. Seine Gefährten waren Mitglieder der Eliteeinheit namens Naval Special Boat Squadron – Offiziere, die für ihre Diskretion bekannt waren und oft von Bonds Service eingesetzt wurden. Stewart schaute auf, als Bond den Kontrollraum betrat.

    »Wir haben Sie rechtzeitig hergebracht.« Sein Verhalten verriet keine besondere Ehrerbietung, lediglich höfliche Förmlichkeit.

    Bond nickte. »Gut. Tatsächlich sind wir sogar eine Stunde zu früh dran, was uns ein wenig Spielraum verschafft.« Er schaute auf die Rolex aus rostfreiem Stahl an seinem linken Handgelenk. »Können Sie uns in etwa zwanzig Minuten rauslassen?«

    »Natürlich. Wie lange werden Sie brauchen?«

    »Ich vermute, Sie werden nur teilweise auftauchen, also werden wir gerade genug Zeit brauchen, um das Schlauchboot aufzublasen und aus Ihrem Tauchsog zu paddeln. Zehn, fünfzehn Minuten?«

    »Und wir benutzen die Funksignale nur entsprechend der Anweisung?«

    »Drei Bravos von Ihnen für Gefahr. Zwei Deltas von uns, wenn wir wollen, dass Sie auftauchen und uns wieder an Bord nehmen. Wir werden wie besprochen die Ausstiegsluke vor dem Turm benutzen. Ich vertraue darauf, dass es da keine Probleme geben dürfte, richtig?«

    »Auf der Hülle wird es rutschig sein, besonders bei der Rückkehr. Ich werde zwei Petty Officers hinschicken, um Ihnen zu helfen.«

    »Und ein Seil. Vorzugsweise eine Leiter. Soweit ich weiß, haben unsere Gäste keine Erfahrung darin, nachts an Bord eines U-Boots zu gehen.«

    »Wann immer Sie bereit sind.« Stewart war bezüglich der »Gäste«, die man ihm aufhalsen wollte, sogar noch unzufriedener.

    »In Ordnung, dann machen wir mal Klarschiff.«

    Bond kehrte zu den Offizieren der Special Boat Squadron zurück, Captain Dave Andrews und Lieutenant Joe Preedy von den Royal Marines. Sie gingen noch einmal schnell den Ablauf durch, und jeder wiederholte seine Rolle in dem Notfallplan, falls irgendetwas schiefgehen sollte. Sie zerrten das Schlauchboot, die Paddel und den kleinen Leichtmotor zu der Metallleiter, die zur vorderen Luke und von dort zur Hülle und der kalten Ostsee führte. Zwei Petty Officers in Ölzeug warteten am Fuß der Leiter auf sie. Einer von ihnen war bereit, nach oben zu klettern, sobald der Befehl erteilt wurde.

    Im Kontrollraum warf Lieutenant Commander Stewart noch einmal einen schnellen Blick durch das Periskop, und als es eingefahren wurde, gab er den Befehl, bis zur Hülle aufzutauchen und die Lichter auszuschalten. Während man den zweiten Befehl ausführte, wurde es im Inneren des U-Boots vollkommen dunkel. Nur die Anzeigen im Kontrollraum glühten noch, und hin und wieder flackerte das Licht einer stark abgeschirmten roten Taschenlampe auf. Eine davon trug der Petty Officer am Fuß der Leiter bei sich. Er bewegte sich schnell die Sprossen hinauf, als die leise Stimme aus den Lautsprechern tönte: »Hülle aufgetaucht!«

    Der Petty Officer drehte mit einem leisen Scheppern das Rad, um die vordere Luke zu entriegeln. Frische, kalte Luft strömte durch die kleine runde Öffnung über ihnen herein. Joe Preedy war der Erste, der die Leiter erklomm. Das gedämpfte rote Licht der Taschenlampe, die der Petty Officer trug, half ihm dabei. Als er die Hälfte des Wegs nach oben zurückgelegt hatte, nahm Dave Andrews ein Ende des Schlauchboots von Bond entgegen und hievte es zu Preedy hinauf. Gemeinsam bugsierten die beiden Männer das klobige rautenförmige Gummigerät auf die Hülle. Bond folgte ihnen, der Petty Officer reichte ihm die Paddel sowie den Leichtmotor an. Letzterer zählte zu den geheimsten Ausrüstungsteilen der Special Boat Squadron. Der I.P.I. war mit seinen zwei Propellerblättern leicht zu bedienen und lief effektiv und fast lautlos mittels eines Treibstoffvorrats, der sich in einem selbstabdichtenden Tank am hinteren Ende des Schlauchboots befand.

    Zu guter Letzt reichte Bond das Luftrohr zu Preedy hinauf, und als er die rutschige Metallhülle erreichte, hatte das Schlauchboot bereits Gestalt angenommen und sich in ein langes, schlankes, flaches Gefährt mit Einzelsitzen und Haltegriffen verwandelt.

    Bond überzeugte sich davon, dass das Funkgerät sicher an seinem Taucheranzug befestigt war, und balancierte auf der Hülle, während die beiden SBS-Männer das Schlauchboot zu Wasser ließen. Der Petty Officer hielt eine Leine, die am flachen runden Bug befestigt war, bis die Paddel und der I.P.I. an Bord waren. Dann ließ sich Bond von der Hülle gleiten und nahm seinen Platz im Heck ein. Der Petty Officer ließ die vordere Leine los, und das Schlauchboot bewegte sich ruckartig vom U-Boot weg.

    Sie ließen das kleine Gefährt ein Stück weit treiben, und Bond warf einen schnellen Blick auf den im Dunklen leuchtenden Kompass, den er um den Hals trug. Er rief den SBSOffizieren Angaben zu, legte den Kompass dann in die Plastikhalterung vor sich und benutzte sein Paddel als Ruder, während er den Befehl zum Wegsteuern gab. Sie paddelten mit langen, gleichmäßigen Zügen und legten auf ihrem Weg durch die tiefschwarze Dunkelheit eine beachtliche Geschwindigkeit vor. Nach zwei Minuten überprüfte Bond ihren Kurs und hörte dabei das Zischen des Wassers, als das U-Boot abtauchte. Um sie herum verschmolz die Nacht mit dem Meer, und es dauerte fast eine halbe Stunde, in der sie heftig paddelten und ständig den Kompass im Auge behielten, bis sie die ostdeutsche Küste ausmachen konnten. Es würde eine ganze Weile dauern, das Ufer zu erreichen. Wenn alles gut lief, würden sie auf dem Rückweg den Motor einsetzen können, um so schnell wie möglich zum U-Boot zurückzukehren.

    Über eine Stunde später befanden sie sich in Küstennähe und hielten direkten Kurs auf die sichere kleine Bucht zu, deren winzige Landzunge sich in der umliegenden Dunkelheit hell abzeichnete. Sie ließen das Boot an Land treiben und blieben wachsam und alarmbereit, denn jetzt waren sie am verwundbarsten. Andrews, der im Heck saß, hob seine nicht abgeschirmte Taschenlampe und signalisierte zwei Mal schnell hintereinander den Morsecode für V in Richtung der kleinen Sandausdehnung. Als Antwort erfolgten sofort vier lange Lichtblitze.

    »Sie sind hier«, murmelte Bond.

    »Ich hoffe nur, sie sind verdammt noch mal allein«, erwiderte Preedy.

    Als das Schlauchboot an den Strand trieb, sprang Andrews ins Wasser und hielt das Bugseil fest, um das Boot zu stabilisieren. Zwei dunkle Gestalten kamen zum Wasser gelaufen.

    »Meine Ruh’ ist hin.« Bond kam sich ein wenig albern dabei vor, mitten in der Nacht an einem verlassenen ostdeutschen Strand Goethe zu zitieren – ein Dichter, über den er kaum etwas wusste.

    »Mein Herz ist schwer«, kam die Erwiderung von einer der Gestalten am Strand, die den Zweizeiler vervollständigte.

    Die drei Männer halfen dem Paar an Bord und setzten es schnell in die Mitte des Boots. Andrew zog an dem vorderen Seil, um das Schlauchboot herumzudrehen, während Bond auf dem Kompass den Kurs für die Rückfahrt einstellte. Innerhalb von Sekunden paddelten sie wieder aufs Meer hinaus. In dreißig Minuten würden sie den Motor starten und dem wartenden U-Boot das erste Signal übermitteln.

    Im Kontrollraum hatte der Sonaroffizier ihre Fortschritte mithilfe eines Kurzstreckensignalgeräts überwacht, das in das Schlauchboot eingebaut war. Gleichzeitig suchte er den umliegenden Bereich ab, während sein Partner das Gleiche in einem größeren Maßstab tat.

    »Sieht so aus, als kämen sie zurück, Sir«, sagte der ranghöchste Sonaroffizier.

    »Geben Sie mir Bescheid, wenn sie den Motor anlassen.« Stewart klang angespannt. Er hatte keine Ahnung, worum es bei dieser heimlichen Aktion ging, und er wollte es auch gar nicht wirklich wissen. Er hoffte einfach nur, dass seine Passagiere und die Leute, die sie mitbrachten – wer immer sie auch sein mochten –, sicher zurückkehren würden, damit sie ohne Probleme auf ihre Basis zusteuern konnten.

    »Zu Befehl, Sir. Ich denke … Oh, Himmel …« Der Sonaroffizier hielt mitten im Satz inne, als das Signal laut in seinem Kopfhörer ertönte und das kleine blinkende Licht auf seinem Bildschirm erschien. »Sie haben Gesellschaft.« Er nahm seine Berichterstattung wieder auf. »Peilung null sieben vier. Sie nähern sich von hinten, von der Landzunge auf ihrer Steuerbordseite. Schnell und leicht. Ich glaube, es ist eine Ptschela.«

    Stewart fluchte laut, was er nur selten vor seiner Mannschaft tat. Eine Ptschela war ein Tragflächenpatrouillenboot russischer Bauweise. Obwohl es mittlerweile ein wenig veraltet war, hatte es zwei Paar 13-mm-Maschinenpistolen sowie den alten Pot-Drum-Suchradar an Bord. Diese Gefährte waren schnell und brachten sowohl im flachen Wasser als auch auf rauer See beachtliche Leistungen zustande.

    »Es ist eine Ptschela-Signatur, Sir. Sie haben sie ins Visier genommen und nähern sich schnell«, meldete der Sonaroffizier.

    Auf dem Schlauchboot hörten sie das laute Trommeln des Motors des Patrouillenboots, fast sofort nachdem sie das Ufer verlassen und angefangen hatten, sich mit den Paddeln fortzubewegen.

    »Sollen wir den Motor benutzen? Ihnen davonfahren?«, rief Dave Andrews Bond zu.

    »Das schaffen wir nie.«

    Bond wusste, was zu tun war, aber er dachte nicht gern über die Konsequenzen nach. Die Entscheidung wurde ihm von Andrews abgenommen, der sich zurücklehnte und rief:

    »Lassen Sie ihn auf gleiche Höhe kommen und halten Sie sich für den großen Knall bereit. Warten Sie nicht auf mich. Ich werde mich übers Land zurückkämpfen, vorausgesetzt, die Haftmine erwischt mich nicht!« Er sprang schnell über die Seite und verschwand im Meer.

    Bond wusste, dass Andrews zwei kleine Haftminensprengsätze bei sich trug, die, wenn man sie richtig platzierte, Löcher in die Treibstofftanks des Tragflächenboots sprengen würden. Er wusste außerdem, dass die Explosionen wahrscheinlich auch den SBS-Mann in Stücke reißen würden.

    In diesem Moment fiel der Suchscheinwerfer auf sie, und das Patrouillenboot verlangsamte. Es senkte sich von den langen skiähnlichen Tragflächen herunter, die unten an der Hülle entlang verliefen, bis der Rumpf im Wasser ruhte. Ein Befehl hallte auf Deutsch durch den Lautsprecher über die schrumpfende Distanz.

    »Halt! Halt! Wir holen Sie an Bord, damit Sie uns erklären können, was Sie hier machen. Das ist ein militärischer Befehl. Wenn Sie nicht anhalten, werden wir das Feuer auf Sie eröffnen. Drehen Sie bei!«

    »Nehmen Sie die Hände über den Kopf«, wies Bond Preedy und die beiden Passagiere an. »Zeigen Sie denen, dass Sie unbewaffnet sind, und tun Sie, was man von Ihnen verlangt. Es wird eine Explosion geben. Wenn das passiert, stecken Sie den Kopf zwischen die Knie …«

    »Und lasst alle Hoffnung fahren«, murmelte Preedy.

    »… und bedecken Sie Ihren Kopf mit den Armen.«

    Das Patrouillenboot lag nun tief im Wasser. Der Motor tuckerte im Leerlauf, während es auf das Schlauchboot zutrieb. Der Suchscheinwerfer blieb unablässig auf das Ziel gerichtet. Der Abstand betrug nur noch etwa fünfzig Meter, als der Bug des Patrouillenboots in einer blendend weißen Flamme aufging, die sich kurz darauf karmesinrot färbte. Eine Sekunde nach dem Blitz hörten sie das Krachen der Explosion, auf das ein tieferes Dröhnen folgte.

    Bond hob den Kopf und sah, dass Andrews die Minen perfekt platziert hatte. Kein Wunder, dachte Bond. Jeder gute SBS-Mann kannte die genaue Position an allen Ostblockgefährten, um maximalen Schaden anzurichten, und Andrews hatte die Aufgabe tadellos ausgeführt. Das Boot stand von vorne bis hinten in Flammen, und die auffälligen Tragflächen ragten hoch aus dem Wasser auf. In weniger als einer Minute ging es unter.

    Das Schlauchboot war von der Wucht der Explosion zur Seite gestoßen worden und schwankte nun außer Kontrolle auf dem Wasser. Bond streckte sich nach dem Leichtmotor aus. Er hob ihn über das Heck, brachte ihn weiter unten im Wasser in Position und betätigte den Zündschalter. Der kleine I.P.I. erwachte surrend zum Leben, die Propellerblätter drehten sich. Indem Bond den Griff des Motors festhielt, konnte er das Schlauchboot steuern und die Geschwindigkeit kontrollieren.

    Ihre Verwundbarkeit beunruhigte Bond, denn der gesamte Bereich wurde durch die Flammen des verlorenen Patrouillenboots erhellt. Ein halbes Dutzend Fragen schoss ihm durch den Kopf – hatte die Patrouille bereits ein anderes Schiff in diesem streng bewachten Küstenabschnitt alarmiert? Tauchte das Schlauchboot nun auf einem land- oder schiffsbasierten Radarsystem auf? Hatte sich Dave Andrews nach dem Platzieren der Haftminen in Sicherheit bringen können? Zweifelhaft. Würde das U-Boot abtauchen und sich davonschleichen, um eine Entdeckung zu vermeiden? Das war durchaus möglich, denn ein Atom-U-Boot war für seinen Captain sehr viel wertvoller als Operation Seahawk. Über all diese Dinge dachte er nach, als Preedy von der Navigation aufschaute, für die er seinen eigenen Kompass benutzte.

    »Zwei Punkte steuerbord. Ein Punkt backbord. Weiter nach backbord drehen. Mittschiffs. Das reicht …«

    Bond kämpfte darum, das Vorankommen des Schlauchboots zu kontrollieren, indem er am Motor zerrte. Seine Hand pflügte hinter ihnen durchs Wasser, während er sich verzweifelt festklammerte – denn der Motor schien sich immer wieder aus seinem Griff losreißen zu wollen. Er brauchte seine ganze Kraft, um das kleine Gefährt auf Kurs zu halten. Unterdessen navigierte ihn Preedy permanent erst nach backbord und dann nach steuerbord, während sie von den Wellen hinund hergeworfen wurden.

    Er spürte Gischt und Wind in seinem Gesicht, und im schwächer werdenden Licht der letzten Sekunden des Patrouillenboots sah er ihre beiden Passagiere, die sich unter ihren Anoraks und dicken Wollmützen zusammenkauerten. Die Haltung ihrer Schultern machte deutlich, dass sie Todesängste ausstanden. Dann legte sich ebenso plötzlich, wie das Tragflächenboot das schwarze Wasser erhellt hatte, wieder Dunkelheit über sie.

    »Noch einen knappen Kilometer. Schalten Sie den Motor aus!«, rief Preedy vom Bug aus.

    Nun würden Sie Gewissheit bekommen. In einer Minute würden sie herausfinden, ob ihr Mutterschiff sie im Stich gelassen hatte oder nicht.

    Stewart hatte die Zerstörung des Tragflächenboots auf dem Radar beobachtet, und er fragte sich, ob Seahawk und seine Gefährten bei der Explosion umgekommen waren. Er würde ihnen vier Minuten geben. Wenn das Sonar sie dann noch nicht geortet hatte, würde er abtauchen müssen, um sich darauf vorzubereiten, sich aus den verbotenen Gewässern herauszuschleichen. Drei Minuten und zwanzig Sekunden später meldete der Sonaroffizier, dass er sie habe.

    »Sie kommen zurück, Sir. Und zwar schnell. Sie benutzen den Motor.«

    »Auf Auftauchen vorbereiten. Empfangskomitee zur vorderen Luke.«

    Der Befehl wurde bestätigt. Dann sagte der Sonaroffizier:

    »Noch knapp einen Kilometer, Sir.«

    Stewart wunderte sich über seine eigene Torheit. All seine Instinkte rieten ihm, von hier zu verschwinden, solange man sie noch nicht entdeckt hatte. Zum Teufel mit Seahawk, dachte er erneut. Seahawk? Das war verflucht albern. War das nicht der Titel eines alten Errol-Flynn-Films?

    Der Funkoffizier hörte die beiden Morsecode-Ds laut und deutlich in seinem Kopfhörer, als Bond sie von dem fast stillstehenden Schlauchboot aus sendete. »Zwei Deltas, Sir.«

    »Zwei Deltas«, wiederholte Stewart wenig begeistert. »Bis zur Hülle auftauchen. Licht aus. Bergungstrupp zur vorderen Luke.«

    Die Seahawk-Gruppe wurde an Bord gezogen und rutschte die Leiter hinunter. Preedy folgte als Letzter, nachdem er die Seiten des Schlauchboots aufgeschlitzt und einen Sprengsatz angebracht hatte, der das Boot unter Wasser zerstören und keinerlei Spuren hinterlassen würde. Stewart gab den Befehl zum sofortigen Abtauchen. Sie würden sehr tief gehen und den Kurs ändern. Erst dann machte er sich in den vorderen Bereich auf, um mit der Seahawk-Gruppe zu sprechen. Er schaute Bond mit hochgezogenen Augenbrauen an, als er feststellte, dass ein Mann fehlte.

    Bond musste die Frage nicht hören. »Er wird nicht zurückkommen.«

    Dann entdeckte Lieutenant Commander Stewart die beiden neuen Mitglieder der Seahawk-Gruppe. Frauen, dachte er. Frauen! Es brachte Unglück, Frauen an Bord zu haben. UBoot-Besatzungen waren ein abergläubischer Haufen.

    2

    SEAHAWK PLUS FÜNF

    Es war Frühling, die beste Zeit des Jahres, und London zeigte sich mit seinen goldenen Teppichen aus Krokussen in den Parks von seiner verführerischsten Seite. Junge Frauen legten ihre dicke Winterkleidung ab, und das Versprechen des Sommers war gleich um die Ecke. James Bond fühlte sich mit der Welt im Reinen, als er entspannt in seinem Morgenmantel dasaß und sein Frühstück mit einer zweiten großen Tasse Kaffee beendete. Er genoss den einzigartigen Geschmack der frisch gemahlenen Bohnen von De Bry. Das Sonnenlicht erhellte das kleine Esszimmer in seiner Wohnung, und er konnte über dem unvermeidlichen Küchengeklapper gerade so hören, wie May vor sich hin summte.

    Er hatte Spätschicht im Hauptquartier des Service, daher hatte er den Tag für sich. Dennoch bestand seine oberste Pflicht bei einem Büroauftrag darin, alle nationalen Tageszeitungen sowie die wichtigsten aus den Provinzen durchzugehen. Er hatte bereits drei kleine Artikel markiert, die an diesem Morgen in der Mail, dem Express und der Times erschienen waren: Darin ging es um die Verhaftung eines britischen Geschäftsmanns in Madrid. Drei Zeilen in der Times berichteten von einem Zwischenfall im Mittelmeerraum, und ein ausführlicher Artikel im Express behauptete, der Secret Intelligence Service befinde sich mitten in einer gewaltigen Auseinandersetzung mit seiner Schwesterorganisation, dem MI5, bei der es um umstrittenes Territorium gehe.

    »Sind Sie denn immer noch nicht fertig, Mr James?«, fragte May anklagend, als sie ins Zimmer geeilt kam.

    Bond lächelte. Es war, als hätte sie Freude daran, ihn von Zimmer zu Zimmer zu scheuchen, wenn er einen freien Morgen hatte.

    »Sie können abräumen, May. Ich muss noch eine halbe Tasse Kaffee austrinken. Der Rest kann weg.«

    »Ach, Sie und Ihre Zeitungen.« Sie machte eine Geste in Richtung der Zeitungen, die auf dem Tisch ausgebreitet waren. »Heutzutage steht da nie auch nur die kleinste gute Neuigkeit drin.«

    »Oh, ich weiß nicht …«, begann Bond.

    »Aber es ist schrecklich, nicht wahr?« May stürzte sich auf eine der Boulevardzeitungen.

    »Was denn genau?«

    »Schon wieder so ein armes Mädchen. Es steht überall auf der Titelseite, und dieser leitende Polizist war im Frühstücksfernsehen. Es klingt nach einem neuen Jack the Ripper.«

    »Oh, das! Ja.« Er hatte die Titelseiten kaum gelesen. Sie waren voll mit Berichten über einen besonders scheußlichen Mord, den die Polizei den Zeitungen zufolge mit einem Mordfall Anfang der Woche in Verbindung brachte. Er warf einen Blick auf die Schlagzeilen.

    ZUNGENLOSE LEICHE IN HOLZSCHUPPEN.

    ZWEITE VERSTÜMMELTE FRAU ENTDECKT.

    FANGT DIESEN IRREN, BEVOR ER WIEDER

    ZUSCHLÄGT.

    Er griff nach dem Telegraph, der die Story als zweiten Aufmacher benutzt hatte.

    Die Leiche der 27-jährigen Computerprogrammiererin Miss Bridget Hammond wurde spät am gestrigen Nachmittag gefunden. Ein Gärtner entdeckte sie in einem unbenutzten Holzschuppen in der Nähe ihrer Wohnung in Norwich. Miss Hammond galt seit 24 Stunden als vermisst.

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