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James Bond 17: Der Kunstsammler
James Bond 17: Der Kunstsammler
James Bond 17: Der Kunstsammler
eBook364 Seiten4 Stunden

James Bond 17: Der Kunstsammler

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Über dieses E-Book

Bond arbeitet vorübergehend für die amerikanische Regierung. Seine Partnerin, die taffe und wunderschöne Cedar, ist die Tochter seines alten Freundes Felix Leiter. Ihr Gegner? Ein alter Feind, das legendäre SPECTRE (Spezialeinheit für Chaos, Terrorismus, Rache und Erpressung) ist wieder aufgetaucht. Bond und Cedar finden sich in einer Vielzahl tödlicher und erschreckender Situationen wieder - von Flugzeugentführung über herabstürzende Fahrstühle, Heerscharen von Killerameisen im Mittleren Westen zu Schrecken in einer privaten Einschienenbahn -, bevor sie schließlich auf den Erben von Blofelds mörderischem Imperium treffen.
SpracheDeutsch
HerausgeberCross Cult
Erscheinungsdatum23. März 2015
ISBN9783864254642
James Bond 17: Der Kunstsammler
Autor

John Gardner

John Gardner (1933–1982) was born in Batavia, New York. His critically acclaimed books include the novels Grendel, The Sunlight Dialogues, and October Light, for which he received the National Book Critics Circle Award, as well as several works of nonfiction and criticism such as On Becoming a Novelist. He was also a professor of medieval literature and a pioneering creative writing teacher whose students included Raymond Carver and Charles Johnson.

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    Buchvorschau

    James Bond 17 - John Gardner

    GARDNER

    DREI NULLEN

    Das europäische Luftfahrtverkehrskontrollzentrum in Maastricht an der belgisch-niederländischen Grenze übergab Flug Nummer 12 von British Airways an das Londoner Kontrollzentrum in West Drayton, kurz nachdem das Flugzeug die Küste hinter sich gelassen hatte und ein paar Kilometer von Ostende entfernt war.

    Frank Kennen war noch nicht einmal zehn Minuten im Dienst, als er den Flug akzeptierte und die Boeing 747 Jumbo anwies, ihre Flughöhe von neuntausend auf sechstausend Meter zu verringern. Sie war nur eines von vielen Flugzeugen, die auf seinem Radarschirm angezeigt wurden – ein grüner Lichtfleck mit der dazugehörigen Nummer, der 12, sowie Höhe und Flugrichtung der Maschine.

    Alles schien normal zu sein. Der Flug trat in die letzte Phase seiner langen Reise von Singapur über Bahrain ein. Kennen fing automatisch an, die Flugverkehrskontrolle in Heathrow darüber zu informieren, dass sich Speedbird 12 im Landeanflug befand.

    Seine Augen blieben auf den großen Radarschirm geheftet. Speedbird 12 begann mit dem Sinkflug, die Ziffern der Flughöhe verringerten sich auf dem Bildschirm konstant. »Speedbird eins-zwei frei für zwei-null, Vektor …« Er hielt mitten im Satz inne und registrierte nur am Rande, dass die Flugverkehrskontrolle in Heathrow nach weiteren Informationen fragte. Was er nun auf dem Radarschirm sah, drehte ihm den Magen um. Mit dramatischer Plötzlichkeit verschwand die Kennziffer 12, die vom Transponder der Boeing übertragen wurde, und veränderte sich.

    Nun befanden sich anstelle der grünen 12 drei schnell blinkende rote Nullen neben dem Fleck.

    Drei rote Nullen waren das internationale Radarsignal für eine Flugzeugentführung.

    Mit ruhiger Stimme rief Frank Kennen das Flugzeug: »Speedbird eins-zwei, Sie sind frei für zwei-null. Haben Sie das bestätigt?«

    Falls es an Bord Probleme gab, würde die Antwort der Piloten wie ein Routineaustausch klingen. Doch es kam keine Antwort.

    Dreißig Sekunden vergingen, und Kennan wiederholte seine Frage.

    Noch immer keine Antwort.

    Sechzig Sekunden.

    Weiter keine Antwort.

    Dann, fünfundneunzig Sekunden nach der ersten Meldung, verschwanden die drei roten Nullen vom Bildschirm und wurden von der vertrauten 12 ersetzt. In seinem Kopfhörer vernahm Kennan die Stimme des Kapitäns und atmete erleichtert aus. »Speedbird eins-zwei bestätigt. Der Notfall ist nun vorbei. Bitte alarmieren Sie Heathrow. Wir benötigen Krankenwagen und einen Arzt. Es gibt mehrere Tote und mindestens eine schwer verletzte Person an Bord. Wiederhole: Notfall vorbei. Dürfen wir fortfahren wie angewiesen? Speedbird eins-zwei.«

    Der Kapitän hätte ebenso gut hinzufügen können: »Notfall vorbei dank Commander Bond.«

    NEUNZIG SEKUNDEN

    Ein wenig früher hatte sich James Bond zurückgelehnt und scheinbar entspannt und ruhig auf einem Sitz am Gang auf der Steuerbordseite des Bereichs der Executive Class von Flug BA 12 gesessen.

    In Wahrheit war Bond jedoch alles andere als entspannt. Hinter den müden Augen und der zusammengesunkenen Sitzposition arbeitete sein Verstand auf Hochtouren, sein Körper war bereit – angespannt wie eine Sprungfeder.

    Jeder genauere Betrachter hätte außerdem die Anspannung hinter den graublauen Augen bemerkt. Von dem Moment an, in dem James Bond in Singapur das Flugzeug betreten hatte, war er auf Ärger vorbereitet gewesen – und nach dem Start in Bahrain sogar noch mehr. Immerhin wusste er, dass die Goldbarren in Bahrain an Bord gebracht worden waren. Das wussten auch die vier verdeckt arbeitenden Männer des Special Air Service, die sich ebenfalls im Flugzeug befanden und taktisch gut verteilt in der ersten, der Executive- und der Touristenklasse saßen.

    Nicht nur die Anspannung dieser speziellen Reise machte Bond zu schaffen, sondern auch die Tatsache, dass Flug BA 12 von Singapur sein dritter Langstreckenflug als Sicherheitsbegleiter zum Schutz vor Flugzeugentführungen in ebenso vielen Wochen war. Der Dienst, den er sich mit Mitgliedern des SAS teilte, war die Folge der aktuellen erschreckenden Flut an Entführungen von Flugzeugen aus einem Dutzend Ländern.

    Keine einzige Terrororganisation hatte die Verantwortung dafür übernommen, aber die großen Fluglinien verzeichneten bereits einen Passagierrückgang. Panik verbreitete sich, obwohl die Gesellschaften – und sogar die Regierungen – der allgemeinen reisenden Öffentlichkeit beruhigende Worte eingeflüstert hatten.

    Bei jedem der jüngsten Fälle waren die Entführer gnadenlos vorgegangen. Tote unter den Passagieren und der Besatzung waren die Regel.

    Ein paar der entführten Flugzeuge hatten den Befehl erhalten, zu abgelegenen Flugplätzen zu fliegen, die gut versteckt in gefährlichen, oftmals bergigen Gebieten Europas lagen. In einem Fall war eine 747 angewiesen worden, in der Nähe der Berner Alpen auf einer behelfsmäßigen Rollbahn zu landen, die hoch oben in einem Tal versteckt war. Das Ergebnis war katastrophal gewesen und hatte keine identifizierbaren Leichen hinterlassen – nicht einmal die der Entführer.

    In manchen Fällen war die Beute nach einer sicheren Landung ausgeladen und in einem kleinen Flugzeug weggeschafft worden, während das eigentliche Ziel verbrannt oder mithilfe von Sprengstoff zerstört wurde. In jedem Fall hatte die geringste Störung oder Unterbrechung sofortige Todesfälle zur Folge gehabt – Besatzungsmitglieder, Passagiere und sogar Kinder.

    Der bislang schlimmste Zwischenfall war der Diebstahl leicht transportierbarer Juwelen im Wert von zwei Millionen Pfund gewesen. Nachdem die Entführer den Metallbehälter mit den Edelsteinen in ihren Besitz gebracht hatten, hatten sie einen Sinkflug angeordnet und waren dann mit Fallschirmen aus dem Flugzeug gesprungen. Noch während die Passagiere erleichtert ausgeatmet hatten, war das Flugzeug per Fernzündung in die Luft gesprengt worden.

    Große Flugzeuge der Vereinigten Staaten und Maschinen von British Airways hatten den Großteil der Angriffe abbekommen. Und so hatten beide Regierungen nach diesem letzten erschütternden Zwischenfall vor etwa sechs Wochen für heimlichen Schutz auf allen möglichen Zielobjekten gesorgt.

    Die letzten beiden Reisen, an denen Bond teilgenommen hatte, hatten sich als ereignislos erwiesen. Dieses Mal verriet ihm sein sechster Sinn, dass Gefahr im Verzug war.

    Zuerst hatte er beim Betreten des Flugzeugs in Singapur vier mögliche Verdächtige entdeckt. Diese vier Männer waren gut gekleidet, wirkten wohlhabend und wiesen alle äußeren Anzeichen pendelnder Geschäftsleute auf. Sie saßen in der Executive Class: zwei an der Backbordseite des mittleren Bereichs links von Bond, die anderen beiden weiter vorne – etwa fünf Reihen vor ihm. Alle hatten diese unverkennbare militärische Haltung, verhielten sich jedoch ruhig, als ob sie sehr darum bemüht wären, keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

    Dann waren in Bahrain die Schwierigkeiten an Bord gekommen – Gold, Währung und Diamanten im Wert von fast zwei Milliarden Dollar. Außerdem waren drei Männer sowie eine Frau eingestiegen. Sie rochen nach Gewalt – die Frau war dunkelhaarig und attraktiv, aber sehr muskulös, die drei Männer waren dunkelhäutig, durchtrainiert und bewegten sich wie ausgebildete Soldaten.

    Auf einem seiner scheinbar beiläufigen Rundgänge hatte sich Bond ihre Sitzplätze eingeprägt. Genau wie die verdächtigen Geschäftsmänner saßen sie in Paaren, aber hinter ihm, in der Touristenklasse.

    Bond und die Männer des SAS waren natürlich bewaffnet. Bond trug ein neues Paar Wurfmesser bei sich, das perfekt ausbalanciert und gut geschliffen war. Die Waffen waren nach dem Vorbild des Sykes-Fairbairn-Dolchs für Einsatzkommandos entwickelt worden. Eines der Messer befand sich an seiner Lieblingsstelle, in einem Holster an der Innenseite seines linken Unterarms. Das andere steckte horizontal in einer Scheide an seinem unteren Rücken. Außerdem trug er einen streng limitierten Revolver bei sich, den eine international anerkannte Firma für den Einsatz bei Notfällen während des Flugs entwickelt hatte.

    Bei dieser Waffe handelte es sich um eine kleine Glattrohrwaffe Kaliber .38 mit Patronen, die nur eine minimale Ladung enthielten. Das Projektil war eine Zersplitterungskugel – nur auf wenige Meter tödlich, da ihre Geschwindigkeit schnell aufgebraucht war, damit sich die Kugel auflöste und eine Beschädigung des Flugwerks oder der Metallhülle eines Flugzeugs vermieden werden konnte.

    Die Männer des SAS waren ähnlich ausgerüstet und hatten eine gründliche Ausbildung absolviert, aber trotzdem gefiel Bond der Gedanke nicht, dass sich Schusswaffen an Bord befanden. Eine Kugel, die zu nah an den Seitenwänden oder einem Fenster abgefeuert wurde, mochte trotz allem einen Druckabfall verursachen. Er würde sich auf jeden Fall an die Messer halten und den Revolver nur benutzen, wenn er sich ganz nah an seinem Ziel befand, und mit »nah« meinte er weniger als einen Meter.

    Die riesige 747 neigte sich leicht zur Seite, und Bond bemerkte die geringfügige Veränderung des Motorengeräuschs, die den Beginn ihres Sinkflugs ankündigte. Vermutlich befanden sie sich irgendwo kurz hinter der belgischen Küste. Er ließ den Blick durch die Kabine wandern, beobachtete und wartete.

    Eine elegante blonde Stewardess, die während des Flugs sehr oft zu sehen gewesen war, reichte zwei der Geschäftsmänner, die ein paar Reihen vor Bond saßen, Limonadendosen. Er sah ihr Gesicht und spürte blitzartig, dass etwas nicht stimmte. Ihr Dauerlächeln war verschwunden und sie beugte sich ungewöhnlich weit vor, um den Männern etwas zuzuflüstern.

    Bond warf automatisch einen Blick nach links in Richtung der anderen beiden gut gekleideten Männer. In den wenigen Sekunden, die er sich auf die Stewardess konzentriert hatte, waren die Männer verschwunden.

    Bond drehte den Kopf und entdeckte einen von ihnen. Er trug etwas, das wie eine Bierdose aussah, und stand hinter Bond im Gang in der Nähe der kleinen Bordküche am hinteren Ende der Executive Class. Die Stewardess war mittlerweile in die vordere Bordküche gegangen.

    Als Bond sich in Bewegung setzte, geschah alles gleichzeitig.

    Der Mann hinter ihm zog den Ring an der vermeintlichen Bierdose und warf sie in den Gang. Während sie rollte, erfüllte bereits dichter Rauch die Kabine.

    Die beiden Männer vor Bond hatten sich von ihren Sitzen erhoben, und Bond erhaschte einen Blick auf die Stewardess weiter hinten im Gang. Dieses Mal hatte sie etwas in der Hand. Auf der anderen Seite entdeckte er den vierten Geschäftsmann, der im Vorwärtsrennen ebenfalls eine Rauchbombe warf.

    Bond war aufgesprungen und drehte sich herum. Sein nächstgelegenes Ziel – der Mann im Gang hinter ihm – zögerte für eine entscheidende Sekunde. Das Messer erschien in Bonds rechter Hand wie durch einen gut eingeübten Taschenspielertrick. Er hielt es nach unten und hatte den Daumen in der klassischen Kämpferpose vorgestreckt. Der Entführer wusste nicht, wie ihm geschah, er verspürte nur einen plötzlichen heftigen Schmerz und Überraschung, als Bonds Dolch ihn direkt unter dem Herzen traf.

    Die gesamte Kabine war nun voller Rauch und Panik. Bond rief den Passagieren zu, sie sollten auf ihren Plätzen sitzen bleiben. Er vernahm ähnliche Rufe von den Männern des SAS in der Touristenklasse und weiter vorne in der ersten Klasse und der sogenannten »Penthouse-Suite«. Es gab zwei kleine Explosionen, die leicht als Schüsse der Luftwachenrevolver zu erkennen waren. Auf sie folgte der unheimlichere laute Knall einer normalen Schusswaffe.

    Bond hielt in dem erstickenden Rauchnebel die Luft an und machte sich auf den Weg zur Bordküche für die Executive Class. Er wusste, dass er von dort aus die Möglichkeit haben würde, zur Backbordseite zu wechseln und über die Wendeltreppe ins »Penthouse« und das Cockpit zu gelangen. Es waren immer noch mindestens drei Entführer übrig, vielleicht auch vier.

    Als er die Bordküche erreichte, wusste er, dass es nur drei waren. Die Stewardess, die in den Rauchwirbeln noch immer eine Model-II-Ingram-Maschinenpistole umklammert hielt, lag leblos auf dem Rücken. Ihre Brust war von einem Schuss aus nächster Nähe zerfetzt worden, offenbar aus einem der Luftwachenrevolver.

    Bond hielt nach wie vor die Luft an, hatte das Messer in der Hand und schritt über die Leiche hinweg. Die Schreie und das Husten der verängstigten Passagiere überall im Flugzeug nahm er gar nicht wahr. Über dem Lärm ertönte ein Befehl von oben: »Orange eins. Orange eins.« Das war das Signal von einem der SAS-Männer, dass der Hauptangriff im Cockpit oder in der Nähe davon stattfand.

    Am Fuß der Wendeltreppe wich Bond einem weiteren Körper aus. Es handelte sich um ein Mitglied des SAS-Trupps. Der Mann war bewusstlos und hatte eine üble Schulterverletzung. Dann entdeckte er auf der kurzen, gewundenen Treppe über sich die geduckte Gestalt eines der Geschäftsmänner, der eine Ingram mit ausgeklappter Schulterstütze hob.

    Bonds Arm bewegte sich nach hinten, und das Messer sauste durch die Luft. Es war so rasiermesserscharf, dass es wie eine überdimensionale Injektionsnadel in die Kehle des Mannes glitt. Der Entführer schrie nicht einmal auf, als das Blut aus seiner durchtrennten Halsschlagader spritzte wie Wasser aus einem Schlauch.

    Bond duckte sich und schlich lautlos wie eine Katze zu der Leiche. Er benutzte sie als Schutzschild, um einen Blick in den oberen Bereich des Flugzeugs werfen zu können.

    Die Tür zum Cockpit stand offen. Im Inneren gab einer der »Geschäftsmänner« mit der Maschinenpistole in der Hand der Besatzung Anweisungen, während sein Kollege in der Tür stand und ihm Rückendeckung gab. Auch er hielt eine der mittlerweile vertrauten Ingrams in den Händen – die mit einer Schussfrequenz von eintausendzweihundert Kugeln pro Minute in der Lage war, eine Menge Schaden anzurichten – und schwang sie in tödlicher Bereitschaft. Hinter der Schottwand der oberen Bordküche, etwa zwei Meter von den Entführern entfernt, kauerte einer der SAS-Männer. Seinen Luftwachenrevolver hatte er dicht an den Körper gepresst.

    Bond schaute zu dem SAS-Mann hinüber und sie tauschten Signale aus: Die Teams hatten eine Woche lang hart und konzentriert in Bradbury Lines, der Basis des 22. SAS-Regiments in der Nähe von Hereford, zusammen trainiert. Sofort wussten beide Männer, was sie zu tun hatten.

    Bond bewegte sich auf der engen Treppe vorsichtig auf die eine Seite des zusammengesunkenen Mannes. Seine Hand griff nach dem Messer, das in der Scheide auf seinem Rücken steckte. Ein tiefer Atemzug, dann das Nicken in Richtung des SAS-Mannes, der vorsprang und dabei feuerte.

    Der Entführer, der Wache hielt, war durch Bonds Bewegung alarmiert worden und schwenkte seine Ingram in Richtung der Treppe, als ihn zwei Kugeln aus dem Luftwachenrevolver des SAS-Mannes an der Kehle erwischten. Der Aufprall riss ihn nicht von den Füßen und drehte ihn auch nicht herum. Er sackte einfach nach vorn und war tot, bevor er auf dem Boden aufschlug.

    Während er fiel, wirbelte der Entführer im Cockpit herum. Bonds Arm holte aus. Das Wurfmesser sauste funkelnd und gerade wie ein Eisvogel los, um sich in die Brust des Entführers zu bohren.

    Die Ingram fiel aufs Deck. Sofort stürzten sich Bond und der SAS-Mitarbeiter wie ein Mann auf den Entführer und durchsuchten ihn nach versteckten Waffen oder Granaten. Der verletzte Mann schnappte nach Luft, seine Hände tasteten nach dem Messer, seine Augen verdrehten sich und aus seinen blutverschmierten Lippen drang ein schreckliches Rasseln.

    »Alles vorbei!«, rief Bond dem Flugzeugkapitän zu und hoffte, dass das tatsächlich der Fall war. Seit der Explosion der ersten Rauchbombe waren nicht mehr als neunzig Sekunden vergangen.

    »Ich sehe unten nach«, rief er dem SAS-Mann zu, der über dem verletzten Entführer kniete. Im Hauptbereich des Flugzeugs hatte sich der Rauch fast verzogen, und Bond schenkte der blassen Chefstewardess ein Lächeln. »Beruhigen Sie die Leute«, sagte er. »Es ist alles in Ordnung.« Er tätschelte ihren Arm und sagte ihr dann, sie solle nicht in die Nähe der vorderen Bordküche in der Executive Class gehen.

    Er selbst ging in diese Richtung, schob Leute zur Seite und befahl den Passagieren streng, sich wieder hinzusetzen. Er bedeckte den Körper der toten Stewardess mit einem Mantel.

    Die beiden verbliebenen SAS-Männer waren ganz nach Vorschrift im hinteren Bereich des Flugzeugs geblieben, um mögliche Fluchtpläne zu vereiteln, die die Terroristen vorbereitet haben könnten. Während James Bond durch die gesamte Boeing marschierte, musste er schmunzeln. Die drei hartgesotten wirkenden jungen Männer und die Frau, die er für Verdächtige gehalten hatte, als sie in Bahrain an Bord gekommen waren, sahen nun sogar noch blasser und erschütterter aus als die anderen Passagiere.

    Als er die Wendeltreppe wieder hinaufstieg, ertönte die ruhige Stimme der Chefstewardess aus der Bordsprechanlage. Sie informierte die Passagiere darüber, dass sie in Kürze in London Heathrow landen würden und entschuldigte sich für die – wie sie es bezeichnete – »ungeplanten Unannehmlichkeiten«.

    Der SAS-Offizier schüttelte den Kopf, als Bond in die Penthouse-Suite kam. Der Entführer, den Bonds zweites Messer getroffen hatte, lag nun ausgestreckt über zwei Reservesitzen. Sein Körper war mit einer Plastikplane bedeckt. »Keine Chance«, sagte der SAS-Offizier. »Der hat nur ein paar Minuten durchgehalten.«

    Bond fragte, ob der Mann das Bewusstsein wiedererlangt hätte.

    »Nur kurz am Ende. Er hat versucht, zu sprechen.«

    »Oh?«

    »Ich selbst konnte damit nichts anfangen.«

    Bond drängte ihn, sich an die Worte zu erinnern.

    »Tja … er schien etwas sagen zu wollen. Es war allerdings sehr undeutlich. Klang wie ›Inspector‹. Er röchelte und hustete Blut, aber sein letztes Wort klang eindeutig danach.«

    James Bond wurde still. Er nahm für die Landung auf einem der Sitze in der Nähe Platz. Als sich die 747 jaulend und mit komplett ausgefahrenen Landeklappen dem Boden näherte, die Störklappen aufstellte, das Fahrwerk ausfuhr und sanft auf Landebahn 28R aufsetzte, grübelte er über die letzten Worte des Entführers nach. Nein, dachte er, das war zu weit hergeholt, eine Besessenheit aus seiner Vergangenheit. Inspector. In … spector. Vergiss das »In«.

    War das nach all der Zeit möglich?

    Er schloss kurz die Augen. Der lange Flug und der plötzliche blutige Zwischenfall gegen Ende mussten seinen Geist verwirrt haben. Der Gründer, Ernst Stavro Blofeld, war zweifellos tot, SPECTRE als organisierte Einheit war mit Blofeld ausgelöscht worden. Aber wer konnte das schon genau sagen? Die ursprüngliche Organisation hatte einst die ganze Welt umspannt und ihre Finger in praktisch jedem bedeutenden Verbrechersyndikat sowie auch in den meisten Polizeieinheiten, Sicherheitsorganisationen und Geheimdiensten der sogenannten zivilisierten Welt gehabt.

    Inspector. In … spector. SPECTRE, sein alter Feind, die Spezialeinheit für Chaos, Terrorismus, Rache und Erpressung. War es möglich, dass sich eine neue Version von SPECTRE wie ein schrecklicher mutierter Phönix erhoben hatte, um sie erneut heimzusuchen?

    Die Motoren der 747 verstummten. Ein glockenähnliches Signal forderte die Passagiere zum Verlassen des Flugzeugs auf.

    Ja. James Bond kam zu dem Schluss, dass das sehr wahrscheinlich war.

    DAS HAUS AM BAYOU

    Es stand verfallen und unbrauchbar auf dem einzigen festen Flecken Erde inmitten von Sumpfland. Der bayou floss um es herum und teilte sich dann, um sich seinen Brüdern anzuschließen und in den dunstigen grünen Sümpfen zu verschwinden.

    Die nächstgelegene Stadt war knapp zehn Kilometer entfernt, und die wenigen Menschen, die in der Nähe dieses großen, wässrigen Sumpfs in den unteren Abschnitten des Mississippis lebten, hielten sich von dem schlammigen Ufer auf der anderen Seite des Hauses fern.

    Sehr alte Menschen sagten, irgendein verrückter Engländer hätte das Haus in den 1820ern als großen Palast erbaut, von dem aus er den Sumpf zähmen wollte. Aber er kam nicht weit. Es gab Probleme mit einer Frau – in manchen Versionen war es mehr als eine Frau – und es hatte zweifellos Todesfälle gegeben, durch Fieber und Krankheit und auch durch Gewalt. In dem Haus spukte es eindeutig. Es gab unerklärliche Geräusche. Außerdem wurde es von etwas besonders Bösem beschützt: Es wurde von Schlangen bewacht, riesigen Schlangen von einer Art, die in anderen Teilen des Sumpfs nicht vorkam. Diese riesigen Schlangen – manche berichteten, sie seien bis zu neun oder sogar zwölf Meter lang – hielten sich nah am Haus auf, doch wie Askon Delville, der Besitzer des nächstgelegen Ladens, immer sagte: »Criton zumindest scheinen sie in Ruhe zu lassen.«

    Criton war ein Taubstummer. Die Kinder liefen vor ihm davon und die Erwachsenen mochten ihn nicht. Aber da die großen Schlangen Criton in Ruhe ließen, ließ Askon Delville ihn ebenfalls in Ruhe.

    Der Taubstumme kam einmal pro Woche mit einem Sumpffahrzeug herüber und lief dann die acht Kilometer mit einer Liste der notwendigen Dinge bis zu Askons Laden. Er holte die Waren ab, lief anschließend die acht Kilometer wieder zurück, stieg in sein Sumpffahrzeug und verschwand auf der anderen Seite des bayou.

    Im Haus lebte auch eine Frau. Hin und wieder erhaschten die Leute einen Blick auf sie, und es bestand kein Zweifel daran, dass sie diejenige war, die die Liste anfertigte, mit der Criton in Askon Delvilles Laden auftauchte. Sie war natürlich eine Art Hexe, sonst wäre sie wohl kaum in der Lage, in einem solchen Spukhaus zu wohnen.

    Die Leute achteten darauf, sich von dem Ort fernzuhalten, wenn die Versammlungen stattfanden. Sie wussten immer, wann es wieder eine geben würde. Askon teilte es ihnen mit. Er wusste es aufgrund von Critons Einkaufsliste. Am Tag einer Versammlung unternahm Criton für gewöhnlich zwei Touren, weil im Haus so viele zusätzliche Dinge benötigt wurden. Bei Einbruch der Dämmerung hielt man sich dann erst recht fern. Es gab Geräusche, Automobile, zusätzliche Sumpffahrzeuge und das Haus, so hieß es, war hell erleuchtet. Manchmal gab es auch Musik, und einmal, vor etwa einem Jahr, war der junge Freddie Nolan – der sich vor nichts fürchtete – mit seinem eigenen Sumpffahrzeug rausgefahren. Er war gut drei Kilometer stromaufwärts gefahren, denn er hatte vorgehabt, sich heranzuschleichen und ein paar Fotos zu machen.

    Niemand hatte den jungen Freddie Nolan je wiedergesehen, nur sein Sumpffahrzeug war wieder aufgetaucht. Es war völlig zertrümmert gewesen, als hätte irgendein großes Tier – vielleicht eine Schlange – es erwischt.

    In dieser Woche würde eine weitere Versammlung stattfinden.

    Abgesehen von Criton und der Frau – die auf den Namen Tic hörte – sowie den monatlichen Besuchern wusste niemand, dass das Innere des Hauses so stabil wie das Stück Felsen war, auf dem man es erbaut hatte. Die alte, verrottende Stülpschalung an den Außenwänden war nur eine Hülle für das, was dahinter verbogen lag: Stein, Ziegel, Glas und Stahl, ganz zu schweigen von einer ordentlichen Portion Reichtum.

    Diesen Monat waren elf Leute gekommen: zwei aus London, zwei aus New York, ein Deutscher, ein Schwede, ein Paar Franzosen, einer aus L. A., ein großer Mann, der jeden Monat den ganzen Weg von Kairo herkam, und der Boss. Der Boss hieß Blofeld, war jedoch in der Außenwelt unter einem anderen Namen bekannt.

    Sie speisten prunkvoll. Später, nach Dessert und Kaffee, ging die ganze Gesellschaft in den Konferenzraum im hinteren Bereich des Hauses.

    Der lange Raum war in einem zarten Hellgrün gehalten. Schwere farblich passende Vorhänge bedeckten die großen Verandatüren, durch die man auf die andere Seite des bayou hinaussehen konnte. Zu dem Zeitpunkt, als sich die Gesellschaft versammelte, waren die Vorhänge zugezogen. Mit Messingschirmen versehene Wandlampen leuchteten über den vier Gemälden, die die einzige Dekoration darstellten – zwei Jackson Pollocks, ein Miro und ein Kline. Bei dem Kline handelte es sich um eines der Kunstobjekte, die bei einer kürzlich durchgeführten Flugzeugentführung gestohlen worden waren. Das Gemälde gefiel Blofeld so gut, dass sie es ins Haus gebracht und nicht zum Verkauf angeboten hatten.

    Ein polierter Eichenholztisch in der Mitte nahm den Großteil des Raums ein. Er war für elf Personen vorbereitet, einschließlich Schreibtischunterlagen, Getränken, Stiften, Papier, Aschenbechern und der Tagesordnung.

    Blofeld begab sich ans Kopfende des Tisches, während die anderen zu ihren Plätzen gingen, die allesamt mit Namenskärtchen versehen waren. Sie setzten sich erst hin, nachdem sich der Boss niedergelassen hatte.

    »Diesen Monat ist die Tagesordnung kurz«, begann Blofeld. »Es gibt nur drei Punkte: das Budget, das kürzliche Debakel an Bord von Flug BA 12 und die Operation, die wir HOUND nennen. Nun denn, Mr El Ahadi, das Budget bitte.«

    Der Herr aus Kairo stand auf. Er war ein großer dunkelhäutiger Mann mit sehr attraktiven Gesichtszügen und einer honigsüßen Stimme, die einst viele junge Frauen bezaubert hatte. »Ich freue mich, verkünden zu können«, sagte er, »dass unsere Bankkonten in der Schweiz, in London und in New York selbst ohne die erhofften Einkünfte von Flug BA 12 jeweils vierhundert Millionen Dollar, fünfzig Millionen Pfund Sterling und einhundertfünfzig Milliarden Dollar enthalten. Die Gesamtsumme wird unseren Berechnungen zufolge für unsere derzeitigen Zwecke ausreichen. Und wenn die Operationen unserem Budget entsprechend erfolgreich sind – wie unser Boss es voraussagt –, können wir davon ausgehen, dass sich der Betrag innerhalb eines Jahres verdoppelt. Wie vereinbart werden sämtliche Gewinne, die über unsere ursprüngliche Investition hinausgehen, gleichmäßig aufgeteilt.« Er schenkte den Anwesenden sein charmantestes Lächeln, und die versammelte Gesellschaft lehnte sich entspannt zurück.

    Blofelds Hand landete hart auf dem Tisch. »Sehr gut.« Ein kratzender Unterton hatte sich in die Stimme geschlichen. »Aber der Fehlschlag unseres Überfalls auf Flug 12 ist unentschuldbar. Vor allem nach einer so gründlichen Vorbereitung Ihrerseits, Herr Treiben.« Blofeld warf dem deutschen Abgesandten einen angewiderten Blick zu. »Wie Sie wissen, Herr Treiben, haben andere Vorstandsmitglieder von SPECTRE unter ähnlichen Umständen den ultimativen Preis bezahlt.«

    Treiben, ein dicklicher und rosiger Mann, einer der Bandenchefs der westdeutschen Unterwelt, wurde schlagartig blass.

    »Allerdings«, fuhr Blofeld fort, »haben wir einen anderen Sündenbock. Es mag Ihnen nicht bekannt sein, Treiben, aber wir haben endlich Ihren Mr de Luntz erwischt.«

    »Ah?« Treiben rieb sich die Hände und erwiderte, er habe ebenfalls nach Mr de Luntz Ausschau gehalten. All seine besten Männer hätten erfolglos nach de Luntz gesucht.

    »Ja, wir haben ihn gefunden.« Blofeld strahlte und klatschte so laut in die Hände, dass es wie ein Pistolenschuss klang. »Und da wir ihn gefunden haben, denke ich, dass er sich nun zu seinen Freunden gesellen sollte.« Die Vorhänge vor den großen Fenstern glitten lautlos auf. Gleichzeitig wurden die Lichter im Raum gedimmt. Draußen vor dem Fenster

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