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Die Nibelungen
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eBook874 Seiten5 Stunden

Die Nibelungen

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Über dieses E-Book

Das Nibelungenlied hat alles, was eine gute Story heute bieten muss: Liebe, Macht, Verrat und Mord - ein packendes Familiendrama in 2.300 Strophen. Dabei wurde die Geschichte um die Burgunderprinzessin Kriemhild und den Drachentöter Siegfried schon vor 800 Jahren niedergeschrieben. Ein Verfasser ist in dem mittelhochdeutschen Epos nicht benannt, denn das Nibelungenlied gehört zur literarischen Gattung der Heldenepik - der Stoff, nicht der Urheber, steht hier im Vordergrund. Das Nibelungenlied ist ein urgermanisches, kämpferisches Werk - kein Wunder, dass es im 19. Jahrhundert zum 'Nationalepos der Deutschen' erkoren wurde. Die App enthält einleitende Texte und ein Interview mit Prof. Dr. Hermann Reichert, einem der führenden Experten für ältere deutsche Sprache und Literatur. 100% Sachbuchklassiker: vollständig, kommentiert, relevant.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum27. Nov. 2010
ISBN9783940621313
Die Nibelungen

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    Buchvorschau

    Die Nibelungen - Hermann Reichert

    Das Nibelungenlied

    Übersetzung: Karl Simrock

    Impressum

    ISBN 978-3-940621-31-3

    Bearbeitung: Steffi Kühnel

    © Vergangenheitsverlag, 2010 – www.vergangenheitsverlag.de

    Inhaltsverzeichnis

    Das Nibelungenlied

    Inhaltsverzeichnis

    Einleitung

    Vom Untergang zweier Germanenreiche – Das Nibelungenlied

    Interview mit Prof. Dr. Hermann Reichert von der Universität Wien

    Weiterführende Informationen

    Das Nibelungenlied

    Erstes Abenteuer

    Zweites Abenteuer

    Drittes Abenteuer

    Viertes Abenteuer

    Fünftes Abenteuer

    Sechstes Abenteuer

    Siebentes Abenteuer

    Achtes Abenteuer

    Neuntes Abenteuer

    Zehntes Abenteuer

    Elftes Abenteuer

    Zwölftes Abenteuer

    Dreizehntes Abenteuer

    Vierzehntes Abenteuer

    Fünfzehntes Abenteuer

    Sechzehntes Abenteuer

    Siebzehntes Abenteuer

    Achtzehntes Abenteuer

    Neunzehntes Abenteuer

    Zwanzigstes Abenteuer

    Einundzwanzigstes Abenteuer

    Zweiundzwanzigstes Abenteuer

    Dreiundzwanzigstes Abenteuer

    Vierundzwanzigstes Abenteuer

    Fünfundzwanzigstes Abenteuer

    Sechsundzwanzigstes Abenteuer

    Siebenundzwanzigstes Abenteuer

    Achtundzwanzigstes Abenteuer

    Neunundzwanzigstes Abenteuer

    Dreißigstes Abenteuer

    Einunddreißigstes Abenteuer

    Zweiunddreißigstes Abenteuer

    Dreiunddreißigstes Abenteuer

    Vierunddreißigstes Abenteuer

    Fünfunddreißigstes Abenteuer

    Sechsunddreißigstes Abenteuer

    Siebenunddreißigstes Abenteuer

    Achtunddreißigstes Abenteuer

    Neununddreißigstes Abenteuer

    Einleitung

    Vom Untergang zweier Germanenreiche – Das Nibelungenlied

    Das Nibelungenlied hat alles, was eine gute Story heute bieten muss: Liebe, Macht, Verrat und Mord – ein packendes Familiendrama in 2.300 Strophen. Dabei wurde die Geschichte um die Burgunderprinzessin Kriemhild und den Drachentöter Siegfried schon vor 800 Jahren niedergeschrieben. Ein Verfasser ist in dem mittelhochdeutschen Epos nicht benannt, denn das Nibelungenlied gehört zur literarischen Gattung der Heldenepik – der Stoff, nicht der Urheber, steht hier im Vordergrund. Das Nibelungenlied ist ein urgermanisches, kämpferisches Werk – kein Wunder, dass es im 19. Jahrhundert zum 'Nationalepos der Deutschen' erkoren wurde.

    Liebesglück und Verderben

    Zentrale Figur ist die Burgunderprinzessin Kriemhild, die mit ihren Brüdern Gunther, Gernot und Giselher am Hof von Worms am Rhein lebt. Kriemhilds Schönheit ist über die Grenzen des Burgunderreichs hinaus bekannt – auch Siegfried hört von ihr, ein Königssohn aus Xanten am Niederrhein. Siegfried gilt als unverwundbar: Einst soll er einen Drachen erschlagen und in dessen Blut gebadet haben. Zudem tötete er in einem fernen Land die Söhne des Königs Nibelung und raubte deren Schatz – den Nibelungenhort. Dem Wächter des Schatzes habe er die Tarnkappe abgenommen, die unsichtbar macht und übermenschliche Kräfte verleiht.

    Siegfried wirbt in Worms um Kriemhild, doch vor der Heirat muss er eine Aufgabe erfüllen: Er soll mit König Gunther nach Island segeln – denn der möchte dort die übermenschlich starke Königin Brünhild zur Frau gewinnen. Doch die Walküre stellt Bedingungen: Drei Kämpfe muss Gunther gegen Brünhild gewinnen, was ihm auch gelingt – jedoch nur mithilfe von Siegfried, der dank seiner Tarnkappe unsichtbar bleibt.

    Die geschlagene Brünhild folgt Gunther nach Worms, eine Doppelhochzeit findet statt: Gunther heiratet Brünhild, Kriemhild wird Siegfrieds Gattin. Doch in der Hochzeitsnacht wehrt sich Brünhild erneut gegen den ihr eigentlich unterlegenen Gunther. Wieder muss Siegfried aushelfen und sie mithilfe seiner Tarnkappe niederringen. Gunther kann ihr nun die Jungfräulichkeit nehmen – und Brünhilds magische Kräfte verschwinden für immer.

    Zehn Jahre vergehen, bis Kriemhild der angeheirateten Brünhild im Streit verrät, dass Gunther sie nur mit Siegfrieds Hilfe bezwingen konnte. Brünhild ist zutiefst empört, sie fordert Siegfrieds Tod – ebenso wie Hagen von Tronje, finsterer Ratgeber König Gunthers: Er fürchtet Macht und Einfluss des Drachentöters. Hagen lockt Siegfried zur Jagd – doch vorher bittet er Kriemhild, ihm zu dessen Schutz die einzig verwundbare Stelle ihres Gatten zu verraten: Ein Lindenblatt legte sich beim Bad im Blut des bezwungenen Drachen zwischen Siegfrieds Schultern. Die Gutgläubigkeit von Kriemhild hat dramatische Folgen. Auf der Jagd stößt Hagen eine Lanze in diese Stelle; den Leichnam legt er vor Kriemhilds Schlafgemach.

    Die junge Witwe schwört Rache, doch als Frau ist sie machtlos am königlichen Hof. 13 Jahre später hält erneut ein Mann um ihre Hand an – Etzel, der mächtige Hunnenkönig. Kriemhild zieht mit ihm an die Donau und noch einmal 13 Jahre vergehen, bis Kriemhild ihre Brüder an den Hof der Hunnen lädt. Hagen fürchtet eine Falle, doch die Burgunder ziehen zu Etzels Palast, wo das spektakuläre und blutige Finale des Nibelungenliedes stattfindet. Ein tödlicher Streit flammt auf, ein Burgunder nach dem anderen wird getötet. Die rachsüchtige Kriemhild lässt ihren Bruder Gunther köpfen, den Verräter Hagen erschlägt sie sogar mit eigener Hand – für eine Frau eine so unerhöhte Handlung, dass Kriemhild durch einen Gefolgsmann Etzels niedergestreckt wird.

    Eine wahre Geschichte?

    Die Burgunder sind gefallen, Kriemhild ist tot, der Schatz der Nibelungen für immer am Rhein verschwunden – so endet das Nibelungenlied, ein finsteres Märchen aus dem Mittelalter. Tatsächlich ist die Sage um die Nibelungen schon viel älter: Seit Jahrhunderten wurde die Geschichte von Siegfried und Kriemhild in Nord- und Mitteleuropa mündlich weitergeben – bis in die Germanenzeit reichen die Ursprünge der Sage zurück. Der heidnische Ursprung ist unverkennbar: Der starke Held Siegfried bezwingt einen Drachen, erbeutet magische Waffen und einen Schatz, der von einem Zwerg gehütet wird. Auch die übermächtige Isländerin Brünhild erinnert an eine Walküre, jenes todbringende Geisterwesen, das Verstorbene auf dem Schlachtfeld auswählte, um sie in die Ruhmeshalle Walhall zu bringen.

    Doch auch reale Ereignisse vermischen sich im Nibelungelied mit der nordischen Mythologie: Der Burgunderkönig Gundahar gründete im Jahr 407 ein Reich am Rhein zu dem auch Worms gehörte. Er und seine Vasallen fielen fast 30 Jahre später bei einer Schlacht gegen einen römischen Heerführer. Auch den Hunnenkönig Etzel gab es tatsächlich – unter dem berühmten Namen Attila herrschte er ab 434 über ein Reich zwischen den Alpen bis zum Schwarzen Meer. 453 starb er in der Hochzeitsnacht mit Ildiko (Neuhochdeutsch: Hildchen), angeblich an einem Blutsturz aufgrund seines exzessiven Lebenswandels. Bald wurde am Hof spekuliert, die Tochter eines burgundischen Fürsten habe den König vergiftet. Eine Darstellung realgeschichtlicher Ereignisse ist das Nibelungenlied jedoch trotzdem nicht – vielmehr schlägt das Epos eine lange Brücke von der Zeit der Germanen hin zum 5. Jahrhundert.

    Ursprungsmythos

    Das Nibelungenlied wirft in der Forschung viele Fragen auf, die wahrscheinlich nie zur Gänze beantwortet werden können. Neben den geschichtlichen Zusammenhängen gilt auch der Ursprung der Handschrift als rätselhaft. Um 1200 verfasst, gilt das Original als verschollen. Lediglich 36 Abschriften des mittelalterlichen Epos sind erhalten geblieben, die meisten davon fragmentarisch. Diese Manuskripte verraten viel über den Entstehungsort und Herkunft des unbekannten Autors: Den Donauraum kennt er gut, denn er nennt landschaftliche Details, während Worms oder Xanten nur vage beschrieben werden. Auffallend häufig wird der Bischof von Passau erwähnt – höchstwahrscheinlich also, dass das Nibelungenlied in seinem Umfeld entstand. Manche Forscher sehen niemand anderen als Walther von der Vogelweide als den geheimnisvollen Autor, denn er wurde Anfang des 13. Jahrhunderts vom Bischof von Passau, Wolfger von Erla, finanziell unterstützt. Andere Forscher widersprechen diesem Ansatz – die Weltsicht des Nibelungenlieds habe mit den übrigen Werken des Minnesängers nichts gemein.

    Im Verlauf des Mittelalters äußerst populär, geriet der Sagenstoff in Vergessenheit, bis ihn Jacob Hermann Obereit im 18. Jahrhundert wieder entdeckte. 1782 wurde das Nibelungenlied erstmals gedruckt. Doch es rief beim amtierenden Preußenkönig Friedrich dem Großen wenig Begeisterung hervor: „Meiner Einsicht nach sind solche nicht einen Schuss Pulver wert und verdienen nicht aus dem Staube der Vergessenheit gezogen zu werden. In meiner Bücher-Sammlung wenigstens würde Ich dergleichen elendes Zeug nicht dulten; sondern herausschmeißen. Dass er nicht Recht behalten sollte, bewies die wachsende Popularität des Stoffes – Goethe zeigte sich begeistert vom Nibelungenlied und forderte eine Neubearbeitung, der Dramatiker Friedrich Hebbel brachte das Stück auf die Bühne. Schließlich schrieb Richard Wagner mit dem „Ring der Nibelungen eine eher an die nordische Sage angelehnte Oper, die das Bild der Germanen über Jahrhunderte prägen sollte – und das Nibelungenlied zum urdeutschen Nationalepos erhob.

    „Siegfrieds Tod" von Julius Schnorr von Carolsfeld, 1847

    (Quelle: Wiki Commons)

    Interview mit Prof. Dr. Hermann Reichert von der Universität Wien

    Das Nibelungenlied erfreut sich immer noch großer Beliebtheit. Was macht die Geschichte um Kriemhild und Siegfried heute noch so modern?

    Eine Frau, Kriemhild, will als Individuum glücklich werden; selbst entscheiden, ob und wen sie heiratet und dieselben Erbansprüche geltend machen wie ihre Brüder. Nicht nur ihr misslingt dies, sondern die ganze Gesellschaft, die Freude erreichen will, teils in der Hoffnung auf eine glückliche Liebe, teils in der Hoffnung auf Ehre bei den Mitmenschen oder als Nachruhm nach einem Heldentod, erleidet mit diesem Streben Schiffbruch. Die Überlebenden weinen wortlos. In der Literatur sterben Figuren dann, wenn ihre Aufgabe im Werk erfüllt ist – Siegfried stirbt in Strophe 995 von 2376 (nach der Zählung der besten Handschrift).

    Um Kriemhild zu verstehen, muss Siegfried so liebenswürdig erzählt werden, dass wir mitfühlen, dass sie bis an ihren Tod nur mehr an Rache für den Mord an ihm denkt. Dadurch entsteht in vielen im Publikum der Eindruck, er sei die Hauptfigur. Die Problematik des Menschen wird aber aus der Sicht des Epos auf eine Frau geschildert. „Warum sie, aus der Logik der Erzählung, ihren ersten Mann so bald verlieren musste ist eine zutreffendere Formulierung der Frage, als „Warum Siegfried aus der Logik der Erzählung schon vor der Mitte des Epos sterben musste.

    Wieso ließ man um 1200 ein Epos, das die aktuelle politische Welt interessieren sollte, am Hof eines Königs des 5. Jahrhunderts spielen?

    Man wählte alte Stoffe, um im Publikum das Gefühl zu erwecken, dass es sich um Probleme handelt, die nicht nur die Gegenwart hat, sondern die auch in lange vergangenen Zeiten schon aktuell waren und daher in tiefen Seelenschichten der Menschheit verankert sind. Schon um 1200 wollte das Publikum lieber ‚Alte Geschichten‘ als die Probleme der zeitgenössischen Kultur im Gewand historischer Namen.

    Außerdem galten die ‚Burgunder‘ um 1200 nicht als längst ausgestorbenes Volk. Das Volk der Burgunder siedelte um 400 am Oberrhein (wahrscheinlich lag das Zentrum nicht in Worms, wo das Nibelungenlied es lokalisiert, sondern am anderen Rheinufer oder auch ein Stück weiter rheinabwärts). Bald darauf, 436, wurde das Reich von Römern und Hunnen vernichtet, die Reste des Volkes wurden in die Gegend südlich des Genfer Sees ausgesiedelt. Dort gingen sie allmählich in der einheimischen Bevölkerung auf. Der Name ‚Burgund‘ lebte jedoch weiter und bezeichnete im 12. Jahrhundert einen großen Teil Südfrankreichs. Kaiser Friedrich Barbarossa ließ sich 1178 in Arles zum „König von Burgund krönen. Für das Originalpublikum des Nibelungenliedes um 1200 waren die „Burgunden also nicht ein Volk aus der fernen Völkerwanderungszeit, sondern ein Volk, dem die Vorgänger des aktuellen Herrscherhauses angehört hatten.

    Wie konnte aus dem Nibelungenlied ein deutsches Nationalepos entstehen?

    Im 18. und 19. Jahrhundert bewunderte man die Griechen dafür, dass sie in der Ilias ein „Nationalepos besaßen, und wollte hinter diesen nicht zurückstehen. Vor allem im 19. Jahrhundert wurde ‚Nationalstolz’ vor allem damit begründet, dass die eigene Nation ein großartiges altes ‚Nationalepos‘ habe. Heutzutage wird der „Stolz auf die eigene Nation hauptsächlich dadurch genährt, dass ihr Fußball-Nationalteam bei Weltmeisterschaften gut abschneidet. Das ist Zeichen eines Wandels gesellschaftlicher Werte im Laufe der letzten 100 Jahre. Auch verstand man im 19. Jahrhundert ‚Nation‘ ganz anders als im Mittelalter oder auch heute. Frankreich war im 19. Jahrhundert stolz auf sein ‚Rolandslied‘, Spanien auf ‚El Cid‘, Italien auf Dantes ‚Commedia‘, usw. Für die Deutschen bot sich das Nibelungenlied an.

    Inwiefern wurde das Werk während der beiden Weltkriege als literarische Propaganda instrumentalisiert?

    Das Nibelungenlied war vor 1914 und vor 1938 als Schullektüre beliebt. Die politische Propaganda versuchte, alle bedeutenden Dichter in den Dienst der Kriegsbegeisterung zu stellen – das Nibelungenlied musste genau so wie Goethe und Schiller dafür herhalten, den Soldaten einzureden, dass Kriegerehre und unbedingte Gefolgschaftstreue überzeitlich moralisch höchste Werte seien. Das Nibelungenlied endet mit 10.000 Toten auf Seiten der Burgunden und ungezählten Toten auf der Seite ihrer Feinde; wenn man es so liest, dass ihr Verhalten und ihr Tod vorbildlich gewesen seien, kann das einen starken Propagandaeffekt ergeben, sein eigenes Leben der ‚Nation‘ in einem Krieg zu opfern. Das Nibelungenlied so zu lesen, ist allerdings ein beträchtliches Kunststück: Die Überlebenden weinen am Schluss; die Kriegerehre, nicht nur die Krieger, liegt tot da. Aber Propagandisten haben es immer fertig gebracht, Literatur selektiv zu lesen und das herauszustreichen, was in ihr Konzept passt.

    Nach dem Zweiten Weltkrieg galt das Nibelungenlied lange Zeit als Tabuthema. Hat sich das heute geändert?

    Ja, das hat sich geändert. Früher mussten bedeutende Dichtungen Schülern im Unterricht so vorgestellt werden, dass die Hauptfiguren als moralische Vorbilder dienen konnten. Bis 1918 und bis 1945 lebte man in einem Staat, der Wert auf Bürger als gehorsame Diener legte, die für die Staatsidee zu sterben bereit waren. Da musste Literatur so interpretiert werden, dass diese Seite an den Figuren zum Vorschein kam, auch wenn es im Werk anders zu lesen steht. Unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg war diese Interpretation noch im Bewusstsein der Menschen, und sie lehnten eine Diskussion des Werkes ab, weil sie glaubten, es übermittle tatsächlich solche Werte.

    Heute spielt Literaturunterricht in der politischen Erziehung eine geringe Rolle. Das eröffnet einerseits die Möglichkeit, unbelastet vom augenblicklich politisch opportunen Wertsystem das Wertesystem des betreffenden Werkes zu analysieren, anderseits hat es dazu geführt, dass viele Leute sich in der Schule und dadurch im Laufe des Lebens insgesamt weniger mit anspruchsvoller Literatur beschäftigen, die Interpretation braucht und die nicht als Trivialliteratur ohne Nachdenken konsumiert werden kann. Das heißt, die Themen, die das Nibelungenlied bringt, sind nicht tabu, und man darf sie aussprechen. Aber insgesamt wird es weniger gelesen als früher, und dadurch entgeht vielen die Gelegenheit, ein Werk kennenzulernen, das wie wenige andere Werke der Weltliteratur zu einer persönlichen Stellungnahme herausfordert.

    Die Übersetzung von Karl Simrock stammt aus dem 19. Jahrhundert und ist nach dem heutigen Stand der Wissenschaft kritisch zu sehen. Sie selbst haben 2005 eine Bearbeitung des Originaltextes mit Kommentar herausgegeben. Warum sind Neubearbeitungen des Nibelungenstoffes immer noch nötig?

    Die Übersetzung von Simrock ist in Versen. Durch den Zwang, Reimwörter zu finden, ist eine Übersetzung in Versen zwangsläufig in der Aussage weit vom Original entfernt. Der äußere Handlungszusammenhang wird korrekt geboten, aber gerade der ist ja bei einer erfundenen Geschichte nicht wesentlich. Dass die Geschichte nicht tatsächlich so verlief, wie das Epos sie schildert, wussten auch der Dichter und das Publikum.

    Die Übertragung Simrocks bringt zusätzlich viel von der Werthaltung seiner Zeit in das Werk hinein, daher wurde sie im 19. Jahrhundert so beliebt. Allerdings bemühte sich Simrock, für die Leser altertümlich zu wirken, und wählte gern Wörter, die schon zu seiner Zeit ausgestorben waren. Heute ist sie daher für Leser, die nicht im Lesen alter Texte geübt sind, schwer zu verstehen. Sie ist aber gerade dadurch, dass Simrock Gefühlswerte verändert, ein erstklassiges Zeugnis für alle die, die das 19. Jahrhundert verstehen wollen. Moderne Übersetzungen sind zurückhaltender in der Übermittlung ‚moderner‘ Gefühlswelt, aber dadurch werden sie langweilig. Durch die feinen Nuancen der Wortbedeutungen kann man leider nur, wenn man den Text in der Originalsprache liest, von den Gefühlen und Themen, die das Epos vermittelt, erfasst werden. Die Welt des Originals zu erschließen, habe ich mich in dreifacher Hinsicht bemüht:

    1. Durch die Publikation eines Textes, der der Haupthandschrift entspricht,

    2. Durch einen dieser Ausgabe beigegebenen Interpretationsteil, der auf die zentralen Themen des Epos eingeht,

    3. Durch ein ‚Nibelungenlied-Lehrwerk‘, das Interessierten die Möglichkeit gibt, die Sprache des Originals zu verstehen, damit man nicht auf eine, zwangsläufig verfälschende, Übersetzung angewiesen ist.

    Weiterführende Informationen

    Quellen

    Mittelhochdeutscher, bearbeiteter Text mit einer Einführung:

    Das Nibelungenlied. Nach der St. Gallener Handschrift, herausgegeben von Hermann Reichert, Berlin 2005.

    Gegenüberstellung des mittelhochdeutschen und neuhochdeutschen Texts:

    Das Nibelungenlied. Zweisprachig Mhd.-Nhd., herausgegeben und übertragen von Helmut De Boor, 4. Auflage, Leipzig 1992.

    Sekundärliteratur

    Sammelband zur Wirkung und Verarbeitung des Nibelungenlieds in den letzten zwei Jahrhunderten:

    Joachim Heinzle / Anneliese Waldschmidt (Hg.), Die Nibelungen: ein deutscher Wahn, ein deutscher Alptraum. Studien und Dokumente zur Rezeption des Nibelungenstoffs im 19. und 20. Jahrhundert, Frankfurt 1991.

    Wissenschaftlich gehaltene, umfassende Einführung zu Geschichte, Aufbau und Inhalt:

    Jan-Dirk Müller, Das Nibelungenlied, 3. neu bearbeitete und erweiterte Auflage, Berlin 2009.

    Filmografie:

    Stummfilmklassiker in zwei Teilen:

    Die Nibelungen, Regie: Fritz Lang (1924)

    Zweiteiliger, deutscher Spielfilm, inszeniert als romantisches Liebesdrama:

    Die Nibelungen, Regie: Harald Reinl (1967)

    TV-Film, der das Nibelungenlied mit der nordischen Sage und Wagners Ring der Nibelungen verknüpft:

    Der Ring der Nibelungen, Regie: Uli Edel (2004)

    Weblinks:

    Kommentierte Linkliste zum Nibelungenlied der Freien Universität Berlin:

    http://www.ub.fu-berlin.de/service_neu/internetquellen/fachinformation/germanistik/ autoren/autorn/nibel.html

    Website der Nibelungenliedgesellschaft Worms:

    http://www.nibelungenliedgesellschaft.de/

    Das Nibelungenlied

    Übersetzung: Karl Simrock

    Erstes Abenteuer

    Wie Kriemhilden träumte

    Viel Wunderdinge melden / die Mären alter Zeit

    Von preiswerten Helden, / von großer Kühnheit,

    Von Freud und Festlichkeiten, / von Weinen und von Klagen,

    Von kühner Recken Streiten / mögt ihr nun Wunder hören sagen.

    Es wuchs in Burgunden / solch edel Mägdelein,

    Daß in allen Landen / nichts Schönres mochte sein.

    Kriemhild war sie geheißen / und ward ein schönes Weib,

    Um die viel Degen mußten / verlieren Leben und Leib.

    Die Minnigliche lieben / brachte keinem Scham;

    Um die viel Recken warben, / niemand war ihr gram.

    Schön war ohne Maßen / die edle Maid zu schaun;

    Der Jungfrau höfsche Sitte / wär eine Zier allen Fraun.

    Es pflegten sie drei Könige / edel und reich,

    Gunther und Gernot, / die Recken ohne gleich,

    Und Geiselher der junge, / ein auserwählter Degen;

    Sie war ihre Schwester, / die Fürsten hatten sie zu pflegen.

    Die Herren waren milde, / dazu von hohem Stamm,

    Unmaßen kühn von Kräften, / die Recken lobesam.

    Nach den Burgunden / war ihr Land genannt;

    Sie schufen starke Wunder / noch seitdem in Etzels Land.

    Zu Worms am Rheine wohnten / die Herrn in ihrer Kraft.

    Von ihren Landen diente / viel stolze Ritterschaft

    Mit rühmlichen Ehren / all ihres Lebens Zeit,

    Bis jämmerlich sie starben / durch zweier edeln Frauen Streit.

    Ute hieß ihre Mutter, / die reiche Königin,

    Und Dankrat der Vater, / der ihnen zum Gewinn

    Das Erbe ließ im Tode, / vordem ein starker Mann,

    Der auch in seiner Jugend / großer Ehren viel gewann.

    Die drei Könige waren, / wie ich kund getan,

    Stark und hohen Mutes; / ihnen waren untertan

    Auch die besten Recken, / davon man hat gesagt,

    Von großer Kraft und Kühnheit, / in allen Streiten unverzagt.

    Das war von Tronje Hagen / und der Bruder sein,

    Dankwart der schnelle; / von Metz Herr Ortewein;

    Die beiden Markgrafen / Gere und Eckewart;

    Volker von Alzei, / an allen Kräften wohlbewahrt;

    Rumold der Küchenmeister, / ein teuerlicher Degen;

    Sindold und Hunold: / die Herren mußten pflegen

    Des Hofes und der Ehren, / den Köngen untertan.

    Noch hatten sie viel Recken, / die ich nicht alle nennen kann.

    Dankwart war Marschall; / so war der Neffe sein

    Truchseß des Königs, / von Metz Herr Ortewein.

    Sindold war Schenke, / ein weidlicher Degen,

    Und Kämmerer Hunold: / sie konnten hoher Ehren pflegen.

    Von des Hofes Ehre, / von ihrer weiten Kraft,

    Von ihrer hohen Würdigkeit / und von der Ritterschaft,

    Wie sie die Herren übten / mit Freuden all ihr Leben,

    Davon weiß wahrlich niemand / euch volle Kunde zu geben.

    In ihren hohen Ehren / träumte Kriemhilden,

    Sie zög einen Falken, / stark, schön und wilden;

    Den griffen ihr zwei Aare, / daß sie es mochte sehn.

    Ihr konnt auf dieser Erde / größer Leid nicht geschehn.

    Sie sagt' ihrer Mutter / den Traum, Frau Uten:

    Die wußt ihn nicht zu deuten / als so der guten:

    »Der Falke, den du ziehest, / das ist ein edler Mann:

    Ihn wolle Gott behüten, / sonst ist es bald um ihn getan.«

    »Was sagt ihr mir vom Manne, / viel liebe Mutter mein?

    Ohne Reckenminne / will ich immer sein;

    So schön will ich verbleiben / bis an meinen Tod,

    Daß ich von Mannes Minne / nie gewinnen möge Not.«

    »Verred es nicht so völlig,« / die Mutter sprach da so;

    »Sollst du je auf Erden / von Herzen werden froh,

    Das geschieht von Mannesminne: / du wirst ein schönes Weib,

    Will Gott dir noch vergönnen / eines guten Ritters Leib.«

    »Die Rede laßt bleiben, / viel liebe Mutter mein.

    Es hat an manchen Weiben / gelehrt der Augenschein,

    Wie Liebe mit Leide / am Ende gern lohnt:

    Ich will sie meiden beide, / so bleib ich sicher verschont.«

    Kriemhild in ihrem Mute / hielt sich von Minne frei.

    So lief noch der Guten / manch lieber Tag vorbei,

    Daß sie niemand wußte, / der ihr gefiel zum Mann,

    Bis sie doch mit Ehren / einen werten Recken gewann.

    Das war derselbe Falke, / den jener Traum ihr bot,

    Den ihr beschied die Mutter. / Ob seinem frühen Tod

    Den nächsten Anverwandten / wie gab sie blutgen Lohn!

    Durch dieses einen Sterben / starb noch mancher Mutter Sohn.

    Zweites Abenteuer

    Von Siegfrieden

    Da wuchs im Niederlande / eines edeln Königs Kind,

    Siegmund hieß sein Vater, / die Mutter Siegelind,

    In einer mächtgen Feste, / weithin wohlbekannt,

    Unten am Rheine; / Xanten war sie genannt.

    Ich sag euch von dem Degen, / wie so schön er ward,

    Er war vor allen Schanden / immer wohl bewahrt.

    Stark und hohen Namens / ward bald der kühne Mann;

    Hei! was er großer Ehren / auf dieser Erde gewann!

    Siegfried war geheißen / der edle Degen gut.

    Er erprobte viel der Recken / in hochbeherztem Mut.

    Seine Stärke führt' ihn / in manches fremde Land:

    Hei! was er schneller Degen / bei den Burgunden fand!

    Bevor der kühne Degen / voll erwuchs zum Mann,

    Da hat er solche Wunder / mit seiner Hand getan,

    Davon man immer wieder / singen mag und sagen:

    Wir müssen viel verschweigen / von ihm in heutigen Tagen.

    In seinen besten Zeiten / bei seinen jungen Tagen

    Mochte man viel Wunder / von Siegfrieden sagen,

    Wie Ehr an ihm erblühte, / und wie schön er war zu schaun:

    Drum dachten sein in Minne / viel der weidlichen Fraun.

    Man erzog ihn mit dem Fleiße, / wie ihm geziemend war;

    Was ihm Zucht und Sitte / der eigne Sinn gebar!

    Das ward noch eine Zierde / für seines Vaters Land,

    Daß man zu allen Dingen / ihn so recht herrlich fand.

    Er war nun so erwachsen, / mit an den Hof zu gehn.

    Die Leute sahn ihn gerne; / viel Fraun und Mädchen schön

    Wünschten wohl, er käme / dahin noch immerdar;

    Hold waren ihm gar viele, / des ward der Degen wohl gewahr.

    Selten ohne Hüter / man reiten ließ das Kind.

    Mit Kleidern hieß ihn zieren / seine Mutter Siegelind;

    Auch pflegten sein die Weisen, / denen Ehre war bekannt:

    Drum mocht er wohl gewinnen / so die Leute wie das Land.

    Nun war er in der Stärke, / daß er wohl Waffen trug:

    Was er dazu bedurfte, / des gab man ihm genug.

    Schon sann er zu werben / um manches schöne Kind;

    Die hätten wohl mit Ehren / den schönen Siegfried geminnt.

    Da ließ sein Vater Siegmund / kund tun seinem Lehn,

    Mit lieben Freunden woll er / ein Hofgelag begehn.

    Da brachte man die Märe / in andrer Könge Land.

    Den Heimischen und Gästen / gab er Roß und Gewand.

    Wen man finden mochte, / der nach der Eltern Art

    Ritter werden sollte, / die edeln Knappen zart

    Lud man nach dem Lande / zu der Lustbarkeit,

    Wo sie das Schwert empfingen / mit Siegfried zu gleicher Zeit.

    Man mochte Wunder sagen / von dem Hofgelag.

    Siegmund und Siegelind / gewannen an dem Tag

    Viel Ehre durch die Gaben, / die spendet' ihre Hand:

    Drum sah man viel der Fremden / zu ihnen reiten in das Land.

    Vierhundert Schwertdegen / sollten gekleidet sein

    Mit dem jungen Könige. / Manch schönes Mägdelein

    Sah man am Werk geschäftig; / ihm waren alle hold.

    Viel edle Steine legten / die Frauen da in das Gold,

    Die sie mit Borten wollten / auf die Kleider nähn

    Den stolzen jungen Recken; / daß mußte so ergehn.

    Der Wirt ließ Sitze bauen / für manchen kühnen Mann

    Zu der Sonnenwende, / wo Siegfried Ritters Stand gewann.

    Da ging zu einem Münster / mancher reiche Knecht

    Und viel der edeln Ritter. / Die Alten taten recht,

    Daß sie den Jungen dienten, / wie ihnen war geschehn.

    Sie hatten Kurzweile / und freuten sich es zu sehn.

    Als man da Gott zu Ehren / eine Messe sang,

    Da hub sich von den Leuten / ein gewaltiger Drang,

    Da sie zu Rittern wurden / dem Ritterbrauch gemäß

    Mit also hohen Ehren, / so leicht nicht wieder geschähs.

    Sie eilten, wo sie fanden / geschirrter Rosse viel.

    Da ward in Siegmunds Hofe / so laut das Ritterspiel,

    Daß man ertosen hörte / Pallas und Saal.

    Die hochbeherzten Degen / gewannen fröhlichen Schall.

    Von Alten und von Jungen / mancher Stoß erklang,

    Daß der Schäfte Brechen / in die Lüfte drang.

    Die Splitter sah man fliegen / bis zum Saal hinan.

    Die Kurzweile sahen / die Fraun und Männer mit an.

    Der Wirt bat es zu lassen. / Man zog die Rosse fort;

    Wohl sah man auch zerbrochen / viel starke Schilde dort

    Und viel der edeln Steine / auf das Gras gefällt

    Von des lichten Schildes Spangen: / die hatten Stöße zerschellt.

    Da setzten sich die Gäste, / wohin man ihnen riet,

    Zu Tisch, wo von Ermüdung / viel edle Kost sie schied

    Und Wein der allerbeste, / des man die Fülle trug.

    Den Heimischen und Fremden / bot man Ehren da genug.

    So viel sie Kurzweile / gefunden all den Tag,

    Das fahrende Gesinde / doch keiner Ruhe pflag:

    Sie dienten um die Gabe, / die man da reichlich fand;

    Ihr Lob ward zur Zierde / König Siegmunds ganzem Land.

    Da ließ der Fürst verleihen / Siegfried, den jungen Mann,

    Das Land und die Burgen, / wie sonst er selbst getan.

    Seinen Schwertgenossen / gab er mit milder Hand:

    So freute sie die Reise, / die sie geführt in das Land.

    Das Hofgelage währte / bis an den siebten Tag,

    Sieglind die reiche / der alten Sitte pflag,

    Daß sie dem Sohne zuliebe / verteilte rotes Gold:

    Sie konnt es wohl verdienen, / daß ihm die Leute waren hold.

    Da blieb zuletzt kein armer / Fahrender mehr im Land.

    Ihnen stoben Kleider / und Rosse von der Hand,

    Als hätten sie zu leben / nicht mehr denn einen Tag.

    Man sah nie Ingesinde, / das so großer Milde pflag.

    Mit preiswerten Ehren / zerging die Lustbarkeit.

    Man hörte wohl die Reichen / sagen nach der Zeit,

    Daß sie dem Jungen / gerne wären untertan;

    Das begehrte nicht Siegfried, / dieser weidliche Mann.

    Solange sie noch lebten, / Siegmund und Siegelind,

    Wollte nicht Krone tragen / der beiden liebes Kind;

    Doch wollt er herrlich wenden / alle die Gewalt,

    Die in den Landen fürchtete / der Degen kühn und wohlgestalt.

    Ihn durfte niemand schelten; / seit er die Waffen nahm,

    Pflag er der Ruh nur selten, / der Recke lobesam.

    Er suchte nur zu streiten, / und seine starke Hand

    Macht' ihn zu allen Zeiten / in fremden Reichen wohlbekannt.

    Drittes Abenteuer

    Wie Siegfried nach Worms kam

    Den Herrn beschwerte selten / irgendein Herzeleid.

    Er hörte Kunde sagen, / wie eine schöne Maid

    Bei den Burgunden wäre, / nach Wünschen wohlgetan,

    Von der er bald viel Freuden / und auch viel Leides gewann.

    Von ihrer hohen Schöne / vernahm man weit und breit,

    Und auch ihr Hochgemüte / ward zur selben Zeit

    Bei der Jungfrauen / den Helden oft bekannt:

    Das ladete der Gäste / viel in König Gunthers Land.

    So viel um ihre Minne / man Werbende sah,

    Kriemhild in ihrem Sinne / sprach dazu nicht ja,

    Daß sie einen wollte / zum geliebten Mann:

    Er war ihr noch gar fremde, / dem sie bald war untertan.

    Da sann auf hohe Minne / Sieglindens Kind;

    All der andern Werben / war wider ihn wie Wind.

    Er mochte wohl verdienen / ein Weib so auserwählt:

    Bald ward die edle Kriemhild / dem kühnen Siegfried vermählt.

    Ihm rieten seine Freunde / und die in seinem Lehn,

    Hab er stete Minne / sich zum Ziel ersehn,

    So soll' er werben, daß er sich / der Wahl nicht dürfe schämen.

    Da sprach der edle Siegfried: / »So will ich Kriemhilden nehmen,

    Die edle Königstochter / von Burgundenland,

    Um ihre große Schöne. / Das ist mir wohl bekannt,

    Kein Kaiser sei so mächtig, / hätt er zu frein im Sinn,

    Dem nicht zu minnen ziemte / diese reiche Königin.«

    Solche Märe hörte / der König Siegmund.

    Es sprachen seine Leute: / also ward ihm kund

    Seines Kindes Wille. / Es war ihm höchlich leid,

    Daß er werben wolle / um diese herrliche Maid.

    Es erfuhr es auch die Königin, / die edle Siegelind:

    Die mußte große Sorge / tragen um ihr Kind,

    Weil sie wohl Gunthern kannte / und die in seinem Heer;

    Die Werbung dem Degen / zu verleiden fliß man sich sehr.

    Da sprach der kühne Siegfried: / »Viel lieber Vater mein,

    Ohn edler Frauen Minne / wollt ich immer sein,

    Wenn ich nicht werben dürfte / nach Herzensliebe frei.«

    Was jemand reden mochte, / so blieb er immer dabei.

    »Ist dir nicht abzuraten,« / der König sprach da so,

    »So bin ich deines Willens / von ganzem Herzen froh

    Und will dirs fügen helfen, / so gut ich immer kann;

    Doch hat der König Gunther / manchen hochfährtigen Mann.

    Und wär es anders niemand / als Hagen der Degen,

    Der kann im Übermute / wohl der Hochfahrt pflegen,

    So daß ich sehr befürchte, / es mög uns werden leid,

    Wenn wir werben wollen / um diese herrliche Maid.«

    »Was mag uns gefährden?« / hub da Siegfried an:

    »Was ich mir im Guten / da nicht erbitten kann,

    Mag ich schon sonst erwerben / mit meiner starken Hand:

    Ich will von ihm erzwingen / so die Leute wie das Land.«

    »Leid ist mir deine Rede,« / sprach König Siegmund,

    »Denn würde diese Märe / dort am Rheine kund,

    Du dürftest nimmer reiten / in König Gunthers Land.

    Gunther

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