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Der Affe und das Mädchen: Eine ungewöhnliche "Liebesgeschichte" voller  exotischer Bilder und skurriler Abenteuer
Der Affe und das Mädchen: Eine ungewöhnliche "Liebesgeschichte" voller  exotischer Bilder und skurriler Abenteuer
Der Affe und das Mädchen: Eine ungewöhnliche "Liebesgeschichte" voller  exotischer Bilder und skurriler Abenteuer
eBook185 Seiten2 Stunden

Der Affe und das Mädchen: Eine ungewöhnliche "Liebesgeschichte" voller exotischer Bilder und skurriler Abenteuer

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Über dieses E-Book

Lisa, die sympathische Heldin, ist gerade sechzehn Jahre alt, als sie im Jahre 1700 gemeinsam mit ihren Stiefeltern von Europa aus nach Surinam aufbricht. Auf einer Zuckerrohrplantage erlebt sie, wie vierhundert Sklaven mit brutaler Gewalt im Zaum gehalten werden und ihre Stiefeltern sich in einem egoistischen Leben einrichten, in dem eigentlich kein Platz für sie ist.

Doch Lisa besitzt eine Gabe, die ihr die neue Heimat nicht zum Albtraum werden läßt. Sie entdeckt eine großartige Welt voller Naturwunder, die im nahen Dschungel auf sie warten. Während ihrer Ausflüge in die tropische Zauberlandschaft macht sie die Bekanntschaft eines Affen. Der Affe ist alt und einsam und durch Lisas affenähnliche Gestalt fühlt er sich zu ihr hingezogen. Er betrachtet sie als "seine Äffin" und duldet nicht, daß man sie ihm wegnehmen will.

Für einige Menschen wird das Erscheinen des Affen zur Katastrophe, vor allem für Lisas Verehrer, für die sie nur Verachtung empfindet. Sie bezahlen ihre besitzergreifende Leidenschaft mit dem Leben und Lisa fragt sich, ob der Affe tatsächlich nur ein "dummes" Instinktwesen ist und wo eigentlich die Grenze zwischen dem Kosmos der Tiere und der Welt der Menschen verläuft ...
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum18. Aug. 2015
ISBN9783869922478
Der Affe und das Mädchen: Eine ungewöhnliche "Liebesgeschichte" voller  exotischer Bilder und skurriler Abenteuer

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    Buchvorschau

    Der Affe und das Mädchen - Wolf Richard Günzel

    Mädchen

    Wolf Richard Günzel

    Der Affe

    und das Mädchen

    AtheneMedia

    Teil I

    HAGSTADT

    ANNO DOMINI 1699

    1

    Am 31. August 1699 wurde vor der Basilika St. Katharina zu Hagstadt eine neununddreißigjährige Frau auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Ihr Name war Anna Griesheim, und ihr Verbrechen bestand darin, daß sie das Ungeziefer, das alles vom Menschen Gemachte bedrohte, auf ketzerische Weise liebte und verehrte.

    Alles Tierische sprach zu dieser Zeit eine eigene, scheußliche und übermächtige Sprache. Von den Wäldern aus beobachteten Wölfe die Menschen in der Stadt und nur die Steinmauer, die man errichtet hatte, zwang sie zur Rückkehr ins Dickicht. Andere Tiere setzten sich ohne Verstand und Vernunft über die Grenze zur Welt der Menschen hinweg. Sie verwandelten das Gebälk ihrer Häuser in weißes Holzmehl und ließen sie zusammenbrechen. Motten zerfraßen teure Pelze. Maden krochen durch Käse und Schinken. Mäuse bevölkerten die Kornkammern. Ratten hausten in den Vorratskellern. In den Gassen der Stadt trat man auf eklige Kröten und anderes Gekröse. Kopfläuse und Flöhe quälten die Menschen und in ihren Abfällen hausten resistente Bakterien und verbreiteten einen abscheulichen Gestank.

    2

    Als man Anna Griesheim aus dem Kerker holte und zum Scheiterhaufen führte, kreisten schwarze Vögel über den Zinnen der Basilika, und der Menschengeruch, den der Wind an sie herantrug, war für sie neu und verwirrend. Er enthielt Botschaften über beginnendes oder verfallendes Leben. Er informierte sie über die Nahrungsvorräte in den Speisekammern der Menschen, über ihre Küchenabfälle und Fäkalien. Er erzählte ihnen von ihrer Furcht, von ihren Schwächen und Begierden.

    Anna Griesheim war an den Händen gefesselt, und sie wünschte sich, daß alles schon vorüber wäre, denn sie sah sich von einer Menschenmenge umgeben, die darauf lauerte, daß sie ein Fraß der Flammen wurde. Mit wollüstigen Blicken standen die Gaffer vor dem Scheiterhaufen; der ganze Kirchplatz war überfüllt mit ihnen. Die hinteren stellten sich auf die Zehenspitzen, um über die Köpfe derer, die vor ihnen standen, hinwegzusehen: biedere Handwerksmeister mit ihren Frauen und Gesellen, Knechte und Mägde, Botenjungen, Huren; und Bettler und sogar der Bischof war gekommen, um dem Schauspiel beizuwohnen.

    Als man sie mit Stricken am Scheiterhaufen festgebunden hatte, richtete sie ihren Blick zum Himmel und ein kleiner Schillerfalter landete auf ihrem Gesicht. Er saugte an den salzigen Schweißperlen, die sich auf ihrer Stirn gebildet hatten, und sie rief den Gaffern zu: „Seht diesen herrlichen Schmetterling. Er kennt die Tücken und Grausamkeiten der Menschen nicht und ist gekommen, um mich zu trösten und uns mit seinem Anblick zu erfreuen."

    Im Kirchturm läuteten die Glocken und als das Glockengeläut verstummte, hörte man Trommelwirbel und Säbelrasseln und es erklang eine heilige Hymne, mannhaft gesungen von einer Handvoll Offizieren, die sich dem Kirchplatz mit schmissigen Paradeschritten näherten. Dann wurde es so still, daß man das Summen der Fliegen und Bremsen hören konnte und man sah einen Mann mit schwarzem Gehrock und Zylinder über den Kirchplatz huschen.

    Der Bischof hatte seine Kutsche so postieren lassen, daß es nur noch ein paar Schritte bis zum Scheiterhaufen waren und neben ihm auf der roten Samtbank lag das Werk dieser Frau: ein widerwärtiges Pamphlet, das zwar nicht Gott selbst, aber seine Schöpfungsakte bösartig und radikal infrage stellte. Und das Schlimmste daran war, daß diese Frau das höllische Talent besaß, mit Worten umzugehen. Alles, was aus ihrem kleinen Kopf heraus sickerte und sie zu Papier brachte, triefte vor Spott und Hohn für alles Gottgegebene und Gottgewollte. Doch am Ende las es sich so, wie eine fundamentale, durch nichts zu erschütternde Wahrheit, und wahrscheinlich hatte ihr der Teufel persönlich die Feder geführt.

    Der Bischof beugte sich aus dem Fenster und schenkte den Menschen, die auf dem Kirchplatz standen und zu ihm aufblickten, ein freundliches Lächeln. Dann deutete er mit der Hand ein Kreuzzeichen an und zog sich in die Kutsche zurück. Sein Sekretär hatte jetzt das Pamphlet der Ketzerin in der Hand und blätterte darin herum. Der Bischof legte den Kopf in den Nacken und sagte: „Dieses Weib hat die Hölle gesucht und gefunden. Gehen Sie nach draußen, Rufus, und zünden Sie den Scheiterhaufen an. Das Volk wartet schon voller Ungeduld. Die Welt hat bisher recht gut ohne Individuen wie sie leben können. Sie und ihr aufwieglerisches Werk, das ekelerregendes Ungeziefer zur Krone der Gottesschöpfung erhebt und damit seine Ehre auf scheußliche Weise befleckt, soll ihn nicht länger stören. Und wenn wir sie und ihr ekles Pamphlet an dieser Stelle verbrennen, können wir unser Tun mit einer gewissen Heiterkeit betrachten, denn Gott im Himmel schaut uns zu. Er ist beeindruckt von der Vernunft seiner Menschenkinder, weil sie sich gegen jene wenden, die meinen, seine Schöpfungsakte seien variabel und ganz kleine Tierchen über das Größte, was er erschaffen hat, den Menschen, stellen wollen."

    Der Schein des Feuers schimmerte auf den Mauern und Zinnen der Kathedrale wie Gold. Als die Flammen das Kleid der Ketzerin erfaßten, warf sie ihren Kopf in den Nacken, und jetzt drehte sich der Wind. Der Bischof hielt sich ein Schnupftuch vor die Nase und die Menschen auf dem Kirchplatz verzogen die Gesichter, denn sie rochen ein scheußliches Geruchsgemisch von verbranntem Holz und Haar und etwas ähnlichem wie angebrannter Schweineschwarte.

    3

    Anna Griesheim war Apothekerin, Ehefrau und Mutter einer Tochter, und außerdem interessierte sie sich leidenschaftlich für die Natur und ihre Geheimnisse. Es war ihr größtes Vergnügen, durch Wälder und Wiesen zu streifen, Spinnen, Ameisen und Spechten bei ihrer Arbeit zuzusehen, den Duft der Blumen zu riechen und dem Gesang der Vögel zu lauschen. Sie war fasziniert von den unglaublichen Wundern, die sie mit eigenen Augen sah: Aus häßlichen Puppen entstiegen strahlend schöne Schmetterlinge. Wasserläufer flitzten, ohne einzusinken, über die Wasseroberfläche eines Sees. Ein kleiner Vogel durchbrach die Schale eines Eies, um dann die Welt mit einem dünnen Piepsen von seiner Existenz zu unterrichten.

    Wahrscheinlich wäre diese kleine unscheinbare Frau eines Tages still und ohne jedes Spektakel gestorben, wenn sie ihre Erkenntnisse für sich behalten hätte. Doch sie begann aufzuschreiben und zu malen, was sie draußen in der Natur erlebte. Ihre Naturbeschreibungen und -zeichnungen hatten im Laufe der Jahre einen stattlichen Umfang von etwa fünfhundert Seiten erreicht, und fast alles, was man dort lesen oder sehen konnte, war in der damaligen Zeit noch völlig unbekannt. Deshalb schickte Anna Griesheim ihr Manuskript an die zoologische Fakultät in Hagstadt und dort kam es in die Hände des stellvertretenden Fakultätsdirektors Dr. Meyerdiercks. Meyerdiercks begann es zu lesen und konnte nicht mehr aufhören. Nach Einbruch der Dunkelheit zündete er Kerzen an und las weiter und als in St. Katharina die Mitternachtsstunde schlug, war er mit seiner Lektüre fertig. Er schloß die Augen, sah durchs Fenster schräg nach oben auf den nächtlichen Sternenhimmel und war überzeugt, daß dieses Manuskript auf seinem Schreibtisch von einer Seltenheit und Kostbarkeit war, wie er sie nie wieder in seinen Händen halten würde. Was diese Frau bei ihren mühseligen Feldforschungen herausgefunden hatte, waren bisher völlig unbekannte, epochale Entdeckungen. Allein, wenn man die handwerklichen Fähigkeiten von Kleintieren betrachtet, kann einen der blanke Neid überfallen, dachte Meyerdiercks. Sie können nähen, ohne Nadel und Faden zu benutzen. Sie weben hauchdünne Seidenfasern, die der Mensch nicht annähernd so fein und haltbar herstellen kann. Sie verfügen über Klebstoffe, die denen des Menschen an Haltbarkeit bei Weitem überlegen sind und ... – er begann in seiner Schreibtischschublade nach einer neuen Kerze zu kramen, weil die alte vor ihm gerade auszugehen drohte – ...sie brauchen keine Zündhölzer oder stinkenden Kerzen wie wir, um Licht zu machen. Leuchtkäfer knipsen mir nichts dir nichts ein Lämpchen an, können damit sogar durch die Luft fliegen, und kein Wind kann es ausblasen. Ist das nicht einfach wunderbar?

    So etwas durfte der Welt nicht vorenthalten bleiben. So etwas wußte selbst der gescheiteste Zoologe nicht, und woher denn auch? Der moderne Gelehrte lief ja nicht etwa mit Botanisiertrommel und Schmetterlingsnetz durch die Gegend, um eigene Feldforschungen zu betreiben. In der Regel saß er mit glühenden Augen hinter seinem Schreibtisch und schrieb das, was er später der Öffentlichkeit als sein ureigenes Werk präsentierte, von anderen modernen Gelehrten ab. Dabei mußte er natürlich vertuschen, daß er von anderen abgeschrieben hatte und deshalb suchte er nach gescheiteren Formulierungen wie sein armer Kollege, den er gerade um sein geistiges Eigentum beraubte, und was dabei herauskam, war die übliche Katastrophe, die Meyerdiercks hier Tag für Tag in seinen Händen hielt. Stapel von solchen zusammengestoppelten Plagiaten standen um ihn herum. Regale und ganze Bibliotheken waren damit gefüllt. Und jeder dieser Schreiberlinge war natürlich ein Genie! Ein ganz heller Kopf, wie dieser Dr. Kleist, Direktor dieser Fakultät und Meyerdiercks Vorgesetzter. Als der alte Fakultätsdirektor vor drei Jahren pensioniert wurde, hatte sich Meyerdiercks berechtigte Hoffnungen auf diesen Posten gemacht. Immerhin war er schon fast sechzig Jahre alt, anerkannter Wissenschaftler und in gewissem Sinne sogar zoologischer Pionier, denn er hatte entdeckt, daß die Große Stubenfliege Musca domestica kleine Saugnäpfe an ihren Füßen besitzt, mit denen es ihr mühelos gelingt, an einer Fensterscheibe hinaufzuwandern.

    Kleist hatte noch nie etwas entdeckt. Allerdings hatte ein atemberaubendes Bändchen über das Paarungsverhalten der Erdkröte bufo bufo veröffentlicht, in dem Sätze wie dieser standen: „Die geschlechtliche Vereinigung von bufo bufo ist ein derartig ekliger, von purer Geilheit und Gier bestimmter Vorgang, daß es uns zivilisierte Menschen grausen muß, ihn anzusehen. Ich habe Verständnis für jene empfindsamen Männer und Frauen, die angesichts dieses barbarischen Verhaltens den Wunsch verspüren, dieses glotzäugige, runzlige und überaus häßliche Getier mit ihrer Schuhsohle zu zertreten."

    Wegen dieses Werkes hatte man Kleist natürlich nicht zum Institutsdirektor gemacht. Aber er war Mitglied in einem Gremium von Gelehrten, das die Kirche und den Bischof in Ethik- und Moralfragen vom Standpunkt der modernen Wissenschaft her beriet, und der Bischof hatte sich für ihn verwendet, als es um die Vergabe dieser Stelle ging. Für Meyerdiercks war das eine extrem häßliche Erniedrigung gewesen, an der er heute noch herumkaute. Er betrachtete noch einmal das Manuskript auf seinem Schreibtisch, das den Titel „Die Wunderwelt der Insekten" trug. Ich will mich für diese Frau verwenden, dachte er. Ich will ihr behilflich sein, einen Verleger zu finden. Nur mein Vorgesetzter, Dr. Kleist, soll davon nichts erfahren, weil er ein ausgemachter Schwachkopf ist.

    Meyerdiercks war so verzaubert von diesem Manuskript, daß er vergaß, es in seinem Schreibtisch einzuschließen, als er spät nach Mitternacht die Fakultät verließ. Dummerweise war Dr. Kleist am nächsten Morgen sehr viel früher in der Fakultät als sein Stellvertreter Dr. Meyerdiercks. Und Kleist hatte in dieser Nacht einen Alptraum gehabt, in dem man ihm vor einem erlauchten Gremium von Gelehrten die Schädeldecke abgehoben hatte, um nach seiner Intelligenz und Weisheit zu suchen. Aber was sich da präsentierte, war ein sehr häßlicher Anblick gewesen, denn durch die Spiralwindungen in seinem Gehirn floß nicht etwa flüssiges Gold. Sie waren vielmehr durch eine graue Masse verklebt, die auf eine fortschreitende Verwirrung schließen ließ. Demzufolge betrat Dr. Kleist die Fakultät an diesen Morgen nicht nur mit einer leichten Gemütsverdüsterung. Als er das Büro seines Stellvertreters Meyerdiercks betrat, sah das Manuskript auf dessen Schreibtisch und nahm es an sich. Wie immer, wenn er die Werke anderer begutachtete, saß er jetzt mit kritisch gerunzelter Stirn hinter seinem Schreibtisch und blätterte in „Die Wunderwelt der Insekten herum. Hin und wieder wackelte er mit dem Kopf. Dann murmelte er: „Da behauptet diese Dilettantin ernsthaft, am Kopf einer Wasserjungfer befänden sich tausende winzige Augen, mit denen dieses Tierchen gleichzeitig nach vorn, zur Seite und nach hinten blicken könne. Ohne dabei den Kopf zu drehen, wie sie meint ... Diese selbsterkorene Wissenschaftlerin hat eine beneidenswerte Phantasie.

    Dann war es Kleist, als wehe durch die Spiralwindungen in seinem Hirn plötzlich ein reinigender Luftstrom und gleichzeitig verspürte einen eisigen Zug im Nacken, als habe jemand die Tür aufgerissen. Er fegte sich die Perücke vom Schädel, denn er hatte das Gefühl zu schwitzen, und als Meyerdiercks, der eben eingetroffen war, zaghaft an seine Tür klopfte und sie dann, als sein Klopfen nicht erhört wurde, einen Spalt breit öffnete, bot sich ihm ein deprimierendes Bild: Sein Vorgesetzter saß mit kahlem Schädel und blaß wie eine Leiche über das Manuskript gebeugt. Kleist warf seinem Stellvertreter einen kurzen, gehässigen Blick zu und zischelte: „Wollten Sie mir dieses Machwerk etwa vorenthalten, Meyerdiercks? Bin ich Ihnen zu verstaubt, zu wenig progressiv, nicht mit der nötigen Phantasie begabt oder gar zu schwachsinnig für eine solche Lektüre? Hatten Sie gar die Absicht, es hinter meinem Rücken an die Öffentlichkeit zu bringen? Ich traue es Ihnen zu, Meyerdiercks! Sie fühlen sich der neuen Zeit verpflichtet, lauern auf meine Ablösung, weil Sie mich für einen altmodischen Trottel halten. Sie hegen Sympathien für Individuen wie diese Frau, die ohne einem wissenschaftlichen, ästhetischen oder gar moralischen Prinzip zu folgen, an allem herummäkeln und alles in Frage stellen, was seit ewig Bestand hat: Gott und der heilige Vater, der ihn auf Erden vertritt, die gottgewollte Monarchie, ja, unsere gesamte Weltordnung überhaupt, um es ganz kurz zu machen. Das Phantasieprodukt dieser Närrin trieft vor Blasphemie und Menschenverachtung! Ich bin angewidert, zutiefst angewidert, Meyerdierks!"

    Meyerdiercks machte nicht den Versuch einer Auflehnung und ging still in sein Büro. Dort spießte er eine Mistkäferleiche mit einer Silbernadel auf und steckte sie auf eine rote Samttafel mit anderen Käferpräparaten.

    Gegen Mittag verließ Dr. Kleist die Fakultät. Er hatte „Die Wunderwelt der Insekten" in einer Tasche verstaut, die er sich von einem Bediensteten hinterher tragen ließ. Eine

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