Homo Sapiens 404 Band 1: Und dann töten sie
Von Claudia Kern
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Über dieses E-Book
Die Crew des Raumschiffes Mishima verdient sich ihren Lebensunterhalt mit dem Ausschlachten alter Schiffswracks. Als sie auf ein großes, scheinbar verlassenes Postschiff stoßen, glauben sie, endlich den Jackpot getroffen zu haben. Mit der Fracht, die sich in der T. S. Eliot befindet, könnten sie auf Jahre hinaus im Wohlstand leben, doch zwischen ihnen und diesem Schatz liegen lange, dunkle Gänge voll unheimlicher Gegner- und die Erkenntnis, dass die Eliot ein Geheimnis verbirgt.
Über die Serie:
Einige Jahrzehnte in der Zukunft: Dank außerirdischer Technologie hat die Menschheit den Sprung zu den Sternen geschafft und das Sonnensystem kolonisiert. Doch die Reise endet in einer Katastrophe. Auf der Erde bricht ein Virus aus, der Menschen in mordgierige Zombies verwandelt.
Daraufhin riegeln die Außerirdischen das Sonnensystem ab und überlassen die Menschen dort ihrem Schicksal. Die, die entkommen konnten, werden zu Nomaden in einem ihnen fremden Universum, verachtet und gedemütigt von den Außerirdischen, ohne Ziel, ohne Hoffnung.
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Buchvorschau
Homo Sapiens 404 Band 1 - Claudia Kern
willkommen.
1
Sonnenstrahlen blitzten durch ein grünes Blätterdach. Kipling sah nach oben und erinnerte sich an die Wärme, die einst in ihnen gelegen hatte. Wenn er sich konzentrierte, konnte er sie beinahe spüren. Er sah an sich herab. Er stand mit nackten Füßen in Moos, trug nur einen Schottenrock und zwei gekreuzte lederne Munitionsgürtel über der Brust. Der Revolver an seiner Hüfte schwang bei jedem Schritt hin und her.
Interessant, dachte Kipling.
Er hörte die Frau, bevor er sie sah. Ihr Schluchzen hallte durch den Wald. Der Pfeil in seinem HUD schwang herum wie die Nadel eines Kompasses, dann zeigte er auf einen Weg, der sich zwischen zu grünen Laubbäumen hindurchwand. Kipling folgte ihm einige Minuten, bis er den Rand einer Lichtung erreichte. Darauf stand eine Frau, den Rücken an den Stamm einer großen Eiche gepresst, die Arme abwehrend ausgestreckt. Sie schluchzte laut.
Die drei Männer, die sie lauernd wie Raubtiere umkreisten, grinsten. Einer machte eine offenkundig anzügliche Bemerkung in einer Sprache, die Kipling nicht verstand. Die beiden anderen Männer lachten laut, und einer klopfte ihm auf die Schulter. Alle drei trugen speckige Lederkleidung, waren unrasiert und ungewaschen. Verrostete Schwerter und Dolche steckten in ihren Gürteln. An einem Baum lehnte eine altertümliche Muskete neben verdreckten Decken und den Überresten eines Lagerfeuers.
Kipling trat auf die Lichtung. Die Perlen, die er in seinen Bart und seine langen Haare geflochten hatte, klimperten. Die Männer wandten ihm den Rücken zu und bemerkten ihn nicht, doch die Augen der Frau weiteten sich. Ihr Blick war stumpf, aber er bildete sich ein, Hoffnung darin zu erkennen. Das half.
Er legte die Hand auf den Griff seines Revolvers und stieß einen schrillen Pfiff aus. Die Männer fuhren herum. Zwei griffen nach ihren Schwertern, der dritte lief auf die Muskete zu. Kipling fegte ihn mit einem Schuss von den Beinen. Aus den Augenwinkeln sah er die beiden anderen auf sich zulaufen, die rostigen Schwerter hoch über die Köpfe erhoben.
Scheiße. Kipling machte einen Satz zur Seite. Haarscharf glitt eine der beiden schartigen Klingen an seiner Schulter vorbei. Er holte aus, rammte dem Kerl den Pistolengriff ins Gesicht und sprang zurück. Ein Schuss. Der Mann schrie und stürzte.
Der dritte ließ das Schwert fallen, schlug einen Haken, um aus der Schusslinie zu gelangen, und lief auf den Waldrand zu. Kipling zielte und schoss ihm in den Hinterkopf.
Es spritzte kein Blut, der Mann wurde nur nach vorn gerissen und verschwand im hohen Gras.
Kipling steckte den Revolver zurück ins Holster. An die beiden anderen Männer verschwendete er keinen Gedanken mehr. Er wusste, dass sie tot waren, denn er schoss nie vorbei.
Die Frau fiel auf die Knie. »Danke, Fremder«, stieß sie hervor. »Ohne Euch hätten diese Räuber mir Schreckliches angetan.«
Sie sprach mit russischem Akzent, obwohl sie die vollen Lippen, die braune Haut und das dichte schwarze Haar einer Südamerikanerin hatte.
Kleinigkeiten, dachte Kipling. Er blieb vor der Frau stehen. Ihr geblümtes Kleid war an einigen Stellen zerrissen, und er sah, dass sie nichts anderes trug, keinen BH, keine Unterwäsche.
»Wie kann ich Euch jemals dafür danken?«, fragte sie.
Eine Antwort war nicht nötig. Sie wusste auch so, was von ihr erwartet wurde. Auf Knien rutschte sie näher an ihn heran, legte ihre Hände auf seine Beine und schob den Schottenrock langsam nach oben. Darunter war er traditionell schottisch gekleidet. Kipling wünschte, er hätte die Berührungen spüren können.
»Darf ich heute noch mit einer Antwort auf meine Frage rechnen, Mister Jonnessey?« Die schneidend scharfe Stimme hallte über die Lichtung. Sie schien von überall her zu kommen, aus den Wäldern, durch die der Wind in AC3 rauschte, aus den Wolken, die über einen #2F7999-blauen Himmel zogen, sogar aus dem Mund der mit russischem Akzent programmierten, dreidimensional gerenderten Südamerikanerin. Etwas Göttliches lag darin.
Kipling schaltete die Simulation mit einem Zwinkern aus. Frau und Landschaft verblassten und wurden von einem grauschwarzen, spitz zulaufenden Raum ersetzt, dem Cockpit des leichten Aufklärers Mishima. Sie saßen zu fünft darin, obwohl das Cockpit nur für drei Personen konzipiert war. Die beiden anderen Sessel hatten sie am Boden verschweißt. Man musste sich an ihnen vorbei quetschen, wenn man die Spitze des Raums, dort, wo sich der Platz des Piloten und die beiden schräg angebrachten Bildschirme befanden, erreichen wollte. Zum Glück musste das in der Regel nur die zierliche Rin Takahashi und Kipling nur gelegentlich, wenn einer der Bildschirme wieder einmal nicht funktionierte.
Er rückte die V-Specs, seine Virtual-Reality-Brille, zurecht und räusperte sich. »Wie lautete die Frage noch mal?«
Rin Takahashis Pilotensessel schwang mechanisch surrend herum. »Auf was genau fliegen wir zu?«
»Oh, die Frage. Klar.«
Arnest lachte laut und dröhnend. Er war ein Klotz von einem Mann, mit kurz geschorenem hellblonden Haar und Muskeln, die sich wie prall gefüllte Luftballons unter seinem schwarzen T-Shirt abzeichneten. Er saß auf einem der beiden festgeschweißten Sessel weit weg von den Konsolen und Armaturen. Niemand wollte, dass er etwas anfasste, das mehr Feingefühl erforderte als ein Vorschlaghammer. »Hast du wieder Porn geguckt?«
Kipling spürte, wie seine Wangen heiß wurden. Er ignorierte die Frage und rieb Daumen und Zeigefinger zusammen. Die Sensoren, die er sich in die Fingerspitzen hatte implantieren lassen, interpretierten die Geste korrekt und warfen das im Hintergrund laufende Scanprogramm auf das Display der V-Specs.
»Auf eine Reihe von Objekten zu, mehrere Dutzend kleine und ein sehr großes«, sagte er mit Blick auf die Daten, »aber viel mehr kann ich dir erst verraten, wenn wir näher herangekommen sind.«
»Hast du ihr die gleiche Antwort nicht schon vor zehn Minuten gegeben?«, fragte Lanzo, der an der Waffenstation saß. Er war Arnests Bruder, was jedoch niemand vermutet hätte. Sein drahtiger, sehniger Körper wirkte wie der eines Marathonläufers, nicht wie der eines Schlägers. Einmal im Monat ließ er seine sorgsam gestutzten braunen Haare von Bordarzt Jourdain nachschneiden. Trotz der beengten Räumlichkeiten und dem Umstand, dass es nur ein Bad gab, war Lanzos Kleidung immer sauber und gebügelt. Wie sein Bruder trug er ausschließlich Schwarz, doch im Gegensatz zu dem sah man seinen Hemden nicht an, was er in der letzten Woche gegessen hatte.
Kipling zuckte mit den Schultern. »Die Scanner waren schon vor Omega alt, mittlerweile sind sie uralt. Ihre Reichweite ist begrenzt.«
Omega, das war einer der Begriffe, die hängen geblieben waren, auch wenn niemand genau sagen konnte, weshalb. Apokalypse, Untergang, Armaggeddon - all das wäre präziser gewesen,