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DSA 78: Den Göttern versprochen: Das Schwarze Auge Roman Nr. 78
DSA 78: Den Göttern versprochen: Das Schwarze Auge Roman Nr. 78
DSA 78: Den Göttern versprochen: Das Schwarze Auge Roman Nr. 78
eBook279 Seiten3 Stunden

DSA 78: Den Göttern versprochen: Das Schwarze Auge Roman Nr. 78

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Über dieses E-Book

Unvermutet in einen Strudel aus erschreckenden Visionen und heimtückischen Intrigen stürzend, muss die junge Heilerin Lycadia versuchen, das Geheimnis ihrer Herkunft zu lösen, bevor sie als Menschenopfer für eine seelenverschlingende Gottheit aus düsterer Vergangenheit endet. Aber kann sie sich auf ihre Gefährten in diesem Streit wirklich verlassen - auf den desertierten Myrmidonen Valorian, ihre katzenhafte Freundin RaoRi, oder auf Rishuran, den väterlichen Freund ihrer Ziehmutter? Und wie werden die Optimaten des Imperiums reagieren, falls es ihr nicht gelingt, ihre verbotenen Zauberkräfte in diesem Kampf um Leben und Tod geheimzuhalten? Einem ungleichen Kampf zwischen einer jungen Frau, die nach Antworten sucht, und der Sekte der Göttin des kalten Lichts. Oder wird sie Erijschu holen, noch bevor sie ihr Ziel erreichen kann - der gespenstische Kinderschreck aus den Tiefen des Meeres, der doch mehr zu sein scheint als eine Legende?
SpracheDeutsch
HerausgeberUlisses Spiele
Erscheinungsdatum30. Apr. 2015
ISBN9783868898859
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    Buchvorschau

    DSA 78 - Ulisses Spiele

    Charlotte Engmann

    Den Göttern versprochen

    Ein Roman in der Welt von

    Das Schwarze Auge©

    Originalausgabe

    Impressum

    Ulisses Spiele

    Band 78

    E-Book-Gestaltung: Nadine Hoffmann

    Copyright © 2014 by Ulisses Spiele GmbH, Waldems.DAS SCHWARZE AUGE, AVENTURIEN, DERE, MYRANOR, RIESLAND, THARUN und UTHURIA sind eingetragene Marken der Significant GbR.

    Titel und Inhalte dieses Werkes sind urheberrechtlich geschützt.

    Der Nachdruck, auch auszugsweise, die Bearbeitung, Verarbeitung, Verbreitung und Vervielfältigung des Werkes in jedweder Form, insbesondere die Vervielfältigung auf photomechanischem, elektronischem oder ähnlichem Weg, sind nur mit schriftlicher Genehmigung der Ulisses Spiele GmbH, Waldems, gestattet.

    Print-ISBN 3-89064-579-8

    E-Book-ISBN 9783868898859

    ...für meine Eltern und Renate, Verena,Rolf und Christei, Alex und vor allem für Linda, weil ich weiß, was sie tut.

    1. Kapitel

    Lycadia erwachte schlagartig. Ein Albdruck lastete auf ihrer Brust. Das Gefühl der Einsamkeit schnürte ihr die Luft ab. Sie spürte, der Tod stand vor der Tür,bereit, über die Schwelle zu treten.

    Die junge Heilerin atmete tief durch, um den Schrecken zu vertreiben. Sie wusste, ihre Empfindungen entsprangen einem Albtraum, der sie seit ihren Kindertagen immer wieder heimsuchte. Zumindest nahm sie an, dass es stets der gleiche bedrückende Traum war, denn die Erinnerung verflüchtigte sich, sobald sie die Augen aufschlug. Nur der Drang, den Tod zu bekämpfen, blieb zurück und trieb sie an, ihren Patienten mit all ihrer Kraft zu helfen.

    Ein hartes Klopfen an der Eingangstür schreckte sie auf. »Heilerin?«, rief eine gehetzt klingende Frauenstimme. »Heilerin!«

    »Einen Moment!« Lycadia tastete sich zum Fenster, schob den Riegel zurück und öffnete den hölzernen Laden, um auf die nächtliche Straße vor ihrer Wohnung zu schauen. »Wer ist da?«

    »Bitte, Heilerin. Wir brauchen Eure Hilfe.« Eine Frau kam von der Eingangstür unter das Fenster. Sie hob die Laterne, so dass Lycadia ihr Gesicht sehen konnte. »Mein Kamerad ist schwer verletzt. Er wird sterben, wenn Ihr ihm nicht helft.«

    Lycadia zögerte. Es war nicht ungewöhnlich, dass jemand nachts an die Türe klopfte und um Hilfe bat. Früher war ihre Ziehmutter,die Heilzauberin Dha´veru, an das betreffende Krankenlager geeilt, aber mit dem Ende ihrer Ausbildung hatte Lycadia diese Pflicht übernommen.

    Doch irgendetwas stimmte nicht mit der Bitte dieser Fremden. Ein verletzter Kamerad, das klang nach einem Soldaten der Stadtgarde oder der imperialen Streitkräfte - und die hatten ihre eigenen Heiler. Warum also kam die Frau zu ihr?

    Aufmerksam musterte Lycadia die Fremde. Offensichtlich war sie eine Kämpferin, denn sie trug eine feste Ledertunika zu ihrem Schutz, sowie Schwert und Dolch an ihrem Gürtel. Ein Abzeichen, das ihre Einheit verraten hätte, fehlte jedoch.

    »Wie heißt du?«, erkundigte sich Lycadia vorsichtig. »Und wo befindet sich dein Kamerad?«

    »Ich bin Shiniope. Wir haben ein Quartier im Goldenen Luftwal

    Lycadia zog die Augenbrauen zusammen. Die Kämpferin sah nicht aus, als könne sie sich ein Zimmer in einem so vornehmen Gasthaus wie dem Luftwal leisten. Vielleicht ist sie die Leibwächterin eines reichen Händlers, überlegte Lycadia. Oder sie und ihr Kamerad wurden als Wachen angeheuert, um die Gäste und ihr Gut zu schützen. Mit diesen Gedanken zufrieden beschied sie Shiniope: »Ich komme.«

    Sie schloss das Fenster und schlüpfte aus dem Nachthemd. Rasch zog sie sich an und nahm den Mantel aus Varkenwolle, der sie vor der Kühle der Nacht schützen sollte. Als letztes griff sie nach ihrer Umhängetasche, in der sich die wichtigsten Heilkräuter und -tränke sowie Verbandszeug befanden.

    Sie trat aus ihrem Zimmer in den kleinen Flur und öffnete die Wohnungstür, die auf die Straße der Garküchen hinausführte. Auf der Schwelle blieb sie stehen. »Zwei Argental jetzt und drei, wenn ich deinem Kameraden geholfen habe.«

    Die Erfahrung hatte sie gelehrt, ihr Geld schon vorher zu verlangen. Konnte sie einem Patienten helfen, wurde sie oft zusätzlich belohnt, doch war die Behandlung langwierig oder gar erfolglos; gab es regelmäßig Streit um die Bezahlung.

    Shiniope zögerte, ehe sie einen schmalen, schmucklosen Armreif von ihrem Handgelenk zog. »Ich habe kein Geld. Nehmt Ihr dies als Pfand, bis ich Euch bezahlen kann?«

    Lycadia sah auf den silberglänzenden Armreif. Er war die geforderten fünf Argental vermutlich wert.»Einverstanden. «

    Sie eilten durch die leeren Straßen; vorbei an den dunklen Umrissen der mehrstöckigen Mietshäuser, die drohend wie schlafende Drachen über ihnen aufragten. Nur vereinzelt störten die Schreie eines hungrigen Säuglings oder die lustschweren Stimmen zweier Liebender die Stille der Nacht.

    Als Shiniope von der Hauptstraße in eine schmale Gasse abbog, erwachte Lycadias Misstrauen erneut. Verunsichert fragte sie sich, ob das Ganze nicht doch eine Falle war. Was, wenn Shiniope sie zu ihren Spießgesellen führte, die sie überfallen und versklaven wollten? In anderen Bezirken von Balan Cantara sicherlich, versuchte sie sich zu beruhigen, aber nicht hier in Basantia. Hier verschwindet niemand so einfach.

    Die Gasse endete an einem alten Lagerhaus. Shiniope sah sich rasch um, dann zog sie die Tür auf. Dunkelheit lauerte hinter dem Eingang, ein unangenehmer Geruch stieg Lycadia in die Nase.

    Sie griff in ihre Tasche und fasste nach einem Beutelchen Tarnaillenpulver,einem scharfen Gewürz, das in den Augen brannte und heftigen Niesreiz auslöste. »Das ist nicht der Goldene Luftwal«, sagte sie bestimmt.

    »Verzeiht mir.« Shiniope sah ihr in die Augen. »Ich habe Euch angelogen, weil ich befürchtete, Ihr würdet sonst nicht kommen.«

    Durch die offene Tür drang schmerzerfülltes Stöhnen. Lycadia merkte auf. Zwar hatte Shiniope ihr ein falsches Quartier genannt, aber dort drinnen brauchte wirklich jemand ihre Hilfe. Entschlossen trat sie über die Schwelle in die Dunkelheit.

    Der Gestank von Blut und Schweiß nahm ihr fast den Atem. Wo das Licht von Shiniopes Laterne auf den Boden fiel, konnte Lycadia dunkelrote Flecken erkennen, die unzulänglich von einer dünnen Schicht Sand verdeckt wurden. Hier hatte zweifellos ein Kampf stattgefunden.

    Aber wer gegen wen?, überlegte sie flüchtig, während sie Shiniope tiefer in das düstere Lagerhaus folgte, in dem unterhalb einer Zwischendecke ein paar zerschrammte Kisten und Fässer standen. Hinter diesen Behältern hatte die Kämpferin für ihren verletzten Kameraden ein notdürftiges Lager bereitet.

    Überrascht starrte Lycadia ihren Patienten an. Er war ein Leonir, ein Angehöriger jener Rasse, die böse Zungen als Löwenmenschen bezeichneten. Das erklärt, warum Shiniope gerade an unsere Tür geklopft hat, dachte sie. Wie ihre Ziehmutter Dha´veru gehörte sie zu einer Gruppe von Heilern – dem Cirkel der Klingenden Alazeeren –, die sich vor allem mit rassenübergreifenden Erkrankungen beschäftigte. Nur dass ich noch nie einen Leonir behandelt habe.

    Ohne sich ihre Unsicherheit anmerken zu lassen, kniete sie neben dem Verletzten nieder. Das ockerfarbene Fell, das seinen menschlichen Körper bedeckte, war struppig und verdreckt. Hellrote Abschürfungen und dunkle Prellungen überzogen seine Glieder, frisches Blut tränkte die behelfsmäßigen Verbände um Oberschenkel und Bauch. Es stand schlecht um den Leonir.

    »Ich bin Heilerin, mein Name ist Lycadia«, sagte sie mit ruhiger Stimme, die ihre Sorge nicht verriet. »Wie heißt du?«

    Der Verletzte wandte ihr sein Löwengesicht zu. Seine goldenen Augen blickten müde und verschwommen, dennoch brachte er ein verächtliches Schnauben zustande.

    »Sein Name ist Groarhach.« Shiniope entzündete eine weitere Laterne, die an einem Pfeiler der Zwischendecke hing. »Er ist stumm.«

    Lycadia nickte kurz. Soweit sie die Leonir kannte, war es besser, wenn sie ihr Mitgefühl für sich behielt. Sie wollte ihren Patienten nicht durch missverstandene Anteilnahme beleidigen.

    »Was ist passiert?«, fragte sie stattdessen. Ihr fiel auf, dass Groarhach noch sehr jung war,nicht lange dem Knabenalter entwachsen. Trotz der stark ausgeprägten Muskeln wirkten seine Arme und Beine noch jugendlich schmal und lang.

    »Er hat gekämpft.« Shiniope wies mit einem Nicken in den Hauptraum des Lagerhauses. Sie wollte weitersprechen, doch ein leises Grollen von Groarhach unterbrach sie.

    Lycadia runzelte die Stirn. Der Magnat von Basantia hatte alle Gladiatorenkämpfe außerhalb der Bezirksarena verboten, dennoch kam es immer wieder zu heimlichen Veranstaltungen mit hohen Wetteinsätzen, in denen freie Gladiatoren und Krieger gegeneinander antraten.

    Verärgert schlug die Heilerin ihre Tasche auf und legte ihre Sachen bereit. Alle Gladiatorenkämpfe, ob verboten oder erlaubt, widerten sie an. Niemals würde sie den Fuß in eine Arena setzen oder das Lob eines so genannten Helden des Sandes singen! Tag für Tag kämpf te sie um das Leben ihrer Patienten -da würde sie niemanden preisen, der für Geld tötete oder sich töten ließ.

    »Ich brauche frisches Wasser«, wandte sie sich an Shiniope. So sehr sie auch Gladiatoren und ihr blutiges Handwerk verabscheute, sie verweigerte keinem ihre Hilfe. In ihren Augen waren alle Patienten gleich.

    »Ich werde mich zuerst um deine Bauchwunde kümmern«, teilte sie Groarhach mit, nachdem Shiniope das Lagerhaus verlassen hatte, um am Brunnen Wasser zu holen. Sie streckte die Hand aus, um prüfend über das Fell des Leonir zu streichen.

    Das Gesicht eines Mannes blitzte vor ihren Augen auf. Dunkle Haare wehten im Halbdunkel des Raumes. Eine glänzende Klinge raste auf sie zu. Das Klirren von Stahl auf Stahl schallte in ihren Ohren, begleitet von lautem Gejohle und Gejammer. Der Gestank von Schweiß und Blut stieg in ihre Nase, ebenso der Duft von Safran, Cuinana und Kerhi.

    Als hätte sie sich verbrannt, zog Lycadia die Hand zurück. Sie schüttelte den Kopf, um die Bilder und Geräusche aus ihrem Geist zu vertreiben. Die Gerüche blieben, denn sie erfüllten die Luft des Lagerhauses.

    Lautlos seufzend schob Lycadia eine unbändige Locke unter ihr Stirnband zurück. Was gerade geschehen war, war nichts Ungewöhnliches. Jedes Mal, wenn sie einen Sterbenden berührte, überkam sie eine Vision der Ursache seines bevorstehenden Todes.

    »Gütige Satu, sieh gnädig auf diesen Mann herab«, betete sie leise. »Rette und schütze ihn.« Sie atmete tief durch und verschloss ihren Geist vor der unerwünschten Vision. Unbehelligt löste sie den Verband, unter dem eine lange, schmale Wunde zum Vorschein kam. Doch die Verletzung war weder lebensbedrohlich, noch schwer zu behandeln, wie Lycadia überrascht feststellte. Der Leonir drohte zu sterben, doch nicht an dieser Wunde. Es muss die andere sein, dachte sie mit steigender Unruhe. Was sollte sie jetzt zuerst tun?

    »Ich werde die Wunde nähen«, entschied sie. Vermutlich bedrohten beide Verletzungen zusammen Groarhachs Leben und mussten so schnell wie möglich versorgt werden, egal in welcher Reihenfolge. Sie sah Shiniope an, die mit einem Eimer Wasser zurückgekehrt war.» Hilfst du mir bitte?«

    Gemeinsam mit der Kämpferin verschloss sie die Wunde und legte einen neuen Verband an. Die Arbeit ging ihr leicht von der Hand, da sich Leonir und Menschen mehr im Aussehen und im Wesen unterschieden als bei der Behandlung von Schnittwunden.

    Nachdem die Bauchverletzung versorgt war,wandte sich Lycadia Groarhachs Bein zu. Sie löste den festen Verband. Blut schoss aus der Wunde, lief warm und klebrig über ihre Hände.

    »Renosterdung!« Hastig presste sie die Finger auf die verletzte Ader. Ihre Zuversicht verschwand schlagartig. Wenn sie jetzt einen Fehler machte, würde Groarhach unter ihren Händen verbluten.

    Aber vielleicht kam bereits jede Hilfe zu spät. Zweifelnd sah sie den Gladiator an, während sie erneut einen festen Verband anlegte. Eben noch hatte er sich mannhaft jeden Schmerzenslaut verbissen, jetzt war er einer Ohnmacht nahe. Sein Atem ging flach und der Puls war kaum zu fühlen. Groarhach hatte zu viel Blut verloren. Er war dem Tod geweiht.

    »Nein!« Lycadia ballte die rechte Hand zur Faust. Sie würde nicht tatenlos zusehen, wie ein Patient starb! Dha´veru wusste sicherlich Rat. Shiniope konnte zu der gemeinsamen Wohnung laufen ... und würde umsonst an die Tür klopfen. Siedend heiß fiel Lycadia ein; dass ihre Ziehmutter Dha´veru nicht zu Hause war. Kurz nach dem allabendlichen Regen war die Heilzauberin zu einem Patienten in einen anderen Bezirk gerufen worden.

    Aber Dha´veru ist nicht die Einzige, die zaubern kann, dachte Lycadia trotzig. Sie blickte von Groarhach zu Shiniope und wieder auf den Gladiator. Entweder konnte sie seine Wunden auf die übliche Art versorgen und zusehen, wie er starb. Oder sie unternahm selbst etwas. Dha´veru hatte sie nicht nur die Wirkung der verschiedensten Kräuter gelehrt, sondern auch eine Reihe von Zaubern. Zweifellos war nun die Zeit gekommen, dieses Wissen anzuwenden.

    »Während ich das nähe, wird er verbluten.« Sie sah Shiniope an. »Also werde ich ihm auf eine andere Art helfen. Du musst mir jedoch schwören, darüber Stillschweigen zu bewahren. Niemand darf jemals davon erfahren.« Sie bemühte sich um eine grimmige Miene. »Wenn einer von euch redet, werde ich alles abstreiten und euch beim Magnaten wegen unerlaubter Gladiatorenkämpfe anzeigen.«

    Erst überrascht, dann misstrauisch erwiderte die Kämpferin den finsteren Blick, bis sie schließlich nickte. Sie legte die rechte Hand auf den Griff ihres Schwertes. »Ich schwöre.«

    »Gut.« Lycadia atmete tief durch. Bis jetzt hatte sie ihre Fähigkeiten nur an verletzten Tieren erprobt; dies war das erste Mal, dass sie ihre Zauberkraft bei einem kulturschaffenden Wesen anwandte. Es wird nicht anders sein, sprach sie sich Mut zu. Ich werde die heilende Kraft des Humus rufen und damit Groarhachs Leben retten.

    Sie verschränkte die Beine zu einem lockeren Schneidersitz und entspannte sich. Ruhig atmete sie tief ein und aus, fühlte ganz bewusst, wie die Luft ihren Körper erfüllte und wieder verließ. Mit jedem Atemzug versank Lycadia tiefer in sich selbst. Ihr war,als tauche sie in einem warmen Sumpf, als glitte sie in weiche Erde hinunter. Sie schloss die Augen. Wohlige Dunkelheit hieß sie willkommen. Langsam hob sie die Hände und begleitete mit ruhigen Gesten den bedächtigen Gesang, der leise über ihre Lippen quoll. Ihre Hände wogten wie Baumkronen im Wind, sie fuhren hin und her, nach rechts und links, dann vor und zurück, hinauf und. hinab. Sie tanzten gemächlich zu ihrem Gesang, der immer langsamer und unverständlicher wurde. Die Worte wichen lang gezogenen Silben. Lycadia fühlte, wie sie mit jeder Bewegung mehr Magie rief, wie sich die Kraft des Elements Humus um sie sammelte. Ihre Haut prickelte, so als liefen tausend Käfer darüber hinweg. Die Magie hüllte sie ein wie ein wärmender Mantel. Er legte sich fester und fester um sie. Sie spürte seine Umarmung, die sie plötzlich nicht mehr beschützte, sondern erdrückte. Ihr die Luft abschnürte.

    Abrupt beugte sie sich vorwärts und legte die Hand auf Groarhachs verletzten Oberschenkel. Der Mantel aus Magie zerriss. Wie ein Erdrutsch brach die heilende Kraft des Humus aus ihren Händen und strömte in das verletzte Bein.

    Als Lycadia fühlte, wie der Fluss langsam schwächer wurde, löste sie die Berührung. Wenn sie an dieser Stelle der Zauberei nicht vorsichtig war,würde auch die eigene Kraft ihren Körper verlassen und sie würde Groarhachs Leben mit dem ihrigen bezahlen.

    Die Magie versiegte. Ihr Werk war vollendet. Lycadia atmete erleichtert auf.

    »Ihr seid eine Heilzauberin«, flüsterte Shiniope ehrfürchtig »Ich danke Euch, auch in Groarhachs Namen: Wir stehen tief in Eurer Schuld, Serra Lycadia.«

    Lycadia machte eine unwillige Geste. Der Ehrentitel stand ihr nicht zu. Dha´veru war eine echte Heilzauberin, kein adoptiertes Waisenkind mit einem bescheidenen Talent.

    »Ich bin weit davon entfernt«, sagte sie rau. Sie bemerkte, wie Shiniope auf das hellbraune Stirnband starrte, mit dem Lycadia ihre kurzen, dunklen Locken zurückhielt. Das Verlangen, sich nach Hause in die Geborgenheit ihres Zimmers zu flüchten, wurde übermächtig. Hastig sammelte sie ihre Gerätschaften ein. Ihre Aufgabe war erfüllt. Die Blutung war gestillt und die Elementarkraft des Humus würde den Tod fern halten, während die Wunde vollständig verheilte.

    »Sieh zu, dass er sich nicht bewegt«, wies sie Shiniope an. »Er braucht unbedingt Ruhe. Und viel Wasser.« Als sie sich erhob, wurde ihr leicht schwindelig. Nur noch rasch nach Hause, dachte sie benommen. Erschöpft verließ sie das Lagerhaus und eilte zu ihrer Wohnung zurück.

    Valorian rückte seinen Waffengürtel zurecht, so dass seine Machira weiter hinten an seiner rechten Hüfte hing. Das Schwert mit der lang gezogenen, tropfenförmigen Klinge hatte sich im Kampf gegen den Leonir bewährt. Mit wahrhaft einem Schlag hatte Valorian sein Geld vervielfacht, da er als einziger auf seinen Sieg gewettet hatte. Wer rechnete schon damit, dass ein einfacher Menschenkrieger gegen einen der gefürchteten Leonirgladiatoren gewänne!

    Der Krieger grinste. Von wegen unbesiegbar. Erstens wurden die Leonir von den meisten Menschen überschätzt und zweitens war sein Gegner jung und unerfahren gewesen; so ein richtiger Schlagfänger, den der Wechsel der Schwerthand völlig überrascht hatte. Nach diesem Sieg besaß Valorian jetzt das nötige Kleingeld, um eine Entlassungsmarke zu besorgen und sich endlich von dieser tausendfach verfluchten Tätowierung zu befreien.

    Er trat an eine Anlegestelle und winkte einem schmalen Fährboot. Es war zwar schon spät in der Nacht, aber die Flussarme zwischen den einzelnen Stadtbezirken waren noch befahren, wenn auch spärlicher als am Tage. Unter den mehr als vierhunderttausend Einwohnern von Balan Cantara gab es genügend lichtscheues Gesindel, aber auch viele ehrliche Angehörige nachtaktiver Rassen wie Neristu und Amaunir, so dass die Stadt niemals zur Ruhe kam.

    Er nannte dem Fährmann sein Ziel, gab ihm das verlangte Geld und wurde von dem vornehmen, ruhigen Basantia in den Bezirk der Neristu übergesetzt. Dort, auf dem felsigen Untergrund einer Landzunge, lebte das so genannte bleichblaue Volk, das lieber unter sich blieb und daher in Balan Cantara wie in allen Städten des Imperiums sein eigenes, reinrassiges Viertel bewohnte – den Nerenith.

    Valorian erreichte einen Marktplatz, der sich entsprechend den Vorlieben seiner Erbauer in einem unterirdischen Gewölbe befand. Zwischen den Stützpfeilern reihten sich die Marktstände aneinander, an denen die Händler Gewürze, Schmuck, Nahrungsmittel und andere Waren feilboten. Vereinzelte Laternen tauchten das Gewölbe in ein schwaches, graues Licht. Obwohl es hier von Kaufwilligen wimmelte, war es weit ruhiger als auf anderen Märkten. Die Neristu waren ein stilles Volk, still in ihrer Art und still in ihrer Arbeit, die nicht selten verbotenen Wegen folgte.

    An einem Marktstand mit betäubend duftenden Gewürzen blieb Valorian stehen. »Guten Abend«, grüßte er in Myranisch, der weit verbreiteten Handelssprache, »ich suche Jenoru, den Tätowierer.«

    Er zwang sich, nicht auf die vier Brüste der Marktfrau zu starren, die unter ihrer locker geschnürten Weste hervorblitzten. Mit ihren vier Armen, der graublauen Haut und den drei senkrechten Schlitzen, die sie statt Nasenlöchern hatten, faszinierten ihn die Neristu von allen Völkern Myranors am meisten. Sie waren so ganz anders als die tierähnlichen Amaunir und Leonir und viel interessanter als die menschlichen Bansumiter oder Vinshina.

    Für Augenblicke, die sich scheinbar ins Endlose dehnten, sah ihn die Nerista schweigend an. Unter ihrem Blick wurde Valorian unruhig. Wie um eine Erklärung zu geben, rieb er seinen nackten, linken Oberarm, wo knapp unter der Schulter die verachtete Tätowierung prangte.

    »Keilgasse. Drittes Haus. Erster Stock«, sagte die Frau unvermittelt. »Neben der Goldschmiede.« Obwohl sie keine Miene verzog, glaubte Valorian, einen belustigten Unterton gehört zu haben. Er bedankte sich und verließ den unterirdischen Marktplatz.

    Nach mehrmaligem Fragen fand er das dritte Haus in der Keilgasse und stieg in den ersten Stock hinauf, wo er ratlos an der Treppe stehen blieb. Das Innere des Gebäudes war ein düsteres Labyrinth aus Vorhängen, Wänden, Türen und Durchreichen. Wie sollte er Jenoru nur finden?

    Neugierige Blick streiften ihn, während er unschlüssig auf dem Treppenabsatz verharrte. Er spürte die Missbilligung der Bewohner ihm gegenüber, dem Fremden in ihrer Mitte. Plötzlich wünschte er,in einem anderen Bezirk zu sein, und wäre am liebsten umgekehrt. Aber er brauchte nicht nur eine neue Tätowierung auf seinem Oberarm, sondern auch eine Entlassungsmarke, die ihm nur ein verschwiegener Neristu besorgen konnte.

    Das helle Klingen eines feinen Hammers ließ ihn aufhorchen. Hatte die Marktfrau nicht gesagt, Jenoru wohne neben einer Goldschmiede? Valorian folgte dem glockenhellen Klang durch dunkle, verwinkelte Gänge, stieg erst ein paar Stufen abwärts, dann wieder aufwärts, musste einmal umkehren, da er in einer lichtlosen Sackgasse gelandet war,und erreichte schließlich einen Raum, der eine Goldschmiede beherbergte.

    »Seid gegrüßt«, rief er einem Neristu zu, den er im Dämmerlicht ausmachen konnte. »Wo finde ich Jenoru, den Tätowierer?«

    »Hinter dem Vorhang dort.«

    Valorian wandte sich nach links, wo in einer Türöffnung ein Vorhang aus Holzperlenschnüren vor neugierigen Blicken schützte. Als er die Schnüre zur Seite schob, verriet das leise Klappern der Holzperlen sein Eintreten. Er betrat einen schmalen Raum, der von mehreren Lampen für neristische Verhältnisse ungewöhnlich hell erleuchtet wurde. Seine Wände waren bunt bemalt, offensichtlich mit Motiven für Tätowierungen, von kleinen Schmuckbildern bis hin zu körperdeckenden Gemälden. Beherrscht wurde der Raum von einem Werktisch, auf dem Farbtöpfe, Tätowiernadeln, Kreidestifte und andere Gerätschaften standen. Der Künstler selbst trat gerade aus einer zweiten Türöffnung an der gegenüberliegenden Seite der Werkstatt.

    Valorian stutzte. Er kannte den Mann –

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