Kostbares Gemüse: Raritäten & Rezepte
Von Wolfgang Palme und Johann Reisinger
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Über dieses E-Book
Ob Blattzichorie, Kapuzinerbart oder Winterheckenzwiebel - mit Hilfe des Buches kann man Gemüsevielfalt nicht nur anbauen, sondern auch zu kreativen Speisen verarbeiten, die leicht nachzukochen sind und jede Mahlzeit besonders machen.
Dieses Buch führt Sie in die Welt von Gemüsespezialitäten, die so alt sind wie die Menschheit und gemessen daran erst seit Kurzem, vielleicht seit 50 Jahren, in Vergessenheit geraten sind.
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Buchvorschau
Kostbares Gemüse - Wolfgang Palme
Wolfgang Palme
Johann Reisinger
Kostbares
GEMÜSE
RARITÄTEN & REZEPTE
ISBN 978-3-99025-182-9
© 2015 Freya Verlag KG
Alle Rechte vorbehalten
A-4020 Linz
www.freya.at
Layout: freya_art, Daniela Waser
Lektorat: Dipl. Päd. Magdalena Fuchs
Coverbild & Rezeptfotos: Ulrike Köb
Ulrike Köb ist Fotografin in Wien. Ihr Spezialgebiet ist die Speise- und
Produktfotografie. Am liebsten arbeitet sie mit viel Liebe zum Detail an Kochbüchern mit.
30 Fotos in diesem Buch stammen von ihr. www.koeb.at
Fotos Gemüse: Wolfgang Palme
Foto S. 183, links oben: Mit freundlicher Unterstützung vom Verein Arche Noah.
Gemüse-Stillleben: Fotostudio Trizeps www.trizeps.com
© Fotolia: lohner63, Kadal, boonsom, posh, Bablo, Stefan Körber, Tim UR, arinahabich, Bill Ernest,
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Wikipedia: S. 145, rechts außen: Robert Lechner; S. 133, mittig: Joanbanjo
INHALT
Altes Gemüse, neue Genüsse
BLATTGEMÜSE
SALATE
Asia-Salate
Pak Choi (Senfkohl)
Rosetten-Pak Choi
Mizuna
Blattsenf
Rezept Gerührte Polentacreme mit Mizuna
Rezept Senfkohl-Hirse-Maki
Brunnen- oder Wasserkresse
Rezept Wasserkresse-Flan mit Erdäpfeln
Garten-Sauerampfer
Hirschhornsalat oder Kapuzinerbart
Malabarspinat oder Indischer Spinat
Perilla oder Schwarznessel
Echter Portulak oder Sommerportulak
Rezept Marinierter Portulak mit Marillen
Rucola oder Salatrauke
Salatzichorien
Rezept Blattzichorien-Omelette
Winterkresse oder Barbarakraut
Rezept Teigtascherln mit Winterkresse & Kürbis
SPINATE
Gartenmelde
Rezept Emmer-Risotto von Roter und Grüner Gartenmelde
Gemüse-Amarant
Grünkohl
Mangold
Rezept Mangold-Tarte
Spinatvielfalt
FRUCHTGEMÜSE
Andenbeere
Rezept Andenbeeren-Kaltschale
Gurken-Vielfalt
„Echte" Gurke
Schlangengurke
Schwammgurke
Bittergurke
Armenische Gurke
Wachsgurke
Kiwano
Antillengurke
Spitzgurke
Chayote
Cherrygurke
Rezept Kiwano-Gelee
Rezept Cherrygurken-Kompott
Kürbis-Vielfalt
Rezept Gebratener Hokkaido
Paprika-Vielfalt
Rezept Paprika-Chili-Marmelade
Rezept Paprikaquiche
Tomaten-Vielfalt
Rezept Tomaten-Frischkäse-Schnitten
Rezept Gesulzte Tomaten
Tomatillo
Zuckermais
Zuckermelone
Rezept Netzmelone mit Schwarzhafer
HÜLSENFRÜCHTLER
Feuerbohne
Rezept Käferbohnen-Sorbet
Spargelbohne
Zuckererbse
Rezept Erbsen-Palatschinken
WURZEL- UND KNOLLENGEMÜSE
Erdmandel
Rezept Erdmandelmilch
Haferwurzel
Rezept Haferwurzel-Nudel-Auflauf
Knollenfenchel
Rezept Fenchel im Backteig
Knollenziest
Kohlrübe oder Steckrübe
Rezept Rüben-Erdäpfelpuffer
Pastinak
Rezept Pastinaken-Mousse
Schwarzwurzel
Rezept Marinierte Schwarzwurzeln
Speiserübe
Rezept Weißes Rübenchutney
Süßkartoffel
Topinambur
Zuckerwurzel
Rezept Zuckerwurzelcreme
ZWIEBELGEMÜSE
Schnittknoblauch
Rezept Schnittknoblauch-Bohnen-Aufstrich
Winterheckenzwiebel
STIELGEMÜSE
Cardy
Meerkohl
Stangensellerie
Rezept Stangensellerietartar mit Lachsforelle
Samenbezugsquellen
Über die Autoren
Die City-Farm Schönbrunn
Alle Rezepturen für 4 Personen
ALTES GEMÜSE,
NEUE GENÜSSE.
Sie klingen schon sehr ähnlich, die Worte „Gemüse und „Genüsse
– kann es sein, dass sie also eng verwandt sind, vielleicht sogar Zwillinge?
Wir als Autoren dieses Buches sind davon fest überzeugt! Und glauben, dass Produzenten, Köche und Konsumenten alle diese Genüsse erst dann entdecken werden, wenn sie den Grauschleier, der über diesem alten Wort „Gemüse" liegt (mittelhochdeutsch gemüese von mus = gekochter Brei), vertreiben und sich die ganze Pracht, Vielfalt und Vitalität von Gemüse zum Mund und vor allem auch zu Herzen führen.
Dieses Buch führt Sie in die Welt von Gemüsespezialitäten, die so alt sind wie die Menschheit und gemessen daran erst seit Kurzem, vielleicht seit 50 Jahren, in Vergessenheit geraten sind. Es führt Sie aber auch in die Welt von Arten, die man nur bei uns nicht kennt und die woanders enorm wichtig sind und vielgenutzt. Und so wie es zu diesem Vergessen gekommen ist, können wir das Gemüse diesem auch wieder entreißen, wir sind an die räumliche und zeitliche Enge modernen Gemüsehandels und alltäglicher Esskultur nicht gebunden – alles war einmal ganz anders und es kann immer wieder anders werden.
Alle hier vorgestellten seltsamen, originellen, eigenartigen, verrückten, verkannten und vielversprechenden Gemüse wurden auf den Lehr- und Versuchsflächen der Forschungsanstalt Schönbrunn und vor allem an der Versuchsaußenstelle Zinsenhof angebaut. So konnten wir sie von der Keimung bis zur Ernte kennen lernen, beobachten, bewerten, prüfen, dokumentieren. Und sie wurden dann von einem der bemerkenswertesten Köche dieses Landes zum kulinarischen Leben erweckt, der mit mir zusammen die Gemüseserie der Schönbrunner Seminare gegründet hat – von Johann Reisinger. Der gebürtige Steirer gilt als Pionier der Natürlichen Küche und hat eine einzigartige Philosophie des Kochens entwickelt: Er fügt Lebensmitteln nichts hinzu, sondern er fügt Lebensmittel auf eine Art zusammen, dass sie „Erlebens-Mittel" werden. Das ist seine radikal natürliche Küche – und wenn Sie die Rezepte in diesem Buch nachkochen, dann werden Sie feststellen, was für eine reiche, genussvolle und immer gesunde Küche das ist.
Unsere Zusammenschau von gartenbaulicher Herkunft und kulinarischer Bestimmung ergänzt sich auch deshalb so reizvoll, weil sie einen ganzheitlichen Zugang zu Gemüse ermöglicht, der in unserer spezialisierten Welt verloren gegangen ist. Die vorliegende Auswahl ist keineswegs als abgeschlossen zu betrachten. Doch die hier beschriebenen kann ich mit Überzeugung als kost-bar bezeichnen. Ihr Wert ergibt sich aus der Form, der Farbe, dem Wuchs und vor allem dem Geschmack.
Kommen Sie nun mit auf eine Weltreise
der faszinierenden Vielfalt von Gemüse!
Wolfgang Palme & Johann Reisinger
ASIA-SALATE
PAK CHOI, TATSOI, MIZUNA
UND BLATTSENF: FASZINIERENDE
VIELFALT AUS FERNOST
ASIEN IM TREND
Asia-Salate, Japanese Greens oder Wokgemüse: Solche Schlagworte haben längst Einzug in Kochjournale, -büchern und Rezepte gefunden. Meist ist allerdings immer noch nur ein verschwommenes Wissen über die damit angesprochenen Gemüsearten vorhanden. Asien liegt nach wie vor im Trend, das bestätigen Zukunftsforscher und Meinungsbildner. Die botanische Vielfalt der Gemüsenutzung in den Ländern des Fernen Ostens beginnen wir im Westen allerdings erst zu ahnen. Während Gemüse bei uns leider immer noch ein Tellerrand-Dasein führt, ist es in Asien zentraler Bestandteil der täglichen Ernährung.
WEIT VERZWEIGTE
KOHLVERWANDTSCHAFT
Besondere Bedeutung in der asiatischen Küche kommt sicherlich der Familie der Kreuzblütler zu. Weißkraut, Kohl, Kohlrabi, Karfiol: das sind die Kohlgemüse, wie wir sie im Westen kennen und schon seit langem anbauen und verwenden. Aber kennen Sie Senfkohl, Mizuna oder Tah Tsai? Die ohnehin schon erstaunliche Vielfalt der Kohlgemüse erfährt noch neue Dimensionen, wenn man einen Blick in den Fernen Osten macht. Über Hunderte von Jahren sind dort Sorten und Arten entstanden, die bei uns gänzlich unbekannt sind, ja deren Namen wir kaum aussprechen können.
Viele davon sind botanisch der Art Brassica rapa zuzurechnen, dem wilden Rübsen oder Feldkohl, der eigentlich europäischen Ursprungs ist. Diese unscheinbare, gelb blühende Pflanze tritt bei uns immer wieder als Ackerunkraut auf. Während man in Europa aus dem Rübsen die Speiserübe entwickelte, zielte die bäuerliche Züchtung in Fernost auf eine Blattnutzung der Pflanze ab. Eine faszinierende Fülle an verschiedenen Blattgemüsen wurde daraus entwickelt. Die genetische Breite dieser Kohlverwandten ließ das zu. Zusätzlich kam es zu Bastardierungen mit verwandten Arten, die die Vielfalt noch vergrößerten.
Testung von Asia-Salaten an der Versuchsstation Zinsenhof
Pak Choi als Baby-leaf
Erdfloh-Befall
VON OST NACH WEST
Der erste Asia-Salat, der bereits nach dem Krieg bei uns Fuß fassen konnte, ist der Chinakohl. Er wurde auf Grund seiner Raschwüchsigkeit und guten Lagerfähigkeit zum typischen Herbst- und Wintersalat in Mitteleuropa. In Österreich ist er aus den traditionellen Anbaugebieten in der Steiermark nicht mehr wegzudenken. Im Lebensmittelhandel hat er allerdings zunehmend mit Imageproblemen zu kämpfen.
Kaum bekannt ist, dass Chinakohl in den Ländern des Fernen Ostens nicht roh, sondern ausschließlich leicht gekocht verzehrt wird. Auch sind die uns bekannten kopfbildenden Sorten nur ein kleiner Teil der Sortenvielfalt Ostasiens. Dort gibt es Chinakohle mit halb geschlossenen Köpfen und auch solche, die nur offene Blattrosetten bilden. Aus dieser Fülle von Sorten haben nur die länglichen, sogenannten Granat-Typen und die breitrunden Nagaoka-Typen den Sprung in den Westen geschafft.
ASIA-SALATE IM HAUSGARTEN
Das Anbaugebiet der Asia-Salate in Fernost ist riesengroß. Einige dieser asiatischen Kohlverwandten sind an die Kultur unter tropischen oder subtropischen, vor allem äquatornäheren Klimabedingungen angepasst, wo die Tageslängen im Jahresverlauf geringere Unterschiede aufweisen als bei uns. Sie lassen sich in unseren Hausgärten kaum sinnvoll anbauen. Es gibt aber eine Vielzahl an schnellwüchsigen, anspruchslosen Sorten und Typen, die in unseren Gärten eine spannende Bereicherung des Salatsortiments bieten. Lediglich zwei Problembereiche sind zu beachten:
Das Schossen: Während der Sommermonate neigen einige Asia-Salate zur vorzeitigen Blütenbildung. Das hängt mit ihrer noch ungenügenden klimatischen Anpassung an die mitteleuropäischen Licht- bzw. Tageslängenverhältnisse zusammen. Saatzuchtfirmen versuchen, tagneutrale Sorten zu selektieren, die dann weitgehend schossfest sind. Man kann die Salate auch im zarten Baby-leaf-Stadium mit einer Blattlänge von 6–8 cm ernten, bevor sie durchwachsen. In der englischsprachigen Literatur ist von Micro-leaf-, Baby-leaf-und Teen-leaf-Salaten die Rede.
Die Erdflöhe scheinen Asia-Salate zu lieben. Im Hausgarten lassen sie oft alles andere liegen und stehen, wenn sie an den jungen Blättern asiatischer Kohlgewächse knabbern können. Das erfordert ein aufmerksames Beobachten vor allem in den ersten Kulturwochen, die Verwendung einer Mulchschicht oder eventuell ein Abdecken mit feinmaschigen Insektenschutznetzen gleich nach der Aussaat. Noch sinnvoller ist es allerdings, den Frühsommer, wo der Befallsdruck am höchsten ist, als Anbauzeit überhaupt zu meiden. Bei einer Aussaat ab August löst sich dieses Problem meist von selbst.
Allen Asia-Salaten gemeinsam sind ihr extrem rascher Wuchs und ihre außergewöhnliche Kältetoleranz. Obwohl ihnen in den gemüsebaulichen Lehrbüchern nur eine Frosthärte von -3 bis -5 °C zugestanden wird, haben Anbauversuche gezeigt, dass sie in ungeheizten Frühbeetkästen oder Hobbygewächshäusern bis -15 °C vertragen. Die Blattrosetten liegen dann zwar flach auf dem Boden und sehen sehr glasig aus, aber nach langsamem Auftauen der Blätter werden diese wieder frisch und unverletzt. Wichtig ist nur der Hinweis, dass gefrorene Salatblätter nicht gedrückt oder mechanisch belastet werden dürfen. Dann zerstören nämlich Eiskristalle das zarte Blattgewebe, was Schwarzverfärbungen und „Matschigwerden" zur Folge hat. Die Herbst- und Wintersätze im Hobbygewächshaus werden ab Ende September alle 14 Tage bis Mitte November ausgesät. Je nach Witterungsverlauf erntet man dann ab Anfang November bis über den Winter. Novemberaussaaten werden erst im zeitigen Frühjahr erntereif. Über den Winter bei kalten Temperaturen steht das Pflanzenwachstum, die Salate bleiben mehrere Wochen erntefertig.
Für eine frostfreie Ernte sind sonnige Wintertage ideal. Falls aber trübe Temperaturen ein Auftauen tagsüber verhindern, muss sehr vorsichtig geerntet werden. Im Zimmer kann man die Salate in Ruhe auftauen lassen, erst dann werden sie verarbeitet.
Selbst im Freiland kann man mit Asia-Salaten während des Winters experimentieren. Ein doppelt aufgelegtes Vlies bietet etwas Kälteschutz und erlaubt doch einen Luftaustausch, der für eine gesunde Kultur so wichtig ist. Bei Flachfolienabdeckung muss deshalb für ausreichend Belüftung gesorgt werden.