Erziehen mit Xenia Frenkel (Eltern family Guide)
Von Xenia Frenkel
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Über dieses E-Book
Als vierfache Mutter, die als junge Studentin ihr erstes Kind bekam und mit 43 zum ersten Mal Großmutter wurde, konnte sie feststellen: Um Kinder ins Leben zu begleiten, muss man sich damit abfinden, erwachsen zu sein. Und: Die beste Erziehung ist Liebe, das beste Rüstzeug für die Zukunft sind Vertrauen und Bildung.
Xenia Frenkels gesammelte Kolumnen sind das beste Rüstzeug für uns Eltern!
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Buchvorschau
Erziehen mit Xenia Frenkel (Eltern family Guide) - Xenia Frenkel
Impressum
Verlag:
Gruner + Jahr AG & Co KG
Verlagsgruppe München
Weihenstephaner Str. 7
81673 München
Chefredakteurin: Marie-Luise Lewicki (v.i.S.d.P.)
ISBN 978-3-652-00267-7
INHALT
Lust auf Verantwortung: Was Eltern wissen wollen
1. Welche Erziehung passt zu mir?
2. Mama raucht. Oder: Wie vollkommen muss man sein?
3. Respekt!
4. Bei uns nicht! Andere Familien, andere Sitten
5. Nimm’s leicht! Wie Mütter entspannter werden
Auf dem Weg ins Leben: Was Kinder brauchen
1. Freiland-Küken: loslassen und Halt geben
2. Nicht alles ist möglich!
3. Disziplin, aber wie?
4. Trost für traurige Kinder
5. Falsche Freunde und der richtige Umgang
6. Trennungen helfen zu wachsen
Lieben und streiten: Was im Familienalltag hilft
1. Wider das schlechte Benehmen
2. Raus mit der Sprache
3. Geschmacksfragen
4. Du verstehst mich nicht!
5. Bitte recht freundlich
6. Schluss mit der Bedienung!
7. Mamas gutes Recht
Kinder gehen alle an: Wo die Gesellschaft gefragt ist
1. Vom Kinderrecht auf Lärm und Schmutz
2. Mehr Gerechtigkeit für Jungen
3. Bin ich schön?
4. Erziehen ohne Verbote
LUST AUF VERANTWORTUNG: WAS ELTERN WISSEN WOLLEN
1. Welche Erziehung passt zu mir?
Es gibt nicht nur eine richtige Erziehungsmethode, sondern für jedes Kind eine, die zu ihm und seinen Eltern passt. Ein Plädoyer für Vielfalt, Individualität – und Liebe
Da ist er, „El Nino, wie ihn die Eltern liebevoll nennen, kaum zwei Tage alt, schlummert er im Arm seiner Mutter, Familie und Freunde gratulieren. Ein neues Leben, wunderbar und geheimnisvoll, alle sind ganz andächtig. Nur nicht „El Ninos
Tante Stella. Die ist vor sechs Monaten zum dritten Mal Mutter geworden und hat sofort gesehen, dass hier was nicht stimmt. El Nino liegt auf der falschen Seite. „Neugeborene müssen den Herzschlag der Mutter spüren, sagt sie. „Nimm den Kleinen in den linken Arm.
El Ninos Mutter ist es nicht gewohnt, Befehle entgegenzunehmen, aber jetzt gehorcht sie. Das mit der Herzseite hätte sie wissen müssen, meint Tante Stella später noch, es stehe schließlich in jedem Ratgeber. Autsch. Die Psychotherapeutin Harriet Lerner hat einmal gesagt, dass man eines sofort lernt, wenn man Mutter wird: Schuldgefühle zu haben. Dafür sorgen Leute wie Tante Stella, die immer genau wissen, was richtig und was falsch ist. Es ist ja auch kinderleicht, Kinder zu erziehen. Sofern es sich um die Kinder anderer Leute handelt. Beim eigenen Kind sieht das anders aus. Das liegt daran, dass es ganz anders ist als die Kinder anderer Leute.
Seit grob geschätzt 6000 Jahren sind Menschen damit beschäftigt, für diese komplizierte und rätselhafte Sache „Erziehung Grundsätze aufzustellen. Mittlerweile gibt es zu jeder Frage und zu jedem Problem eine Vielzahl nicht selten sich widersprechender Ansichten, und jede wird von einem Experten im Brustton der Überzeugung vorgetragen. Und anders als beim Thema Gentechnik ist in Erziehungsfragen jeder Experte. Auch Menschen, die diese kleinen Wesen nur aus dem Werbefernsehen kennen. War denn nicht jeder mal Kind? „Außerdem muss man auch niemanden umgebracht haben, um einen Krimi zu schreiben
, meint meine kinderlose Freundin Sandra. Angesichts dieser Situation möchte man Eltern zurufen: „Macht doch, was ihr wollt! Aber das geht nun gar nicht. In Erziehungsfragen gibt es strenge Moden. Derzeit ist ein „autoritativer, ressourcenorientierter
Stil angesagt. Der bedeutet: Eltern orientieren sich an den Grundbedürfnissen ihres Kindes, setzen auf Förderung seiner Fähigkeiten und lenken unerwünschte Verhaltensweisen in die richtigen Bahnen. Dagegen ist nichts einzuwenden. Vorausgesetzt, man hat nicht die Erwartung, dass diese Methode besser oder erfolgreicher ist als, sagen wir mal, der etwas hippiemäßige Erziehungsstil, den die Eltern der heutigen Eltern praktiziert haben. Konsequenzen hießen damals noch Strafen und waren als autoritär verpönt, Kinder hatten alle Rechte und durften sich ziemlich frei entfalten. Vermutlich war das nicht gemeint, aber manche machten einfach, was sie wollten. Meine älteste Tochter Maximiliane, Mutter von vier Kindern, schüttelt regelmäßig den Kopf darüber, dass sie im Engelskostüm in die Schule gehen durfte. Sie durfte auch ihre Schularbeiten in der Hängematte machen und, Lehrer bitte weghören, manchmal sogar Schule schwänzen, weil sie so schön mit ihren kleinen Geschwistern spielte. „So was gibt es bei uns nicht, Mama", sagt Maxi streng.
Selbstverständlich nicht. Sie ist nicht nur eine wunderbare, sondern auch eine kluge Mutter. Trotz meiner Hippie-Erziehung. Auch die mittlerweile fünf erwachsenen Kinder meiner Freundin Angelina machen sich als Eltern ganz gut. Die wurden selbst streng katholisch erzogen, was vor 15 Jahren äußerst misstrauisch beäugt wurde. So wie vor 80 Jahren mein Großvater, als er sich weigerte, seinen Sohn zu verdreschen.
Ein Sportreporter, dessen Namen ich leider vergessen habe, hat einmal gesagt: „Das ganze Leben ist ein Glückspiel, und die Chancen stehen acht zu fünf. Das gilt erst recht für die Kindererziehung. Es gibt kein Rezept, das hundertprozentig funktioniert. Das ist den meisten Eltern klar, trotzdem setzen sie sich oft gegenseitig unter Druck. Man braucht nur, wie unlängst eine Freundin, zu erwähnen, dass der zwölfjährige Sohn trotz passabler Noten nicht aufs Gymnasium, sondern auf die Realschule geht. „Hast du mal an seine Zukunft gedacht?
war noch das harmloseste, was sie zu hören bekam. Eine Stunde wurde sie von drei besorgten Müttern in die Zange genommen, bis sie kurz davor war, zu kapitulieren, obwohl Milan auf der Realschule gut aufhoben ist. Strenge Vorgaben gibt es auch bei der Freizeitgestaltung. Wehe, man findet es in Ordnung, dass ein Kind nicht den geringsten Wunsch verspürt, ein Instrument zu lernen und Sport zu machen. Wo doch jeder weiß, wie wichtig das für die Entwicklung ist. Das ist es. Wenn ein Kind Freude daran hat und wie Ruben Saxofon und Fußball als Bereicherung erlebt. Maxi waren Sportvereine ein Gräuel, und Leonie machte Musik, indem sie die Play-Taste ihres Kassettenrekorders drückte. Ich hätte eine Menge Geld und Nerven sparen können, wenn ich nicht der Idee angehangen wäre, wonach Instrumentalerziehung und Sport zu den „Musts" einer guten Erziehung gehören. Mehr Mut zum eigenen Weg, sie gehören es nicht. Es muss auch nicht jedes Kind Bionade trinken und in einen zweisprachigen Kindergarten gehen. Was mich an dem eben beschriebenen Mainstream am meisten stört, ist der Umstand, dass eine Reihe von Kindern ausgeschlossen wird, nämlich die, deren Eltern weder die nötige Zeit noch die Energie und das Geld für derartige Fördermaßnahmen haben.
Sehr bedenklich finde ich auch, dass durch starre Vorstellungen von „guter Erziehung Kontakte und Freundschaften zwischen Kindern aus unterschiedlichen Milieus, Religionen und Kulturen immer schwieriger werden. Selbstverständlich hat niemand etwas gegen Migrantenkinder, nur sollen sie, bitte, in einen anderen Kindergarten und eine andere Schule gehen. Dabei ist der Austausch mit Familien, die einen anderen Background haben, eine Bereicherung. Als ich einmal ziemlich ratlos war, wie ich mit den sich steigernden Trotz- und Wutanfällen meiner damals zwei Jahre alten Tochter Paulina umgehen sollte, riet mir unsere vietnamesische Blumenverkäuferin, Mutter von zwei Kindern: „Sagen, Sie verjagen kleinen Dämon, der quält.
Paulina hat große Augen gemacht, als ich ihr erklärte, dass ich den wilden Wutz jetzt fangen und einsperren würde. Als sie kurz darauf wieder ausflippen wollte, habe ich sie beruhigt: „Der bellt nur ein bisschen, der hört gleich wieder auf. Es hat funktioniert. Meine italienische Freundin Teresa, Mutter von einer Tochter und zwei Söhnen, hat mich von meiner Fernseh-elektronisches-Kinderspielzeug-Phobie geheilt. Bei ihr lief die Glotze sogar in der Küche, und ihre Kinder hatten jedes Elektro-Computer-Spielzeug, das der Markt anbot. Ich habe daraufhin unsere Fernsehregel nicht außer Kraft gesetzt, aber gelockert. Aus den drei kleinen Italienern sind übrigens warmherzige, kontaktfreudige und blitzgescheite Menschen geworden. Wie man sieht, gedeihen Kinder in der Regel „trotzdem
. Das sollte Mut machen, jenseits des Mainstreams selbstbewusst eigene Wege zu gehen und die Erziehung zu praktizieren, die zu einem selbst und zu seinem Kind passt. Frau Grün-Grämlich backt für ihre Kinder Dinkelbouletten? Super, schicken Sie Ihr Kind rüber und lassen Sie sich später eine mitbringen. Dafür nehmen Sie den Sohn von Grün-Grämlichs mit dem Auto zur Schule mit, wenn es schneit. Es gibt auch keinen Grund, sich über Familie Sorglos zu mokieren, weil Frau Sorglos knappe Röcke trägt und ihren Kindern erlaubt, den Sonntag im Bett zu verbringen und alle Folgen von Zack & Cody anzuschauen, statt wie Familie Schlau-Meier ins Naturkundemuseum zu gehen. Schließlich waren die Sorglos-Kinder die einzigen, die mit den Kindern von Familie Merk-Würdig gespielt haben.
Es gibt viele Wege nach Rom und weder einen Grund, andere zu kritisieren, noch einen, sich zu verbiegen. Wenn man so gutmütig, nachgiebig und verschusselt ist wie mein Freund Curt, Vater von drei Söhnen, wird man ohnehin nie so konsequent, klar und strukturiert sein, wie es die autoritative, ressourcenorientierte Erziehung vorsieht. Wozu auch? Curts Söhne tanzen ihrem Vater auch nicht mehr auf der Nase herum als andere Kinder. Außerdem haben Kinder ein Gespür für „falsche" Töne. Wenn der sanfte Curt doch mal etwas lauter wird, weil seine Frau meint, er müsste endlich mal durchgreifen, kichern seine Söhne hinter vorgehaltener Hand. Sie wissen, dass das Gepolter nichts bedeutet, denn sie kennen ihren Vater genauso gut wie der sie.
Damit Kinder gedeihen, braucht es weniger ausgefeilte Erziehungsmethoden, es braucht Liebe. Und die hat verschiedene Gesichter. Wer ein eher kühler Typ ist, wird nicht so oft mit seinem